PhilosophiePhilosophie

EDITIONEN

Fink, Eugen: Die geplante Gesamtausgabe

Die geplante
Eugen Fink-Gesamtausgabe


Eugen Fink (1905-1975) war Schüler von Edmund Husserl wie auch von Martin Heidegger. Er promovierte 1929 bei beiden und zwar mit dem Thema „Vergegenwärtigung und Bild. Beiträge zur Phänomenologie der Unwirklichkeit“. Husserl zog ihn in seinen näheren Umkreis; da er 1930 bereits emeritiert war, beauftragte er ihn mit privaten Seminaren vor allem für ausländische Studenten. So kam Fink mit vielen später bekannten Philosophen in Kontakt, etwa mit Alfred Schütz, Jan Patocka, Ortega y Gasset und Maurice Merleau-Ponty. 1933 musste sich Fink entscheiden: eine Universitätslaufbahn wäre für ihn nur möglich gewesen, wenn er sich von Husserl getrennt hätte. Fink blieb jedoch gegen alle Anfeindungen bis 1938 Privatassistent des jüdischen Professors Husserl.

Auf Spaziergängen entwickelte Husserl seine Gedanken, die Fink dann schriftlich festhielt. Husserl war mit Finks Arbeit vollauf zufrieden: Es sei darin kein Satz, „den ich nicht ausdrücklich als meine eigene Überzeugung ausdrücken könnte“, schreibt er an einen Freund. Fink bearbeitete in diesen Jahren zahlreiche Manuskripte Husserls, machte Entwürfe zu Neufassungen bereits publizierter Werke und diskutierte mit Husserl dessen Gedanken. Fink skizzierte in diesen Jahren aber auch eigene Gedanken, wie zahlreiche von Ronald Bruzina (Lexington, USA) nun erschlossene und aufgearbeitete Texte zeigen.

Nach dem Tod Husserls 1938 half Fink der Witwe Husserls und dem belgischen Franziskaner Van Breda bei der Rettung des Nachlasses. Er emigrierte darauf 1939 nach Leuven, wo er Ludwig Landgrebe bei der Auswertung von Husserls Nachlass half. 1940 wurde er kurz vor dem deutschen Einmarsch mit den anderen deutschen Emigranten interniert und nach Frankreich abtransportiert, wo er unter erbärmlichen Umständen leben musste – bis die deutsche Armee das Lager unter ihre Kontrolle brachte und Fink in die Armee eingezogen wurde. Er machte als Soldat der Fliegerabwehr in der Nähe von Freiburg seinen Dienst.

Nach Kriegs ende habilitierte er sich an der Universität Freiburg und wurde dort Dozent, bis er 1948 auf den Lehrstuhl für Philosophie und Erziehungswissenschaft der Pädagogischen Hochschule Freiburg berufen wurde – ein Amt, das er bis zu seiner Emeritierung innehatte. Legendär ist das Heraklit-Seminar, das Fink zusammen mit Martin Heidegger im Wintersemester 1966/67 abhielt. Fink war auch Gründer und erster Direktor des Freiburger Husserl-Archivs, engagierte sich im Studium Generale an der Freiburger Universität, aber auch in der Volksbildung, etwa in der Freiburger Volkshochschule, der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft oder im Kunstverein Freiburg. Er starb 1975 an einem Schlaganfall.

Fink hat eine zwar von Husserl und Heidegger inspirierte, aber durchaus eigenständige kosmologische Anthropologie entwickelt. Für Fink ist der Mensch weder Subjekt noch Seiendes noch Dasein, sondern „durch den Bau der Welt bestimmt“, d. h. er existiert im offenen Spielraum der „kosmologischen Dialektik“ von Himmel und Erde, Welt und Ding. Fink entfaltet die in das polare Wesen der Welt eingebettete menschliche Existenz am Leit faden der „Grundphänomene“ von Arbeit, Herrschaft, Liebe, Spiel und Tod. In zahlreichen Vorträgen, Artikeln und Rundfunksendungen bezieht Fink zudem vor dem Hintergrund dieser Anthropologie zu den aktuellen Fragen der Bildungspolitik und Technik Stellung.

Eine gründliche Auseinandersetzung mit dem Werk von Eugen Fink steht im deutschsprachigen Raum noch aus. Das gilt insbesondere von seinem Spätwerk, indem er einen von Husserl und Heidegger unabhängigen Weg einschlägt: den einer Kosmologie und kosmologischen Anthropologie. Hier spielt vor allem Finks produktive Auseinandersetzung mit den Vorsokratikern, aber auch mit Kant, Hegel und Nietzsche eine wichtige Rolle. Der Grund für diese verzögerte Rezeption liegt unter anderem darin, dass Fink zeit seines Lebens im Schatten Heideggers stand. Hinzu kommt, dass viele für Fink wichtige Schwerpunkte wie die Thematik der „Erde“ bis heute in der akademischen Philosophie tabuisiert sind.

 

 


1981 wurde von Ferdinand Graf (1931-2001) an der Pädagogischen Hochschule Freiburg ein Eugen Fink-Archiv gegründet. Es ist Anlaufstelle für Wissenschaftler aus aller Welt, die sich mit dem Werk Finks bzw. der Freiburger Phänomenologie befassen oder Schriften Finks in andere Sprachen übersetzen. Aufgrund seines denkerischen Zugriffs wie seines breitgefächerten und umfangreichen Werks gilt Eugen Fink vielerorts – so in Frankreich, Italien, Spanien, Tschechien, Slowenien, Kroatien, den USA und Japan – als bedeutender Vertreter der deutschsprachigen Philosophie der Nachkriegszeit, der schon in seinem Frühwerk entscheidende Anstöße für das zeitgenössische Philosophieren, vor allem in Frankreich (Maurice Merleau-Ponty, Jacques Derrida, Marc Richir), gegeben hat.

