Susanne K. Langer

Susanne K. Langer (1895-1985) hat in einer fast sechzigjährigen Publikationszeit ein vielseitiges philosophisches Werk geschaffen. Es umfasst eine Einführung in die Logik, symboltheoretische Analysen, Interpretationen des Rituals und des mythischen Denkens, eine Philosophie der Kunst und eine lebensphilosophisch-anthropologische Begründung der Wissenschaften vom Menschen. Will man ihr Werk zusammenfassend charakterisieren, so kann man sagen, dass sie wie kaum ein anderer Philosoph im 20. Jahrhundert an einem "umfassenden Verständnisses des Menschen" gearbeitet hat. Inhaltlich ist damit die Verbindung dreier wesentlicher Positionen gemeint: eine Auffassung menschlicher Subjektivität, die nicht auf die hochentwickelten Formen menschlichen Denkens und Wissens begrenzt ist, sondern die gesamte Sphäre menschlichen Verstehens und Fühlens mit einbezieht; eine Auffassung des Menschen, die auch die biologischen Grundlagen und die lebendige Natur seiner Existenz bedenkt; eine philosophische Herangehensweise, die die Ideale der größtmöglichen begrifflichen Klarheit und der Phänomenangemessenheit zu verbinden sucht.

Susanne K. Langer wurde als Susanne Katherina Knauth am 20.12.1895 in einer wohlhabenden deutschstämmigen Familie in New York geboren. Der Vater war Rechtsanwalt und Anteilseigner einer New Yorker Bank. Langer wuchs in einer der Kunst sehr aufgeschlossenen Familie auf. Bereits als Kind schrieb sie Gedichte und lernte Klavier. Später spielte sie auch Cello und blieb ihr Leben lang in vielfältigster Form künstlerisch tätig.

Logik und Kunst

1916 begann sie das Studium der Philosophie an der Harvard Universität. Sie konzentrierte ihre Studien auf die symbolische Logik, die sie bei Henry M. Sheffer studierte. Langer sah die symbolische Logik aber von Anfang an unter einem allgemeinen erkenntnistheoretischen Gesichtspunkt. Ihre Anstrengungen richteten sich darauf, auf der Grundlage eines hinreichend weiten Logikverständnisses - als einer "Wissenschaft abstrakter Formen" - auch Formverhältnisse jenseits der Sprache als geistige Verarbeitungen verstehen und einer systematischen Untersuchung zugänglich machen zu können. Der paradigmatische Fall, an dem sie diese Perspektive zu entfalten sucht, ist die Kunst. Dieses Spannungsverhältnis von Logik und Kunst ist es, das - wenn auch in modifizierter Form - ihr philosophisches Denken bis zu ihrem Spätwerk in Atem hält.

1921 heiratet sie den späteren Harvard Historiker William L. Langer. 1923 erscheint unter dem Titel The Cruise of the Little Dipper and other Fairy Tales als ihr erstes Buch ein Märchenbuch.

1924 kam Alfred North Whitehead 63jährig nach Harvard, wo er sich der Ausarbeitung einer Prozessmetaphysik widmete. Bereits kurz nach seiner Ankunft in Harvard nahm Langer Kontakt mit ihm auf und bat ihn um die Betreuung ihrer Dissertation. Langer erlebte die Entfaltung seiner Metaphysik aus allernächster Nähe mit. Allerdings wird Whiteheads Prozessmetaphysik erst für Langers späte Philosophie von größerer Bedeutung. Ihre Dissertation, mit der sie 1926 promoviert wurde, ist eine Untersuchung über die logische Analyse der Bedeutung, und für viele Jahre war es eine kleinere Arbeit Whiteheads, sein 1927 erschienenes Buch Symbolism: Its Meaning and Effect, das Langer am meisten beeindruckte.

Langers philosophische Orientierung blieb bis Ende der dreißiger Jahre dadurch gekennzeichnet, dass sie in der symbolischen Logik das zentrale Instrument der Philosophie sah. 1930 veröffentlicht sie unter dem Titel The Practice of Philosophy eine Einführung in die Philosophie, in der sie die Fruchtbarkeit ihres Logikverständnisses für verschiedene systematische Felder zu belegen sucht. Trotz des auf ihre Philosophie wichtigen Einflusses Ludwig Wittgensteins und ihrer Hochschätzung Bertrand Russells und Rudolf Carnaps wird bereits hier eine ihrer Differenzen zur analytischen Philosophie darin deutlich, dass sie die philosophische Arbeit nicht auf die Begriffsanalyse begrenzt, sondern gerade in der Konstruktion neuer Begriffe und Begriffszusammenhänge die zentrale Aufgabe der Philosophie sieht. 1937 erscheint An Introduction to Symbolic Logic, eine der ersten Einführungen in die moderne symbolische Logik.

Während Langer zunächst glaubt, dass auch die nichtdiskursiven Symbolisierungsformen und insbesondere die Kunst im Rahmen eines weitgefassten Logikverständnisses analysierbar seien, gelangt sie in den dreißiger Jahren zu der Einsicht, dass die nichtsprachlichen Symbole völlig andere logische Grundlagen haben. Die Reformulierung ihrer Position in Form einer neuen Symboltheorie ist um die Frage nach der logischen Analyse von Kunstwerken zentriert. Die Ausarbeitung einer umfassenden Symbolkonzeption, die auch den nichtdiskursiven Symbolen Rechnung zu tragen vermag, und ihre Ausarbeitung einer darauf basierenden Philosophie der Kunst stehen im Zentrum der nächsten Jahre.

