PhilosophiePhilosophie

04 2009

Markus Christen :
Experimente in der Ethik

Die klare Trennung zwischen dem Normative und dem Faktischen gehört zum Selbstverständnis vieler Ethikerinnen und Ethiker. Diese Unterscheidung betrifft nicht nur argumentationslogische (Sein-Sollens-Fehlschluss, David Hume) und sprachanalytische (naturalistischer Fehlschluss, George Edward Moore) Aspekte, sondern findet ihren Widerhall auch im alltäglichen wissenschaftlichen Arbeiten. In der Dreiteilung deskriptive Ethik, normative Ethik und Metaethik würde sich wohl die große Mehrzahl der Ethiker in letzteren beiden Bereichen angesiedelt sehen, während die deskriptive Ethik – verstanden als eine „Beobachtungswissenschaft“, umgesetzt von Ethnologen, Moralpsychologen etc. – lediglich Hinweise über faktisch vorhandene Moralsysteme liefert, die die normative Arbeit auf einem oft nicht weiter spezifizierte Weise „informiert“.

Einmal abgesehen davon, dass diese Differenzierung der Geschichte der ethischen Theoriebildung nicht gerecht wird (siehe das nachfolgende Interview mit Kwame Anthony Appiah), so ist in jüngerer Zeit ein vermehrtes Interesse an einer so genannten „experimentellen Ethik“ beobachtbar: Forscher mit philosophischer Ausbildung (vorwiegend aus dem angelsächsischen Sprachraum) führen mit Probanden „ethische Experimente“ durch, um die dabei gewonnenen Informationen (auch) für ihre normative Theoriebildung zu nutzen. Derart gewonnene „Daten“ sind von Beobachtungsstudien (z.B. gewonnen in Form von Umfragen) oder Gedankenexperimenten (mittels Dilemmas, siehe unten) zu unterscheiden, da Experimente (im Sinn eines „Experimentalsystems“, Hans-Jörg Rheinberger) ein ungleich größeres Potential haben, den Gegenstand der Erkenntnis zu formen.

Dieser Beitrag untersucht die Nutzung ethischer Experimente, indem der Gegenstand solcher Untersuchungen und typische Anwendungen aufgezeigt werden. Diese Forschungen können als Teil einer größeren Entwicklung in der Ethik insgesamt angesehen werden: einer zunehmenden Hinwendung zu empirischen Aspekten der Ethik (empirical ethics, Bert Musschenga). Die Bemühungen zur Vernetzung solcher Forschungen findet unter anderem seinen Ausdruck im kürzlich erschienenen Dreibänder „Moral Psychology“ von Walter Sinnott-Armstrong, der vorab Arbeiten amerikanischer Forscher vereint.

Moral agency als Forschungsgegenstand

Ein empirischer Zugang zur Ethik muss vorab klären, was ihr Erkenntnisgegenstand ist. Im umfassenden Sinn dürfte dies moral agency sein, die hier so verstanden wird, dass ein Verständnis des folgenden Satzes erreicht werden soll:

X ist aufgrund der Fähigkeiten {Yn} im Kontext K ein moral agent.

Dieser Satz zeigt die Komplexität des Unterfangens, eine Theorie von moral agency zu entwickeln, indem jeder unterstrichene Satzteil auf miteinander verknüpfte Folgefragen verweist:

- X: Welche Entität X soll als moral agent klassifiziert werden können? Diese Frage hat eine ontogenetische (ist ein Säugling bereits ein moral agent?), phylogenetische (sind gewisse Primaten moral agents?), pathologische (sind Demenzkranke noch moral agents?) und quantitative Dimension (sind Kollektive moral agents?).

- Fähigkeiten: Welche Fähigkeiten {Yn} sind als notwendig bzw. hinreichend zu bezeichnen? Inwieweit sind dies Fähigkeiten, über die X bewusst verfügt bzw. die er (oder andere, z.B. via Moralerziehung) entwickeln kann? Inwieweit sind gewisse Fähigkeiten durch andere kompensierbar? Was ist der biologische Marker dieser Fähigkeiten?