Gegenwärtig sind fast alle von Fink selbst publizierten Werke vergriffen. Deshalb beschlossen Cathrin Nielsen (Eugen Fink-Archiv) und Hans Rainer Sepp im Sommer 2004 in Zusammenarbeit mit Franz Anton Schwarz und dem Karl Alber-Verlag und in Absprache mit der Familie Fink die Konzeption einer Gesamtausgabe seiner Werke sowie seiner noch unveröffentlichten Nachlasstexte.

Geplant sind insgesamt dreißig Bände; d.h. zwanzig Bände, wovon einige mehrere Bücher umfassen. Die Gliederung erfolgt sachlich nach dem Grundaufriss von Finks Philosophie. Sie umfasst dementsprechend die vier Abteilungen Phänomenologie und Philosophie (I.), Ontologie – Kosmologie – An thropologie (II.), Philosophische Ideengeschichte (III.) und Sozialphilosophie und Pädagogik (IV.). Kleinere Arbeiten wie Vorträge und Aufsätze werden in allen Abteilungen entsprechenden Themenbänden zugeordnet, auch wenn sie aus anderen Werkphasen entstammen als die Haupttexte, die einen Themenband definieren. Der Leser findet damit nicht nur alle relevanten Texte zu einem Thema zusammen, sondern kann über dies ihre werkgeschichtliche Genese verfolgen.

Die Gesamtausgabe ist textkritisch angelegt. Textgrundlage bildet in der Regel die letzte Textfassung Finks. Alle zu einem Text vorhandenen Fassungen werden in ihrem Textzustand beschrieben. Da die meisten der von Fink selbst publizierten Bücher auf Vorlesungsskripten basieren, werden alle inhaltlich relevanten Abweichungen zu diesen textkritisch verzeichnet. Von Fink verwendete Zitate werden nachgewiesen und gegebenenfalls richtiggestellt. Die Texte werden in der Gestalt belassen, in der Fink sie verfasst hat, lediglich Rechtschreibung und Interpunktion werden den Regeln der deutschen Rechtschreibung vor der Rechtschreibreform angepasst. Jede Ausgabe enthält zudem ein ausführliches Nachwort der Herausgeber, das die Entstehung der betreffenden Texte beschreibt und sie im Gesamtwerk Finks lokalisiert, sowie ein Verzeichnis der von Fink zitierten Literatur.

Finks wissenschaftlicher Nachlass umfasst vor allem Vorlesungstyposkripte und Typoskripte von Vorträgen und Aufsätzen, handschriftliche Dispositionen zu Seminaren und maschinenschriftliche Seminarprotokolle sowie Aufzeichnungen zu diversen Anlässen. Die Herausgeber sichteten und katalogisierten im Zeitraum 2004/2005 Finks im Universitätsarchiv Freiburg deponierten Nachlass (Kopien wichtiger Nachlassteile verwahrt weiterhin das Eugen Fink-Archiv der Pädagogischen Hochschule Freiburg.)

Fink formulierte sämtliche seiner im Zeitraum vom Sommersemester 1946 bis zum Wintersemester 1968/1969 an der Universität Freiburg gehaltenen Vorlesungen aus und tippte den für jede Vorlesungsstunde erforderlichen Text in die Maschine. Diese Typoskripte von insgesamt 28 Vorlesungen, deren Umfang jeweils zwischen 77 und 209 Seiten im A 4-Format beträgt, waren schon zu Finks Lebzeiten die Grundlage für nahezu alle seine Buchpublikationen. Nach Finks Tod wurde ein weiterer Großteil dieser Texte dank des Engagements von Susanne Fink und Franz-Anton Schwarz, aber auch von Egon Schütz und Jann Holl, zuerst bei Karl Alber, Rombach und Klostermann, später, in den Jahren 1985-1995, bei Königshausen & Neumann verlegt. Heute gibt es nur mehr sechs Vorlesungstexte Finks, die noch nicht publiziert sind: „Vom Wesen der menschlichen Freiheit“ (1947), „Vom Wesen der Philosophie“ (1948) und die „Einleitung in die Philosophie“ (1949/1950) – die nicht mit der gleichnamigen Vorlesung vom Sommersemester 1946 zu verwechseln ist, die 1985 von Franz Anton Schwarz herausgegeben wurde – sowie die pädagogisch-sozialphi losophischen Themen gewidmeten Vorlesungen „Geschichte der Pädagogik der Neuzeit“ (1953/1954), „Einführung in die Erziehungswissenschaft (1954/1955) und „Gesellschaft – Staat – Erziehung (1961).

