Harald Wohlrapps Theorie der Argumentation als Grundlage der Philosophie

Im Zentrum von Harald Wohlrapps philosophischem Engagement steht die begriffliche Analyse und ideelle Bestimmung des argumentierenden Redens. Dabei begreift er die Argumentationstheorie nicht als bloßes Spezialgebiet der Philosophie, sondern geradezu als Bedingung der Möglichkeit für ein zukünftiges philosophisches Weiter-denken, nachdem sich angesichts der relativierenden Potenzen, die die Implikationen von Wittgensteins "Sprachspiel" und Kuhns Konzept des Paradigmenwechsels entfalteten, die Hoffnung auf eine wissenschaftstheoretische Verankerung der Philosophie endgültig zerschlagen zu haben scheint.

Harald Wohlrapp, geb. 1944, studierte Philosophie, Sprach- und Sozialwissenschaften in Paris, Freiburg und Erlangen. Seit 1970 ist er am Philosophischen Seminar der Universität Hamburg tätig, seit 1983 als Professor. Seine akademische Sozialisation vollzog sich im Konstruktivismus der Erlanger Schule, deren Begründer Paul Lorenzen er nach wie vor als seinen wichtigsten Lehrer betrachtet. Die Auseinandersetzung mit Gegenpositionen, insbesondere dem radikalen Relativismus Paul Feyerabends und der dialektischen Systematik G.W.F. Hegels, brachte ihn aber zu der Überzeugung, daß das konstruktivistische Programm eines gezielten methodischen Aufbaus des Wissens aus der Lebenpraxis heraus zu starr sei, um dem historischen und subjektgetragenen Charakter der menschlichen Theoriebildung gerecht zu werden. Bei der Suche nach einem Weg, den methodisch-pragmatischen Zugriff des Konstruktivismus mit prozessualen Elementen des Wissenschaftshistorismus, dialektischer Reflexivität und konkretem Problembezug zu verbinden, schien ihm die Frage nach der Wahrheit oder Fortschrittlichkeit von Theorien schließlich auf die argumentative Praxis als gleichsam letzter Instanz möglicher Verbindlichkeit zu verweisen. Seither setzt sich Wohlrapp dafür ein, der Philosophie durch eine Theorie vernünftigen Argumentierens, die durch reflexive Aufstufung prinzipiell unabgeschlossen bleibt, zu einer neuen methodischen Grundlage zu verhelfen.

Die Argumentationstheorie selbst ist noch eine relativ junge Disziplin, die sich als Forschungsgebiet innerhalb der Philosophie erst langsam zu etablieren beginnt. Dennoch liegt inzwischen eine ganze Bandbreite von Ansätzen vor. Sie haben gemeinsam, daß sie sich mehr oder weniger deutlich von der Vorstellung abwenden, überzeugendes Argumentieren sei in erster Linie eine Sache des konsequenten logischen Schließens, stehen aber bisher noch recht unvermittelt nebeneinander. Das Spektrum reicht von stark normativ ausgerichteten Bemühungen, nach dem Muster der formalen Logik einen umfassenden Regelkanon speziell für Argumentation aufzustellen, über Bestrebungen, die logischen Strukturen unter Verweis auf das faktische Argumentieren eher zu relativieren oder von einem rhetorischen Ansatz aus vorrangig die Wirkmechanismen zu thematisieren, bis hin zu Versuchen, dem Phänomen als solchem allein durch empirische Untersuchungen beizukommen.

Wohlrapps Position nimmt hier insofern eine Sonderstellung ein, als er die Eigendynamik des Argumentierens hervorzuheben sucht und die reale argumentative Praxis sowohl als Quelle wie auch als letztes Korrektiv für die argumentationstheoretische Begriffsbildung ansieht.

Das "Zwischenreich" des Argumentierens

Wohlrapp versteht Argumentation als eine Redepraxis, die sich mit dem Bestreben, den subjektiven Orientierungshorizont auf eine weniger beschränkte Weltsicht und Lebensweise hin zu überschreiten, unmittelbar aus dem alltäglichen Kommunikations- und Verständigungszusammenhang herausbildet und so gewissermaßen zwischen dem alltäglichen Meinungsaustausch einerseits und dem systematischen Wissensaufbau nach vorgegebenen methodologischen Standards andererseits steht.