- Kontext: Wie sehen die strukturellen und zeitlichen Komponenten des Kontextes aus, in denen der moral agent agiert? Zu thematisieren sind beispielsweise der Zwangscharakter bestimmter Handlungssituationen oder die Genese eines Handlungskontextes.

- moral: Wodurch ist die Moralität der jeweiligen Handlungssituation charakterisiert (z.B. welche Normen sind involviert)? Inwieweit muss X über diese Charakteristika verfügen können? Welche Begründungsstärke verlangt die jeweilige Handlung von X? Inwieweit ist „normative Kreativität“ erlaubt – also das Einbringen neuer moralischer Charakteristika (z.B. Normen) durch X?

- agency: Wann wird ein Verhalten zu einer Handlung? Welchen Stellenwert haben hier Konzepte wie Willensfreiheit?

Zweifellos kann die Vielzahl dieser Fragen nie gemeinsam angegangen werden. Empirische Untersuchungen fixieren einige dieser „Parameter“, um andere zu bestimmen. In der Regel werden X (gesunde Menschen oder Personen mit spezifischen Hirnschäden als Versuchspersonen) und moral (z.B. durch die Festlegung des moralischen Stimulus) festgelegt, während {Yn} und agent (also z.B. das konkrete Verhalten) die „Messvariablen“ sind. Die Kontexte werden je nach Studie definiert oder thematisiert.

Methodische Grundschwierigkeiten

Die empirische Erfassung von moral agency ist angesichts der Komplexität des Phänomens keineswegs trivial. Sie ist insbesondere mit dem Erfordernis verbunden, dass die Erfassung des Phänomens mit inhaltlichen Festlegungen im Hinblick auf das Moralsystem verbunden ist, anhand deren die Handlungen des moral agent bemessen werden soll. Dies ist insofern schwierig, weil sowohl definiert werden muss, welche Inhalte (beispielsweise: welche Normen) denn nun die Kernelemente des Moralsystems bilden sollen, als auch sich moral agency nicht notwendigerweise darin erschöpft, ob und bis zu welchem Grad der agent diesen Kernelementen folgt. So könnte gerade die begründete Ablehnung gewisser Normen (beispielsweise aufgrund gewandelter Kontexte) moral agency auszeichnen, so dass der Umgang mit diesen inhaltlichen Festlegungen ebenfalls Gegenstand des empirischen Interesses sein soll. Grundsätzlich gesehen kann deshalb sowohl die „Moralität“ des moral agent (inwiefern erfüllt der agent die Erfordernisse eines – mittels deskriptiver Ethik definierten – Moralsystem einer bestimmten Gesellschaft?) als auch seine „Ethizität“ (wie stellt sich der agent zu diesem Moralsystem?) Gegenstand einer „Moral-Messung“ sein. Eine umfassende Untersuchung müsste beide Aspekte erfassen. Dies stößt bei empirischen Studien aber sofort auf die Schwierigkeit, dass die Versuchsanordnungen schnell schwer beherrschbar werden und zu viele freie Parameter enthalten, so dass das Experiment keine klare Aussage mehr erlaubt.

Methoden zur empirischen Bestimmung von moral agency müssten demnach Festlegungen sowohl hinsichtlich der Inhalte des Moralsystems als auch hinsichtlich des Umgangs mit diesem Moralsystem treffen. Eine gängige Strategie der Vereinfachung besteht darin, moralische Inhalte zu wählen, die möglichst unstrittig sind und in Kontexten präsentiert werden, die eine klare Interpretation zulassen – also beispielsweise ein Szenario, in dem Unschuldige bewusst und mit bösartiger Absicht verletzt oder getötet werden. Hier lässt sich aber fragen, inwieweit derart gewonnene Erkenntnisse über moral agency Auskunft darüber geben, wie moral agents sich gegenüber ethischen Fragen verhalten, die in aktualen Gesellschaften diskutiert werden – also auf Fragen, die oft keine eindeutige Antworten kennen und gerade deshalb strittige Fragen sind.