Liegen also die meisten Vorlesungen Finks im Druck vor, so sind die übrigen Teile seines Nachlasses so gut wie unpubliziert. Das betrifft einen Teil der Aufsätze und Vorträge (so hatte Fink in den sechziger Jahren eine Reihe von zumeist nicht im Druck erschienenen Rundfunkvorträgen für den Südwestfunk verfasst) sowie den gesamten übrigen Nachlass: Dies sind zunächst die Hefte, in denen Fink für jedes seiner Seminare im vorhinein die Grundthemen der einzelnen Stunden zumeist stichwortartig konzipierte. Diese ‚Dispositionshefte’ werden durch Seminarprotokolle ergänzt, die in Finks Auftrag Assistenten von ihm wie Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Egon Schütz oder Hans Ebeling von einzelnen Seminaren anfertigten – von den insgesamt 77 an den Universitäten Freiburg und Basel gehaltenen Seminaren sind 40 protokolliert; Fink selbst autorisierte die Protokolle und fügte sie in seinen wissenschaftlichen Nachlass ein.

Sodann gehört hierzu die Gruppe der ‚Aufzeichnungen’, die in erster Linie Ge dankennotizen und Entwürfe umfasst. Ein großer Teil von ihnen stammt aus Finks Assistentenzeit bei Husserl. Diese von Ronald Bruzina erschlossenen Texte bilden eine einzigartige Dokumentation: Sie belegen nicht nur die frühe Eigenständigkeit von Finks eigenem philosophischen Standort, sondern spiegeln aus nächster Nähe die Entwicklung von Husserls Spätphilosophie wider. In den Aufzeichnungen zeigt Fink im Gegensatz zu den damals von ihm publizierten Schriften in radikaler Offenheit die Grenzen der philosophischen Konzepte von Husserl und Heidegger auf (so z. B. im Rahmen einer von ihm geplanten „Differenzschrift“, die die Positionen von Husserl und Heidegger kritisch ausloten wollte) und profilierte damit, was insbesondere die Entwicklung eines „meontischen Denkens“ betraf, schon sehr früh eine gegenüber Husserl und Heidegger eigenständige Position. Sofern Fink auch andere Vertreter der Freiburger Phänomenologie jener Zeit wie Fritz Kaufmann und Oskar Becker in die sachliche Aus ein andersetzung mit einbezog, dokumentieren die Aufzeichnungen – in der Zeit kurz vor und während des beginnenden Nationalsozialismus und unmittelbar vor dem Exodus vieler deutscher und österreichischer Phänomenologen in die Vereinigten Staaten – die letzte Phase der Freiburger Phänomenologie nahezu in dem gesamten Umfang ihrer verschlungenen Problemhorizonte. Finks Aufzeichnungen sind damit nicht nur philosophie- sowie zeitgeschichtlich von einzigartigem Rang, sondern eröffnen sowohl für die Husserl- wie für die Heidegger-Forschung, vor allem aber für die Erforschung der Ursprünge von Finks eigener philosophischer Position neue Perspektiven.

Aufriss der Gesamtausgabe
I. Phänomenologie und Philosophie

1. Nähe und Distanz
Studien zur Phänomenologie
2. Textentwürfe zur Phänomenologie
Eugen Finks Mitarbeit bei Edmund Hus serl I
3, 1-4 Phänomenologische Werkstatt
Eugen Finks Mitarbeit bei Edmund Husserl II
4. Vom Wesen der Philosophie

II. Ontologie – Kosmologie – Anthropologie

5. 1-2 Sein und Endlichkeit
6. Sein – Wahrheit – Welt
7. Spiel als Weltsymbol
8. Grundphänomene des menschlichen Da-
seins
9. Mode. Ein verführerisches Spiel
10. Epiloge zur Dichtung



III. Philosophische Ideengeschichte

11. Grundfragen der antiken Philosophie
12. Descartes – Leibniz – Kant
13. 1-3 Kant: Kritik der reinen Vernunft
14. Hegel
15. Nietzsche

IV. Sozialphilosophie und Pädagogik

16. Existenz und Co-Existenz
17. 1-2 Gesellschaft – Staat – Erziehung
18. 1-3 Philosophie der Erziehung
19. Metaphysik der Erziehung im Weltver-
ständnis von Platon und Aristoteles
20- 1-2 Geschichte der Pädagogik der Neu-
zeit

Eröffnet wird die Edition mit der monumentalen Bandfolge der von Ronald Bruzina herausgegebenen Aufzeichnungen Finks aus seiner Assistentenzeit bei Husserl (Bd. 3, 1-4). Mit dieser Publikation erscheint bislang unveröffentlichtes Textmaterial aus dem Nachlass. Als weiteres besorgen Cathrin Nielsen und Hans Rainer Sepp den Band 7 der II. Abteilung, der Finks eigenständige Texte zum Spiel beinhalten wird: neben Oase des Glücks und Spiel als Weltsymbol eine Reihe kleinerer, z. T. bisher unpublizierter Studien, so die frühe Arbeit „Nietzsches Metaphysik des Spiels“ von 1946, den 1958 publizierten kurzen Artikel „Das kindliche Spiel“, das Vortragsfragment „Spiel und Philosophie“ von 1966 und den 1972 veröffentlichten Artikel „Spiel und Feier“. Ergänzt werden diese Texte von den Dispositionen Finks zu seinem Seminar „Das philosophisch-pädagogische Problem des Spiels“ von 1954 – Finks erstem Versuch, das komplexe Phänomen des Spiels systematisch zu erschließen – sowie einer Reihe von bisher ebenfalls unveröffentlichten Aufzeichnungen zum Thema. Ein weiterer Band mit Texten zur Geschichte der Pädagogik der Neuzeit (Abt. IV, Bd. 20) wird von Anselm Böhmer vorbereitet. Guy van Kerckhoven erarbeitet die umfangreiche Textfolge der Kant-Seminare (Abt. III, Bd. 13). Weitere Personen, die an der Edition der Gesamtausgabe beteiligt sind, werden Nikolaus Engert, Thomas Franz, Annette Hilt, Karen Joisten, Franz Anton Schwarz und Helmuth Vetter sein.