Wenn wir im Hinblick auf eine Meinungsäußerung die Geltungsfrage aufwerfen und uns auf diesen Aspekt beim weiteren Reden konzentrieren, vollziehen wir seiner Auffassung nach eine "Distanzierung", die uns aus dem Meinungszusammenhang heraustreten läßt: Wir lösen uns ein Stück weit von unserer subjektiven Ansicht und Einstellung zu dem betreffenden Zusammenhang und setzen sie der Frage aus, ob sie auch für sich betrachtet, unabhängig von ihrem Bezug zu unserer eigenen Person, Bestand haben können. Über Schritte des Behauptens, Begründens und Widerlegens – das sind nach Wohlrapp die drei "argumentativen Grundoperationen" – versuchen wir, sowohl die jeweilige These als gültig oder nicht gültig auszuweisen, als auch die Voraussetzungen für diesen Geltungserweis zu schaffen, nämlich eine "theoretische Basis" verfügbar zu machen, die als sichere und gemeinsame Grundlage (von situationsinvarianten Orientierungen, stabilen Begriffen und praxisgestützten Wissenselementen) für die Entscheidung fungieren kann. Der argumentative Klärungsprozeß bezieht sich also nicht nur auf die in der These und den Argumenten explizit angesprochenen Inhalte, sondern betrifft immer auch den vielschichtigen Komplex an Voraussetzungen, die als subjektive und begriffliche Komponenten in ihre Formulierung eingehen – unter Umständen sogar das Orientierungs-system, in das sie eingebettet sind, bis hin zum Selbstverständnis der Beteiligten. Geht dabei die Distanz wieder verloren (etwa weil Elemente unseres Standpunkts berührt werden, die wir ursprünglich gar nicht zur Disposition stellen wollten, oder weil noch gar kein Ansatzpunkt für die Ausbildung einer theoretischen Basis vorhanden ist), hören wir auf zu argumentieren und befinden uns erneut auf der Ebene des Meinens, möglicherweise allerdings mit einem neuen, klareren Verständnis des thematisierten Sachverhalts und unserer eigenen Position dazu.

Retroflexivität und Einwand-Freiheit

In der beim Argumentieren zwischen der These und den Argumenten bestehende Re-lation sieht Wohlrapp deshalb auch keine einseitige, rein deduktive Beziehung, bei der von bereits anerkannten oder unabhängig zu rechtfertigenden Aussagen – als Prämissen – zu der jeweils zur Disposition stehenden Behauptung – als Konklusion – übergegangen wird. Seiner Ansicht nach handelt es sich vielmehr um ein Verhältnis wechselseitiger Stützung, das er als "retroflexive Struktur" bezeichnet: Der Begründungszusammenhang, der darauf angelegt ist, die These als erreichbar darzustellen, wirkt auch auf die Voraussetzungen, die in die Begründung eingehen, zurück.

Damit ist kein Zirkel im Sinne einer in beide Richtungen gehenden VoraussetzungsFolgerungs-Relation gemeint, sondern eine Art Rückkopplungsschleife, in der sich die Dynamik des Argumentierens manifestiert. Denn da der Klärungsprozeß aus dem Zusammenhang des Meinens heraus beginnt, steht nicht von vornherein fest, welche Annahmen als bereits gesichert in Anspruch genommen werden können, wie die These genau zu verstehen und was für ihre Begründung bzw. Widerlegung relevant ist.

