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Platonismus: Die Geschichte des orientalisierenden Platonismus

PLATONISMUS

Die Geschichte des orientalisierenden Platonismus

Die Geschichte der europäischen Philosophie ist einseitig auf griechisch-okzidentale Quellen zurückgeführt und historisch bedeutsame orientalische Strömungen sind bewusst ignoriert worden. Dies behauptet Udo Reinhold Jeck in seiner Habilitationsschrift

Jeck, Udo Reinhold: Platonica Orientalia. Aufdeckung einer philosophischen Tradition. 690 S., Ln., € 98.—, 2004, Klostermann, Frankfurt

und rekonstruiert in einer aufwendigen Detailarbeit die Entwicklungslinien der Synthese zwischen platonischem Denken und orientalischen Philosophemen.

Dabei steht Platon im Mittelpunkt, Jeck stellt entsprechend die Dokumente vor, die Platon im Zusammenhang mit Mythologien des alten Orient zeigen. Das Buch erfüllt damit zugleich die Funktion eines Handbuches, das zentrale Zeugnisse mit jeweils spezifischen Auslegungen zum Diskussionsfeld „Platon und der Orient“ von der Antike bis ins neunzehnte Jahrhundert zusammenstellt und analysiert. Das Studium der überlieferten Dokumente zeigt die produktive mythenbildende Kraft der Bewegung des orientalisierenden Platonismus. Apokryphe Denker wie Hermes Trismegistus, Zoroaster und andere fiktive Philosophen erhalten dabei ein größeres Gewicht und erscheinen als Vorläufer Platons. Den Platonikern wiederum dienten sie zur Bekräftigung der eigenen Bedeutung; durch Rückverweis auf diese frühgeschichtlichen Autoritäten und die Identifikation mit ihrem angeblichen philosophischen Nachlass wurde die eigene Bedeutung hervorgehoben.

Es gibt zahlreiche Berichte antiker Autoren über angebliche Kontakte Platons zum Orient. Er verkörpert darin das Bild eines Philosophen, der sich der uralten Weisheit des Ostens bediente, im Bewusstsein ihrer Bedeutung weite Forschungsreisen unternahm und später zentrale Elemente des orientalischen Denkens in die eigene Philosophie aufnahm. Keine der angeblichen Reisen Platons in den Orient fand jedoch in den sekundären Quellen eine vergleichbare Resonanz wie die ägyptische Expedition. Sie hat eine bis in die Gegenwart hinein reichende Diskussion ausgelöst. Dabei kristallisierte sich folgendes Schema heraus:
- Platon hielt sich persönlich in Ägypten auf,
- ägyptische Priester aus bedeutenden Kultstätten waren seine Lehrmeister,
- er ließ sich dort in die Mysterien ihres geheimen Wissens einweihen.

Eine ungewöhnlich lange Passage mit Bezug auf Ägypten zeigt der Phaidros. Platon denkt dort über den Nutzen des Schreibens nach und lässt Sokrates von einem der alten Götter zu Naukratis berichten. Platon signalisiert damit, dass er Wissen über ägyptische Topographie wie auch über lokale Gottheiten und die damit verbundenen sakralen Symbole besitzt. Damit schrieb Platon in einem mit Sicherheit echten Dialog, der zudem nicht zum Alterswerk zählt, den Ägyptern und einem ihrer Götter die Stiftung bedeutender Wissenschaften zu. Platon zeigt sich des weiteren in seinem Werk auch als Kenner ägyptischer staatspolitischer Verfassung und kultisch-wissenschaftlicher Organisation.

Zahlreiche Nachrichten zur Älteren Akademie beweisen eine intensive Rezeption der Mythologien des Orients im Kreis früher Platonschüler. Sie setzen damit die Tradition des Stifters der Akademie fort und bereiten den Boden für die erfolgreiche Integration orientalischer Philosopheme in das Denken späterer Platoniker. Dazu gehören auch lediglich unter Platons Namen überlieferte Dialoge, da insbesondere gerade sie eine umfangreiche Rezeptionsgeschichte erlangten. Die spärlichen Zeugnisse geben in aller Dürftigkeit eine bestimmte Tendenz wieder: Die Astraltheologie steht im Zentrum der Rezeption. Insofern führten die anonymen Verfasser ein zentrales Forschungsthema der älteren Akademie weiter und nahmen damit Bestrebungen auf, die schon die beiden Altersdialoge Timaios und Nomoi entscheidend prägten.
So verweist der Erste Alkibiades konkret auf persisches Denken und den Kult des Magisters Zoroaster. Dieser apokryphe Text galt lange Zeit als sicherer und wichtiger Beweis der Beziehungen Platons zur persischen Theologie.