Diese Überlegungen eröffnen ein breites Spektrum an Fragen, die hier nicht weiter erörtert werden können. Festzuhalten ist, dass Methoden empirischer Moralforschung nicht auf Festlegungen moralischer wie ethischer Art verzichten können und die Kritik an bestimmten Methoden oft auf die Zulässigkeit dieser Festlegungen zielt. Nachfolgend wird anhand dreier methodischer Ansätze aufgezeigt, welche Festlegungen getroffen werden.

Absolute Moralskalen

Ein klassisches Verfahren zur Bestimmung von (Teilaspekten von) moral agency ist das Stufenmodell von Lawrence Kohlberg. Diese in den 1960er Jahren entwickelte Methode kann auf eine breite Rezeption zurückblicken und wird in den heutigen Studien meist kritisch betrachtet und eher selten angewendet.

Man kann die Methode so verstehen, dass eine absolute Moralskala (die Stufen 1-6) vorausgesetzt wird, wobei zusätzlich postuliert wird, dass diese Stufen während der Ontogenese eines moral agent in einer festen Sequenz durchlaufen werden, bis der agent auf einer bestimmten Stufe verharrt. Das Messverfahren besteht darin, dass dem Probanden Dilemmas vorgelegt werden und in einem strukturierten Interview erfasst wird, aus welchen Gründen der Proband sich für welche der vorgeschlagenen Varianten entscheidet. Das Auswertungsprotokoll macht dabei sowohl Festlegungen moralischer (durch Beurteilung der durch den Probanden verwendeten Normen) als auch ethischer (durch Bewertung, welche Gründe als „gut“ gelten) Art. Es erstaunt deshalb nicht, dass die am Stufenmodell geäußerte Kritik sich an diesen Festlegungen reibt. So wandte beispielsweise Carol Gilligan unter anderem ein, dass das Stufenmodell jene Aspekte, die in einer (weiblich geprägten) care ethics zentral sind, nur ungenügend erfasst. Dies ist ein Beispiel einer Kritik an ethischen Festlegungen.

Generell dürften Methoden, die eine absolute Moralskala benötigen, in einer pluralistischen Gesellschaft auf Skepsis stoßen. Dennoch ist für die meisten empirischen Untersuchungen der Bezug auf eine solche Skala nur schwer vermeidbar – nicht im Hinblick auf eine direkte Bewertung des moral agent selbst, aber im Hinblick auf die verwendeten moralischen Stimuli, die vorgängig einem rating oder zumindest einer Klassifikation in „moralisch“ bzw. „nichtmoralisch“ unterzogen werden müssen.

Nutzung von Dilemmas

Die theoretische Schärfung bestimmter normativer Ethiken mit Hilfe von Dilemmas ist ein Standardverfahren der Ethik. Das Verfahren beruht darauf, ein Dilemma derart zu konstruieren, dass eine Handlungsalternative X des Dilemmas einer normativen Ethik A (z.B. utilitaristischer Art) und die andere Alternative Y einer normativen Ethik B (z.B. deontologischer Art) zugeordnet werden kann. „Zugeordnet“ meint, dass die jeweils aufgeführten Gründe für X oder Y sich auf Prinzipien oder Normen der normativen Ethiken A oder B stützen. Je nachdem, ob A oder B verteidigt werden soll, werden X oder Y so gewählt, dass die der „gegnerischen“ normativen Ethik zugeordnete Alternative kontraintuitiv ist, so dass die eigene Position geschärft wird.

Es liegt nahe, solche Dilemmas auch für empirische Untersuchungen zu verwenden, indem diese Probanden vorgelegt werden, die dann eine Wahl (X oder Y) zu treffen haben. Damit kann zweierlei untersucht werden: Zum einen erlauben die Antworten eine Zuordnung des moral agent zu gewissen normativen Ethiken, zum anderen kann untersucht werden, was genau mit „kontraintuitiv“ gemeint ist bzw. mit welchen inneren Prozessen diese (Kontra-) Intuition beim moral agent verbunden ist.