Das kann nur durch die argumentative Auseinandersetzung selbst – bei der Erörterung der Geltung der These – geklärt werden, so daß die eigentliche Bedeutung der einzelnen Elemente einer Argumentation sich erst in ihrer Beziehung zu den anderen entfaltet und vom Fortgang des Gesamtprozesses mitbestimmt wird. So ist es möglich, daß der jeweils folgende Schritt auch die vorher vollzogenen Schritte beeinflußt und unter Umständen zu ihrer Revision führt, etwa weil er bisher nicht berücksichtigte Aspekte einführt, eine neue Sicht auf bereits vorgebrachte Argumente nahelegt oder andere Bezüge zwischen den einzelnen Elementen deutlich macht. Es kann also im Fortgang der Argumentation erforderlich werden, die ursprünglich aufgestellte These aufgrund der vorgebrachten Argumente zu reformulieren, um sie weiterhin halten – oder auch bestreiten – zu können, was wiederum eine Reformulierung der Argumente nach sich ziehen kann, so daß eine weitere Reformulierung der These nötig wird, und so fort. Dieser Prozeß ist im Prinzip so lange weiterführbar, bis eine gültige Version der These erreicht und die dafür notwendige theoretische Basis verfügbar gemacht ist, wozu alle Einwände ausgeräumt bzw. so reformuliert sein müssen, daß sie in die Begründung der These integriert werden können. In diesem Fall stützt die erreichte These nun auch die Argumente, denn die in ihnen als geltungsrelevant ins Spiel gebrachten Strukturen weisen sich gewissermaßen allererst in ihrem Bezug zur These als solche aus – da-durch, daß sie ihr tatsächlich ein festes Fundament verschaffen, auf dem sie stehen kann: Der aufgebaute argumentative Zusammenhang sichert nicht nur die Geltung der These selbst, sondern stabilisiert zugleich die theoretisch-begrifflichen Bestimmungen, mit denen sie durch die zu ihrer Begründung zusammentretenden Argumente in Verbindung gebracht wird.

Konsequenterweise ist das Geltungskriterium für Thesen dem Wohlrappschen Ansatz nach nicht, ob die zur Disposition stehende These in irgendeinem Folgerungsverhältnis zu den Argumenten steht, sondern schlicht "Einwand-Freiheit": Wenn – und solange – gegen den in der Argumentation aufgebauten Zusammenhang keine Einwände stehen, ist die These "argumentativ gültig". Anders als viele der neueren argumentationstheoretischen Ansätze, die mangels eines eindeutigen Begriffs von argumentativer Geltung (im Unterschied zu deduktiver Geltung) nicht deutlich zwischen Geltungsbedingungen und den Bedingungen des Anerkennens für die je zur Dispositon stehenden Thesen unterscheiden, kann Wohlrapp damit Akzeptanz und Geltung klar voneinander abgrenzen: Während der Begriff Akzeptanz sich auf den "Stand der Meinungen" der an der Argumentation Be-teiligten bezieht, charakterisiert der Begriff argumentative Geltung den "Stand der Argumente".

Im Hinblick auf eine These ist also nach Wohlrapp sowohl denkbar, daß sie lediglich akzeptiert wird, ohne zu gelten, als auch, daß sie argumentativ (am Stand der Argu-mente gemessen) gültig ist, ohne akzeptiert zu werden. Idealerweise zielt Argumentation allerdings auf Akzeptanz aufgrund von Gel-tung ab, was aber durch Argumente nicht erzwungen werden kann. Denn nach Wohlrapp muß dabei die subjektive, nicht in ein Kriterium überführbare "Innenseite" der argumentativen Geltung, nämlich Einsicht, hinzukommen. Da der Stand der Argumente sich im Laufe der Zeit verändern kann, ist dieser Geltungsbegriff zudem dynamisch – die These gilt oder gilt nicht mit Bezug zu dem jeweiligen Argumentationsstand.

Ein "Anfang inmitten"

Mit diesem Verständnis des Argumentierens hängt auch Wohlrapps Verständnis seines eigenen methodischen Vorgehens zusammen, das er als "Anfang inmitten" charakterisiert und mit der Notwendigkeit begründet, das besondere Verhältnis zwischen der Argumentationstheorie und ihrem Gegenstand zu berücksichtigen. Er macht darauf aufmerksam, daß Objekt- und Meta-Ebene in diesem Bereich nicht so vollständig voneinander zu trennen sind, wie es in der Wissenschaft sonst üblich ist. Denn einerseits lassen sich auch die Begriffe und Unterscheidungen, die dazu dienen, argumentative Prozesse theoretisch zu erfassen, letztlich nicht anders als argumentativ entwickeln und begründen, und andererseits bilden sich solche Strukturen schon innerhalb der Argumentationspraxis heraus, weil darin die Art und Weise des Argumentierens selbst zum Thema gemacht werden kann.