Symboltheorie

Philosophy in a New Key. A Study in the Symbolism of Reason, Rite and Art Philosophie auf neuem Wege erschien 1942. Es ist ihr einziges Buch, das in unter dem Titel Philosophie auf neuem Wege ins Deutsche übersetzt wurde. Im Zentrum des Buches steht ein an andere Autoren zwar anschlies-sendes, aber völlig eigenständig entfaltetes symboltheoretisches Verständnis des menschlichen Denkens. Ausgehend u.a. von den symboltheoretischen Konzeptionen Alfred North Whiteheads, Ernst Cassirers, Charles Sanders Peirce’s, den Erkenntnissen der Gestaltpsychologie und auch Sigmund Freuds Theorie der Traumdeutung sucht Langer zu belegen, dass die geistige Verarbeitung bereits in der Wahrnehmung beginnt, und dann in Bildern, Ritualen, Mythen, der Sprache und in der Kunst stattfindet. Bereits in diesen Formen werden Erfahrungen verarbeitet und Verständnisse artikuliert. Der gesamte Umfang menschlicher Verstehensformen kann durch einen hinreichend gefassten Symbolbegriff erschlossen werden. Langers philosophisches Werk ist dem Nachweis der Angemessenheit und der näheren Ausarbeitung dieses Ansatzes gewidmet.

Naturalismus

Langer entwickelt diesen Ansatz auf der Grundlage einer naturalistischen Position. Hier sieht sie ihre wichtigste Differenz zu Cassirer. Denken, Symbolisierung und Bedeutung sind Naturphänomene und einer naturwissenschaftlichen Erforschung prinzipiell zugänglich. Langer schreibt in Philosophie auf neuem Wege: "Dass der Mensch ein Tier ist, glaube ich allerdings, und ebenfalls, dass in seiner Haut kein übernatürliches Wesen, keine ‘Seele’ oder ‘Entelechie’ oder ‘Geistsubstanz’ steckt. Er ist ein Organismus, seine Substanz ist chemisch, und was er tut, leidet, oder weiß, ist genau das, was ein solches chemisches Gebilde tun, leiden oder wissen kann." Die Kernbedeutung von Langers naturalistischer Position ist die Auffassung, dass menschliches Denken und Fühlen in natürlichen Prozessen entsteht und innerhalb der Naturordnung existiert. Er ist ein "natürliches Phänomen", eine Naturerscheinung neben anderen. Damit richtet sich Langer gegen den metaphysischen Dualismus in seiner Behauptung einer fundamentalen Trennung zwischen der geistigen und der physischen Ordnung.

Die Sonderstellung des Menschen

Ihre naturalistische Annahme führt Langer nicht zur Annahme eines bloß graduellen Unterschieds zwischen Mensch und Tier. Vielmehr sucht sie nachzuweisen, dass nur der Mensch die Fähigkeit zur Symbolisierung besitzt (mit einer gewissen Ausnahme der Menschenaffen, die einen Grenzfall darstellen). Die Symbolisierungsfähigkeit ist so zentral und die Differenz zu den Lebewesen, die diese Fähigkeit nicht haben, so gravierend, dass sie zur Bestimmung der besonderen Natur des Menschen herangezogen werden kann. Der Symbolgebrauch ist dem Menschen keine bloß zusätzliche und sekundäre Leistung. Er durchdringt seine gesamte Natur und Bedürfnisstruktur. Insbesondere führt er dazu, dass ein neues, spezifisch menschliches Bedürfnis entsteht, ein "Bedürfnis der Symbolisierung": "Die Bildung von Symbolen ist eine ebenso ursprüngliche Tätigkeit des Menschen wie Essen, Schauen oder Sichbewegen. Sie ist der fundamentale, niemals stillstehende Prozess des Geistes." Durch die Symbolisierung werden alle Tätigkeiten des Menschen transformiert, weil sie dadurch in neue und künstliche Bedeutungszusammenhänge einfügt werden. Der Mensch ist für Bedeutungen hochempfänglich und ständig auf der Suche nach Symbolen. Langer spricht an einer Stelle von einer "geradezu unheimliche[n] Kraft, symbolische Formen zu erkennen". In dem Scheitern, unsere Erfahrungen durch ihre Symbolisierung zu verarbeiten, werden wir in den Grundlagen unserer Existenz erschüttert.

Diese Verbindung der naturalistischen und der anthropologischen Position ist für Langers Denken insgesamt charakteristisch. Ihre Bücher thematisieren alle - wenn auch in unterschiedlicher Weise - das Spannungsfeld von Kultur und Natur. Kennzeichnend ist dabei, dass die Einseitigkeiten bisheriger Verbindungsversuche vermieden werden sollen. Die Natur ist nie eine direkt gegebene Natur, sondern eine kulturell erschlossene und konstruierte Natur. Auf der andern Seite ist die Kultur keine naturjenseitige Eigenwirklichkeit. Sie steht in Abhängigkeiten von natürlichen Grundlagen und Bedingungen. Aber diese können wiederum nur durch Symbolisierungen und Begriffskonstruktionen, d.h. kulturell erfasst werden.

