Zeichen- und Interpretationsphilosophie

Ein Gespräch mit Günter Abel

Herr Abel, Sie haben mit dem Stoizismus der frühen Neuzeit (Dissertation) und Nietzsche (Habilitation) begonnen. Wie hat sich Ihr Philosophieren hin zu einem interpretationistischen Philosophieren entwickelt?

Im Nachhinein hat es für mich einen Zusammenhang ergeben. Die Dissertation beschäftigt sich mit den Entstehungsbedingungen neuzeitlicher Rationalität. In deren Zentrum steht, wie vor allem Hans Blumenberg betont hat, der Erhaltungsgedanke, genauer: die Figur der intransitiven Selbsterhaltung. Diese Figur hat eine ihrer Wurzeln in der Tradition der stoischen Philosophie. Mich hat dann interessiert, wie sich der Typus des Denkens, den wir neuzeitliche Rationalität nennen, weiterentwickelt hat, bis ins späte 19. Jahrhundert, wo er in eine Krise geriet. Aufschlussreich war für mich, in welch radikaler Weise Nietzsche den Erhaltungsgedanken durch den Steigerungsgedanken unterläuft bzw. überbietet. Das steht in einem engen Zusammenhang mit der Krise des teleologischen ebenso wie des kausalistischen Denkens. Und genau hier liegt ein wichtiger Übergang in die Perspektivitäts- und Interpretationsproblematik, wie sie vor allem in der Philosophie Nietzsches betont wird.

Es gibt aber noch andere für mich wichtige Linien. Die eine ist die kantische. Ich habe als Student in Marburg als Kantianer begonnen und die Transzendentalphilosophie sehr früh als "transzendentalen Nominalismus" verstanden, der ebenfalls konstruktionalen und perspektivischen Charakter hat, gleichsam eine Art transzendentalen Perspektivismus darstellt. Eine dritte für mich maßgebenden Linie ist die der modernen Sprachphilosophie. Hier möchte ich vor allem Wittgenstein nennen. Bei ihm werden "Bedeutungen" weder als Gegenstände noch als Phänomene verstanden. Die Aufmerksamkeit wurde vielmehr auf unsere menschliche Praxis des Gebrauchs der Wörter und Ausdrücke gelenkt. In ihr werden die semantischen Merkmale, werden Bedeutung und Referenz unserer Ausdrücke allererst festgelegt. Die vierte Komponente schließlich, die für mich persönlich überaus wichtig ist, ist die Allgemeine Symboltheorie Nelson Goodmans, mit dem mich auch über viele Jahre eine sehr enge Freundschaft verband. Der Symboltheorie geht es darum, die Analyse der sprachlichen Zeichensysteme um die Erforschung der nicht-sprachlichen Symbolsysteme zu ergänzen und beide miteinander zu verschränken.

Ich habe dann die Elemente des Perspektivischen und des Konstruktionalen, die bei den genannten Autoren, also bei Nietzsche, Kant, Wittgenstein und Goodman, eine wichtige Rolle spielen, explizit ins Zentrum der Betrachtung gestellt, um zu sehen, wie weit man mit einer solchen Zugangsweise kommt.

Könnte man sagen, dass die Interpretationsphilosophie ein heuristisches Konstrukt ist, das gewisse Probleme besser lösen kann als andere Ansätze?

In der Tat ist es überaus wichtig, den heuristischen Charakter des Ansatzes zu beachten, - und zwar vor allem im Blick auf das Stufenmodell der Interpretationverhältnisse. Mit diesem Modell ist kein theoretischer Anspruch verbunden. Es wird also nicht behauptet, dass es in einem realistischen Sinne die drei Stufen der Interpretationen "gibt". Vielmehr handelt es sich um eine Art reflexive Rekonstruktion dessen, was wir tun , wenn wir so sprechen, denken und handeln, wie wir sprechen, denken und handeln. Darin sehe ich generell eine zentrale Aufgabe von Philosophie: in reflexiver Einstellung eine Rekonstruktion genau derjenigen vorgängigen Praxis des Wahrnehmens, Sprechens, Denkens und Handelns durchzuführen, in der wir uns normalerweise so überaus erfolgreich bewegen und verständigen. Es geht in der Zeichen- und Interpretationsphilosophie, wie in jedem kritischen Philosophieren, um ein angemessenes Verhältnis des Umstandes, dass wir uns immer schon in Welt-, Fremd- und Selbstverhältnissen befinden, die ihrerseits als Zeichen- und Interpretationsverhältnisse konzipiert werden können.

Was für ein Verhältnis besteht zu anderen Reflexions- oder Explikationsfiguren bzw. Theorien von alltäglichem Verhalten? Wären diese in Ihr interpretationistisches Konzept integrierbar? Wir denken dabei etwa an die Philosophie der normalen Sprache oder die Kommunikationstheorie von Habermas.

