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Wahrheitstheorie: Petra Kolmers hermeneutische Wahrheitstheorie


Petra Kolmers hermeneutische Wahrheitstheorie

Die „Vielfältigkeit und Nicht-Eindeutigkeit“ unserer Wahrheitsauffassungen lässt sich nicht eliminieren. Was wir unter „wahr“ verstehen, ist irreduzibel abhängig von bestimmten Leitüberzeugungen, Gedankenmotiven und grundlegenden Intuitionen, die sich an unsere Sprache knüpfen. Das ist die These, die die Bonner Philosophin und Schülerin des verstorbenen Hans Michael Baumgartner in ihrer Habilitationsschrift

Kolmer, Petra: Wahrheit. Plädoyer für eine hermeneutische Wende in der Wahrheitstheorie. 448 S., Ln., 2006, € 48.—, Karl Alber, Freiburg

vertritt. Die Vieldeutigkeit des Wahrheitsbegriffes zu eliminieren bedeutete, das auszulassen, was in Wahrheitsangelegenheiten anderen Denkern das Wesentliche war.

In unseren Reden von der Wahrheit, sofern wir dasselbe meinen, verweisen wir nicht auf einen oder den Begriff von Wahrheit, son-dern auf „begriffs- und zeichenlose Einsichten“, letztlich auf eine einzige begriffs- und zeichenlose Einsicht. Kolmer versteht Wahrheit als Verlässlichkeit eines Sinnfundaments, das vom lebensmäßigen Ernstfall geprägt ist. Verlässlichkeit ist der Sinn, den „wahr“ und „Wahrheit“ im Leben und aus der Perspektive des Lebens hat. Wahrheit hat daher Raum für eine gewisse Undeutlichkeit und damit auch für Relativität. Aus der Perspektive des Lebens lautet die Frage denn auch nicht: „Was ist wahr?“, sondern „Worauf können wir uns verlassen?“ Deshalb kann die philosophische Frage, was Wahrheit ist, nicht unabhängig von der Frage nach der Relevanz der Wahrheit für das menschliche Leben beantwortet werden.

Kolmer lehnt in der Folge die etwa von Puntel vertretene Auffassung ab, wonach ein Satz, wenn er wahr, der Sache nach und „unabhängig von der Zeit überhaupt“ wahr sei.
Für sie ist Wahrheit immer kontextabhängig. Ein philosophisches Wahrheitskonzept kann nur akzeptabel sein, wenn es den „Zeit- und Kontingenzerfahrungen“ Rechnung trägt und damit hermeneutisch ist.