"Menschenpark" als "Scherz"

Sloterdijk wiederholt Vorwürfe gegen Habermas

Peter Sloterdijk ist der derzeit gesuchteste Philosoph. Sei es ein Jubiläum einer Wirtevereinigung oder das einer Bank, Peter Sloterdijk hält (gegen eine fünfstellige Summe, ist zu hören) eine dazu passende Rede. Und was die Gentechnik betrifft, gilt er nunmehr als Experte. So wendet sich die "Deutsche Presseagentur" bei der Meldung der Vergabe eines Patents auf gentechnisch veränderte menschliche Embryozellen direkt an den Meisterdenker. Diese Vergabe, doziert Sloterdijk sei "die logische Fortsetzung unserer Zivilisationsgeschichte". Der Körper sei nach der traditionellen europäischen Wissenschaftskultur nichts anderes als eine von der Natur gebaute Maschine und Gene seien lediglich eine Art von Eiweiß-Schreibmaschine. Zudem seien Tiere und Pflanzen, aber auch Menschen schon immer gezüchtet worden. Wenn erst die "Monsterfurcht" um eine neue "Gensklaverei" ausgeräumt sei, könne man mit größerer Ruhe auf die Entwicklung der Gentechnik schauen.

Wiederum auf Schloss Elmau wurde Peter Sloterdijk in einer von Rüdiger Safranski geleiteten Diskussionsrunde mit der Kulturwissenschaftlerin Sigrid Weigel, dem Molekulargenetiker Ernst-Ludwig Winnacker, dem Theologen Trutz Rendtorff und dem Philosophen Ludger Honnefelder gefragt, was er nun eigentlich mit seiner Rede von "Geburtenfatalismus", "optionaler Geburt" und "pränataler Selektion" meine. Er suche, so antwortete Sloterdijk, im kritischen Anschluss an Heidegger nach dem "ontologischen Unterschied zwischen Geborenwerden und In-die-Welt-Kommen". Die Humangenetik gebe die Möglichkeit, diesem Prozess des Menschwerdens auf die Spur zu kommen und, so die Berichterstattung in der Welt, "das Spiel mitzuspielen". Sloterdijk, der sich in dieser Diskussion nur dreimal zu Wort meldete, klagte des weiteren über die "Wut des Flachlesens" und über den "hermeneutischen Hunnensturm", der nach seinem ersten Elmauer Vortrag über ihn hereingebrochen sein. Und er beklagte sich wieder einmal über Habermas: Die "Macht am Rhein" habe verhindert, dass die Gedanken Foucualts in Deutschland zur Kenntnis genommen worden seien. Mit Foucault hätte sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Entwicklung des humanistischen Gedankens, der "sterben lässt und Leben macht", eine Art "kategorischer Imperativ" des Humanismus der Zukunft darstelle.

In der Evangelischen Akademie Hamburg hat Sloterdijk seinen berühmt-berüchtigten Vortrag "Ist der Humanismus am Ende" zum Scherzo, zum heiteren Stück, erklärt: "Der ganze Text ist eigentlich ein lang gezogener melancholischer Scherz", sagte er in einer Fragestunde. Die Evangelische Akademie war prall gefüllt, kaum fand man einen Stehplatz, um Sloterdijks Ausführungen zum Thema "Was ist Menschlichkeit" zu lauschen. "Dunkel war der Rede Sinn", fasste Harald Tews in der Welt diese zusammen. Auch in Frankreich wird Sloterdijk bekannt: Le Monde druckte seinen Text "Regeln für den Menschenpark" nicht nur in voller Länge, vielmehr nahmen auch Intellektuelle dazu Stellung, ohne sich allerdings wie manche ihrer deutschen Kollegen davon schockiert zu zeigen. Bruno Latour ging sogar soweit, mit der Kühnheit seiner Thesen habe Sloterdijk die französische Philosophie weit hinter sich gelassen.