DESCARTES

Les Météores / Die Meteore

Von der Antike bis weit ins 19. Jahrhundert hinein zählten alle Arten von Himmelserscheinungen, die in der Luft sich „in der Schwebe“ (meteoros) befinden, zu den Meteoren – also Sternschuppen genauso wie Regenbögen und Gewitter. Die Erforschung dieser Erscheinungen, die Meteorologie, bildete das Experimentierfeld für neue wissenschaftliche Forschungsansätze, und dies insbesondere für Phänomene, die traditionell das Einwirken göttlicher Kräfte zu bezeugen schienen, wie Wind, Gewitter oder Erdbeben. Nahezu jeder Naturphilosoph, der etwas auf sich hielt, beschäftigte sich damit. So sind uns entsprechende Berichte u. a. von Platon, Aristoteles, Theoprast, Lukrez, Seneca, Albertus Magnus, Galilei, John Locke und auch von Descartes überliefert.

In der Wissenschafts- und Philosophiegeschichte dagegen ist dieses Thema vernachlässigt worden. Das hatte zur Folge, dass die Darstellungen der Frühen Neuzeit sich einseitig auf kosmologische Modelle fokussieren. Eine weitere Folge war, dass Descartes’ 1637 erschienener Text bislang noch nicht in deutscher Übersetzung herausgekommen war. Claus Zittel hat dies nun nach geholt und eine deutsche Übersetzung zusammen mit dem Faksimile des Originaltextes veröffentlicht:

3-465-03451-1 Descartes, René: Les Météores. Faksimile der Erstausgabe 1637. Herausgegeben, übersetzt, eingeleitet und kommentiert von Claus Zittel. 340 S., kt., € 32.—, 2006, Zeitsprünge, Heft 1/2,, Band 10 (2006), Klostermann, Frankfurt.

Es handelt sich dabei um die erste Publika tion von Descartes, und sie ist sehr ehrgeizig: Descartes legt den ersten umfassenden wissenschaftlichen Erklärungsanspruch der frühen Neuzeit über den Aufbau der Erde sowie sämtliche Meteore vor, und er präsentiert zum ersten Mal öffentlich seine Materietheorie. Laut Zittel konnte er zu Recht behaupten, für zahlreiche bislang rätselhafte Phänomene plausible Erklärungshypothesen gefunden zu haben.

Ursprünglich bildeten die Météores zusammen mit weiteren Essays und dem berühmten Discours de la méthode einen eigenen Corpus, wovon der Discours lediglich die Einleitung war. Früh schon wurde er aber vom Corpus abgetrennt und als Einzeltext tradiert, während die eigentlichen Essays in Vergessenheit gerieten. Zu Unrecht, wie Zittel meint. Denn in den Météores bricht Descartes radikal mit dem aristotelischen Paradigma der Erklärung von Himmelserschei nungen. Während Aristoteles auf besondere substantielle Eigenschaften der jeweiligen Körper rekurrierte, um deren Veränderungen und Wirkungen zu erklären, ersetzt Descartes diesen Erklärungstypus durch eine mechani stische Theorie, der zufolge alle Phänomene einzig auf der hypothetischen Grundlage von Gestalt und Bewegung einer Sorte von Materieteilchen erklärt werden können.


SCHOPENHAUER

Neuausgabe der Lütkehaus-Ausgabe


Seit Jahren vergriffen, ist die von Ludger Lütkehaus herausgegebene und zum 201. Geburtstag Schopenhauers erschienene populäre Ausgabe „letzter Hand“ der Werke Arthur Schopenhauers in einer broschierten Ausgabe wieder neu aufgelegt worden. Die preisgünstige Edition wird vom Verlag Zweitausendeins herausgegeben, wo der seinerzeit in Konkurs gegangene Zürcher Originalverlag Haffmanns Unterschlupf gefunden hat:

Arthur Schopenhauer: Werke in fünf Bänden. Herausgegeben und vorgestellt von Ludger Lütkehaus. Kartoniert, im Schuber, 2006, € 39.90, Zweitausendundeins.

Die Ausgabe enthält ein Beibuch mit Nachweis und Übersetzung der Zitate, Chronik und Register sowie einem Essay zur Praxis der Schopenhauer-Edition. Es ist dies die einzige unveränderte Ausgabe der Werke Schopenhauers in den Fassungen und Anord nungen der letzten Hand. Das heißt, sie enthält die Inkonsequenzen in Orthographie und Interpunktion, wie sie von Schopenhauers früheren Herausgebern bemerkt und korrigiert worden waren und respektiert damit die Eigentümlichkeiten von Schopenhauers Orthographie und Interpunktion. Denn für Lütkehaus sind diese „Verbesserungen“ oftmals in Wirklichkeit „Verschlimmbesserungen“.


