Was war die Postmoderne?

Ein Gespräch mit Terry Eagleton

Terry Eagleton, Professor für englische Literatur in Oxford und Dublin, gilt als einer der letzten aufrechten linken Theoretiker Großbritanniens. Er ist Autor zahlreicher literaturwissenschaftlicher und kulturtheoretischer Standardwerke (Ideologie, Ästhetik, Einführung in die Literaturtheorie), beschäftigt sich aber auch mit zeitgenössischer Theoriebildung - notabene in kritischer Absicht. So etwa in seinem Buch Die Illusionen der Postmoderne, in der die Postmoderne aus marxistischer Sicht einer politischen Kritik unterzogen wird. Für den ernsten Ironiker Eagleton stellt sich die Postmoderne "nicht als Lösung, sondern als Teil des Problems" dar: ihr Denken bilde das ideologische Unterfutter für die Durchsetzung des globalen Kapitalismus.

Ihr bislang letztes Buch auf deutsch heißt "Die Illusionen der Postmoderne". Rund zwei Jahrzehnte, nachdem dieser Begriff durch Jean-François Lyotard auch im philosophischen Diskurs bekannt gemacht wurde, stellt sich heute mehr denn je die Frage nach dem, was die Postmoderne eigentlich war bzw. ist. Blieb das alles nicht sehr auf den akademischen Diskurs beschränkt?

Meines Erachtens ist die Postmoderne auf der einen Seite auch ein kulturelles Phänomen, das weit über den akademischen Poststrukturalismus hinausgeht. Auf der anderen Seite war sie nie ein alles durchdringendes Phänomen, obwohl sie sich selbst manchmal so sieht. Für mich stellt sie sich als ein historisch und geographisch eingeschränktes Phänomen dar, das noch dazu sehr paradox daherkommt. Eine der offensichtlichsten Widersprüche heutiger Gesellschaften ist, dass man in bestimmten Kontexten nicht postmodern sein darf, sondern richtiggehend postmodern sein muss - wenn man zum Beispiel im Supermarkt, in der Disco oder in den Medien ist. Zugleich sollte man es nicht sein, wenn man ein Elternteil ist oder ein Lehrer oder ein Richter. Es gibt da schon recht widersprüchliche Anforderungen an unsere Subjektivität.

Täuscht der Eindruck, dass Sie in Ihren früheren Arbeiten - etwa über Walter Benjamin - der Postmoderne etwas aufgeschlossener gewesen sind als heute?

Im Buch über Benjamin ging es mir mehr darum, die Linke mit dem Poststrukturalismus auszusöhnen, also mit der akademischwissenschaftlichen Seite der Postmoderne. Aber um Ihnen eine etwas allgemeinere Antwort zu geben: Ich bin auf der einen Seite kritisiert worden, auf alle gerade modischen theoretischen Strömungen abzufahren oder Schüler von Derrida zu sein. Auf der anderen Seite hat man mir vorgeworfen, "undekonstruktiver" Marxist zu sein, der sich um nichts schert, was an zeitgenössischen Theorieentwicklungen passiert. Ich sehe meine Arbeit als relativ konsistent - was nicht unbedingt als Selbstlob zu verstehen ist. Neben dieser Konsistenz an politischen Zielen kam es in den letzten Jahren aber zu einem größeren Eklektizismus in den Methoden. Der westliche Marxismus war immer schon inspiriert von anderen Traditionen - sei es nun die Psychoanalyse oder die Linguistik - und er hat gut daran getan. Marxismus sollte in diesem Sinn ein durchlässiger Diskurs sein. Aber das bedeutet nicht auch schon, einem ideologischen Pluralismus zu frönen, der als solcher eine Kapitulation gegenüber der liberalen bourgeoisen Gesellschaft wäre.

In Sachen Postmoderne und Politik gibt es unterschiedliche Auslegungsarten. Während in den USA die meisten postmodernen Vordenker eindeutig als "links" besetzt sind bzw. sich als Linke verstehen, werfen Sie der Postmoderne vor, dem Neo-Liberalismus Vorschub zu leisten. Wie halten Sie es mit der Politik der postmodernen Denker? Und wie unterscheiden Sie sich von denen?

