PhilosophiePhilosophie

TAGUNGEN

Emergence and Panpsychism

Emergence and Panpsychism
New Approaches to Naturalizing the Mind

Im Rahmen des Jubiläums ihres 40 jährigen Bestehens wurden an der Hochschule für Philosophie in München die Feierlichkeiten mit einer internationalen Konferenz zu Panpsychismus und Emergenz eröffnet. Emergentistische und panpsychistische Theorien wurden insbesondere Anfang des 20. Jahrhunderts im deutschen und englischen Sprachraum vertreten. Heute erweisen sie sich erneut als wichtige Positionen in der Philosophie des Geistes. Veranstalter Prof. Dr. Godehard Brüntrup konnte bedeutende Experten zur Geschichte, zur Naturphilosophie und zur Philosophie des Geistes für diese Konferenz gewinnen. Die Debatten fanden auf durchgehend hohem Niveau statt und warfen viele neue Fragen auf. Fünf Tage lang, vom 20.-24. Juni tagten die 21 Referenten und zahlreiche Teilnehmer in den Räumen der Hochschule und im Schloss Fürstenried.

Die zwei öffentlichen Vorträge in der Kaulbachstraße hielten am Montag David Chalmers (Canberra, New York) und William Seager (Toronto). Sie führten das vollbesetzte Auditorium in die zeitgenössische Philosophie des Geistes ein, die sich mit dem phänomenalen Bewusstsein beschäftigt, wobei Seager Argumente für die Mehrheitsposition in der analytischen Philosophie, den Physikalismus, referierte und Chalmers Eröffnungsvortrag dagegen im kartesischen Geiste argumentierte, dass das Phänomenale eine vollständig andere Kategorie als das Physische sei. Doch auch die Gegenthese, der Dualismus, sei unbefriedigend, weil sie mentale Verursachung nicht erklären kann. Eine Art Hegelsche Synthese könnte ein Panpsychismus sein, wo es Phänomenales bereits auf den untersten Ebenen der Natur gibt – oder ein Panprotopsychismus, in dem etwas Neutrales zwischen Physischem und Bewussten auf der untersten Ebene der Natur zur Konstitution von allem beiträgt. Die Debatte kann auch durch den Emergenzbegriff verdeutlicht werden. Man kann sich nicht vorstellen, dass Bewusstsein durch bloße Konstruktion aus dem Physischen neu entsteht: Die schwache Emergenz einer physikalistischen Welterklärung leistet zu wenig. Andererseits ist die starke Emergenz, das völlige Neuauftauchen von etwas Geistigem aus rein physischen Bestandteilen schwer verständlich, insbesondere wenn es in der Welt wirksam sein soll.