CASTORIADIS

Ausgewählte Schriften


Zwischen der Bedeutung und dem Anregungspotential des Werkes des griechisch- französischen Philosophen und Psychoanalytikers Cornelius Castoriadis (1992-1997) und dem kleinen Ausschnitt davon, der in Deutschland zur Kenntnis genommen wurde, besteht ein krasses Missverhältnis. Einzig Gesellschaft als imaginäre Institution, Durchs Labyrinth und verstreut einige Aufsätze sind ins Deutsche übersetzt worden. Der „Verein für das Studium und die Förderung der Autonomie e.V.“ hat sich nun zum Ziel gesetzt, die Rezeption und Diskussion des Werkes von Castoriadis im deutschsprachigen Raum zu verbessern. Geplant ist ein auf vier bis fünf Bände angelegtes Editionsprojekt Ausgewählte Schriften, das die großen Übersetzungs- und Rezeptionslücken schließen will.

Erschienen ist der erste Band:

3-936049-67-X Castoriadis, Cornelius: Autonomie oder Barbarei. Herausgegeben von Michael Halfbrodt und Harald Wolf. 221 S., kt., € 17.—, 2006, Verlag Edition AV, Lich.

Der Band enthält politisch pointierte und direkt auf aktuelle politisch-theoretische Fragestellungen bezogenen Texte aus den 1980 er und 1990er Jahren. Sie gehören zum Themenkreis „Probleme einer Politik der Autonomie heute“ und befassen sich mit verschiedenen Aspekten der revolutionären, radikaldemokratischen Tradition und aus linker Sicht mit der demokratischen Theorie und Praxis in der kapitalistischen Gegenwartsgesellschaft.


FOUCAULT

Hermeneutik des Subjekts

Zu welcher geschichtlichen Gestalt haben sich im Abendland die Beziehungen der beiden Elemente „Subjekt“ und „Wahrheit“ ver knüpft? Das ist die Frage, die Foucault in seiner Vorlesung am Collège de France zwischen dem 6. Januar und dem 24. März 1982 gestellt hat. Die Vorlesung wurde von Frédéric Gros vom Wortlaut des mündlichen Vortrages transkribiert und 2001 veröffentlicht. Sie ist jetzt in dem Band

Foucault, Michel: Hermeneutik des Subjekts. 694 S., Ln., € 39.90, 2004, Suhrkamp, Frankfurt

in deutscher Übersetzung erhältlich.

Foucault geht von dem Begriff „Sorge um sich selbst“ aus, der im griechischen Denken als epimeleia heautou geläufig war, dem aber nie ein besonderer Status eingeräumt wurde. Dabei, so Foucaults These, charakterisiert die epimeleia heautou die philosophische Haltung in der gesamten griechischen Kultur.
Es ist besonders Sokrates, der die anderen dazu auffordert, sich um sich selbst zu sorgen. Später ist es Epikur, der wiederholt erklärt: „Jeder Mensch muss sich Tag und Nacht, sein ganzes Leben lang um seine Seele kümmern.“ Für Foucault ist unsere moderne Seinsweise als Subjekt weiterhin von diesem Denken beeinflusst. Allerdings hat sich der Begriff im Laufe der Geschichte verändert, seine Bedeutungen haben sich vervielfacht und Wandlungen durchlaufen.

Die epimeleia heautou beeinhaltet dreierlei:

- Sie ist eine Haltung, eine Haltung zu sich selbst, den anderen und der Welt gegenüber. 

-  Sie ist eine bestimmte Form der Aufmerksamkeit, des Blicks. Man muss seinen Blick von außen, den anderen, der Welt weg auf „sich selbst“ wenden. 

-  Sie bezeichnet eine Reihe von Handlungen, und zwar solche, die auf einen selbst gerichtet sind, Handlungen, durch die man für sich selbst Sorge trägt, durch die man sich verändert, reinigt, verwandelt und läutert.

Diese Vorschrift des epimeleia heautou, die Vorschrift der Sorge, ist durch das „cartesianische Moment“ getilgt worden, das das „Erkenne dich selbst“ philosophisch rehabilitiert hat. Letzteres hat dazu geführt, dass der Grundsatz der Sorge disqualifiziert und aus dem Gesichtskreis des modernen philosophischen Denkens ausgeschlossen wurde. Foucault setzt diesen Wechsel mit dem Beginn der Neuzeit gleich.

Der Grundstein dazu wurde allerdings bereits durch das Christentum gelegt. Die Begründung eines Glaubens mit universellem Auftrag schuf die Basis für ein allgemein erkennendes Subjekt, das in Gott sein Vorbild, seine absolute Vollendung, seine höchste Vollkommenheit und seinen Schöpfer, kurz sein Modell fand.

Der Grundsatz „Man muss sich um sich selbst sorgen“ war zwar ein alter Spruch der griechischen Kultur. Theoretisch entwickelt wurde die Sorge um sich selbst jedoch im zweiten Teil des Alkibiades-Dialogs. Hier taucht auch die Formel „sich um sich selbst kümmern“ bei Platon das erste Mal auf. Aus der zweifach mangelhaften Erziehung – der schulischen Erziehung wie der Erziehung in Liebesangelegenheiten – ergibt sich die Notwendigkeit, sich um sich selbst zu sorgen. Hinzu kommt – typisch für sokratische Dialoge – das Moment der Unwissenheit. Damit ist sowohl die Unwissenheit über die Dinge, die man wissen müsste, als auch die Unwissenheit über sich selbst gemeint, insofern man nicht einmal weiß, dass man diese Dinge nicht weiß. Der Schlüsselbegriff der Sorge um sich selbst ist die Seele: Sie ist das Subjekt aller körperlichen, instrumentellen und sprachlichen Betätigung, sofern sie sich der Sprache, der Werkzeuge und des Körpers bedient. Das Selbst, um das man sich sorgen muss, ist für Platon die Subjekt-Seele, die chresis.

