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STICHWORT

Pedro Schmechtig :
Epistemische Normativität

Zu finden in: Heft 4/2010

Die Erkenntnistheorie ist reich an normativen Fragestellungen. Wer beispielsweise darüber nachdenkt, ob seine Überzeugungen gut begründet sind, ob man wahre Meinungen stets maximieren sollte, oder wer generell danach fragt, was es in epistemischer Perspektive heißt, etwas wertzuschätzen bzw. ob Wissen wertvoller als bloße wahre Meinung ist, macht offenkundig einen weiten Gebrauch von normativen Begriffen. Nichtsdestotrotz wurde häufig die Ansicht vertreten, dass den sogenannten begriffsanalytischen Grundfragen („Was ist Erkenntnis?“, „Was ist Wissen?“, „Was ist Rechtfertigung?“ usw.) der Vorrang gebührt. Erst im Anschluss an eine erfolgreiche Definition entsprechender Begriffe ließen sich normative Problemstellungen – womit in erster Linie die Bewertung von Quellen, Umfang und Grenzen menschlichen Wissens gemeint ist – in Angriff nehmen.

Diese Sichtweise ist jedoch angesichts einer zunehmenden Skepsis gegenüber derartigen Begriffsanalysen erheblich ins Wanken geraten. Umgekehrt setzt sich immer mehr die Überzeugung durch, dass sich derartige Grundfragen auch viel umfassender betrachten lassen, nämlich als eine Suche danach, worum es in der Erkenntnistheorie überhaupt gehen soll. Entsprechend hat in letzter Zeit – was die Berücksichtigung der normativen Tragweite unserer Erkenntnisinteressen angeht – ein spürbares Umdenken stattgefunden.

Geht es um die Bewertung kognitiver Aktivitäten, spielt die Art der Begründung dieser Aktivitäten naturgemäß eine entscheidende Rolle. Die meisten Erkenntnistheoretiker akzeptieren daher, dass insbesondere der Begriff der Rechtfertigung eine normative Komponente aufweist. Darüber, wie diese Komponente zu charakterisieren ist, gehen jedoch die Meinungen weit auseinander. Grob gesagt lassen sich drei allgemeine Strategien unterscheiden. Der historisch gesehen am frühesten vertretene Ansatz besagt, dass epistemische Bewertungen eine Subspezies moralischer Bewertungen sind. Bereits in John Lockes Essay Concerning Human Understanding findet sich hierzu die grundlegende Idee, dass Menschen für ihre Überzeugungen verantwortlich sind. Wer nämlich eine Überzeugung erlangt, ohne dafür einen vernünftigen Grund zu besitzen, macht sich nach Locke schuldig, nicht alles dafür getan zu haben, Irrtümer und Täuschungen zu vermeiden. Nach diesem Vorschlag wird parallel zu jeder epistemischen Bewertung eine ethische Verpflichtung konstituiert.

In seinem berühmten Essay „The Will to Believe“ hat jedoch William James schon sehr früh darauf hingewiesen, dass es keineswegs immer unter ethischen Gesichtspunkten falsch sein muss, etwas zu glauben, wofür es keine hinreichenden Gründe gibt. Die daran anschließende Debatte um eine sogenannte „Ethics of Belief“ hat dann auch zahlreiche Einwände gegen die Gleichsetzung von ethischen und epistemischen Bewertungen vorgebracht. Zwei Aspekte sind in diesem Zusammenhang von besonderem Interesse:

(i) Wenn man epistemische Verpflichtungen als eine Unterart praktisch-moralischen Sollens begreift, setzt man offenbar voraus, dass Überzeugungen mentale Handlungen sind, über die man – sofern für Handlungen das Prinzip subjektiver Pflichten gilt, d.h. eine Person für ihr Verhalten nur dann zu tadeln ist, wenn es ihr möglich war, dieses Verhalten zu vermeiden („Sollen impliziert Können“) – eine willentliche Kontrolle besitzt. Ein solcher doxastischer Voluntarismus wird jedoch von den meisten Erkenntnistheoretikern abgelehnt. Denn für gewöhnlich werden Überzeugungen nicht durch willentliche Entscheidungen hervorgebracht, sondern durch Evidenzen erlangt, die für die Wahrheit einer Überzeugung sprechen.