Ich denke, dass eine eindeutige Zuordnung "Postmoderne = rechts" oder "Postmoderne = links" keinen Sinn macht, weil das nicht die Unterschiede innerhalb der Postmoderne respektieren würde. Es gibt da auf der einen Seite auch Formen wie den zynischen Konsumismus oder auf der anderen Seite die Politik von Foucault, der sich selbst als Linker gesehen hat - aber freilich seine Theorien als effektiver gesehen hat als jene des Marxismus. Mit linken Postmodernisten wie Richard Rorty kann ich mich gut verständigen, auch wenn es da natürlich Auffassungsunterschiede gibt. Jemand wie Rorty würde umgekehrt zu mir sagen: "Wir teilen ziemlich die gleichen politischen Analysen und Ziele. Es ist nur so, dass Du darauf bestehst, diesen ganzen nutzlosen metaphysischen Ballast mit Dir herumzuschleppen. Du siehst nicht, dass Du den erst loswerden musst, dass du dann erst politisch jene Din-ge erreichen kannst, die Du erreichen willst." In diesem letzten Punkt kann ich ihm keineswegs zustimmen, weil ich nicht glaube, dass das bloß metaphysischer Ballast ist. Rortys Vater war ja ein aktiver Gewerkschaftsfunktionär, und er selbst hat auch Kurse über den Aufstieg und Fall der US-amerikanischen Arbeiterbewegung abgehalten und sich immer wieder sehr verächtlich über postmoderne Politik ausgelassen. Denn er sieht sich selbst als guter, altmodischer Sozialdemokrat. Für mich bleibt er aber in vielen Fragen ein Exponent des US-amerikanischen Denkens - egal, ob es nun postmodern ist oder sonstwas -, das durch die völlige Abwesenheit irgendeiner glaubwürdigen Tradition geprägt ist.

Ein von der US-amerikanischen Postmoderne besonders wertgeschätztes Objekt ist der Körper. Sie meinten diesbezüglich in Ihrem Buch, dass der Sozialismus eines Che Guevara der Somatik von Michel Foucault und Jane Fonda gewichen sei. Wie erklären Sie sich diese Körper-Obsessionen in Theorie und Praxis, die ja immer radikalere Formen annehmen?

Ich denke, dass das Interesse am Körper so-wohl eine Vertiefung als auch eine Verlagerung der sozialistischen Kritik bedeutet. Es ist in dem Sinn eine Vertiefung, dass seit den sechziger Jahren die sozialistische Kritik auf bis dahin unthematisierte Bereiche wie die Sexualität oder die Alltagskultur übertragen wurde. Zugleich gab es von der Mitte der siebziger Jahre an aber auch andere Arten von politischen Problemen, die schwerer lösbar waren. Die radikalen Energien wanderten als Folge davon anderswohin ab, zum Beispiel in Richtung Körper. Ich sehe das als einen der Gründe für das Aufkommen der Postmoderne. Dazu kommt, dass der Körper in einer immer abstrakter werdenden Gesellschaft den Vorteil hat, etwas Konkretes, Angreifbares zu sein - auch wenn das im Widerspruch zur postmodernen These von seiner unendlichen Formbarkeit steht.

Das ist ja auch eine der Behauptungen, die Sie kritisieren...

Richtig. Was ich in vielen postmodernen Konzepten - von Michel Foucault bis Judith Butler - für überzogen halte, ist die Betonung der Fügsamkeit und Veränderbar-keit des Körpers, die Behauptung von der Unendlichkeit des Begehrens sowie die Be-tonung von Heterogenität und Pluralität. Um es kurz zu machen: das ist für mich alles sehr kalifornisch. Die postmoderne Version des formbaren Körpers ist die jüngste Form einer idealistischen Phantasie. Dahinter steckt diese tiefverwurzelte US-amerikanische Zurückweisung aller materiellen Grenzen und Zwänge.

Was hat ein Marxist dem entgegenzusetzen?

Die marxistische bzw. die materialistische Perspektive auf den Körper ist eine sehr viel nüchternere; sie ist zugegebenermaßen weniger aufregend, weniger sexy. Das Marxsche Interesse am Körper liegt in der körperlichen Arbeit und im Leiden, in der gattungsbedingten Beschränktheit und Hinfälligkeit. Der Körper hat sich nicht so stark verändert, er ist noch immer ein natürlicher Teil der Gattung und der materiellen Welt - und wir können das nicht so einfach wegkulturalisieren und weghistorisieren.

Die obsessive Beschäftigung mit dem Körper hat aber doch auch sehr stark mit den Bemühungen um Selbstästhetisierung zu tun. Gibt es auf Seiten der Linke überhaupt eine positive Form davon?