Diskursive und präsentative Symbole

Langers Theorie der Symbolisierung beinhaltet drei wesentliche Bestandteile: (1) Die Unterscheidung zwischen Zeichen und Symbolen. (2) Hypothesen über die Grundlagen und Funktionsformen der Symbolisierung. (3) Die Unterscheidung zwischen der diskursiven und der präsentativen Symbolisierung.

Letztere Unterscheidung ist von besonderer Bedeutung. Die Grundbedeutung des Begriffs "diskursiv" ist die des Auseinanderziehens und Zerlegens eines komplexen Sachverhalts, so wie dies für die sprachliche Symbolisierung charakteristisch ist. Allerdings orientiert sich Langer in ihrer Erörterung der Charakteristika der "diskursiven Symbolisierung" an der idealsprachlichen Symbolisierung, so wie sie in den künstlichen Symbolsystemen (der Mathematik und Logik) oder in den Wissenschaftssprachen entwickelt wird. Deshalb darf "diskursive Symbolisierung" nicht einfach mit "sprachlicher Symbolisierung" gleichgesetzt werden. Bereits hierdurch wird deutlich, dass die Unterscheidung zwischen der diskursiven und der präsentativen Symbolisierung als Charakterisierung der idealtypischen Pole eines Spektrums, innerhalb dessen es zahlreiche Misch- und Zwischenformen gibt, zu begreifen ist, wobei die natürlichen Sprachen eine solche Mischform darstellen.

Die Grundbedeutung des Begriffs "prä-sentativ" ist die der sinnlichen Anschaulichkeit, der wahrnehmbaren und konkreten Präsentation. Eines der deutlichsten Beispiele ist die visuelle Objektivierung, so wie sie Bilder oder Fotografien darstellen. Bilder sind Symbole, weil sie etwas repräsentieren; und sie sind präsentativ, weil sie "unmittelbar zu den Sinnen sprechen" .

Die entscheidende Differenz zwischen der diskursiven und der präsentativen Symbolisierung besteht darin, dass die einzelnen Elemente der (ideal-)sprachlichen Artikulation definierte Symbole sind, die eine konventionell festgelegte Bedeutung haben, die gegenüber den verschiedenen Kontexten, in denen sie benutzt werden, resistent ist. Da die sinnliche Manifestation eines definierten Symbols für die Bedeutung des Symbols ohne Belang ist, besteht keine interne Verbindung zwischen der sinnlichen Realisierung und ihrer Bedeutung. Dies unterscheidet die diskursive Artikulation von präsentativen Artikulationen. Die Elemente dieser Artikulationen (z.B. Farb- und Formeigenschaften) haben keine feststehenden Eigenbedeutungen. Es gibt kein Vokabular von Bildelementen: ein schwunghafter Bogen, der in dem einen Bild eine Welle bedeutet, bedeutet in einem anderen Bild vielleicht ein Blatt. Was der Bogen im Einzelfall bedeutet, hängt von seiner Situiertheit im Gesamtzusammenhang aller anderen Formelemente ab. Er hat keine davon unabhängige Bedeutung. Weil die Artikulation nicht auf konventionellen Bedeutungen basiert, ist sie von dem sinnlichen Material, in dem sie realisiert ist, nicht ablösbar. Deshalb kann es keine Definition der Elemente geben. Selbst die Identifikation einzelner Elemente ist unmöglich.

Präsentative Symbole, zu denen neben Bildern auch Rituale, Mythen und Kunstwerke zählen, sind anschauungsnahe Symbolisierungen. Sie dominieren die Anfangsphase unseres Verstehens und bilden die Anfänge jeder Erkenntniserweiterung. Bevor wir einen Sachverhalt klar verstehen, d.h. auf der Grundlage einer Analyse seiner wesentlichen Eigenschaften, Faktoren und Beziehungen eine diskursiv paraphrasierbare Artikulation geben können, verwenden wir eine anschauungsnahe Artikulation, um dem erst vage verstandenen Zusammenhang überhaupt eine erste symbolische Artikulation zu geben.

Anders als Cassirers Analyse des mythischen Denkens, zu der zahlreiche Bezüge hergestellt werden können, hat Langers Begriff der präsentativen Symbolisierung aufgrund einer genaueren Analyse, die zugleich als Grundlage für seine allgemeinere, insbesondere die Kunst mit einbeziehende Bedeutung ist, aufgrund einer Hypothese zur spezifischen Ausdrucksfähigkeit dieser Sym-bole und aufgrund der wertneutralen Formulierung dieses Konzepts bessere Anknüpfungspunkte für daran orientierte kulturtheoretische Analysen gegeben. Die wohl wichtigste Aufnahme und Weiterführung – allerdings unter anderen Prämissen – fand in Nelson Goodmans Sprachen der Kunst (1968) statt. Wichtig wurde die Konzeption der präsentativen Symbolisierung für die symbolische Anthropologie Clifford Geertz’. Aufgenommen wurde sie weiter in der Psychoanalyse, in der Entwicklungspsychologie, in der Film- und Medientheorie, in Konzeptionen der Erweiterung einer ausschließlich an der Sprache orientierten Hermeneutik, bis in Versuche der Entwicklung alternativer Modelle zur vorherrschenden Orientierung der Kognitionswissenschaft.

