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01 2014

Jahrgang 2014, Heft 1 / 2014

EDITORIAL

Liebe Leserin, lieber Leser,

Noch vor dreißig Jahren zog jeder Artikel über Heideggers Verstrickung in den Nationalsozialismus eine Fülle von Leserbriefen pro und kontra Heidegger nach sich. Damals hatten noch viele Heidegger persönlich erlebt, und an den philosophischen Seminaren war seine Philosophie dominant.

Heute ist das anders. Zwar ist die Beschäftigung mit Heidegger weiterhin intensiv, es er-scheinen viele Bücher über seine Philosophie, und sie ist der Mittelpunkt mancher Tagungen geblieben, doch seine Philosophie ist abgesehen von Universitäten wie Freiburg oder Wuppertal ein Außenseiterthema, und nicht wenige schließen ein Philosophiestudium ab, ohne je etwas von Heidegger gelesen zu haben.
Deshalb überrascht es, welch großes Echo der Fund in einem lange zurückgehaltenen Text Heideggers ausgelöst hat. Längst überholt geglaubte Fronten sind wieder aufgebrochen: Heidegger-Verächter glauben, damit sei Heideggers ganze Philosophie „erledigt“, seine Anhänger – davon gibt es viele auch außerhalb der akademischen Philosophie und insbesondere in Frankreich – suchen nach Entschuldigungsgründen (siehe dazu den Artikel auf Seite 78 und das Gespräch auf Seite 80). Ein Antisemitismus Heideggers in dieser Form war bislang unbekannt. Es gibt zwar eine Briefstelle vom 22. Mai 1922, die lautet: „Diese Juden schrecken vor lauter Geldmacherei vor nichts mehr zurück“, aber wer sehr wohlwollend ist, könnte das nicht nur auf den Einfluss seiner antisemitischen Frau, sondern auch auf die Zeitumstände zurückführen. Ulrich Sieg zeigt in seinem Buch Geist und Gewalt (siehe Seite 72 ff.), dass Antisemitismus in akademischen Kreisen dieser Zeit durchaus geläufig war. Wenn auch Heidegger der einzige gewesen sein dürfte, der ihn in seine Philosophie einzubauen versucht hatte.

Mit einem freundlichen Gruß
Der Herausgeber, Peter Moser


INHALT

ESSAY
Georg Lohmann: Ethik der radikalen Endlichkeit; S. 5

BERICHT
Richard Schantz: Wahrnehmung und Erkenntnis; S. 12

INTERVIEW
Praktische Rationalität und Arbeitsteilung:Gespräch mit Elijah Millgram; S. 20

DAS STICHWORT
Ökonomische Philosophie; S. 30

STELLUNGNAHMEN
Wie praktisch kann die politische Philosophie sein? Ein Essay von Bernd Ladwig und
Stellungnahmen von Barbara Bleisch, Corinne Duc, Oliver Hidalgo und Thomas Pogge; S. 35

PORTRÄT
Salomo Friedlaender/Mynona. Dargestellt von Detlef Thiel; S. 42

LESERFORUM
Leser-Repliken auf den Text „Philosophie der Lebenswissenschaften“ in Heft 4/2013; S. 50

AUTOBIOGRAPHIE
Ein religiös geprägter Philosoph: Robert Spaemanns Autobiographie in Gesprächen; S. 54

FORSCHUNG – TRENDS – KONTROVERSEN

Wolfgang Welsch will das anthropische Prinzip aushebeln; S. 60
Altertum: Handschriften mit Texten des Euripides und Aristoteles entdeckt; S. 70
Die deutsche Philosophie an der Jahrhundertwende; S. 70
Neue Diskussion um Heideggers Antisemitismus; S. 78
Was für ein Antisemit war Heidegger? Gespräch mit Florian Grosser und Matthias Flatscher; S. 80
Julian Nida-Rümelin und Volker Gerhardt über Ursachen und Gründe; S. 80
Hirnstimulation beeinflusst Einhaltung von Normen; S. 86
Wandschneiders idealistischer Emergenzbegriff; S. 88
Warum Bildung die Ziele der Aufklärung nicht realisiert; S. 89
Eine Ethik für die Moral extremer Lagen; S. 90
Charles Taylor plädiert für eine grundsätzliche Neubestimmung des Säkularismus; S. 96
Die Frage nach dem guten Leben als Frage nach der Weltbeziehung; S. 98

AUSGABEN
John Stuart Mill: Ausgewählte Werke; S. 100
Henry Deku: Gesammelte Schriften; S. 101

STUDIUM
Einführungen, Übersichten; S. 102
Sommerschulen, Nachwuchspreise; S. 104

UNTERRICHT
Volker Steenblock: Philosophie-Unterricht mit Filmen; S. 106
Unterrichtsmaterialien; S. 108
Projekte, Fachverband Philosophie; S. 110

PHILOSOPHISCHE PRAXIS
; S. 110

TAGUNGSKALENDER; S. 112

Philosophie in Wien: Martin Kusch; S. 121

NACHRICHTEN; S. 122

ZEITSCHRIFTENSCHAU; S. 135

NEUERSCHEINUNGEN PHILOSOPHIE
; S. 146