Lassen Sie mich zwei Aspekte betonen. Erstens verstehe ich die Rede von "Interpretation" und "interpretativ" in einem prädikativen, adjektivischen und adverbialen Sinn. Erläutern können wir "interpretativ" etwa mit Hilfe der Wörter "perspektivisch", "schematisierend", "konstruktbildend", "projizierend", "ein- und auslegend". In diesem Sinne kann "interpretativ" als eine Grundcharakterisierung der Verhältnisse zu anderen Personen, zur Welt und zu und selbst angesehen werden. Da der Zeichen- und Interpretationscharakter in allen alltäglichen, wissenschaftlichen und in allen philosophischen Zugangsweisen stets bereits vorausgesetzt und in Anspruch genommen ist, könnte der Ansatz Grundlagencharakter haben. Andere Disziplinen oder Konzepte könnten so gesehen als spezielle Ausprägungen der grundsätzlicheren Zugangsweise einer Zeichen- und Interpretationsphilosophie angesehen werden. Das gälte dann für die Philosophie der normalen Sprache ebenso wie für die intersubjektivistische Kommunikationstheorie von Habermas. Beide Ansätze setzen Interpretationsverhältnisse bereits voraus.

Zweitens bedeutet, den Akzent auf die Perspektivität und Interpretativität zu legen, nicht, einen totalisierenden Gesichtspunkt gewonnen zu haben. Es bedeutet auch nicht, erneut in einen Fundamentalismus genötigt zu werden. Vielmehr kommt mit der Perspektivität und Interpretativität intern die Möglichkeit des "Auch-anders-sein-kön-nens", kommen Alterität und Pluralität auch der Ansätze selbst ins Spiel. Freilich stehen diese, wollen sie Plausibilität und Akzeptanz erlangen, unter strengen sinnkritischen Restriktionen. Alterität und Pluralismus anzuerkennen und die Idee aufzugeben, alle konzeptionell unterschiedlichen Zugangsweisen müssten letztlich auf so etwas wie "Die Eine Einzig Legitime Zugangsweise" zurückgeführt oder einer solchen doch asymptotisch angenähert werden, würde sicherlich mehr Friedfertigkeit und wohl auch mehr Kreativität in den so wichtigen Wettbewerb der Ideen, Ansätze und Theorien bringen.

Kann man das so formulieren, dass Ihr Verständnis davon, wie Theorien bzw. Ansätze sich zueinander verhalten, in dem Sinne pragmatistisch ist, dass auf Problemlösungskapazitäten hin gedacht ist?

Das kann man durchaus. Ansätze mit hoher Kapazität zur Lösung bzw. Auflösung von Problemen verdienen Vorzug vor anderen. Dabei ist jedoch folgendes zu beachten: Wenn man von Problemlösungen spricht, die als akzeptabel gelten, ist stets bereits ein Gefüge von Zwecken vorausgesetzt, innerhalb dessen etwas als ein Problem und etwas anderes als eine zufriedenstellende Lösung zählt. Probleme schlechthin gibt es ebenso wenig wie Lösungen schlechthin. Der Hinweis auf die Zwecke ist mir sehr wichtig. Wenn sich die Zwecke und die Horizonte der Betrachtung verschieben, kann auch eine andere Lösung als die dann zufriedenstellende gelten. Auch dieser Umstand führt dazu, dass wir nicht mehr davon ausgehen können, mit unserem Denken zu einem definitiven und allgemein verbindlichen Abschluss ‘im Wesen der Sache selbst’ zu gelangen. Unter kritischen Vorzeichen haben wir es stets nur mit pragmatischen Abschlüssen zu tun. Daher ist Ihr Hinweis auf den Pragmatismus zutreffend. Die Zeichen- und Interpretationsphilosophie versteht sich auch in der Tradition des philosophischen Pragmatismus.

Wenn man diese Perspektive einmal eingenommen hat, dann lehnt man bestimmte Theorieansätze nicht mehr von vornherein als unzutreffend oder als an der Natur der Sache vorbeigehend ab. Man rechnet vielmehr von vornherein damit, dass andere Zwecke, dass andere Horizonte, andere Theorien und andere Zugangsweisen möglich sind - allerdings unter strikten Restriktionen: diese sind für uns nur dann interessant und akzeptabel, wenn sie bestimmten Anforderungen genügen und da sind vor allem die Konsistenz- und Kohärenzanforderungen sehr wichtig. Relativismus ist also nicht damit verbunden.

Ist die Interpretationphilosophie selbst Teil der interpretativen Einstellung? Und hängt damit auch zusammen, dass Sie Interpretation nicht definieren, dass Sie nicht festlegen wollen: dies ist Interpretation?

Das betrifft einen grundsätzlichen Punkt, in dem ich hin und wieder missverstanden werde. Hier sind die folgenden Unterscheidungen zu beachten. In puncto Interpretationsmodell ist genau darauf zu achten, auf welcher der Stufen der Interpretationsverhältnisse man sich bewegt und spricht. Spricht man auf der Ebene des engen terminologischen Gebrauchs des Ausdrucks "Interpretation", geht es also z. B. um ‘Interpretation’ im Sinne einer Beschreibung, einer Deutung, einer Erklärung oder einer Begründung, dann muss man sagen können, was unter einer ‘Interpretation’ zu verstehen ist. Dann kann man das auch ‘definieren’, - und das tue ich auch. Im dreistufigen Interpretationsmodell heißt dies, dass unter ‘Interpretation3’ die Strategie des schematisierenden Aneignens von Sachverhalten, der ordnenden Beschreibung dieser Sachverhalte und ihrer konstruktionalen sowie projektiven Organisation zu verstehen ist.