Es gibt da natürlich verschiedene Auffassungen. Ein in der Postmoderne wichtiges Konzept war jenes vom späten Foucault, der eine Ästhetisierung des Selbstverhältnisses und des Körpers beschrieb - also diese ganze Art und Weise, sich selbst zu einem Kunstwerk zu machen. Das steht für mich sehr stark in der Tradition Nietzsches. Der ästhetisierte Körper, von dem Foucault spricht, ist für mich eine Version des "Übermenschen". Ich kann darin nicht die geringste soziale Dimension erkennen. In einer linken bzw. radikalen romantischen Tradition wäre die Frage der Selbstverwirklichung sehr viel wechselseitiger zu denken. Während die liberale Postmoderne fordert: "Verwirkliche alle Kräfte und Möglichkei-ten, solange Du nicht jenen der anderen in die Quere kommst", so würde das Postulat einer linken Tradition etwa folgendermaßen lauten: "Verwirkliche jene Kräfte und Möglichkeiten, die es erlauben, dass das andere in wechselseitiger Art ebenfalls tun." Ich denke, dass darin eine bedeutsame politische Ethik steckt.

Wie sieht es für Intellektuelle heute aus, ihre Kräfte und Möglichkeiten zu verwirklichen? Oder ist dieses Konzept des Intellektuellen heute nicht einigermaßen überholt?

In unserer postideologischen Zeit ist Kultur politisch sehr wichtig geworden. Und insofern Intellektuelle in diesem Feld tätig sind, haben sie auch eine politische Rolle. Das ist von einem materialistischen Standpunkt aus betrachtet keine besonders wichtige Rolle. Aber nicht wichtig zu sein, heißt nicht, überhaupt keine Bedeutung zu haben. Für mich ist der Intellektuelle definiert durch seinen Gegensatz zum Akademiker - obwohl sie sich ja sehr ähnlich zu sein scheinen. Der wichtige Unterschied liegt für mich darin, dass der Akademiker bzw. der Wissenschaftler in einem einzigen Fachgebiet arbeitet, während der Intellektuelle viel beweglicher und grenzüberschreitender tätig ist.

Und was zeichnet ihn sonst noch aus?

Der Intellektuelle hat bestimmte allgemeine Vorstellungen und Ideen über die Gesellschaft und die Kultur - was bei den meisten Akademikern nicht der Fall ist. Obwohl es eine Reihe von postmodernen Warnungen vor dem klassischen Intellektuellen oder gar Nachrufe auf seinen Tod gegeben hat - sei-ne klassische Verkörperung war natürlich Jean-Paul Sartre - und wir die Rolle des Intellektuellen heute überdenken müssen, präsentieren die meisten einflussreichen Intellektuellen unserer Zeit eben diese traditionellen Charakterzüge: Noam Chomsky, Edward Said, Raymond Williams, Pierre Bourdieu, Jürgen Habermas oder Julia Kristeva - sie alle beschäftigen sich mit den verschiedensten Dingen und sind mit deren politischen und sozialen Dimensionen befasst.

Bei all den Intellektuellen, die sie gerade genannt haben, ist doch aber auch auffällig, dass sie als Wissenschaftler bzw. Theoretiker höchstes Ansehen genießen.

Ich denke, dass das, was wir heute "Theorie" nennen - ein zugegebenermaßen offener und vieldeutiger Begriff - so etwas wie die klassische Aktivität des Intellektuellen ist. Von Zeit zu Zeit werden neue Bereiche des Diskurses zum Ort für intellektuelle Aktivität. Zu manchen Zeiten und Gesellschaften war es die Philosophie, in frühmodernen Gesellschaften war es die Theologie. In unserer Zeit und in unserer Gesellschaft ist es - aus allen möglichen zufälligen Gründen - der Bereich der Theorie oder der Kulturkritik geworden. Ich würde das zum Teil damit erklären, dass die daran anschließenden Diskurses die Verantwortung für große soziale Ideen vernachlässigen: Die Philosophie ist in weiten Teilen analytisch geworden und die Psychologie behaviouristisch, die Soziologie empiristisch und so weiter. Die Fragen, die nun in diesen Disziplinen nicht mehr formulierbar sind, müssen anderswo gestellt werden können. Und deshalb hat dieser vage Bereich der "Cultural Studies" bzw. der "Cultural Theory" in letzter Zeit diese Aufgabe übernommen - eben deshalb, weil sie als Disziplin nicht sehr eng definiert sind und auch keine feststehende Identität haben. Intellektuelle Aktivität in diesem klassischen Sinne überlebt also, und die Theorie ist eine ihrer wichtigsten Orte heute. Aber sie bewegt sich natürlich.