Hier sollen zwei grundlegende Bemerkungen hinsichtlich der mit diesen Dilemmas verbundenen Festlegungen folgen. Erstens ist oft nicht klar, inwiefern aufgrund eines solchen Experiments die „Zuordnung“ des moral agent zu einer bestimmten Ethik (z.B. der agent ist aufgrund seiner Antworten „Utilitarist“) gerechtfertigt ist. Offensichtlich nährt sich die Gleichsetzung einer Dilemma-Alternative X mit der normativen Ethik A aus einer langen, in der wissenschaftlichen Ethik geführten Tradition hinsichtlich der Ausgestaltung und Verteidigung dieser Ethiken. Der moral agent selbst hingegen verfügt möglicherweise (oder vermutlich mit ziemlicher Sicherheit) gar nicht über diese Ethiken im Sinn, dass er beispielsweise seine Wahl von X als „utilitaristisch“ versteht. Kritiker verweisen darauf, dass die vorgängige Zuordnung von Alternativen ganzer Batterien solcher Dilemma-Tests zu bestimmten normativen Ethiken aus diesem Grunde gar nicht so eindeutig ist.

Zweitens ist mit der Feststellung, dass bestimmte Dilemma-Alternativen mit bestimmten Intuitionen verknüpft sind, die messbar das Wahlverhalten des moral agent ändern, das Phänomen der moral agency nicht ausreichend erfasst worden. Dies deshalb, weil damit noch nicht der Umgang des moral agent mit diesen Intuitionen ermittelt worden ist. Das experimentelle Setting verläuft auf einer kurzen Zeitskala (d.h. die Entscheidungszeit ist vergleichsweise kurz) – und das muss so sein, will man die mit solchen Entscheidungen einhergehenden biopsychologischen Faktoren messen. Deliberation ist nicht erwünscht, was ebenfalls eine Festlegung ist. Entsprechend bleibt es eine Frage der Interpretation, was vom Auftreten solcher Intuitionen zu halten ist: ist ihr Auftreten eine argumentative Stütze für bestimmte Ethiken (gemäß dem instrumentellen Einsatz solcher Dilemmas in der ethischen Debatte), oder eher ein Argument gegen solche Ethiken (wie dies beispielsweise von Peter Singer als Interpretation der Experimente von Joshua Greene vorgeschlagen wurde)? Die Festlegung, diesen (an sich messbaren) Aspekt der Ethizität des moral agent offen zu lassen, führt also zu Debatten, die innerhalb der ethischen Theorie geklärt werden müssen.

Experimentelle Ökonomie

Da moralisches Verhalten im Alltag zahlreiche Ausdrucksformen finden kann (in Form von Verhaltensdispositionen und -formen wie Empathie, Fairness, Kooperation, Vertrauen, etc.), ist moral agency auch durch die Erfassung solcher „moralnaher Verhaltensweisen“ empirisch messbar. Diese können einerseits explizit erfasst werden (beispielsweise durch Befragungen des moral agent) oder aber implizit (durch das Verhalten des moral agent in einer definierten Situation). Von den zahlreichen Möglichkeiten soll hier nur eine Klasse von Methoden eingeführt werden, die zunehmend Anwendung finden: experimentelle Spiele, mit denen man mittels ökonomischen Anreizen das Verhalten von Spielern untersucht, um Konzepte wie Vertrauen und Kooperation zu analysieren.

Mit solchen aus der experimentellen Ökonomie stammenden Spielen sollen quantitative Aussagen über die Motive der Versuchspersonen gewonnen werden (beispielsweise messbar durch die Geldbeträge, welche in einem Spiel ausgetauscht werden). Die Struktur der Spiele erlaubt es zudem, den Effekt von Institutionen einzubeziehen – beispielsweise einer strafenden Partei. Die Spieler können nur ein einziges Mal (one-shot games) oder mehrfach aufeinander treffen:

- Diktator-Spiel: In diesem Zwei-Personen-Spiel treten Spieler A und B aufeinander. A verfügt über einen (normierten) Betrag 1 und entscheidet, welchen Betrag 0  x  1 Spieler B erhalten soll.