Funktioniert diese Ebene, und das heißt: verstehen die anderen Personen das, was man das macht, wenn man etwas ‘definiert’, dann kann man die weitergehende Frage stellen, was in sprachlicher und sinnlogischer Hinsicht nicht schon alles vorausgesetzt sein muss, um zu verstehen, dass die anderen Personen die Definition verstanden haben und mit ihr arbeiten können. Mit dieser Frage kommt man in eine Ebene, die gleichsam ‘unterhalb’ der Interpretation3-Ebene liegt und die ich die ‘Interpretation2-Ebene’ genannt habe. Auf dieser Ebene ist nicht das Definieren mit Hilfe der Sprache entscheidend. Entscheidend ist vielmehr, dass wir es mit einer gegebenen Sprache, z. B. mit der deutschen oder englischen Sprache zu tun haben, in der wir uns normalerweise fraglos bewegen, ohne dazu Definitionen zu benötigen. Je weiter man nun in dieses reflexive Modell zurückgeht, desto deutlicher wird, wie viele Voraussetzungen man ein einem gelingenden Sprechen, Denken und Handeln bereits in Anspruch genommen hat, ohne dass diese auf der Interpretation3-Ebene selbst repräsentiert werden.

Wir können diese Reflexion nun noch einen Schritt weitertreiben. Dann gelangen wir, am Beispiel der Sprecher-Bedeutung (Interpreta-tion3-Ebene) und der gegebenen Sprache (Interpretation2-Ebene) verdeutlicht, in die Dimension der sprachlichen Verfassheit unseres Welt-, Fremd- und Selbstverständnisses selbst. Spätestens auf dieser Interpretation1-Ebene kommt man in eine Dimension, wo man nicht mehr ‘definieren’ kann. Man stößt (am Beispiel der Sprache verdeutlicht) auf unsere lebensweltlich verankerte Praxis des Gebrauchs von Wörtern und Ausdrücken und darin auf eine grundlegende Erfahrung: Die Wörter und Ausdrücke unserer alltäglichen Sprache kann und braucht man nicht zu definieren. Das zeigt sich auch, wenn man etwa in einem Wörterbuch ein Wort wie ‘Tisch’ oder ‘Rotkehlchen’ aufschlägt. Man findet dort keine Definitionen, sondern Erläuterungen. Je tiefer wir also in die Betrachtungsebene hineingehen, desto schwieriger und schließlich unmöglich wird es, Definitionen zu geben, - einfach deshalb, weil es dann um eine Ebene geht, die in jedem er folgreichen Definieren (und das heißt: beim Festlegen eines Definiendums und eines Definiens sowie der Relation beider zueinander) stets bereits vorausgesetzt ist. Letztlich muss Philosophie auf diese Dimension bedacht sein. Das schließt freilich nicht aus, sondern nachdrücklich ein, dass es zum Zwecke etwa einer politischen Diskussion (Interpretation3-Ebene) unverzichtbar ist, sich unter den Beteiligten Klarheit über die semantischen Merkmale der Begriffe z. B. "Freiheit" oder "Gerechtigkeit" zu verschaffen.

Dieser grundsätzliche Punkt lässt sich auch ganz einfach verdeutlichen. Wenn mich jemand auffordert: "Definieren Sie doch erst einmal ‘interpretieren’!", dann kann ich (sofern es nicht um die Interpretation3-, sondern um die Interpretation1-Ebene geht) die Aufforderung einfach zurückgeben: "Definieren Sie bitte doch erst einmal >definieren von ‘interpretieren’<". Sie merken sofort, dass man so nicht weiterkommt. Und man sieht auch sofort, dass Definitionen nicht voraussetzungsfrei, nicht nicht-interpretativ durchgeführt werden können. In diesem Sinne kann man zur Charakterisierung der Verhältnisse auf der Interpretation1-Ebene nicht auf Definitionen zurückgreifen. Benötigt werden Erläuterungen dieser Verhältnisse und Präzisierungen des auf sie bezogenen Diskurses. Dabei gehe ich erklärtermaßen nicht so weit, von so etwas wie ‘Ur-Interpretationen’ zu sprechen. Aber wir müssen, denke ich, Tiefenstrukturen von interpretativen Verhältnissen anerkennen, die nicht definierbar sind. Das ist der hier entscheidende Punkt.

Wir können Interpretieren als dreistellige Relation auffassen - ein Subjekt interpretiert etwas als etwas. Wo ist bei Ihnen das Subjekt der Interpretation?