Ernst Cassirer

Ende 1941 lernte Langer Ernst Cassirer, der gerade aus Schweden nach Amerika emigriert war und dessen Schriften für Langers eigene Fragestellungen von großer Bedeutung geworden waren, persönlich kennen. Langer blieb mit Cassirer bis zu dessen Tod 1945 in Kontakt. Sie übersetzte seinen Aufsatz Sprache und Mythos für die Publikation als Buch und spielte auch aufgrund ihrer eigenen Publikationen für die Aufnahme Cassirers Philosophie in Amerika eine große Rolle. Daher sind beider Namen im englischsprachigen Raum eng miteinander verbunden.

Philosophie der Kunst

1953 erschien Feeling and Form, eine ausgehend vom Begriff der präsentativen Symbolisierung entwickelte Philosophie der Kunst. Langers Grundposition ist, dass die Kunst eine bestimmte Form menschlichen Verstehens ist. Durch Kunstwerke können, wenn auch in einer rudimentären Form, Einsichten, Verständnisse und Erkenntnisse gewonnen werden. Dies zeigt sich etwa daran, dass Kunstwerke den deutlichen Anschein von "Richtigkeit" oder "Wahrheit" haben können. Dieser erkenntnistheoretische Ansatz wird durch die in dem erstem Satz von Feeling and Form hergestellte Parallele zur Wissenschaft deutlich: "In Philosophie auf neuem Wege wurde behauptet, dass die dort entwickelte Symboltheorie zu einer ebenso ernsten und weitreichenden Philosophie der Kunst führen sollte wie die Philosophie der Wissenschaft, die aus der Analyse der diskursiven Symbolisierung hervorgegangen ist. Feeling and Form will das Versprechen einlösen, diese Philosophie der Kunst zu sein."

Der Wissenschaftstheorie der Naturwissenschaften soll eine Kritik der Kunst an die Seite gestellt werden, nach der Kunstwerke denselben Anspruch auf die Objektivität der artikulierten Bedeutung beanspruchen können. In dieser Grundposition sieht Langer einen fundamentalen Gegensatz zur pragmatistischen Interpretation der Kunst, wenn darin, so wie etwa in John Deweys Kunst als Erfahrung, die ästhetische Erfahrung als eine besonders intensive und gelingende Erfahrung verstanden wird und auf die Steigerung unseres Lebensgefühls, Bedürfnisbefriedigung und Erlebnistiefe bezogen wird.

Langer richtet sich auch gegen das psychoanalytische Kunstverständnis. Auch hier wird die Bedeutung von Kunstwerken nicht als die Objektivation eines unpersönlichen Wissens verstanden, sondern als subjektiver Ausdruck der unbewussten Wünsche und geheimen Fantasien des Künstlers. Dabei wird aber die Eigenständigkeit des Kunstwerks und die ihr eigene "Formperfektion" übersehen. Auch sei nicht erkennbar, wie man im Rahmen der psychoanalytischen Auffassung zwischen guten und schlechten Kunstwerken unterscheiden könne. Durch die Betonung der verständnisbildenden Natur der Kunst steht Langer andererseits im Widerspruch zu dem formalistischen Kunstverständnis, in der Kunst gehe es ausschließlich um die Analyse der internen Formbeziehungen von Kunstwerken, weswegen Kunstwerke keine außerkünstlerische Bedeutung hätten.

Als den Ausgangspunkt ihrer Philosophie der Kunst wählt Langer den künstlerischen Ausdruck. Kunstwerke sind sinnhaltige, expressive Formen. Zur Bestimmung des Gegenstandsbereichs, der in Kunstwerken zum Ausdruck kommt, knüpft Langer an ihre Unterscheidung zwischen der diskursiven und der präsentativen Symbolisierung an. Die besondere Leistungsfähigkeit der präsentativen Symbole besteht in ihrer Fähigkeit, dynamischen und sich wechselseitig bestimmenden Erfahrungen einen anschaulichen Ausdruck zu geben. Innerhalb des Erfahrungsbereichs dynamischen Geschehens spezialisiert sich die Kunst auf den Bereich unseres Fühlens und inneren Erlebens.

Dabei sind es nicht einzelne Gefühle, etwa der Traurigkeit oder der Freude, die in Kunstwerken symbolisiert werden, sondern ihre Formen und Dynamiken, die auch in unterschiedlichen Gefühlen identisch sein können. Langer bezeichnet den Gegenstand der Kunstwerke als die "Morphologie des Gefühls". Da künstlerischer Ausdruck auch Aspekte der organischen Grundlagen des Fühlens berührt, spricht Langer auch von Aspekten des "inneren Lebens - des physischen wie geistigen". Später verwendet sie häufig den von Henry James geprägten Begriff des "gefühlten Lebens". Das schöpferische Moment im Schaffen eines Kunstwerks besteht darin, dass ein Symbol erzeugt wird, durch das etwas, das wir ohne dieses Symbol nicht klar verstehen, unserem Verständnis zugänglich gemacht wird. Langer definiert die Kunst daher so: "Kunst ist die Erzeugung von Formen, die menschliches Fühlen symbolisieren."