(ii) Zwischen moralisch-praktischen und epistemischen Begründungsprozessen scheint es unverkennbare Differenzen zu geben. Während Gründe für praktisches Verhalten durch vielerlei Interessen und Ziele (moralische, politische, ökonomische usw.) gesteuert sind, werden Gründe für Überzeugungen in der Regel nur dann akzeptiert, wenn dadurch gewährleistet ist, dass die betreffende Aktivität dem übergeordneten Ziel unserer Erkenntnisbemühungen dient. Beim praktischen Begründen sind nun aber nicht nur die Ziele wesentlich vielfältiger; praktische Gründe sind auch auf andere Weise mit diesen Zielen verbunden. Ein zentrales Problem der Erklärung epistemischer Normativität besteht folglich darin, erst einmal herauszufinden, ob – und wenn ja, in welcher Form – zwischen den verschiedenen Formen des praktischen und epistemischen Begründens ein genuiner Zusammenhang besteht.

Vor diesem Hintergrund geht eine zweite Gruppe von Erklärungsansätzen von folgender Grundannahme aus: Mit Aristoteles ist daran zu erinnern, dass Menschen von Natur aus nach Wissen streben, d.h. ein natürliches Verlangen (Neugier) besitzen, bestimmte erkenntnistheoretische Ziele um ihrer selbst willen anzustreben. Nicht jede Form der Begründung einer Überzeugung ist jedoch in diesem Sinne epistemisch. Der Begriff der Rechtfertigung scheint eher ein generischer Begriff zu sein. Um Verwechslungen an dieser Stelle zu vermeiden, müssen die entsprechenden normativen Charakterisierungen aus einer spezifisch epistemischen Perspektive erfolgen. Demnach ist die Rechtfertigung einer Überzeugung nur dann angemessen, wenn sie in einer externen Relation zum Ziel unserer Erkenntnisbemühungen steht.

Mit dieser quasi teleologischen Auffassung epistemischer Normativität verbindet sich eine Reihe von weiteren Problemfeldern: Was genau heißt es, dass die Rechtfertigung einer Überzeugung in einer externen Relation zum (primären) Ziel der Erkenntnis steht? Die Standardauffassung besagt hier, dass Rechtfertigung eine Art Instrument oder Mittel ist, mit dem man zu wahren Überzeugungen gelangt. Einige Philosophen lehnen ein solch instrumentelles Verständnis von Rechtfertigung aber schon deshalb ab, weil sie generell daran zweifeln, dass Wahrheit das primäre Ziel unserer Erkenntnisbemühungen ist. Entweder behauptet man, dass sich der Wert der wahren Meinung allein aus ihrem praktischen Nutzen bestimmen lässt, oder man versucht zu zeigen, dass sich Wahrheit als das primäre Erkenntnisziel nicht mit der teleologischen Sichtweise verträgt.

Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass es äußerst schwierig ist, genau anzugeben, was mit der Wahrheitszielhypothese gemeint ist. Die traditionelle Formulierung, dass Menschen danach streben, wahre Meinungen zu vermehren und falsche zu vermeiden, führt zu einer Vielzahl von Schwierigkeiten. Ebenso stellt sich die Frage, ob man das primäre Wahrheitsziel – wie es das teleologische Modell vorsieht – wirklich als ein diachrones oder nicht besser als ein synchrones Erkenntnisziel konzipieren sollte, bzw. ob es wirklich der Fall ist, dass unsere Erkenntnisbemühungen wie im Fall von Einzelhandlungen auf individuellen Zielen gründen, oder ob man nicht besser von einem gemeinschaftlich angestrebten (kollektiven) Erkenntnisziel sprechen sollte.

Eine zusätzliche Komplikation ergibt sich dadurch, dass es einige Problemfälle gibt (Moores Paradox, Lotterie-Fälle, konversationale Aspekte der Überzeugungszuschreibung), die sich nach Ansicht vieler Philosophen nur dadurch lösen lassen, dass man Wissen zum obersten Erkenntnisziel erklärt. Dies wirft generell die Frage auf, ob angesichts der verschiedenen Intuitionen ein Pluralismus der Erkenntnisziele nicht die angemessenere Sichtweise ist. Einige Autoren diskutieren jedenfalls verschiedene Argumente, die zeigen sollen, dass ein solcher Pluralismus der einfachste Weg wäre, den unterschiedlichen Ansprüchen gerecht zu werden.