Deshalb hält Wohlrapp sowohl ein normativ-idealisierendes wie auch ein deskriptivempirisches Vorgehen für verfehlt: Seiner Ansicht nach wird dabei unterstellt, daß die Argumentationspraxis als bloßer Gegenstand, frei von Theorie, vorzufinden ist und der theoretische Begriffsapparat, mit dem sie erfaßt werden soll, von einem ihr äußeren Standpunkt aus, gleichsam argumentationsunabhängig, aufgebaut werden kann. Stattdessen plädiert er dafür, von innen, aus der bestehenden Argumentationspraxis her-aus und mit ihren Mitteln, gewissermaßen als argumentierendes Individuum, vorzugehen und so die Theoriebildung als in der argumentativen Praxis verortete und diese mitgestaltende Reflexionstätigkeit zu begreifen.

Begriffliche Unterscheidungen zu entwik-keln und Argumentationen zu analysieren, ist seinem Verständnis nach also keine rein theoretische Angelegenheit, sondern zugleich ein praktischer argumentativer Akt, der in den analysierten Zusammenhang zu-mindest strukturierend eingreift (wie es häufig ja auch die direkt Beteiligten tun) und im Prinzip sogar den Argumentationsstand inhaltlich beeinflussen kann. Das ist durchaus wörtlich zu nehmen, denn Wohlrapp versteht sich offensichtlich nicht als ein neutraler Beobachter. So demonstriert er seine Auffassung – außer an in der argumentationstheoretischen Fachliteratur thematisierten Fällen – vorwiegend am Beispiel von Diskussionen zu gesellschaftspolitischen Themen oder Fragen aus Grenzbereichen der Naturwissenschaften, die aktuell und noch strittig sind, und scheut sich auch nicht, dabei selbst Stellung zu beziehen.

Interkulturelles Argumentieren

In letzter Zeit ist Wohlrapp dabei, seinen Ansatz zu einem "transkulturellen" Argumentationsbegriff auszuweiten. Dahinter steht der Gedanke, daß das Argumentieren aufgrund seiner oben angesprochenen orientierungsbildenden Dimension die Möglichkeit bietet, über Kulturgrenzen hinweg Wege der Konfliktbewältigung zu finden, ohne bei einem bloßen Pluralismus der verschiedenen Kulturen stehenzubleiben oder zu versuchen, dem Fremden, Anderen die je eigenen Orientierungen, Normen und Handlungsweisen aufzuzwingen. Allerdings ergeben sich dabei besondere Schwierigkeiten, denn im Unterschied zum kulturimmanenten Argumentieren können die betreffenden Kulturen so verschieden sein, daß für die Herstellung einer einheitlichen theoretischen Basis, die als gemeinsame Grund-lage für das anvisierte Resultat fungieren könnte, zu wenig Anknüpfungspunkte vorhanden sind.

In Anlehnung an Lorenzens gesellschaftspolitische Überlegungen, unterscheidet Wohlrapp hier zwischen den verschiedenen "Lebensformen" (als Außenseite der Kulturen) und den dazugehörigen "Sinngehalten" (als deren Innenseite), die für das gesamte Leben und Handeln sinngebende Funktion haben, aber sogar den Mitgliedern einer Kultur nicht ohne weiteres transparent und einer bloßen Beobachtung gar nicht zugänglich sind, so daß sie häufig implizit als selbstverständlich und gemeinsam unterstellt werden. Sind diese Sinngehalte verschieden, so führen sie auch zu verschiedenen – heterogenen – theoretischen Basen.

Eine entscheidende Voraussetzung für eine fruchtbare Auseinandersetzung besteht des-halb für ihn darin, daß die andere Kultur in ihrem Andersein überhaupt wahrgenommen, also die konkrete Erfahrung des Fremden als solchen darin zugelassen wird, was er das "Erleben des Fremden" nennt. Das Ziel des Argumentierens ist in diesem Fall auch nicht, kulturübergreifend eine homogene theoretische Basis herzustellen und zu gültigen Thesen zu gelangen. Es kommt vielmehr nach Wohlrapp zunächst darauf an, innerhalb des je eigenen Sinngehalts "Durchlässigkeit" für den Sinngehalt der anderen Kultur zu schaffen, um ein besseres Verständnis sowohl des fremden als auch des eigenen Standpunkts zu erreichen. Einen Weg dazu sieht er im Finden von Entsprechungen, d. h. im Parallelisieren der betreffenden Auffassungen dahingehend, daß das zunächst völlig Fremde als andere Form von etwas, was im Eigenen gleichfalls, wenn auch eben anders, vorkommt, ver-standen werden kann. Der nächste Schritt ist dann, "Verträglichkeit" der Handlungsweisen zu erreichen: Die je eigene Lebensweise wird zur Disposition gestellt und gegebe-nenfalls der dazugehörige Sinngehalt weiterentwickelt, bis für den Bereich der gemeinsamen Praxis die Normen und Formen des Handelns so gefaßt werden können, daß sie in beide Orientierungssysteme integrierbar – mit deren unterschiedlichen Sinngehalten vereinbar – sind, auch und gerade dann, wenn sie intern völlig verschieden gedeutet werden. Unvereinbare Besonderheiten müssen nach Wohlrapp zwar als par-tikular aufgegeben werden, aber die unterschiedliche kulturelle Identität kann, wenn auch etwas modifiziert, erhalten bleiben.