Insofern der Zugang zur Wahrheit allein über die Selbsterkenntnis, welche die Erkenntnis des Göttlichen in einem selbst ist, zu erreichen ist, war der Platonismus wesentliches Ferment diverser spiritueller Bewegungen. Der Platonismus bildete umgekehrt – für Foucault ein Paradox – auch das Klima für die Entwicklung dessen, was man eine „Rationalität“ nennen kann. Der Platonismus spielt sowohl in der antiken wie auch in der späteren europäischen Kultur diese Doppelrolle.

Die Medizin wurde immer in einem besonderen Verhältnis zur Philosophie stehend gesehen. In der Antike bestand ein Zusammenhang zwischen der Sorge um sich selbst und der Heilkunst. Bei den Stoikern wird die philosophische Praxis als eine Art medizinische Praxis gesehen. Musonius sagt: „Der Philosoph wird gerufen wie der Arzt im Krankheitsfall.“ Es bilden sich Philosophenschulen mit der Absicht, Selbstsorge zu betreiben, für Foucault eine Art seelentherapeutische Ambulanz.

In der antiken Kultur wurde die Sorge um sich selbst nie als universelles Gesetz wahrgenommen, das für jedes Individuum zu gelten habe. Die Sorge um sich selbst bedeutete immer die Entscheidung für eine bestimmte Lebensweise. Sie nahm im Rahmen von Praktiken, Einrichtungen oder Gruppen Gestalten an, die sich deutlich voneinander unterschieden, sich oft auch gegenseitig ausschlossen. Die tragende Struktur bildeten gesellschaftlich vorgegebene Beziehungsmuster wie „Freundeskreise“. Es gab individuelle Praktiken, die an die gehobenen Schichten gebunden und dort häufig anzutreffen waren; es gab aber auch volkstümliche, stärker religiös und kultisch ausgerichtete Praktiken. Umgekehrt gab es epikureische Gruppen mit eindeutig philosophischem Charakter, die hauptsächlich von Bauern und Handwerkern frequentiert wurden.

Gemeinsam war ihnen, dass die Frage des Selbst und des Selbstbezugs mit den beiden Elementen „Universalität des Aufrufs“ und „Seltenheit des Heils“ gestellt war. Dieses Jonglieren zwischen universellem Prinzip, das nur von wenigen gehört werden kann, und dem selten werdenden Heil, von dem jedoch a priori niemand ausgeschlossen wird, steht dann im Mittelpunkt der Probleme des Christentums. Als Ziel der Selbstpraxis steht die vollendete Beziehung zu sich selbst. Sie ist der letzte Zweck des Lebens und ist zugleich eine seltene Lebensform. Das ist gewissermaßen die leere Form der großen zeitlosen Kategorie des Heils.

Man muss seine Aufmerksamkeit auf sich selbst richten, man muss sich von den Dingen, die einen umgeben, abwenden. Das ist der Kern der Botschaft. Es handelt sich dabei um eine Umkehr, die in der Immanenz dieser Welt stattfindet. Das Subjekt muss so deutlich wie möglich vor Augen haben, was es anstrebt, es muss ein klares Bewusstsein von seinem Ziel haben und ein klares Bewusstsein davon, was es zu tun gibt und was zu tun möglich ist, um dieses Ziel zu erreichen. In einer Reihe von Texten der hellenistischen und der römischen Zeit taucht die Frage auf, wie das Wissen um die Dinge und die Hinwendung zu sich selbst zusammenhängen. Dem Thema begegnen wir in den großen kynischen, epikureischen und stoischen Philosophenschulen. Demetrius stellt zwei Wissensmodi einander gegenüber: ein Ursachenwissen, vom dem er sagt, dass es nichts nütze, und einen Wissensmodus, in dem es darum geht, die Beziehungen zwischen den Göttern, den Menschen, der Welt und den Dingen der Welt zu berücksichtigen. Was erkannt werden muss, sind die Beziehungen: die Beziehungen des Subjekts zu allem, was es umgibt. Was erkannt werden muss, oder der Modus der Erkenntnis zeichnet sich dadurch aus, dass das, was als Wahrheit gegeben ist, sofort und unmittelbar als Gebot verstanden wird. Es handelt sich um Erkenntnisse, die, sobald man sie besitzt, eine Veränderung der Seinsweise des Subjekts bewirken. Diesem Sachverhalt hat man es zu verdanken, dass man besser wird. Es handelt sich hier, so Foucault, um eine Ortsveränderung des Subjekts in bezug auf sich selbst. Das Subjekt muss auf etwas zugehen, das es selbst ist. Dieses hellenistische Mo dell der Selbsterkenntnis ist historisch durch zwei andere große Modelle der Selbsterkenntnis, das platonische und das christliche, verdeckt worden.