Die Vermutung, dass möglicherweise Wissen und nicht wahre Meinung das Ziel unserer Erkenntnisbemühungen ist, leitet zu einer dritten Strategie der Erklärung epistemischer Normativität über. Im Zuge einer reformierten Auffassung der Analyse von Wissen wird seit geraumer Zeit von zahlreichen Autoren behauptet, dass durch Wissen nicht nur eine „Norm des Behauptens“ – man solle nur das behaupten, was man weiß –, sondern parallel dazu auch eine Norm des Überzeugtseins generiert wird. Demnach muss man wissen, dass p, um in der Lage zu sein, in epistemisch angemessener Weise zu glauben, dass p der Fall ist. Gemäß dieser Herangehensweise sind Überzeugungen in epistemischer Hinsicht adäquat – d.h. sie erfüllen das Ziel unserer Erkenntnisbemühungen –, wenn sie auf die richtige Art und Weise erlangt werden, wobei sich die damit verbundenen normativen Implikationen in Form von Korrektheitsbedingungen (Normen) für das Zustandekommen derartiger kognitiver Aktivitäten erklären lassen. Wie diese Korrektheitsbedingungen im Einzelnen aussehen, wird in verschiedenen Hinsichten kontrovers diskutiert. Fraglich ist beispielsweise, ob epistemische Normen dasselbe wie Regeln sind bzw. ob es der Inhalt oder die kognitiven Einstellungen selbst sind, die im betreffenden Fall normiert werden. Uneinigkeit besteht auch darin, ob erkenntnistheoretische Normen überhaupt auf den Begriff der Rechtfertigung angewiesen sind. Einige Ansätze setzen beispielsweise nicht voraus, dass das „Haben“ einer gerechtfertigten Überzeugung eine notwendige Voraussetzung für die Erfüllung dieser Norm ist.

Nichtsdestotrotz wird daran festgehalten, dass das Wissen eine grundlegende Norm der Genese adäquater Überzeugungen ist. Andere Ansätze versuchen stattdessen zu zeigen, dass gerade deshalb, weil wahre Meinung das Ziel unserer Erkenntnisbemühungen ist, es spezifisch epistemische Normen geben muss, welche die „richtige“ Art der Rechtfertigung betreffen. Ein zentrales Problem bezüglich der Behauptung von Wissensnormen beruht nämlich darauf, dass Wissen – sofern es richtig ist, die entsprechenden Zustände als faktiv zu betrachten – nicht im Einklang damit steht, dass es gerechtfertigte falsche Meinungen gibt, die durchaus rational sein können. Gelegentlich wird versucht, diesen Gedanken in folgender Form abzubilden: Einerseits verfügen wir über eine für unsere Erkenntnispraxis konstitutive Meta-Norm des „korrekten Glaubens“, die zwar selbst nicht unmittelbar präskriptiv ist, deren Einhaltung aber das allgemeine Ziel der Erkenntnis vorgibt; darüber hinaus muss es allerdings noch so etwas wie spezifische Anwendungsnormen geben, welche die Art der Mittel vorschreiben, unter denen es rational ist, genau jene Überzeugungen zu erlangen, die mit der fundamentalen Meta-Norm im Einklang stehen.

Unter denjenigen Ansätzen, die epistemische Normen in Verbindungen zur Art der Rechtfertigung betrachten und im Anschluss daran fragen, wie spezifische (epistemische) Normen die jeweilige Anwendung regulieren, gibt es wiederum einen Streit darüber, ob die Adäquatheit der Evidenzen oder die Form der Begründung von Einstellungen untereinander im Vordergrund stehen sollte. Je nachdem, wofür man sich entscheidet, spielen vertikale oder horizontale Normierungen eine größere Rolle. Vertikale Ansätze konzentrieren sich auf Relationen, die zwischen der Einstellung und dem Objekt dieser Einstellung bestehen. Ein Ansatz geht beispielsweise davon aus, dass Überzeugungen gerechtfertigt sind, wenn sie im Einklang mit evidentiellen Normen der folgenden Art stehen: S sollte glauben, dass p, wenn die betreffen-de Überzeugung eine angemessene (korrekte) Antwort auf S’s Evidenzen ist. Ein derart moderater Deontologismus hat den Vorteil, nicht mehr annehmen zu müssen, dass deontische Urteile mit kognitiven Aktivitäten in Verbindung stehen, die nur dann wahr sein können, wenn die Art der Kontrolle wie im Fall von Handlungen einer direkten Willensentscheidung unterworfen ist. Denn anders als im herkömmlichen Fall einer deontischen Konzeption der Rechtfertigung werden „Sollens-Ansprüche“ jetzt nicht mehr unter Bezugnahme auf subjektive Verpflichtungen, sondern mit Hilfe des Begriffs der objektiven Pflichten konzipiert.