Zugleich entwickelt Langer ein Prinzip der Unterscheidung der verschiedenen Kunstformen. Im alltäglichen Leben fungieren unsere Wahrnehmungen als Anzeichen für die effektive Verhaltenssteuerung. Die Abstraktion aus dieser praktischen Einstellung führt dazu, dass das Wahrgenommene den Status des Irrealen und Illusorischen gewinnt. Der sichtbare Gegenstand hat nun keine praktische Bedeutung mehr, sondern verbleibt in der Sphäre des Sehens und tritt damit in seiner anschaulichen Individualität in den Blick. Er verliert seinen Realitätscharakter und gewinnt den Status einer bloßen Erscheinung. Aufgrund unterschiedlicher Abstraktionen erzeugen Kunstwerke verschiedene "primäre Illusionen". Bilder beinhalten eine Abstraktion aus dem normalen, optisch organisierten Handlungsraum. Der Bildraum ist ein "virtueller Raum". Skulpturen erzeugen die Illusion eines "illusorischen Organismus", Bauwerke die eines "ethnischen Lebensraumes", Musik die "erlebte Zeit". Tanz, die literarischen Kunstformen, Komödie, Tragödie und Film erzeugen weitere primäre Illusionen.

Die Veröffentlichung von Feeling and Form machte Langer zu einer der wichtigsten zeitgenössischen Theoretikerinnen der Philosophie der Kunst. Das Buch fand eine weite Aufnahme und anhaltende Diskussion. Zusammen mit Charles W. Morris Ästhetik und Zeichentheorie (1939) wurde es zu einem Kerntext des semantischen Kunstansatzes. Langer erreichte in den 50er und 60er Jahren durch Philosophie auf neuem Wege und Feeling and Form eine große Bekanntheit. Sie übernahm 1954 eine Professur am Connecticut College, New London, wo sie bis zum Ende ihrer Lehrtätigkeit blieb.

Philosophie der Wissenschaften vom Menschen

Bereits kurze Zeit nach der Veröffentlichung von Feeling and Form fasste sie den Plan für ein weiteres Werk, das letztlich unter dem Titel Mind: An Essay on Human Feeling in drei Bänden 1967, 1972 und 1982 erschien.

Die Grundidee ihres neuen Projekts ist, auf der Grundlage ihrer Kunstauffassung durch eine Analyse struktureller Sachverhalte von Kunstwerken einen neuen begrifflichen Zugang zu den Phänomenen des Lebendigen und des Psychischen zu gewinnen, um dadurch einen Beitrag für die Wissenschaften vom Menschen zu liefern. Diesen Versuch beginnt sie vor dem Hintergrund des vorherrschenden Positivismus und Behaviorismus, der für die Wissenschaften vom Menschen eine völlig untaugliche Perspektive beinhalte. Die folgenden Jahre verbrachte Langer mit einem umfangreichen Studium der psychologischen, biologischen, neurophysiologischen und ethnologischen Literatur. Sie vertiefte sich so stark in diese Arbeit, dass sie den Kontakt mit der zeitgenössischen philosophischen Diskussion zunehmend verlor.

1957 erschien Problems of Art, in dem die Grundbegriffe ihrer Ästhetik bereits in Richtung biologischer Phänomene weitergedacht werden. 1962 erschienen die ersten Ergebnisse ihrer Studien, ausgehend von der Kunst Formen des Lebendigen zu deuten, in dem Buch Philosophical Sketches. 1962 wurde Langer emeritiert. Zu diesem Zeitpunkt lebte sie bereits seit einigen Jahren allein in einem Haus in der Kleinstadt Old Lyme (Connecticut) wo sie die nötige Ruhe für ihre Arbeit fand. Sie führte hier ein zurückgezogenes, naturverbundenes Leben.

Akte

Langer entwickelte in ihrer Konzeption eine neue, sowohl am Phänomen menschlichen Fühlens und Denkens als auch an den Ergebnissen der Wissenschaften orientierte Begrifflichkeit. Als Mittel der Phänomenerschließung dient ihr die Kunst, die sie gegenüber der phänomenologischen Methode Edmund Husserls aus verschiedenen Gründen für überlegen hält, insbesondere deswegen, weil sie - allerdings in einer präsentativen Form - Bilder der Strukturen menschlichen Fühlens und sogar ihrer organischen Grundlagen liefere. Die Kunst gewinnt damit eine heuristische Funktion für die Entwicklung der Begriffe, die dann in einer Konfrontation mit empirischen Befunden und vorliegenden wissenschaftlichen Begriffen eingeführt und definiert werden. In der Tat sind die kunstphilosophischen Ausführungen im ersten Band noch so umfangreich, dass einige Kommentatoren darin zunächst einen weiteren Beitrag zur Philosophie der Kunst sahen.