Im platonischen Schema beruht das Verhältnis von Sorge um sich selbst und Selbsterkenntnis auf drei Elementen. Erstens: Man muss sich um sich selbst sorgen, weil man unwissend ist. Zweitens: Sobald die Sorge um sich als notwendig anerkannt ist und man sich tatsächlich daranmacht, wird sie im Wesentlichen darin bestehen, sich selbst zu erkennen. Drittens: Indem die Seele sich daran erinnert, was sie gesehen hat, entdeckt sie, was sie ist. Vom 3. und 4. Jahrhundert an hat sich das christliche Modell herausgebildet. Dabei verbindet sich die Selbsterkenntnis auf sehr komplexe Weise mit der Erkenntnis der Wahrheit, wie sie in der heiligen Schrift und der Offenbarung enthalten ist. Diese Selbsterkenntnis ist in die Tatsache, dass es, um das Wort zu verstehen, eines gereinigten Herzens bedarf, eingebunden und durch sie gefordert. Wir haben es hier mit einem Zirkelschluss zwischen Selbsterkenntnis, Erkenntnis der Wahrheit und Sorge um sich zu tun. Wer sein Heil erlangen will, muss die Wahrheit empfangen, die der heiligen Schrift und die der Offenbarung. Doch man kann diese Wahrheit nur erkennen, wenn man sich um sich selbst in der Form der reinigenden Erkenntnis des Herzens gekümmert hat. Und diese reinigende Selbsterkenntnis ist nur möglich, wenn man bereits ein grundlegendes Verhältnis zur Wahrheit, der Schrift und der Offenbarung hat. Für Foucault ist diese Zirkularität in der Beziehung zwischen Sorge um sich und Selbsterkenntnis im Christentum grundlegend.

Der Grund dafür, warum das platonische und das christliche im Gegensatz zum hellenistischen Modell historisch ein hohes Ansehen genossen, liegt darin, dass sich die beiden ersteren in den ersten Jahrhunderten der Geschichte des Christentums heftig bekämpft haben. Damit wurden sie an die abendländische Kultur weitergegeben.
Im verschütteten hellenistischen Modell, für das sich Foucault stark macht, geht es keineswegs darum, dass sich die Seele auf sich selbst zurückzieht und sich selbst befragt, um in sich selbst die Erinnerung an jene reinen Formen zu finden, die sie ehemals geschaut hat. Es geht vielmehr darum, gegenwärtig die Dinge der Welt zu sehen und in der Gegenwart ihre Einzelheiten und ihre Ordnung zu erfassen. Indem wir Abstand nehmen, zurücktreten, erweitert sich der Zusammenhang, in den wir gestellt sind, und wir erfassen die Welt, wie sie ist. Diese Vogelschau ist eine geistige Bewegung, die nichts weiter ist als die Bewegung, durch die der Blick von einem stets höher gelegenen Blick ausgesendet wird, d. h. durch die er immer umfassender wird, je höher wir uns schwingen. Es ist dies ein Thema, das sich insbesondere bei Seneca findet. Dieses Prinzip, den Blick dadurch auf sich selbst zu richten, dass man die Welt kennenlernt, könnte man eine Vergeistigung des Wissens von der Welt nennen.

Zum einen bedarf es eines theoretischen Wissens, zum anderen eines praktischen Wissens. Das praktische Wissen, sagt Musonius Rufus, erwirbt man nur durch Trainieren, durch eine Selbstpraxis, durch askesis. Die askesis stellt eine Art und Weise dar, das Subjekt an die Wahrheit zu binden. Sie ist das, was einem erlaubt, die wahren Reden zu erwerben, deren man in allen denkbaren Umständen, Ereignissen und Wechselfällen des Lebens bedarf, um eine angemessene, umfassende und vollendete Selbstbeziehung herzustellen.

Diese Selbstpraxis hat man von der Adoleszenz an bis zum Lebensende zu üben. Sie fügt sich in ein Vorsehungsschema ein: Der Gott reagiert gewissermaßen im Voraus und organisiert die Welt im Voraus für diese Selbstpraxis so, dass sie für den Menschen bildenden Wert hat. Man hat sich in der Konfrontation mit den Erprobungen, die einem geschickt werden, und dank jener Sorge um sich, die einen diese Prüfungen ernst nehmen lässt, ständig selbst zu erziehen. Erprobungen, widrige Umstände sind deshalb nicht als Übel zu betrachten. Man muss sie vielmehr als Wohltaten sehen, aus denen sich Gewinn und Nutzen für die Bildung des Individuums ziehen lassen.
Im römischen Kaiserreich findet eine Art Inversion von Lebenstechnik und Selbstsorge statt. Die Sorge um sich ist von nun an kein unumgängliches Element der Lebenstechnik mehr. Man hat sein Leben so zu leben, damit das, was einem am Lebensende begegnet – Alter, Tod, diffuse Unsterblichkeit – ein Selbstverhältnis ist, welches die Vollendung und Belohnung für ein als Prüfung gelebtes Leben darstellt. Die Lebenstechnik, die Art und Weise, mit den Ereignissen des Lebens umzugehen, muss sich von nun an in eine allgemein und absolut gewordene Sorge um sich einschreiben.