Horizontale Ansätze legen hingegen das Augenmerk auf die Normierung von Relationen, die zwischen den verschiedenen Einstellungen existieren. Dabei wird nicht mehr unterstellt, dass Korrektheitsbedingungen irgendwelche Verpflichtungen generieren; vielmehr geht man von etwas Schwächerem aus, nämlich Bedingungen, die das Geboten- bzw. Erlaubtsein von Überzeugungen (conditions of permissibility for beliefs) festlegen. Epistemische Anwendungsnormen schreiben vor, unter welchen Umständen es erlaubt ist, eine Überzeugung aufgrund einer anderen Überzeugung zu erlangen. Das ist immer dann der Fall, wenn es sich um „Normen des rationalen Begründens“ handelt. Glaubt man beispielsweise eine Proposition p, wobei q aus p notwendig folgt, dann ist es rational auch die Proposition q zu glauben (oder wenigsten nicht zu glauben, dass nicht q der Fall ist). Nach diesem Ansatz besitzen „Normen des rationalen Begründens“ einen handlungsleitenden Charakter. Aber auch hier gilt, dass daraus noch kein (direkter) doxastischer Voluntarismus abzuleiten ist. Denn es ist keineswegs klar, dass die Verwendung solcher Normen auf deklarativem Wissen basiert; viel wahrscheinlicher ist die Annahme, dass dabei sogenanntes prozedurales Wissen („Wissen-wie“) im Spiel ist.

Gesteht man epistemischen Normen eine unabhängige Bewertungsdimension zu, wächst automatisch die Gefahr, dass man derartige Normen mit epistemischen Werten verwechselt. Eine zentrale Herausforderung der Charakterisierung epistemischer Normativität betrifft daher die Klärung des Zusammenhangs von deontischen und axiologischen Begriffskomponenten. Hierbei stehen zwei Fragestellungen im Mittelpunkt:

(i) Was überhaupt sind epistemische Werte?  (ii) Gibt es epistemische Werte, die für unsere Erkenntnisinteressen primär sind?

Während die erste Fragestellung die allgemeine Natur epistemischer Werte berührt – ob es sich dabei um abgeleitete oder genuine bzw. absolute oder relative Werte handelt und unter welchen Umständen Wertschätzungen als instrumentell oder final zu bezeichnen sind –, geht es bei der zweiten Fragestellung hauptsächlich um komparative Wertaussagen, d.h. um einen Vergleich derjenigen Werte, die im Hinblick auf unsere Erkenntnisbemühungen mehr oder weniger bedeutsam sind.

Für das Projekt der Begriffsanalyse scheint eine spezielle Variante der zweiten Fragestellung besondere Sprengkraft zu besitzen. Schon in Platons Menon-Dialog wird die Notwendigkeit betont, menschliche Erkenntnis so zu definieren, dass sie im Einklang mit der basalen Intuition steht, wonach Wissen einen höheren Wert als bloße wahre Meinung hat. In der aktuellen Auseinandersetzung wird in diesem Zusammenhang von einem strikten Adäquatheitskriterium gesprochen: Jede befriedigende Erkenntnistheorie muss in der Lage sein, die genannte Mehrwertthese erklären zu können. Dies scheint aber keineswegs einfach zu sein. Von verschiedenen Konzeptionen – in erster Linie von solchen, die gemäß der (teleologischen) Standardauffassung von Rechtfertigung einen sogenannten Wahrheitswertmonismus vertreten – wird explizit behauptet, dass sie an einer derartigen Erklärung scheitern. Ob dies wirklich der Fall ist, hängt jedoch von verschiedenen anderen Schwierigkeiten ab. So besteht beispielsweise kein Konsens darüber, welche der verschiedenen Formulierungen der Mehrwertthese die Grundlage bildet. Parallel dazu stellt sich die Frage, ob Wissen generell oder nur in einer spezifischen Hinsicht einen Mehrwert besitzt. Von verschiedenen Autoren wurde bereits darauf hingewiesen, dass Wissen keineswegs immer wertvoller als wahre Meinung ist. Ebenso ist strittig, ob es wirklich einer strikten Erklärung des Mehrwerts bedarf oder ob es möglicherweise nur um so etwas wie Vereinbarkeit geht.

