PhilosophiePhilosophie

01 2019

Fragen an Dieter Schönecker

aus: Heft 1/2019, S. 124-129

 

Herr Schönecker, Sie sind bekannt als ganz genauer Kant-Interpret. Nun schreiben Sie in Ihrer Darstellung der Vorgänge in der Frankfurter Allgemeinen (7. Dezember) von einem „Seminar über Meinungsfreiheit". Ihr Dekan, Niels Werber, moniert, das sei irreführend, Ihr Seminar hätte den Titel „Philosophie und Praxis der Redefreiheit". Ist das nicht ein Unterschied?

Das Seminar heißt im Untertitel „Philosophie und Praxis der Meinungsfreiheit" und nicht anders. Gewiss gibt es einen Unterschied zwischen Meinungsfreiheit und Redefreiheit. Aber das ist trivial, so wie es trivial ist, dass mit „Meinungsfreiheit" meistens nicht das Recht gemeint ist, eine Meinung zu haben, sondern sie auszudrücken, so dass überwiegend die Redefreiheit gemeint ist. Art. 5 GG spricht direkt weder von Meinungsfreiheit noch von Redefreiheit. Aber selbst die Wissenschaftsfreiheit wird unter den Begriff der Meinungsfreiheit subsumiert. So heißt es etwa im Standardkommentar von Hoffmann & Henneke, die in Art. 5 genannten Grundrechte hängen „eng mit der Meinungsfreiheit zusammen. Sie beziehen sich zwar nicht auf Meinungen. Im Kern geht es aber um den gleichen Gedanken, nämlich um die Freiheit, sich auszudrücken."

Wenn ich recht verstehe, hat die Fakultät nicht die Einladung an die Herren Jongen und Sarrazin verboten, sondern sich nur geweigert, für Honorar und Reisekosten aufzukommen. Ist es denn üblich, dass die Fakultät Mittel für Einladungen zur Verfügung stellt, und was sind die Bedingungen dazu?

1. Es gab, soweit ich weiß, auf Seiten des Dekans und des Rektors nie die Absicht, Jongen und Sarrazin auszuladen, wenn auch genau diese Forderung von einzelnen Kollegen und auch in Aufrufen wiederholt an den Rektor herangetragen worden ist. Allerdings wurde mir vom Dekan untersagt, den normalen Email-Verteiler der Philosophischen Fakultät zu benutzen, um die Veranstaltung zu bewerben, und ich durfte Jongen und Sarrazin nicht, wie sonst üblich, im Namen der Fakultät einladen.

2. Die Fakultät stellt üblicherweise für Einladungen nicht eigens Mittel zur Verfügung, und ich habe – dies ist sehr wichtig – solche Mittel jedenfalls auch nicht beantragt, da ich ja nur die Mittel, die mir ohnehin regelmäßig zugewiesen werden, nutzen wollte. Aus Fakultätsmitteln fließen jährlich nach bestimmten Verfahren Mittel an die Institute und dann weiter an die ProfessorInnen. Diese Mittel werden selbstverständlich u. a. genutzt, um Vorträge zu finanzieren, und eben diese Mittel durfte ich nicht nutzen, um für die Honorare und Spesen von Marc Jongen und Thilo Sarrazin aufzukommen (siehe aber Punkt 3). Laut Hochschulgesetz NRW (§ 27) entscheidet der Dekan im Einvernehmen mit dem Fakultätsrat aber nur über die Verteilung dieser Mittel, nicht über deren Verwendung; einmal verteilt, liegt es im Ermessen der Professoren zu entscheiden, wie sie die Mittel nutzen (natürlich im gesetzlichen Rahmen). Das Vorgehen des Dekans ist rechtswidrig.

3. Die Tatsache, dass mir die Verwendung bestimmter Mittel untersagt wurde, hat wesentlich zur Verschärfung des Streits beigetragen. Der genaue Ablauf ist aber kompliziert und hat leider auch zu einer Vielzahl von falschen Darstellungen geführt. Im Kern war es so: Am 20. Sep. 2018 untersagte der Dekan mir die Verwendung von Mitteln der Fakultät, des Seminars oder meiner Kostenstelle zur Einla-dung von Jongen und Sarrazin; ich widersprach, er bekräftigte, ließ mich am 9. Okt. aber wissen, nur die Verwendung von Fakultätsmitteln für Honorare und Spesen sei untersagt. Am 10. Okt. wiederum erhielt ich einen Brief von Dekan und Rektor, in dem mir die Verwendung aller universitären Mittel untersagt wurde; in der dann auch veröffentlichten Stellungnahme hieß es: „Es liegt daher keine Bereitschaft der Universität vor, für die Seminarteilnahme von Dr. Marc Jongen und Dr. Thilo Sarrazin finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen" (m. H.). Der damit verbundene Widerspruch – durfte ich nur keine Fakultätsmittel oder gar keine universitären Mittel verwenden? – blieb trotz wiederholter Nachfragen ungelöst; auch meine Frage, was genau „Spesen" seien, wurde nie beantwortet. Es kam zu einer ganzen Serie von Stellungnahmen, Leserbriefen und Interviews durch Dekan und Rektor, denen ich schlussendlich wohl entnehmen sollte, dass ich keine Fakultätsmittel verwenden dürfe, dafür aber andere. In der jüngsten, mit dem 11. Januar 2019 datierten Erklärung heißt es: „Aufgrund einer Entscheidung der Philosophischen Fakultät vom Oktober 2018 wurden weitere Mittel nicht zur Verfügung gestellt." Aber auch diese Formulierung ist irreführend: Abgesehen davon, dass es die Entscheidung des Dekans und nicht der Fakultät war, ging es, wie gesagt, nicht darum, mir „weitere Mittel" zur Verfügung zu stellen, sondern darum, mir zu untersagen, die üblichen Fakultätsmittel zu verwenden.

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