- Ultimatum-Spiel: In diesem zweistufigen Zwei-Personen-Spiel treten Spieler A und B aufeinander. A verfügt über einen (normierten) Betrag 1 und entscheidet, welchen Betrag 0  x  1 Spieler B erhalten soll. Spieler B kann x akzeptieren oder zurückweisen. Akzeptiert B, so erhält B den Betrag x und A den Betrag 1-x. Lehnt B das Angebot ab, so erhalten beide den Betrag 0.

- Vertrauens-Spiel: In diesem zweistufigen Zwei-Personen-Spiel, das man als eine Variante des Gefangenen-Dilemmas auffassen kann, treffen Spieler A und B aufeinander. Spieler A entscheidet in einem ersten Schritt über (in der Regel zwei) mögliche Varianten, wie Geldbeträge aufgeteilt werden. In der ersten Variante wird ein geringer Geldbetrag fair (d.h. fifty-fifty) zwischen beiden Spielern verteilt. In der zweiten Variante erhält Spieler B die Kompetenz, einen weit größeren Betrag zwischen beiden Spielern zu verteilen. A geht mit dieser zweiten Wahl aber das Risiko ein, dass B die Wahl derart trifft, dass A weniger erhält als in der ersten Variante.

- Drittperson-Bestrafungs-Spiele: Die genannten Spiele lassen sich so abwandeln, dass eine dritte Person C das Verhalten der beiden anderen Spieler beobachten und diese danach bestrafen kann, indem den anderen Spielern ein Geldbetrag abgezogen wird. Dieses third-party-punishment kann so gespielt werden, dass der Akt der Bestrafung für C gratis oder kostspielig ist, d.h. im zweiten Fall muss C für den Akt der Bestrafung selbst etwas bezahlen.

Derartige Experimente haben den Vorteil, dass sie vergleichsweise einfach zu realisieren sind, quantifizierbare Resultate (z.B. in Form der ausgetauschten Geldbeiträge) liefern und mit anderen Untersuchungsmethoden (z.B. Bildgebung) kombiniert werden können. Fraglich ist hingegen, inwieweit der Gehalt der Motive bei den Spielern erfasst wird. So könnte bezüglich des Motivs „Vertrauen“ beispielsweise bemerkt werden, dass in Vertrauens-Spielen eher so etwas wie Prognosesicherheit gemessen wird und den Begriff damit nur unvollständig abdeckt.

Nutzung von ethischen Experimenten

Die genannten Methoden wurden in den letzten Jahren unter anderem in neuro- und verhaltenswissenschaftlichen Studien eingesetzt, die explizit moralisches Verhalten zum Gegenstand haben. Es existieren bereits mehrere Theorieansätze (explizit zu nennen sind die Universal Moral Grammar von Marc Hauser, die Dual-Processing-Theory von Joshua Greene und das Event-Feature-Emotion-Complex Modell von Jorge Moll), von denen aber derzeit wohl keine den Status einer Theorie von moral agency beanspruchen kann. Auch finden sich zahlreiche Ansätze für Kritik an einzelnen Ergebnissen wie an der Theoriebildung insgesamt – sowohl von neurowissenschaftlicher als auch philosophischer Seite. Eine kritische Würdigung dieser Forschungen kann an dieser Stelle nicht erfolgen.

Es sollte aber nicht vergessen gehen, dass Forschungen in diesem Bereich durchaus das Potenzial haben, etablierte Denktraditionen in Frage zu stellen. Ein interessantes Beispiel ist die Dichotomie Emotion-Vernunft. Diese wirkt einerseits theoriebildend (z.B. im dual-processing-Ansatz von Greene), doch manche Experimente werden auch so interpretiert, dass diese Dichotomie entweder keine Rolle spielt (der Ansatz von Hauser) oder aber moralische Urteile nicht als Resultat eines Wechselspiels dieser zwei Komponenten angesehen werden sollte (Moll). Für diese Frage ein experimentum crucis zu erwarten, dürfte der falsche Weg sein. Hingegen zeigt sich hier, dass der Einbezug eines empirischen Denkens die Theoriebildung in der Ethik im Sinne einer „experimentellen Ethik“ durchaus unterstützen kann.