Aristoteles berichtete nüchtern über archaische Mythen, sparte nicht mit grundlegender Kritik und verurteilte die Mythologie der frühen Griechen, indem er ihre phantasiereichen theogonischen Spekulationen verwarf. Daher gewährte er vergleichbaren Entwürfen der Orientialen keinen Sonderstatus und erforschte sie rein doxographisch.

Von den theologisch-mythologischen Forschungen von Aristoteles’ Schülern, den Peripatetikern, blieb kaum etwas erhalten, obwohl sie berühmte Werke dazu verfassten, die später den Status viel genutzter Handbücher erhielten. Sie integrierten jedoch kaum altorientalische Philosopheme in ihre eigene Philosophie und überließen den Akademikern die Initiative auf diesem Gebiet fast völlig.

Den überlieferten Dokumenten nach integrierte der orientalisierende Platonismus zunächst die ägyptischen Mythen. Auf diesem Gebiet leistete Plutarch Pionierarbeit. Er wagte auch den direkten Vergleich ägyptischer Theologie mit zentralen Passagen aus Platons Dialogen. Seine Schrift De Iside et Osiride gilt deshalb als eines der wichtigsten Dokumente des antiken orientalisierenden Platonismus. Sie stand am Beginn der komplexen sowie qualitativ hochwertigen Bearbeitung ägyptischer Kosmogonien und Theogonien in den Entwürfen zahlreicher prominenter Platoniker. Zu deren wichtigsten philosophischen Dokumenten gehören das Corpus Hermeticum sowie die ihm verwandten, aber an verstreuter Stelle überlieferten Fragmente. Ihr Ursprung aus ägyptischen Vorlagen blieb umstritten, ihre Beziehung zu philosophischen Theoremen avancierte aber zum Gegenstand zahlreicher sich widersprechender Hypothesen. Indizien deuten jedoch auf eine bestimmte Nähe bestimmter Konzepte des Hermetismus zur Platonischen Philosophie hin. Zu den wichtigsten ägyptisierenden Platonica gehört auch Iamblichs Werk De mysteriis Aegyptiorum. Dieser Text zeichnet sich durch eine gründliche Berücksichtigung kosmogonisch-theogonistischer Entwürfe angeblich ägyptischer Provenienz aus, die deutlich eine Verwandtschaft mit damals verfügbaren hermetischen Konzepten zeigen. Durch ihre kritische Bearbeitung setzte Iamblich jedoch neue Maßstäbe. Dabei blieb er nicht stehen. Er stieß über Platon hinaus zu den Geheimnissen ägyptischer Mysterien vor, denn erst auf diese Weise erschien dessen Streben nach ihrer Erkenntnis glaubhaft und nachvollziehbar.
Kaum etwas erhalten blieb jedoch von der umfangreichen platonischen Literatur zur persischen Theogonie und Kosmogonie.