Betrachten wir zunächst die zweistellige Relation: "interpretieren" von "etwas". Das ‘etwas’ ist darin in der Regel als ein wohlbestimmtes Etwas vorausgesetzt. Denken Sie z. B. an einen literarischen Text, den es zu deuten gilt. Nun kann man aber darüberhinaus fragen, unter welchen Entstehungsbedingungen dieses ‘etwas’ steht, damit es das ‘etwas’, das es für uns ist, sein kann. Unter kritischem Vorzeichen können wir nicht davon ausgehen, dass die Objekte und Ereignisse unserer Erfahrung fertig vorfabriziert daliegen und vorab vollständig individuiert und spezifiziert sind. Dann aber stellt sich die Frage, wie es denn zu wohlformierten und wohlindividuierten Objekten und Ereignissen unserer Erfahrung, also zu dem ‘etwas’ in der zweistelligen Interpretationsrelation gekommen ist. Das ist eine durch und durch Kantische Frage. Jedes bestimmte ‘etwas’, jedes individuierte und bestimmte Objekt und Ereignis hat bereits seine Produktionsgeschichte bzw. Genealogie von zunächst sinnlichen Empfindungen über Wahrnehmungen bis hin zu expliziten Objekten und Ereignissen im Rücken. Innerhalb des dreistufigen Modells der Interpretation heißt dies: jede Interpretation3 (im Sinne von Deutung, emprisicher Spezifikation, Aneignung, Auslegung) setzt stets bereits Interpretation1-Prozesse (im Sinne von Individuation, raumzeitlicher Lokalisierung, Gestaltbildung) voraus und nimmt diese sinnlogisch in Anspruch.

Hätten Sie da nicht auch einen anderen Begriff nehmen können?

Vielleicht. Allerdings scheint mir nach wie vor die Rede vom "interpretativen Charakter" der fraglichen Zustände, Prozesse und Phänomene das Zusammenspiel der perspektivischen, konstruktionalen, projizierenden, konjekturalen sowie der ein- und auslegenden Komponenten ganz gut abzukürzen und zu transportieren. Die Rede von "Interpretation" macht auch deutlich, dass es sich nicht einfach bloß um einen schieren Konstruktivismus handelt. Zudem bezeichne ich, wie Sie bemerkt haben, den Ansatz auch als Zeichen- und Interpretationsphilosophie. Dadurch wird die Aufmerksamkeit, so hoffe ich, darauf gelenkt, dass die fraglichen Prozesse stets Prozesse in Zeichen sind, die ihrerseits über pragmatische und semantische Merkmale nur kraft der ihnen vorausliegenden Praxis der Interpretation der Zeichen verfügen. Wichtig ist, dass der interpretative Charakter der betrachteten Zustände, Prozesse und Phänomene auf allen drei Ebenen des genannten Modells in den Blick gebracht und in einem heuristischen Sinne zum Leitfaden der Betrachtung gemacht.

Sie haben die Frage nach dem Subjekt noch nicht beantwortet.

Da die Zeichen- und Interpretationsverhältnisse als Prozesse aufgefasst werden, handelt es sich bei der Frage nach dem Subjekt der Interpretation um die Frage des Verhältnisses von Prozess und Subjekt. Hervorzuheben ist, dass das Interpretationsmodell den Akzent zunächst auf die Prozesse und erst in einem zweiten Schritt auf die Subjekte als Akteure legt. Vorrangig geht es, es sei wiederholt, darum, diejenigen Strukturen zu reflektieren, die als vorgängige Praxis unserem menschlichen Wahrnehmen, Sprechen, Denken und Handeln voraus- und zugrundeliegen. Dabei wird die Relevanz der Akteure bzw. individuellen Subjekte des Zeichen- und Interpretationsgebrauchs jedoch keineswegs bestritten. Allerdings erscheinen sie im Vergleich zu ihrer klassischen Auffassung in einem veränderten Licht. Sie erscheinen nicht mehr als die stabilen, festen, unveränderlichen und substanzartigen sowie initialen Ausgangspunkte des Geschehens, hier der Interpretationsprozesse. Vielmehr werden sie als eingebettet in vorgängige Lebens- und Handlungszusammenhänge verstanden, die, wie betont, ihrerseits als Interpretationsverhältnisse konzipiert werden können.

Zugespitzt formuliert: Wenn das Subjekt des Interpretierens im Sinne des individuellen Ich (aufgefasst als Träger und Inbegriff der Sprach- und Erkenntnisfunktionen) in dem erfolgreich ist, was Sie in Ihrer Frage beschrieben haben als: "ein Subjekt interpretiert etwas als etwas", dann liegen diesem Subjekt stets bereits eine ganze Reihe von Komponenten bedingend im Rücken. Der Sinn der Rede vom "Subjekt des Interpretierens" setzt einen komplexen Hintergrund voraus. Subjekte der Interpretation werden also in der Zeichen- und Interpretationsphilosophie keineswegs geleugnet. Allerdings wird betont, dass das Subjekt sich über sich selbst täuscht, wenn es sich als den festen, substanzartigen und alleinigen Ausgangspunkt der Interpretationsprozesse, in denen es selbst allererst auftritt, missversteht. Meines Erachtens wäre es eine besonders wichtige Aufgabe, eine zeichen- und interpretationstheoretische Konzeption von Subjektivität so zu formulieren, dass die Rede vom ‘Subjekt’ weder hypostatsiert noch prozessual aufgelöst wird, sondern jenseits dieser Dichotomie einen veränderten Sinn zu entfalten vermag.