Zusammenfassend läßt sich zunächst fest-halten, daß Wohlrapp die Diskussion innerhalb der Argumentationstheorie sicherlich um neue Aspekte bereichert hat. Sein Ansatz geht über die gegenwärtig in der Argumentationstheorie vorherrschende Strömung insofern hinaus, als er die Auffassung von Argumentation als einer Praxis, deren Strukturen nicht in den Regeln der formalen Lo-gik aufgehen, mit einer ausdrücklichen Ab-grenzung von argumentativer Geltung gegenüber bloßer Zustimmung oder Konsensbildung verbindet. Dabei lenkt er das Augenmerk auf den Prozeß des praktischen Argumentierens und seine innere Dynamik, statt die Formulierung von speziellen argumentativen Standards in den Vordergrund zu stellen. Zugleich hat er darauf aufmerksam gemacht, daß gerade die Argumentationstheorie ihren eigenen Zugriff bei der Theoriebildung und -begründung stärker re-flektieren muß, also am Problem der Konstitution ihres Gegenstands nicht vorbeigehen kann.

Mit seiner Betonung der Gestaltungsfunktion des Argumentierens bietet Wohlrapp aber auch eine neue, interessante Perspektive für den Umgang mit dem Relativismus-Problem. Angesichts der Alternative zwischen Relativismus und Universalismus beruft er sich gleichsam auf die Kreativität der Vernunft, nämlich auf die Möglichkeit, den eigenen Standpunkt zur Disposition zu stellen und in Auseinandersetzung mit anderen Aufassungen in Richtung auf eine weniger beschränkte Weltsicht von innen heraus weiterzuentwickeln: Auch wenn keine allgemeinen und gemeinsamen Regeln oder Orientierungen, auf die man sich beim Umgang mit Kontroversen und Konflikten beziehen könnte, verfügbar sind, kann immer noch argumentiert werden, um sie unter Umständen selbst herzustellen. Ob sich daraus ein neues Verständnis der Theorie- und Wissensbildung entwickeln läßt, das weder bei einem bloßen pluralistischen Nebeneinander verschiedener Theorien oder Weltauffassungen stehenbleibt, noch in einen prä-postmodernen Rationalismus zurückfällt, wird sich zeigen.

 

Texte von Harald Wohlrapp

Die diskursive Tendenz. Ein reflexiver Ansatz zur Argumentationstheorie, Vortrag auf dem 15. Deutschen Kongreß für Philosophie Hamburg 1990; in: Wohlrapp (Hg.), Wege der Argumentationsforschung, Stuttgart-Bad Cannstatt 1995, S. 395–415

Konstruktive Anthropologie als Basis eines Konzepts von Kulturpluralismus?; in: E. Jelden (Hg.), Prototheorien – Praxis und Erkenntnis, Leipzig 1995, S.149–163

A new light on non-deductive argumentation schemes; in: Argumentation 12 (1998), S. 341–350

Die Suche nach einem transkulturellen Argumentationsbegriff – Resultate und Probleme; in: H. Steinmann, A. G. Scherer (Hg.) Zwischen Universalismus und Relativismus, Frankfurt/M. 1998, S. 240–290

Harald Wohlrapp hat zudem den Band "Wege der Argumentationsforschung" (419 S., Ln. DM 123.--, kt. DM 94.--, Problemata 135, 1995, Frommann-Holzboog, Stuttgart) herausgegeben. [Bestellen]