Auch platonisierende Philosophen der lateinischen Antike haben die Bedeutung orientalischer Mythen nicht übersehen. Allerdings verengte sich ihre Perspektive, denn sie nahmen überwiegend nur Platons Beziehungen zu Ägypten in den Blick. Ciceros Mitteilungen über Platons Expedition nach Ägypten erlangten in der Rezeptionsgeschichte neben den griechischen Dokumenten sogar eine große Bedeutung. Die ernsthafte Rezeption lateinischer Orientalia begann im lateinischen Westen allerdings nicht mit Cicero, sondern mit Apuleius. Sie entsprang seiner intensiven Beschäftigung mit orientalischen Kulten. Er verwirklichte das durch die Tradition überlieferte Ideal eines platonischen Weisen, der ohne Vorbehalte mit großer Wissbegierde von den Orientalen lernte. Anders als Cicero deutete Apuleius die Reise Platons nach Ägypten nicht als wissenschaftliche Forschungsexpedition, die allein der „Lernbegierde“ diente. Sie galt seiner Ansicht nach vornehmlich der Einblicknahme in ägyptische Kulte: Platon wollte nicht nur Kenntnisse anhäufen, er begehrte angeblich auch die Einweihung in geheime Mysterien der Ägypter. Apuleius folgte ihm darin. Er hielt sich ebenfalls am Nil auf, studierte dort ägyptisches Wissen und übersah dennoch keinesfalls andere Orientalia, sondern konfrontierte sie vielmehr mit Platons Theologie, wobei vor allem dessen Astraltheologie die Funktion einer paradigmatischen Leitlinie übernahm.
Auch Augustinus zeigte Sympathien mit bestimmten Zügen des orientalisierenden Platonismus, er ließ sich jedoch von einer kritischen Prüfung orientalischer Weisheit nicht abhalten.
Im Mittelalter erwies sich die lateinische Übersetzung des Timaios als Ausgangspunkt zahlreicher Reflexion über Aegyptiaca. Insbesondere von dessen Prolog liessen sich viele inspirieren, über das angeblich uralte Wissen der Ägypter zu spekulieren.

Als früher Zeuge eines nicht ganz abgebrochenen Stroms antiker Orientalia in den Westen gilt Isidor von Sevilla. Durch sein enzyklopädisches Handbuch bewahrte er manche Informationen aus der Antike vor dem sicheren Vergessenwerden. Aber erst die Renaissance des Platonismus schuf die Voraussetzungen dafür, dass zentrale Dokumente des orientalisierenden Platonismus im lateinischen Westen wieder Gehör fanden. Als einer der wichtigsten Repräsentanten dieser Bewegung gilt Wilhelm vom Conches. Große Bedeutung als eine Strömung aus dem Umkreis ägyptisierender Philosophen im lateinischen Mittelalter erreichte der Hermetismus. Je mehr das Interesse an Platon und seiner Philosophie im Mittelalter wuchs, desto größere Bewunderung fanden auch Hermes Trismegistus und der Hermetismus. Detailliert interpretierende Philosophen des 12. Jahrhunderts erkannten die Nähe der Platonischen zur hermetischen Lehre und stellten deshalb den Griechen mit dem Ägypter auf eine Stufe. Im 13. Jahrhundert übernahm Albert der Große eine führende Rolle bei der Durchsetzung hermetischer Konzepte und ihrer Zusammenführung mit platonischen Theoremen. Er ließ sich von der platonischen Götterlehre zu tiefgreifenden Analysen inspirieren. Seine Nachfolger intensivierten diese Tendenz und zogen zusätzliche Materialien unterschiedlicher Provenienz herbei.

Die Philosophie der Renaissance nahm den Problemstand des Mittelalters auf und initiierte damit die weitere Entwicklung des Diskurses bis weit ins 19. Jahrhundert. Die Bewegung explodierte hier gleichsam, eine Überfülle von Material ist vorhanden. Ficino verfügte als erster Philosoph seit der Spätantike wieder über die gesamte Fülle der in den klassischen Sprachen überlieferten Zeugnisse des orientalisierenden Platonismus. Er nahm die Texte dieser Bewegung zur Kenntnis, studierte sie intensiv und übersetzte einige ihrer wichtigsten griechischen Quellen ins Lateinische. Zugleich führte er die Informationen daraus in die eigene philosophische Arbeit ein, indem er die Ergebnisse seiner Bemühungen vor allem zur Konzeption einer neuen platonischen Theologie nutzte. Zur Ausarbeitung einer stringent begründeten Theologie griff er auf die ganze Mannigfaltigkeit der Dokumente des orientalisierenden Platonismus zurück und beurteilte sie aus der Perspektive der eigenen Philosophie. Die Entdeckung der kabbalistischen Philosophie durch platonisch inspiriertes Denken setzte neue Energien frei. Pico della Mirandola wirkte als einer der bedeutendsten Repräsentanten dieser Bewegung, indem er grundlegende Strukturen des jüdischen Denkens in den Mittelpunkt seiner Konzeption stellte. 1494 finden sich in Johannes Reuchlins Frühwerk De verbo mirifico positive Reaktionen auf Picos kabbalistische Konzeptionen. Reuchlin nahm das neue Denken des Italieners mit stürmischer Begeisterung auf. Sein eigenes erstes kabbalistisches System stieß sofort auf Aufmerksamkeit und gewann erheblichen Einfluss. Er orientierte sich damit zwar stets an der neuplatonisch inspirierten Philosophie Picos, aber er trat näher als dieser an den inneren Geist der jüdischen Kabbala heran. Das ungewohnte Projekt einer produktiven Sythese zwischen Platonismus und hebräischer Kabbala auf gleichberechtigter Basis blieb aber bei der Orthodoxie nicht unwidersprochen. Ihre führenden Repräsentanten behinderten die Durchsetzung der neuen Konzeption, indem sie Reuchlin erbitterten Widerstand entgegensetzten.