Das eigentliche Grundproblem liegt jedoch an anderer Stelle. Viele Ansätze übersehen, dass die Erklärung der Mehrwertthese nicht von einer seriösen Beantwortung der ersten Fragestellung (Natur epistemischer Werte) zu trennen ist. Oft werden jedoch Vorschläge unterbreitet, die in dieser Hinsicht entweder völlig intransparent sind oder aber stillschweigend eine Wertkonzeption voraussetzen, die selbst so strittig erscheint, dass sie den betreffenden Lösungsansatz konterkarieren. Erschwerend kommt noch hinzu, dass es verschiedene Ansichten darüber gibt, ob der Unterschied zwischen Wissen und wahrer Meinung tatsächlich auf einer rein axiologischen Ebene angesiedelt ist – d.h. ausschließlich als ein Unterschied in der Art der Wertschätzung zu verstehen ist – oder ob sich der vermeintliche Mehrwert des Wissen nicht besser auf eine Differenz bezüglich der deontischen Prinzipien zurückführen lässt, die mit der betreffenden Begriffsverwendung verbunden ist. Beispielsweise ließe sich der Mehrwert des Wissens dadurch erklären, dass Wissenszuschreibungen aufgrund der Rechtfertigungskomponente ganz bestimmte epistemische Verpflichtungen beinhalten, die im Fall von wahren Meinungen nicht bestehen. Wie auch immer eine adäquate Lösung letztlich aussehen mag, das Mehrwertproblem macht jedenfalls deutlich, dass im Bereich epistemischer Normativität eine Klärung des Zusammenspiels von deontischen und axiologischen Begriffsaspekten unerlässlich ist.

Abschließend ist noch ein letzter Aspekt kurz zu erwähnen. Traditionell wird der Erkenntnistheorie die Aufgabe zugewiesen, eine weitgehend unabhängige und voraussetzungslose Erklärung menschlicher Erkenntnis zu liefern. Dafür schien in erster Linie die Methode der apriorischen Einsichtnahme in Frage zu kommen. Demgegenüber haben Vertreter einer naturalisierten Erkenntnistheorie moniert, dass es weder sinnvoll noch wünschenswert ist, bei der Bewertung menschlicher Erkenntnisquellen von den empirischen Bedingungen des Zustandekommens kognitiver Aktivitäten zu abstrahieren. Mehr noch, man ist der Ansicht, dass sich normative Fragestellungen letztlich nur mit Hilfe wissenschaftlicher Methoden (vorrangig der Kognitionswissenschaften) beantworten lassen. Entsprechend wird angenommen, dass sich die Rede von epistemischen Werten und Normen entweder eliminieren oder doch zumindest reduzieren lässt. Grob gesagt wird dabei unterstellt, dass sämtliche erkenntnistheoretische Behauptungen auf natürliche Tatsachen supervenieren, sodass die Möglichkeit besteht, die betreffenden normativen Gehalte auf einer rein deskriptiven Ebene erfassen zu können. Gegen solche Bestrebungen lässt sich allerdings einwenden, dass eine derartige Herangehensweise nicht nur zirkulär erscheint, sondern darüber hinaus nicht in der Lage ist, den epistemischen Standpunkt zu verdeutlichen, von dem aus man die Berechtigung hat, ein bestimmtes Erkenntnisinteresse zu bewerten.

UNSER AUTOR:

Pedro Schmechtig ist zur Zeit Lehrkraft für besondere Aufgaben am Seminar für Philosophie der Universität Erfurt.

Literatur zum Stichwort:

Haddock, Adrian / Millar, Alan, and Pritchard, Duncan (eds.) Epistemic Value. 360 S., 2009, Oxford University Press, Oxford.

Schönrich, Gerhard (Hrsg.): Wissen und Werte. 364 S., 2009, mentis Verlag, Paderborn.

Steup, Matthias (ed.): Knowledge, Truth, and Duty – Essays on Epistemic Justification, Responsibility, and Virtue. 256 S., 2001, Oxford University Press, Oxford.