In diesem Werk Foucaults falle die „performative Bescheidenheit“ auf, schrieb René Aguigah in der Frankfurter Rundschau: „Ein akademischer Lehrer präsentiert seine Lektüren von Texten aus der klassischen und hellenistisch-römischen Antike.“ Aber, so fährt er fort, „wer die mangelnde Dichte dieses Bandes in Kauf nimmt, rückt der Werkstatt Foucaults so nah wie kaum irgendwo anders“. Und er zieht praktische Folgerungen für die Gegenwart aus den Analysen Foucaults: „Wenn es beispielsweise zutrifft, dass die Regierungskunst von heute darin besteht, Individuen auf sich selbst zurückzuwerfen – bei der Arbeit, der Altersversorgung oder beim Zahnersatz – , warum sollte man dann nicht eigenhändig alternative Weisen des Selbst gestalten?“ Es bleiben Fragen, gibt Manfred Frank in der Zeit zu bedenken. „Denkt Foucault, der Gang der Geschichte sei umkehrbar und antike Individualethiken ließen sich in alter Frische an die Stelle des neuzeitlichen Wahrheitsuniversalismus stellen?“ Bernhard Dotzler gibt in der Neuen Zürcher Zeitung die Antwort: „Nicht die antiken Formen der ‚Sorge um sich’ wären zu reaktivieren, wohl wäre es aber die Aufklärung darüber, dass es Weisen der Selbstbestimmung einmal gab und womöglich immer noch gibt“. Manfred Frank geht allerdings weiter und kritisiert Foucault: „Foucaults Begriff des Subjekts ist so in den Gedanken der Lebenspraxis verflochten, dass auch ihm keine Einsichten in seine interne Struktur zu gewinnen ist, um deren Aufklärung die zeitgenössische Philosophie des Geistes ringt.“

Giordano Bruno

In den Jahren 1993 bis 2000 erschien in Paris im Verlag Belles-Lettres die erste italienisch- französische kritische Gesamtausgabe der Werke von Giordano Bruno. Unter Leitung von Thomas Leinkauf erarbeitet nun die Deutsche Bruno-Forschergruppe auf der Basis dieser Ausgabe eine zweisprachige deutsche Ausgabe „Giordano Bruno Werke“.
Ziel der Ausgabe ist es, nicht nur dem heutigen Stand der Forschung entsprechende Textausgaben für den deutschen Sprachraum vorzulegen, sondern zugleich die Werke Brunos auf gesicherter Basis durch ausführliche Kommentare zu erschließen.
Die Ausgabe umfasst in chronologischer Reihenfolge zunächst alle sieben, der Naturphilosophie und Erkenntnislehre, der Ethik, Religion und Politik gewidmeten Schriften, die Bruno zwischen 1582 und 1585 in italienischer Sprache publiziert hatte:

Band 1: Candelaio. Der Kerzenziehen
Band 2: La cena de le ceneri. Das Aschermittwochsmahl.
Band 3: De la causa, principio et uno. Über die Ursache, das Prinzip und das Seine.
Band 4: De l’infinito, universo e mondi. Über das Unendliche, das Universum und die Welten
Band 5: Spaccio della bestia trionfante. Austreibung des triumphierenden Tieres.
Band 6: Cabala del cavallo pegaseo. Die Kabbala des pegaseischen Pferdes.
Band 7: De gl’heroici furori. Von den heroischen Leidenschaften.

Als erstes erscheint Band 3 (ca. 730 S., Ln., Subskriptionspreis ca. € 128.—, einzeln ca. € 148.—, 2006).
Die Ausgabe erscheint im Verlag Felix Meiner, Hamburg. Weitere Informationen:
www.meiner.de

Josef Pieper auf arabisch

Um die Kluft zwischen der arabischen und der westlichen Welt zu verringern, sollen vier ausgewählte Bände des christlichen Religionsphilosophen Josef Pieper ins Arabische übersetzt werden. Herausgeber und Übersetzer ist Adel Theodor Khoury, emeritierter Professor für Religionswissenschaft an der Universität Münster. Die beiden ersten Bände, „Glück und Kontemplation“ sowie „Hoffnung und Geschichte“ sind bereits im libanesischen St.-Paulus-Verlag erschienen. „Ich bin fasziniert von der Klarheit und dem Tiefgang seines Denkens“, sagte Khoury zur Münsterschen Zeitung. Piepers Reflexionen seien für muslimische Leser interessant, „denn im arabischen Raum ist der Glaube Bestandteil des Denkens“.

Suhrkamp Studienbibliothek

Der Suhrkamp-Verlag beginnt im April mit dem Aufbau einer Studienbibliothek (Kürzel: stb) mit grundlegenden Theorietexten für Schule und Studium. Neu daran ist eine Kombination von Text und Kommentar. Die Ausgaben enthalten sowohl einen Kommentar, der über die Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte Auskunft gibt wie auch einen Stellenkommentar, der die für das Textverständlich erforderlichen Sacherläuterungen gibt. Ein Glossar informiert des weiteren über die wichtigsten Begriffe. Als erste Bände erscheinen:

Walter Benjamin: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Kommentar von Detlev Schöttker. Ca. 230 S., ca. 9.—, stb 1.
Immanuel Kant.: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. Kommentar von Christoph Horn, Corinna Mieth und Nico Scarano. Ca. 300 S., ca. € 10.—, stb 2.
Karl Marx: Das achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. Kommentar von Hauke Brunkhorst. Ca. 300 S., kt. € 10.—, stb 3.
Platon. Sophistes. Griechisch-deutsch. Aus dem Griechischen von Friedrich Schleiermacher. Kommentar von Christian Iber. Ca. 400 S., ca. € 14.—, stb 4.
David Hume. Eine Untersuchung über den menschlichen Verstand. Kommentar von Lambert Wiesing. Ca. 400 S., ca. € 14.—, stb 5.
David Hume: Über Moral. Kommentar von Herlinde Pauer-Studer. Ca. 350 S., ca. € 12.—stb 6.