Zur Lösung dieser Aufgabe scheint mir das Stufenmodell der Interpretationsverhältnisse etwas beitragen zu können. Innerhalb des Modells kann das Agieren des Subjekts der Interpretation auf der dritten Ebene der Interpretation verstanden werden. Dies schließt ein, dass in der auf dieser Ebene erfolgreichen Subjekttätigkeit eine Reihe von Voraussetzungen stets bereits in Anspruch genommen sind, die ihren Sitz auf der Interpretation2- und der Interpretation1-Ebene haben. Die vorhin gestellte Frage des Verhältnisses von Prozess und Subjekt wird so gesehen nicht mehr auf ein und derselben Ebene, sondern in einer vertikalen Stufung behandelt. Damit handelt es sich nicht mehr um einen Gegensatz zwischen ‘Prozess’ und ‘Subjekt’. Allerdings besteht zwischen beiden durchaus eine Asymmetrie: jede Subjekttätigkeit beruht bereits auf Prozessen, während durchaus von subjektlosen Prozessen gesprochen werden kann.

Letzteres zeigt auch ein Blick auf die Sprache. Prozess-Sätze sind nicht mehr auf ein grammatisches Subjekt bezogen. Denken Sie an unpersönliche Wendungen wie "x fand statt, ereignete sich, passierte". Deutlich wird dies auch an Sätzen wie "es blitzt", "es knallt" oder "es ist Tauwetter". Darin geht es nicht um ein Etwas, das blitzt, knallt oder taut. Und was oder wo ist das Subjekt z. B. einer Party oder eines Tauwetters? Auf die frage "Wer oder was findet statt, ereignet sich, passiert?" erhält man letztlich nur das Ereignis resp. den Prozess selbst.

Sie haben jetzt vorwiegend von der sprachlichen Ebene gesprochen. Kommen noch andere in Frage?

Die sprachliche Ebene bietet sich als Illustrationsfeld an, da man in Anknüpfung an die interindividuellen Verständigungsverhältnisse viele Punkte gut klar machen kann.

So lassen sich - wie im Zusammenhang Ihrer Frage nach der Definition von Interpretation zu sehen war - auch die drei Ebenen der Interpretationsverhältnisse anhand der Verständigung in einer Sprache verdeutlichen. Es ist aber zu beachten, dass neben der sprachlichen eine ganze Reihe weiterer und gleich wichtiger Aspekte im Spiele sind, sobald es um eine nähere Bestimmung der Interpretationsverhältnisse geht. Lassen Sie mich drei Aspekte hervorheben: Da ist erstens der ganze Bereich der nicht-sprachlichen Zeichen- und Symbolsysteme. In deren Zusammenhang gehört die nach wie vor ungeklärte Frage der kognitiven und kommunikativen Rolle nicht-sprachlicher, vor allem bildlicher Elemente in unseren Repräsentationen und Verständigungen. Hierher gehört auch die wichtige Frage nach dem Verhältnis von propositionalem und nicht-propositionalem Wissen. Meines Erachtens kann die Zeichen- und Interpretationsphilosophie in Bezug auf beide Fragen einen Beitrag leisten. In beiden Feldern sind Zeichen- und Interpretationsprozesse zentral. Und die Unterschiede zwischen sprachlichen und bildlichen sowie zwischen propositionalen und nichtpropositionalen Aspekten können dann als unterschiedliche Zeichen- und Interpretationsfunktionen konzipiert werden. Diesem Feld möchte ich mich in der nächsten Zeit stärker zuwenden.

Zweitens ist das Eingebettetsein unserer menschlichen Aktivitäten in den Kontext der Lebenspraxis und des Handlungszusammenhangs, mithin der interne Zusammenhang von Kommunikation, Kognition und Handlung zu betonen. Und damit zusammenhängend ist drittens auf die mit der öffentlichen Interpretationspraxis gegebene kulturelle Imprägniertheit und Zeitbezogenheit eines jeden menschlichen Welt-, Fremd- und Selbstverständnisses hinzuweisen. Sofern Lebenspraxis als Interpretationspraxis und Kulturgeschichte als Interpretationsgeschichte gefasst werden können, zeigt sich auch hier, in welchem Sinne die Zeichen- und Interpretationsphilosophie in diesen Bereichen einen transdisziplinären und transversalen Beitrag leisten kann. Eine genauere Analyse der Interpretationspraxis ist daher meiner Meinung nach eine der wichtigsten Aufgaben einer umfänglichen Theorie menschlicher Kommunikation, Kognition und Handlung.

Manche Philosophen verstehen Philosophie als Kritik der Praxis. Dabei distanziert man sich von der Praxis. In Ihrem Modell scheint eine solche Distanzierung nicht möglich. Wie sieht da die Möglichkeit der Kritik aus?