Für die Entwicklung einer neuen Perspektive zur Erforschung des menschlichen Geistes war Langer - durch ihre Philosophie der Kunst - auf den Ansatzpunkt des Lebens geführt worden. Damit in Kunstwerken Strukturen des Fühlens zum Ausdruck kommen können muss zugleich der Anschein des Lebendigen erzeugt werden. Der symbolische Ausdruck in Kunstwerken entspricht dem tatsächlichen Verhältnis: menschliches Füh-len entsteht aus der lebendigen Aktivität unseres Körpers. Ausgehend sowohl von einer Vergegenwärtigung der Frage, wie Kunstwerke den Eindruck von "Leben" erzeugen, als auch von dem detaillierten Studium tatsächlicher Lebensprozesse konstruiert Langer ein allgemeines Modell lebendigen Ge- schehens. Im Zentrum dieses Modells steht die Einführung und Definition des AktBegriffs. Durch ihn wird die Struktur lebendiger Existenz in ihrer allgemeinen Form konzeptualisiert. Diese Theorie, in der ein großer Einfluss von Whiteheads Prozesstheorie und eine große Nähe zur Systemtheorie gesehen werden kann, hat den Sinn, die Dynamik lebendigen Geschehens zu konzeptualisieren, die angefangen von den organischen Prozessen auch das Verhalten und sogar die Dynamiken menschlichen Vorstellens, kultureller Praktiken und sozialer Interaktionen durchzieht.

Lebendiges Geschehen ist, angefangen von den biochemischen Prozessen bis hin zu den Verhaltensabläufen, nicht amorph, sondern besteht aus unterscheidbaren Einheiten, von Langer als "Akte" bezeichnet. Akte sind raum-zeitliche und energetische Naturabläufe wie andere chemische Prozesse auch. Man kann sie als sich über einen gewissen Zeitraum erstreckende Entladungsvorgänge begreifen. Akte beginnen in einem "Impuls", gehen dann in eine Beschleunigungsphase über, erreichen einen Höhepunkt und münden in eine Phase des Ausklingens.

Ein zentrales Charakteristikum lebendiger Aktivität besteht darin, dass die Prozesse in einem sich selbst aufrechterhaltenden Geschehen stehen. Langer spricht daher erst dann von Akten, wenn Prozesse in einem prozessualen Geschehen anderer Akte entstehen und zu ihrer Aufrechterhaltung beitragen. Es formiert sich ein "Boden" permanenter Aktivität, eine "Matrix". Akte stehen daher in sich wechselseitig erzeugenden und bedingenden Beziehungen. Mit ihrer Aktualisierung verändern sie die Situation, aus der sie hervorgegangen sind und beeinflussen das Entstehen neuer Akte. Akte können mit anderen Akten verschmelzen und zu größeren massiveren Akten integriert werden. Ein Lebewesen ist eine riesige Verkettung und Verflechtung von Akten, die sich reproduzieren, wechselseitig stützen, beeinflussen, zu größeren Einheiten integrieren oder auch blockieren.

Leib-Seele Problem

Für einen naturalistischen Ansatz wie der Langers steht das Leib-Seele Verhältnis im Mittelpunkt. Langer will die Erörertung dieses Verhältnisses mittels eines konzeptuellen Rahmens von Blockierungen befreien. Diesen Rahmen entwickelt sie in Form einer prozesstheoretischen Deutung des Leib-Seele Problems.

Als Grundbegriff ihrer Theorie führt Langer den Begriff des "Fühlens" ein. Mit ihm wird der gesamte Umfang dessen, was uns uns gefühlt werden kann, angefangen von einzel- nen Empfindungen, Schmerz- und Lustge- fühlen, dem Spüren von Vitalität und Stim- mungen, bis hin zum Gefühl eigener Identi- tät und bewusstem Denken. Weiter stellt sie die These auf, dass die höheren Formen bewusster Vollzüge einschließlich derer, die menschliches Denken darstellen, das Ergebnis einer Entwicklung und Ausdifferenzierung einer primitiven Bewusstseinsform sind. Geist sei das Ergebnis einer "...riesigen und speziellen Evolution des Fühlens in der menschlichen Spezies". Damit richtet sich Langer gegen ein dualistisches Verständnis, dessen Ursache sie in der verdinglichenden Vorstellungsrichtung unserer Sprache sieht.

Interpretation der tierischen Lebensform

Langer entwickelt eine Interpretation der tie- rischen Lebens- und Bewusstseinsform. Als zentrale Hypothese zur Interpretation tieri- schen Wahrnehmungsbewusstseins entwickelt sie die Vorstellung, dass die tierische Wahrnehmung vollständig in die Struktur ihres Verhaltens integriert ist. Die Wahrnehmung von Tieren stehen in direkter Abhängigkeit von ihrem je gerade in der Entstehung oder im Verlaufe befindlichen Verhalten. Das tierische Wahrnehmungsbewusstsein bleibt in einer dem distinkten Form- und Eigenschaftswahrnehmen voausliegenden Phase der pragmatischen Aufmerksamkeit. Langer interpretiert weitere Formen tierischer Bewusstseins- und Sozialfunktionen und führt die Unterscheidungen zwischen Empathie und Sympathie, Suggestion und Imitation sowie Kommunion und Kommunikation ein, um die Verschiedenheit von ihrem humanen Gegenstück festzuhalten.