Die vier übrigen Tage der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, von pro-philosophia und der Volkswagenstiftung geförderten Veranstaltung fanden mit 75 angemeldeten Teilnehmern im Schloss Fürstenried statt. Dabei wurde die inhaltliche Diskussion intensiviert. Hong Yu Wong (Tübingen) ist sich nicht sicher, ob es eine starke Emergenz qua Fusion oder Kausalrelation geben kann, wohingegen Achim Stephan (Osnabrück) eine solche Emergenz mitsamt dem Panpsychismus ablehnt. Gastgeber Godehard Brüntrup (München) kann sich eine starke Emergenz vorstellen, solange dabei nicht etwas kategorial Neues entsteht. Eine derartige intra-attributive nomologische Supervenienz entspricht einer Theorie, in der es auf mehreren Ebenen Subjekte gibt und wie sie etwa Gregg Rosenberg (Washington, D.C.) oder A. N. Whitehead vertritt.
Manche Referenten rechneten mit einer großen Fülle bewusster bzw. phänomenaler Entitäten. Für Riccardo Manzotti (Mailand) ist es nicht das menschliche Gehirn, das etwas erlebt, sondern der ganze Prozess, der ein Lebewesen affiziert. Zum Erleben des Regenbogens gehören Wassertropfen ebenso wie Neuronen. David Skrbina (Michigan-Dearborn) spricht jeder Zusammenstellung von Subjekten und Philip Goff (Hertfordshire) jeder beliebigen Raumkonstellation Bewusstsein zu. Solche Extrempositionen wurden freilich nur von einer Minderheit vertreten. Brian McLaughlin (Rutgers), selbst eher ein Physikalist, machte in seinem Schlussvortrag deutlich, dass die grundlegende Unterscheidung zwischen den Pan(proto)psychisten darin bestehe, ob es eine basale Eigenschaft sei, ein Subjekt phänomenaler Eigenschaften zu sein. Für Sam Coleman (Hertfordshire) etwa ist die Welt zwar panpsychistisch, voller phänomenaler Eigenschaften, aber Subjekte konstituieren sich in seinem Ansatz erst auf einer gewissen Komplexitätsstufe.
Zwei Referenten entwickelten direkt Argumente für den Panpsychismus: Galen Strawson (Reading) aus der Selbsterleuchtetheit des Bewusstseins und Tobias Müller (Mainz) aus dem Einheitsempfinden des phänomenalen Erlebens.
Aus Biologie und Neurowissenschaft wurden Ergebnisse präsentiert, die sich pan(proto)psychistisch deuten lassen. Peter Jedlicka vermutete, dass Quantenphänomene bei den Entscheidungen im Gehirn an Werk seien. Der Molekularbiologe Gernot Falkner (Salzburg) hat lange Jahre empirisch zum Wahrnehmungsvermögen und Gedächtnis von Algen gearbeitet und argumentierte gemeinsam mit Spyridon Koutroufinis (Berlin, Berkeley) dafür, dass nichtlineare dynamische Systeme der Biologie sich von innen bestimmen müssen um zu überleben.
Viele Referenten bezogen sich in ihren Ausführungen auf Alfred North Whitehead, dessen Geburtstag (1861) sich im Februar zum 150. Mal jährte und der der Debatte um den Panpsychismus wichtige Anstöße gegeben hat. Franz Riffert (Salzburg) untersuchte spezifisch Whitheheads Wahrnehmungstheorie und manche Parallelen in der psychologischen Forschung.
Wichtige Anstöße für die heutige Debatte gibt es auch unter klassischen deutschen Philosophen: Christina Schneider gab zu bedenken, dass der Universalgelehrte des Barock, G.W. Leibniz, zwar Bewusstsein nur höheren Lebewesen zusprach, seine Welt aber dennoch panexperientialistisch zu verstehen sei. Michael Blamauer (Wien) stellte den unkonventionellen Panpsychismus des Münchner Idealisten F.W.J. Schelling vor, der das Universum als ein reales Individuum und Subjekt denkt.
Drei Vorträge hatten einen eher methodischen Schwerpunkt. Kathrin Solhdju (Siegen) betonte, dass es zu neuen Methoden in der Verhaltensforschung inspiriere, wenn man die Eigenständigkeit von tierischen Subjekten ernst nähme und Michael Hampe (Zürich) vermutete, dass die Debatte um Physikalismus und Panpsychismus nur eine Scheindebatte sei und man sich auf wissenschaftliche oder alltägliche Fragen konzentrieren solle. Gregg Rosenberg (Washington D.C.) verwies darauf, dass sein zeitgenössischer panpsychistischer Ansatz zwar problematische Folgerungen enthalte, aber anders als der physikalistische Ansatz an den basalen menschlichen Überzeugungen und Erfahrungen festhalte. Eine davon ist wohl die Whiteheadianische Überzeugung, dass die Dichter nicht von sich selber sprechen, wenn sie die Schönheit der Natur preisen, sondern etwas von der Innenseite der Natur selber zum Ausdruck bringen.


http://www.geiststaub.de/MD_2011_Munich.html

Matthias Rugel