Hier ist es wichtig, zwischen interner und externer Kritik zu unterscheiden. Bei externer Kritik bringt man fertige Maßstäbe von außen mit. Sie lässt stets jedoch den philosophischen Skeptizismus offen. Interne Kritik dagegen setzt von innen her an und fragt zum Beispiel, ob sich eine bestimmte Behauptung, auf deren Boden man sich zunächst stellt, kohärent denken lässt oder ob da nicht Voraussetzungen im Spiele sind, die mit dem, was behauptet wird, nicht vereinbar sind.

Interne Kritik ist innerhalb der Interpretationsphilosophie nicht nur möglich, sondern erklärtermaßen gefordert. Denn es geht ja gerade darum, diejenige Interpretationspraxis ein Stück weit ins Licht zu heben, die die semantischen und pragmatischen Merkmale unseres Sprechens, Denkens und Handelns dominiert, nicht jedoch kausalistisch determiniert. Und in genau dieser Differenz von Dominanz und Determination liegt die Möglichkeit der Kritik. Zugleich wird deutlich, dass hier in einem internen Sinne und von Anfang an auch die Frage der Normativität des Zeichen- und Interpretationsgebrauchs gegeben ist. Insofern es um die Frage der ‘angemessenen’, der ‘rich-tigen’ und der ‘Orientierung ermöglichenden’ Zeichen- und Interpretationspraxis geht, ist jede Zeichen- und Interpretationsverwendung unvermeidlich auf die normativen Aspekte des Sprechens, Denkens und Handelns bezogen. Als endliche Geister sind wir unaufhebbar in Interpretationen und darin zugleich in Normativitäten verstrickt.

Nehmen Sie etwas das folgende Beispiel. Interne Kritik setzt dabei an, dass wir uns in einer Sprache verständigen können. Sie fragt dann nach den sinnkritischen Voraussetzungen solchen gelingenden Sprechens und Verstehens. In dieser reflexiven Einstellung kann es passieren, dass wir auf implizite Voraussetzungen stoßen, die wir bislang nicht explizit vor Augen hatten und die z. B. mit den Anforderungen der Konsistenz und/oder der Kohärenz in Konflikt stehen. Wir selbst haben aber offenkundig nicht das Bestreben, auf Dauer und systematisch als inkohärent und gar als inkonsistent, mithin als irrational und unvernünftig zu erscheinen. Also kritisieren wir solche Voraussetzungen und Annahmen.

Uns erinnert das an das Ausformulieren von Geltungsansprüchen bei Jürgen Habermas.

Nun, zunächst möchte ich auf einen grundlegenden Unterschied zur Habermasschen Auffassung hinweisen. Habermas zufolge ist die diskursiv-argumentative Komponente, sind Diskurse, wie er einmal sagt, systematisch in unsere Lebenszusammenhänge "eingelassen". Und die Faktizität dieser Lebenszusammenhänge bestehe darin, diese diskursiven Geltungsansprüche anzuerkennen. Das sehe ich nicht so. In der Interpretationsphilosophie erscheint die menschliche Lebenspraxis primär nicht durch Diskursivität, sondern durch Interpretativität charakterisiert. Die Vollzüge des In-der-Welt-seins und der Lebenswelt werden als interpretativ gekennzeichnet. Das meint eine vor-begriffliche Ebene. Betriffe und all die mit diesen dann zusammenhängenden Aspekte (wie z. B. die Fragen nach Gehalt und Bedeutung von Begriffen sowie das damit verbundene Bereitstellen und Einfordern von diskursiven Gründen) treten erst später auf den Plan. Mit dem Interpretationscharakter ist gegeben, dass wir von der Möglichkeit einer abschließenden Begründung, gar einer Letztbegründung abgeschnitten sind. Ein definitiver und allgemeinverbindlicher Abschluss in der Reihe der Begründungen für Geltungsansprüche ist, so die These der Interpretationsphilosophie, weder ‘nach unten’ (d. h. in die Lebenspraxis hinein) noch ‘nach oben’ (d. h. in Bezug auf einen antizipatorischen "höchsten Punkt" eines "Apriori der Kommunikationsgemeinschaft" (Apel) oder einer "idealen Sprechsituation" (Habermas)) erreichbar. ‘Abschlüsse’ werden stets nur im Horizont pragmatischer und praktischer Gesichtspunkte vorgenommen. Es sind Abschlüsse-auf-Zeit, Abschlüsse bis auf weiteres. Soweit der Unterschied zu Habermas.

Andererseits jedoch ist die Rede von Geltungsansprüchen auch in interpretationistischer Perspektive sehr wichtig. Und hier besteht eine Verbindung zu Aspekten auch der Habermasschen Sicht. Wenn wir Urteile aufstellen und etwa behaupten "x ist ein F", dann erheben wir damit einen Anspruch auf Geltung dieses Urteils, und zwar in einem Horizont, der sich in einer Sprache, des näheren in einer Prädikation artikuliert. Unter kritischem Vorzeichen erheben wir damit natürlich nicht den Anspruch, das allein wahre und allgemein gültige Urteil über die ‘reine Natur der Sache selbst’ formuliert zu haben. Eine solche Position wäre epistemische Vermessenheit. Sie würde den Interpretations- und Horizontcharakter eines jeden Urteils gründlich verkennen.