In den Jahren 1531 und 1533 veröffentlichte Agrippa von Nettesheim eine Schrift mit dem Titel De occulta philosophica. Er begründete darin seine Philosophie, die sich zugleich als Magie verstand: Magie aber nicht als obskure Pseudowissenschaft, sondern als Enthüllung verborgener Kenntnisse im ursprünglichen Sinne des Wortes „okkult“. Die Magie umgreift seiner Ansicht nach alle philosophischen Disziplinen, ihrer Herkunft nach reicht sie sogar bis in die Frühzeit des Denkens zurück. Das magische Wissen besitzt insofern eine lange und ehrwürdige Tradition, die sich vor allem auf orientalische Wurzeln zurückführen lässt. Agrippa verknüpfte dabei eine Reihe prominenter Denker aus ältester Zeit mit Figuren unsicherer Provenienz und brachte so eine bunte Mischung nachweisbarer Philosophen mit fiktiven mythischen Denkern ohne jegliche historische Basis in einen Zusammenhang. Dabei zog er alle erreichbaren Weisen aus der Frühphase der Philosophie als Zeugen uralter Magie heran.

Bei F. Patrizi da Cherso erreichte die von Ficino vorangetriebene Integration antiker orientalisierender Platonica in die Philosophie des lateinischen Westens ein bis dahin nicht gekanntes Ausmaß. Dabei diente seine Rekonstruktion der archaischen Philosophie des Orients nicht einem Selbstzweck. Bei der Destruktion fehlerhafter Tendenzen in der Konstruktion des Aristoteles und ihrer negativen Verzerrung durch die Interpretation der Aristoteliker wollte er die Effizienz orientalischer Philosophen zur Beseitigung fundamentaler Hindernisse nutzen, die, wie er glaubte, dem wahren Verständnis der Einsichten Platons im Wege standen. Patrizi interessierte sich insbesondere brennend für Platons „Ungeschriebene Lehre“. Aber seine Rekonstruktionen unterscheiden sich signifikant von den modernen. Er führte nämlich den Inhalt dieser geheimen Philosophie Platons nicht auf originär griechisches Denken zurück, vielmehr soll Platon sich dieses mystische Wissen bei seinem Aufenthalt in Ägypten von den Orientalen angeeignet haben. Als Kern des Platonischen Denkens erschien Patrizi die verborgene Philosophie der Ägypter. Aber auch in einem anderen Zusammenhang ließ Patrizi seinen unkritischen Spekulationen freien Lauf und unterstellte Aristoteles eine spektakuläre Wendung: Dieser habe im Alter zu einer positiven Einschätzung der Lehre seines Meisters zurückgefunden, und dabei habe sich ihm allmählich der wahre Wert der Platonischen Philosophie erschlossen. Außerdem habe er zunehmend Einsicht in sein eigenes Versagen gefunden, indem er nun frühere Überlegungen als falsch, widersprüchlich und teilweise in ihrer Gesamtheit als verfehlt einschätzte. Dabei hatte die Schrift Theologia Aristotelis für Patrizi eine große Bedeutung, ein ins Lateinische übersetztes arabisches Manuskript aus Damaskus, das des Aristoteles esoterische Philosophie dokumentierte. Sie wird heute als apokrypher Text neuplatonischer Provenienz eingeschätzt, im Unterschied zu Patrizi schließt heute die historisch-kritische Forschung jede Beteiligung des Aristoteles an dieser Kompilation grundsätzlich aus. Patrizi erschloss aus der Schrift jedoch die Bedeutung der „Ungeschriebenen Lehre“ Platons: Die geheimen Enthüllungen aus der Philosophie der Ägypter, so glaubte Aristoteles nun, verfügten über eine besondere Herkunft: sie traten nicht lediglich auf profane Art und Weise ans Tageslicht, sondern besaßen den Status wertvoller Enthüllungen aus göttlicher Quelle.