Die Sonderstellung des Menschen

Die Auffassung eines nur graduellen Unterschieds zwischen Mensch und Tier hat Langer von Anfang an bekämpft. Zwar besteht nach ihrer Auffassung eine grundlegende alles - einschließlich das geistige und soziale - Leben durchdringende Kontinuität. Diese Kontinuität wird aber von Langer auf der elementaren Ebene der Prozessualität des Lebens angesiedelt und durch die Akt-Theo- rie konzeptualisiert. Demgegenüber steht der Mensch in einer grundlegenden Diskontinui- tät zu allen Tieren. Nahezu kein Tier ist in der Lage, seine intellektuelle Aktivität über das Niveau praktisch-zeichenhafter Reaktio- nen auf das eines symbolischen Verstehens zu erheben. Wozu definitiv allein der Mensch fähig, und was die tierische Intelli- genz in ein "geistiges Leben" transformiert, ist die Sprache. Daher befindet sich in Mind: An Essay on Human Feeling eine naturhisto- rische Rekonstruktion zentraler Aspekte der Sprachentstehung.

Entgegen solcher vorherrschender Vorbehal- te gegenüber solchen Versuchen aufgrund ihres notwendigerweise spekulativen Charakters sucht Langer eine möglichst überzeu- gende Vorstellung zu entwickeln und bestimmte alternative Vorstellungen als un- plausibel auszuräumen. Auch wenn die Details der Rekonstruktion problematisch bleiben, so könne doch eine schlüssige Alterna- tive zu einer instrumentalistischen Spach- und Kulturentstehungstheorie, nach der die Symbolisierung ein besseres Instrument der praktischen Lebensführung darstellt, aufge- zeigt werden. Einfache Erfolgsgeschichten der Art, dass die Sprache eine vorteilhafte Erfindung zur besseren Verständigung, zur intelligenteren Sozialkontrolle oder zur Erhöhung der eigenen Reproduktionschancen war, hält Langer für völlig unplausibel. Die ersten durch die Sprache aus ihrer naturalen Einbindung herausgestellten Wesen waren sicherlich eher im Zustand angsterfüllter Verwirrung als im Zustand intelligenter, praktischer und selbstsicherer Souveränität.

Die eng an die Sprachentstehung gekoppelte Menschwerdung vollzog sich ausgehend von verschiedenen Entwicklungen, bei denen die Freisetzung der Hände eine große Rolle spielte. Daneben schreibt Langer gerade der Steigerung der Emotionalität eine zentrale Bedeutung zu. Es ist die ausgeprägte Emo- tionaliät unserer Vorfahren, die die grundle- gende Reorganisation unserer Wahrnehmung und unseres Bewusstseins einleitete.

Langer stützt sich in diesem Zusammenhang auf die These Arnold Gehlens, dass die Ausgangslage der Menschwerdung in einer enormen Belastung stand. Weil der Mensch keine biologisch festgelegte Natur besitzt, fehle ihm die biologisch zweckvolle Selekti- vität der Wahrnehmung. Aus diesem Grund sei ein zentraler Aspekt der Ausgangslage der Menschwerdung das Problem, wie die äußere und innere Belastung des Menschen bewältigt werden, wie eine "Entlastung" stattfinden kann.

Gegen Gehlen, der die Entlastung durch Symbolisierung in einem pragmatischen Zu- sammenhang rekonstruiert, setzt Langer ihre historische Rekonstruktion beim Phänomen des Träumens an. Demnach findet die senso- rische und emotionale Belastung ihre Verar- beitung im Schlaf, insbesondere in seiner halluzinatorischen Phase, dem Traum. Der Traum ist nach Langers Auffassung deswe- gen ein plausibler Ansatzpunkt, weil die ent- scheidende Fähigkeit menschlichen Vorstel- lens und Denkens darin besteht, die für das tierische Bewusstsein typische Eingebundenheit in die aktuellen Verhaltensbezüge zu durchbrechen. Hier stehen die Bewusstseins- gegebenheiten in keinem Zusammenhang mit einem aktuellen Verhalten. Daher können sich hier nicht-praktische Verweisungszusammenhänge zum ersten Mal entwickeln.

Das Leben des Geistes und der Kultur

Die Pointe von Langers Ansatz besteht darin, dass man auf der Grundlage des Nachweises der Sonderstellung des Menschen nicht von der biologischen Existenz des Menschen abstrahieren kann, um Psychologie und Kulturwissenschaften ausschließlich als die Erforschung der durch den Symbolgebrauch produzierten Objektivationen zu konzipieren. Denn auch die kulturelle Ordnung ist eine Ordnung des Lebendigen und ist daher durch die Dynamik geprägt, deren Struktur die Akt-Konzeption expliziert. Auch bleiben Reste der tierischen Sozial- funktionen: Wertbewusstsein, Suggestion, Empathie und Kommunion noch im mensch- lichen Sozial- und Bewusstseinsleben wirksam.

Langer zieht die Akt-Konzeption zur Cha- rakterisierung der primitiven Vorstellungsform heran. In den Anfängen der Menschheitsgeschichte werden alle Vorgänge als Akte aufgefasst, die auch in der Form von Akten interagieren. Zugleich wendet sich Langer der funktionalen Interpretation von Magie, Ritualen, Strafen zu und rekonstruiert Hauptübergänge in der Kulturentwicklung. Ein übergeordnetes Thema Langers verschiedener kulturhistorischer Studien ist die Balance. Sie erörtert kulturelle Praktiken als Mittel, um die Balance zwischen individuierenden und integrierenden Tendenzen zu bewahren. Die Bedeutung der Wahrung und Wiederherstellung von Gleichgewichten hat ihren Grund darin, dass Leben, auch in seiner menschlichen und geistigen Gestalt, inhärent instabil ist. Entwicklungen werden durch individuierende Wachstumsvorgänge eingeleitet, die sowohl schöpferische als auch zerstörerische Konsequenzen haben und nur durch balancierende Kräfte im Gleichgewicht gehalten werden können. Aufgrund der Geschwindigkeit der kulturellen Evolution wird das Prinzip der Balance zu einem vorherrschenden Gesichtspunkt der Menschheitsgeschichte.