Warum ist das, was Sie vertreten, keine Form von Relativismus; eine Form, die zwar nicht beliebig ist, aber keine Letztinstanz hat, zwischen Lebensformen zu entscheiden?

Die Zeichen- und Interpretationsphilosophie ist darauf aus, bestimmte Dichotomien zu unterlaufen. Die Dichotomie, die Sie jetzt ansprechen, ist die zwischen Letztbegründung/Absolutheitsanspruch auf der einen und Relativismus der Beliebigkeit auf der anderen Seite. Meine Vorstellung ist, dass es für ein kritisches und zeitgemäßes Philosophieren nicht so sehr darum gehen sollte, sich innerhalb des Spektrums dieser Dichotomie an einer bestimmten Stelle zu plazieren. Ich gehe vielmehr davon aus, dass die beiden Figuren des Absolutheitsanspruchs und des Relativismus wie siamesische Zwillinge zusammenhängen. Defekte der einen Seite sind zugleich Defekte der anderen, und umgekehrt. Und die Defekte sind Legion. Daher wäre der Versuch zu machen, diese Dichotomie als ganze zugunsten der Frage zurückzulassen, wie ein Philosophieren jenseits bzw. diesseits dieser Dichotomie aussehen könnte. Die Zeichen- und Interpretationsphilosophie versteht sich als ein Versuch in dieser Richtung.

Zu unterscheiden ist jedoch streng zwischen Relativismus und Relativität. Letztere ist nicht eliminierbar, ersterer dagegen nicht wirklich verständlich zu machen. Nur einem sehr oberflächlichen Blick mag es so scheinen, als werden die Interpretationen beliebig, wenn sie keinen Halt an einem metaphysisch-vorgegebenen Etwas haben. Offenkundig ist es aber doch nicht so, dass eine jede Interpretation so gut wie jede andere ist. Im Verwenden und Verstehen von Zeichen und Handlungen ist Beliebigkeit der Interpretation nicht gegeben. In diesem Sinne hat unser Wille zur Verständigung und zur Aufrechterhaltung von Handlungszusammenhängen den Relativismus der Beliebigkeit stets bereits unterlaufen. Und genau dies lässt sich im Rekurs auf das Stufenmodell der Interpretationsverhältnisse gut erläutern. Der individuelle Sprach- und Zeichengebrauch auf der dritten ebene ist eben schon deshalb nicht beliebig, weil er unter den Bedingungen der zweiten und der ersten Ebene der Interpretation steht.

Vor diesem Hintergrund wird auch die von Ihnen angesprochene Frage beantwortbar, ob in der Interpretationsphilosophie nicht eine "Letztinstanz" fehle, im Rekurs auf die man zwischen Lebensformen entscheiden könne. Die Antwort ist dreiteilig: eine Letztinstanz ist nicht zu haben; zwischen Lebensformen zu unterscheiden, macht Sinn überhaupt nur innerhalb der interpretations-praktischen Relativität; und aus dieser Relativität heraus sind Entscheidungen in einem komparativen Sinne sowie unter Zweckgesichtspunkten möglich und werden offenkundig auch so praktiziert.

Ihre Habilitationsschrift hat Nietzsche zum Thema. Läge von daher eine Beschäftigung mit modernen französischen Philosophen nicht näher als eine solche mit analytischer Philosophie?

In puncto Habilitation saß ich seinerzeit eigentlich an einer Arbeit zu Fragen der analytischen Handlungstheorie. Hans Blumenberg fragte mich damals, ob ich nicht im Anschluss an meine Dissertation an einem Band zur Fortsetzung der Diskussion über ‘Selbsterhaltung und neuzeitliche Rationalität’ mitwirken möchte. Natürlich habe ich sofort zugestimmt. Der Plan war, die Rolle des Erhaltungsgedankens in der Philosophie Nietzsches zu untersuchen. Schnell stellte ich fest, dass man im Umfeld dieser Thematik die wichtigsten Grundzüge von Nietzsches Denken bestens rekonstruieren kann. Der von Blumenberg angeregte Band kam nicht zustande, und ich beschloss, nicht die Arbeit zur Handlungstheorie, sondern die zu Nietzsche zur Habilitationsschrift zu erweitern. Die moderne französische Philosophie spielte da keine Rolle.