Im 17. Jahrhundert sah der Jesuit und Ägyptologe Athanasius Kircher einen Beweis des Zusammenhangs zwischen platonischem Denken und ägyptischer Philosophie in der beiderseitigen theoretischen Nutzung abstrakter geometrischer Strukturen mit pyramidaler Form. Kirchner erschloss sich durch einen immensen Fleiß und große Sachkenntnis alle damals bekannten Informationen über die altorientalische Philosophie und fügte sie zu einem neuplatonisch inspirierten Denkgebäude zusammen. Zugleich erhoben sich aber zunehmend kritische Stimmen, die gegen die allgemein übliche Hochschätzung der Philosophie Ägyptens protestierten. Ein Paradigmenwechsel in der Rezeption der angeblich uralten Weisheit des Orients kündigte sich an, der sukzessiv das hohe Ansehen hermetischer Texte erschütterte und bei zahlreichen Denkern den Glauben an die ägyptische Herkunft derartiger Materialien zerstörte. Unter diesen Voraussetzungen brach der Mythos vom hohen Alter des Corpus Hermeticum zusammen. Insbesondere Isaac Causabon zeigte, dass sich im Corpus Hermeticum keine Spur von ägyptischer Philosophie findet. Seine Kritik erschien vielen Philosophen plausibel und erschütterte den Glauben an die Existenz einer eigenständig hoch entwickelten ägyptischen Philosophie. Und ein halbes Jahrhundert nach Kirchners Tod hielt in den Augen Giambattista Vicos kaum etwas von den zahlreichen neuplatonischen Annahmen zur Weisheit des Orients einer gründlichen kritischen Prüfung stand. Textsammlungen wie das Corpus Hermeticum deutete er als platonisierende Fälschungen und schlug einen völlig anderen Zugang zur Frühgeschichte des Wissens vor: Er reflektierte über die Hebräer und erklärte sie zum ältesten Volk der Welt. Platon schätzte Vico als Mythologen: er suchte bei ihm Einblick in die Verfassung ältesten Denkens, doch sollte dieses nicht mehr der philosophischen Enthüllung einer kryptischen Weisheit, sondern lediglich dem Verständnis des unterentwickelten Denkens aus dem Orient dienen.

In den Jahren 1792 bis 1795 legte W.G. Tennemann sein System der Platonischen Philosophie vor. Dabei ging es ihm um eine radikale Eliminierung orientalisierender Interpretationen aus der Platonexegese. Die Gegenposition vertrat F. Schlegel. Er traute Platon originäre Kenntnisse des orientalischen Denkens zu: „Plato war selbst in Ägypten, und erwähnt der ägyptischen Philosophie mit großem Ruhme, scheint dieser gar den Vorzug vor der griechischen zu geben, aber mehr sagt er auch nicht über sie, als dass er viel Schönes und Vortreffliches in ihr gefunden.“ H. Ritter hingegen glaubte in seiner Geschichte der Philosophie von 1836, erst die nach Aristoteles einsetzende Unproduktivität der griechischen Philosophie habe den Einbruch orientalischer Konzeptionen in das Denken der Hellenen erlaubt.

Schelling beschäftigte sich intensiv mit dem Corpus Platonicum und setzte die antiken Quellen mehrdimensional zur Lösung grundlegender Probleme seiner eigenen Philosophie der Mythologie ein. In den ägyptischen Pyramiden sah er sogar einen empirischen Beweis der eigenen philosophischen Konstruktion aus dem Geist neuplatonisch-pythagoreischer Zahlenmystik. Aber die meisten Kritiker sahen seine mythologisch-philologischen Forschungen als willkürliches Spiel mit Etymologien zur Absicherung einer fragwürdigen philosophischen Konzeption voller Absurditäten.