Langer liefert verschiedene Interpretations-perspektiven kultureller Phänomene, die durch die Theorie des Lebendigen aufeinander bezogen werden. In jeder einzelnen kulturellen oder geistigen Realität muss der Einfluss und der Stellenwert sämtlicher - biologischer, psychologischer, soziologischer und symboltheoretischer - Dimensionen in ihrem integrierten Wirken untersucht werden.

In den siebziger Jahren erkrankte Langer an Diabetes, wodurch ihre Arbeit zunehmend beeinträchtigt wurde. Insbesondere ihre Sehkraft wurde immer stärker in Mitleidenschaft gezogen. Dies zwang sie schließlich, den dritten Band in einer verkürzten Form zu veröffentlichen. Er erschien 1982 ohne einen geplanten Teil 6, der auf der Grundlage der detaillierten Studien der vorangegangenen Teile grundsätzlichere philosophische Fragen wiederaufnehmen sollte. Susanne Langer starb 89jährig am 17. Juli 1985.

Langer hat sich in ihrer Arbeit nicht in wohlabgesteckten Gebieten und mit relativ engen Problemen befasst. Vielmehr hat sie die sie interessierenden Fragestellungen in ihrer vollen sachlichen Komplexität in Angriff genommen und sie einer weitestgehenden Aufklärung zuzuführen gesucht. Dabei hat sie sich auch nicht an den disziplinären Grenzen

zwischen der Philosophie und den Wissenschaften orientiert, sondern alle möglichen Hinweise und Quellen, die für ihre Fragestellungen relevant sind, aufgegriffen. Langers Schriften sind nie essayistisch. Sie scheut sich zwar nicht, Vermutungen anzustellen oder spekulative Rekonstruktionen anzubieten. Aber diese werden stets als das ausgewiesen, was sie sind.

Rezeption

Trotz der zentralen Bedeutung ihrer Themen stand Langer in vielerlei Hinsichten am Rande der akademischen Philosophie. Dies hängt mit verschiedenen Gründen zusammen. Sie war zwar sehr rezeptiv, aber hat keine philosophischen Sekundärarbeiten geschrieben. Es finden sich kaum Auseinandersetzungen mit den für ihre eigenes Denken zentralen philosophischen Konzeptionen. Sie hat sich nie am philosophischen Diskurs der Werk- und Textinterpretationen beteiligt. Auch gibt es von ihr keine philosophiehistorischen Untersuchungen. Ihre Bücher sind stets sachbezogen. Hierbei vermeidet sie es, die von ihr entwickelten Positionen durch eine Abgrenzung von klassischen Konzeptionen zu konturieren und dadurch das Profil ihrer Auffassungen zu schärfen. Auch im akademischen Leben war sie eine Randfigur. Sie hat keiner philosophischen Richtung zugehören wollen. Auch hat sie (zum Teil aufgrund ihres schwierigen akademischen Wegs: sie gewann erst 1954 eine feste Professur) keine Schülerschaft ausgebildet, die ihre Philosophie aufgenommen oder weitergeführt hätte. In den sechziger Jahren hat sie dann eher Tagungen zur theoretischen Biologie als philosophische Fachtagungen besucht. Hinzu kam eine persönliche Eigenwilligkeit in ihrem Auftreten, ein deutlich vernehmbarer deutscher Akzent, strenge und manchmal harsche Einstellungen und ein einzelgängerisches Wesen. Langer war eine weithin bekannte, aber kaum irgendwelchen Lagern oder Allianzen des akademischen Lebens zugehörige Philosophin.

Langers philosophisches Werk wird bislang vorwiegend aufgrund ihrer symboltheoretischen Positionen und Analysen wahrgenommen. In systematischer Absicht wird sie vor allem durch ihre Unterscheidung zwischen der diskursiven und der präsentativen Symbolisierung, sowie ihre symboltheoretische Philosophie der Kunst rezipiert und diskutiert. Philosophiehistorisch wird Langer in einen engen Zusammenhang mit Ernst Cassirers Philosophie der symbolischen Formen gebracht. Eine wesentliche Dimension ihrer Philosophie, ihre lebensphilosophisch-anthropologische Konzeption des menschlichen Geistes, ist bislang weniger zur Kenntnis genommen worden. Allerdings ergeben sich gerade in dieser Hinsicht interessante Verbindungen, so zur Prozessphilosophie Alfred North Whiteheads, zur philosophischen Anthropologie Helmuth Plessners und Arnold Gehlens sowie zur Leibphänomenologie Maurice Merleau-Pontys.

 

Autor

Rolf Lachmann ist Privatdozent für Philosophie an der Humboldt-Universität Berlin. Von ihm ist kürzlich die erste deutschsprachige Monographie zum Thema erschienen: Susanne K. Langer. Die lebendige Form menschlichen Fühlens und Verstehens, 2000, W. Fink, München