Das schließt aber nicht aus, dass gleichwohl bestimmte Verbindungen weniger zum französischen Strukturalismus als vielmehr zum sogenannten Post-Strukturalismus bestehen. Im Strukturalismus (etwa in der Sprachwissenschaft bei F. de Saussure oder in der Ethnologie bei Lévi-Strauss) werden abstrakte und überhistorische Strukturen unterstellt. In diesen Positionen wird die Entwicklungskomponente, werden Geschichtlichkeit und Zeitlichkeit nicht angemessen berücksichtigt. Das ändert sich im sogenannten Post-Strukturalismus. Dort wird Position bezogen gegen überhistorische geschlossene Strukturen ebenso wie

Von hier aus gibt es bestimmte Verbindungen zum Poststrukturalismus. Die Blockade war aber die, dass man zum einen sagt, dass sind zwar abstrakte Strukturen, die herauspräpariert werden sollen, es sind zum anderen Strukturen, die primär sozialen und kulturgeschichtlichen Akzent tragen. Da fehlt aber die Entwicklungskomponente, also die Geschichtlichkeit und Zeitlichkeit. Foucault, Derrida, Lyotard und andere haben zwar einige Kritikpunkte markiert und wenden sich gegen dieses übergeschichtliche Denken. Sie plädieren auch für Dezentralisierung. Insofern gibt es hier Berührungspunkte. Aber ich habe dann ganz bewußt die angloamerikanische Philosophie gewählt als das Terrain auf dem man diesen Gedanken der Perspektivik und der Interpretativität zum Zuge kommen lassen und auch testen kann. Ich war auch längere Zeit in den USA; ein großer Teil meiner Interpreationswelten ist an der Harvard University entstanden. Ich bin überzeugt, dass die Gestalt der zeitgenössischen Philosophie in besonders starkem Masse von Sprachphilosophie, philosophy of mind, Handlungstheorie und Phänomenologie geprägt wird, und diese Bereiche sehe ich persönlich in den angloamerikanischen Bereichen in einer intensiven Art bearbeitet. Dort ist auch eine Strenge der Argumentationsdichte erreicht, die man nicht unterschreiten sollte, insbesondere wenn man einen Gedanken wie den der Interpretativität verfolgt. Es ist wichtig, dass man die Erprobung und das Durchspielen in denjenigen Bereichen durchführt, wo mögliche Kritikpunkte auch am stärksten formuliert werden können.

Es reicht nicht, bloß zu sagen, wir wollen statt zentraler Betrachtungsweise dezentrale oder wir wollen statt übergeschichtlicher jetzt die geschichtliche Komponente haben, hinsichtlich der einzelnen Problemfelder ist vielmehr sehr viel Detailarbeit erforderlich. Die Gesprächspartner in den USA sind mir dafür sehr wichtig. So enthält Davidsons Theorie der radikalen Interpretation schon das Wort "Interpretation". Davidson ist aber konzentriert auf die Frage des Eintretens in Verständigungs- und Kommunikationsverhältnisse, und seine These lautet bekanntlich, dass dazu eine Interpretation der Äußerungen des fremden Sprechers erforderlich ist. Wenn ich keine solchen Hilfsmittel habe, bin ich in der Situation der radikalen Interpretation. Mich interessiert stattdessen sehr viel stärker die Frage: Was passiert denn auf der Innenseite einer gelingenden Kommunikation, einer gelingenden Verständigungssituation? Im Zuge dieser Auseinandersetzung bin ich dann auf die Frage gestoßen: Welche sinnkritischen Voraussetzungen sind in der gelingenden Verständigung schon im Spiele?

Davidson hat eine Interpretationstheorie, die sich auf sprachliche Sätze bezieht und auf die Angaben von Wahrheitsbedingungen für solche Sätze sowie eine entsprechende Semantik, die eine Priorität der Wahrheits- vor der Bedeutungsproblematik enthält. Darin spielen die kategorialisierenden Prozeduren aber überhaupt keine Rolle, also die Proze- duren bei der raumzeitlichen Lokalisierung von Gegenständen und Ereignissen. Das scheint mir aber ganz wichtig, zum Beispiel um erklären zu können, wie wir die Referenz oder die Bedeutung von Zeichen verstehen. Denn wenn wir sagen, ein Zeichen referiert erfolgreich auf Gegenstände, Ereignisse oder Sachverhalte, dann ist diese Formation, die Organisation der Sachverhalte schon in einer bestimmten Weise vorausgesetzt. Diese Mechanismen sind die Garanten für die erfolgreiche Referenz eines Zeichens.

Was mich seit einigen Monaten beschäftigt ist der Zusammenhang zwischen Interpre- tionsphilosophie und philosophy of mind. Man kann den Versuch machen, über die sterilen Dichotomien und Dualismen zwischen phänomenalen Zuständen und Gehirnzuständen hinwegzukommen, indem man sagt, wir begeben uns in eine Perspektive der Zuschreibung (wir schreiben einem Gebilde mentale Zustände zu, wir schreiben ihm hirnphysiologische Zustände zu) und lassen die ganze Betrachtung auf der Ebene der Zuschreibung. Die Frage, ob es tatsächlich mentale Zustände in einem starken ontologischen Sinne, lassen wir dann auf sich beruhen.

 

 

Autoren

Mit Günter Abel sprachen A. Bertschinger, J. Hasa, T. Sugimoto und M. Wild von der Arbeitsgruppe Interview der Universität Basel (Leitung: Urs Thurnherr, Privatdozent für Philosophie am Philosophischen Seminar der Universität Basel). Diese Gruppe hat bereits Gespräche mit Gernot Böhme und Odo Marquard geführt, die ebenfalls in der "Information Philosophie" veröffentlicht worden sind.