Was heißt denn das für die akademisch betriebenen Geistes- und Kulturwissenschaften? Sehen Sie in diesen Fächern überhaupt eine Zukunft?

Ich komme gerade aus Südafrika zurück, wo ich eine Zeitlang unterrichtet habe. Dieses Land wurde ja bis vor kurzem formell marxistisch regiert. Südafrikas Universitäten, ja das Bildungssystem insgesamt, stecken in einer tiefen Krise. Das ist eine Folge davon, dass man die Schulen und Universitäten völlig technokratisiert und rationalisiert und die Geisteswissenschaften nahezu vollständig abgedrängt wurden. Man kann sagen, dass es in einem wirtschaftlich unterentwickelten Land wie Südafrika gute Gründe für solche Maßnahmen gibt - weil man dort mehr Techniker und Ingenieure braucht. Aber es ist im Grund auch eine böse Ironie der Geschichte, dass das, was in den achtziger Jahren in Großbritannien unter Thatcher passiert ist, nun in ganz anderen Teilen der Welt sich wiederholt, und eben auch in "revolutionären Gesellschaften" wie in Südafrika.

Welche negativen Folgen sehen Sie denn, die durch eine Vernachlässigung dieser Fächer entsteht?

Ich sehe ein gefährliches Vordringen der instrumentellen Vernunft in kommunikative Bereiche, was zu all jenen Neurosen und Krisen führt, die so etwas eben hervorbringt. Ein traditioneller Widerstand gegen genau das kam von den Geisteswissenschaften. Deren Problem war allerdings, dass ihre Sprache oft bürgerlich, liberal-desinteressiert daherkam und deshalb nie in der Lage war, wirksam gegen diesen Anschlag der instru-mentellen Vernunft aufzutreten. Was mir in-teressant erscheint, wenn wir über heutige Formen der Theorie sprechen, ist die Tatsache, dass sie weder eindeutig amateurhaft noch professionell oder spezialisiert oder generalistisch daherkommt. Sie reißt diese Gegensätze zum Teil einfach nieder - und in dem Sinn scheint sie mir eine interessantere Antwort auf die Krise der Bildung zu sein als ein Rückfall in den humanistischen Liberalismus der traditionellen Geisteswissenschaften.

Am Ende des 20. Jahrhunderts hat es den Anschein, als ob zumindest in Europa der Sozialismus endgültig an ein Ende gekommen sei. Es regieren zwar Sozialdemokraten, aber mit traditionellen linken Ideen hat das nur mehr sehr wenig zu tun. Wie stellt sich für Sie die heutige politische Szenerie dar, zumal in Großbritannien?

Es ist zweifellos so, dass eine postideologische Linke gesiegt hat. Das Problem, das wir in Großbritannien mit dem Blairismus haben, ist nicht, dass es kein Sozialismus ist. Niemand hatte das je gehofft. Aber der Blairismus ist nicht einmal sozialdemokratisch - und das in einer Situation, in der eine solche Politik ohne weiteres möglich wäre. Allerdings hat Blair nur das getan, was all die Anführer der LabourParty vor ihm tun haben wollen, aber nicht tun konnten: nämlich eine Partei völlig umzukrempeln, die noch ein paar sozialistische Ideen in sich trug - zumindest an der Basis.

Sehen Sie Unterschiede zwischen dem Dritten Weg Blairs und der Politik der anderen regierenden Sozialdemokraten in Europa, von Jospin bis Schröder?

Was sie zweifellos verbindet, ist dieses postideologische Moment. Das gibt ihnen natürlich auch eine bestimmte Freiheit für politisches Manövrieren - manchmal mehr in Richtung links, dann wieder nach rechts, in Richtung Sozialdemokratie und dann wieder mehr in Richtung einer Parodie davon. Und darin sehe ich auch den postmodernen Aspekt des ganzen: Denn das, was verschwunden ist, ist tatsächlich die große Erzählung. Und hier trifft die Postmoderne schon einen Kern: da haben ihre Ana-lysen einen tatsächlichen Gehalt, und da wird die Postmoderne ein wirkliches Phänomen - vielleicht weniger in der Kultur als tatsächlich in der Politik. Ich denke, dass die tiefsitzende Ideologie jene ist, die sich selbst als solche nicht wahr nimmt. Und das scheint mir heute mit der Postmoderne in der Politik der Fall zu sein. Im theoretischen Diskurs ist das meines Erachtens nicht so ausgeprägt.

Wie das?

Ich denke, einer der Kulturkämpfe, den die linke Kulturtheorie - oder wie immer wir sie nennen wollen - wirklich gewonnen hat, ist ihre erfolgreiche Behauptung, dass alle Lektüren partikuläre Lektüren sind. Ich komme von einer der konservativsten Universitäten der Welt, und selbst da würde ich meinen, dass wir diesen Kampf gewonnen haben. Ich würde unsere Erfolge auf akademischem Terrain nicht unterschätzen - selbst einige der konservativsten Literaturwissenschaftler geben heute zu, dass es auf der anderen Seite den Text gibt, dass wir auf der anderen Seite diese Texte aber immer mit unseren eigenen Augen und Ideen lesen. Dieser Sieg der Linken im Bereich der Literaturtheorie steht für mich in einem eindeutigen Widerspruch zur aktuellen Politik. Dort haben wir es zudem mit einer Generation zu tun, für die der Begriff einer radikalen Massenbewegung ein Widerspruch in sich selbst ist. Und das wiederum steht im Zusammenhang mit der postmodernen Wertschätzung für Marginalitäten und Minoritäten - so, als ob darin etwas intrinsisch Gutes stecken würde. Für mich hat dieser postmoderne Partikularismus etwas von einer Wiedererweckung eines bestimmten Romantizismus. Ich will nun nicht sagen, dass die Postmoderne ausschließlich dafür steht. Doch es gibt einen bestimmten fehlgeleiteten Glauben, dass ein gewisser affirmativer Partikularismus eine Alternative zu abstrakten Formen des Universalismus sein könnte. Ich glaube das nicht, weil diese beiden Dinge Teil derselben Problematik sind und wir nicht das eine ohne das andere denken können. Das ist im übrigen auch der Grund dafür, warum ich glaube, dass die Kunst in ihrer modernen Definition so bedeutsam war: weil sie nämlich allem Anschein nach eine neue und revolutionäre Beziehung zwischen dem Besonderen und dem Allgemeinen versprach.

Gerade in letzter Zeit scheint es unter z.T. auch postmodernen Intellektuellen wie Richard Rorty zu einer Rückbesinnung auf be-stimmte universalistische Werte zu kommen.

Ich meine, dass es bestimmte Bereiche gibt, wo auch die Postmoderne keine brauchbaren Antworten auf einige grundlegende Fragen hatte, und dazu gehörte die Frage des Universalismus und der Menschenrechte. Selbst jemand wie der späte Foucault fing an, relativ positive Dinge über die Aufklärung zu sagen, die in seinen früheren Arbeiten nicht erkennbar waren. Oder Derrida, der nie zugeben würde, ein Kritiker der Aufklärung zu sein. Es gab also immer auch eine Art von Ambivalenz gegenüber diesen universalistischen Konzepten. Ich denke, unser heutiges Dilemma besteht dar-in, dass wir universalistische Konzepte brauchen. Aber eben gerade nicht jene, die wir haben. Wir müssen das anders denken.

Mit Terry Eagleton sprachen Klaus Nüchtern und Klaus Taschwer.

Bücher von Terry Eagleton in deutscher Übersetzung:

Die Illusionen der Postmoderne. Ein Essay. XI, 186 S., kt., DM 39.80, 1997, Metzler, Stuttgart

Einführung in die Literaturtheorie. Vierte, aktualisierte Auflage, Vii, 260 S., kt., DM 24.80, Sammlung Metzler 246, 1997, Metzler, Stuttgart

Ideologie. Eine Einführung. 1993, Metzler,

Stuttgart (im Buchhandel vergriffen)

Ästhetik. Die Geschichte ihrer Ideologie. Vi, 447 S., DM 78.--, 1994, Metzler, Stuttgart

Auf Englisch (Auswahl):

Heathcliff and the Great Hunger. Studies in Irish Culture, cloth £ 40.--, pbk. £ 14.--, 1996, Verso, London.

The Eagleton Reader. Herausgegeben von Stephen Regan, cloth £ 50.--, pbk. £ 15.-- 1998, Blackwell, Oxford.