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FORSCHUNG

Philosophie des Geistes: Time Crane verteidigt die Intentionalität

PHILOSOPHIE DES GEISTES

Time Crane verteidigt die Intentionalität

Franz Brentano vertrat die Auffassung, Intentionalität sei „den psychischen Phänomenen ausschließlich eigentümlich. Kein physisches Phänomen zeigt etwas Ähnliches“. Von vielen zeitgenössischen Philosophen wird Brentanos These abgelehnt, und als Gründe dafür werden genannt:

 Intentionalität stelle keine notwendige Bedingung für das Geistige dar. Als Beispiele dafür werden Schmerzen, Stimmungen und Gefühle genant. So läuft für Louise Antony die Sicht, dass Schmerzen intentional sind, „unseren Intuitionen zuwider“.

 Es gibt auch nichtgeistige Phänomene, die Intentionalität aufweisen. Intentionalität ist demnach nicht hinreichend für das Geistige. Zwar sind die Beispiele hierzu umstritten, angeführt wird die Neigung von Pflanzen, zu einer Lichtquelle hin zu wachsen.

Unter angloamerikanischen Philosophen besteht so etwas wie eine stillschweigende Übereinkunft, die These von Brentanto zu verwerfen. Die konträre Position vertritt dagegen Tim Crane, Direktor des Philosophischen Instituts der Universität Lane. Der FischerTaschenbuchverlag hat einen Band mit sechzehn Essays zur Philosophie des Geistes dieses bei uns noch wenig bekannten Philosophen herausgebracht:

Crane, Time: Intentionalität als Merkmal des Geistigen. Sechs Essays zur Philosophie des Geistigen. 240 S., kt, € 16.95, 2007, Fischer Taschenbuch 17345, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt.

Brentano zufolge weist jedes geistige Phänomen etwas auf, das er „intentionale In¬existenz“ nennt. Dieser Begriff beschreibt die Art und Weise, in der jeder intentionale Akt „etwas als Objekt in sich“ enthält. Mit Inexistenz ist gemeint, dass das Objekt, auf das der Geist gerichtet ist, im geistigen Akt selbst existiert. So ist „in der Vorstellung etwas vorgestellt, in dem Urteil etwas anerkannt oder verworfen, in der Liebe geliebt, in dem Hasse gehasst, in dem Begehren begehrt usw“ (Brentano). Brentano behauptete ferner, dass intentionale Akte äußere Phänomene zum Objekt haben können, auch wenn ihre Objekte innerlich sind. Im Falle von Empfindungen etwa ist der Geist auf ein inneres Objekt gerichtet, auf eine Empfindung. Für Brentano ist der Schmerz das Objekt des geistigen Zustandes, Schmerzen zu haben.

Colin McGinn hat argumentiert, dass „Körperempfindungen kein intentionales Objekt haben, so wie Wahrnehmungserfahrungen es tun“, und zwar deshalb, weil „wir zwischen einer optischen Erfahrung und dem, wovon sie eine Erfahrung ist, unterscheiden, diese Unterscheidung bei Schmerzen aber nicht treffen“. Für Mc Ginn handeln Schmerzen nicht von irgendetwas, sie sind nicht von etwas, repräsentieren nichts, sie haben keine Intentionalität. Ihre Existenz erschöpft sich in der Existenz eines subjektiven Zustandes, der uns nichts über die äußere Welt mitteilt.

Time Crane wendet dagegen ein, dass wir sehr wohl zwischen einem Schmerz und einem Schmerzgefühl unterscheiden können. Denken wir an eine Person, die durch einen Schmerz aus einem traumlosen Schlaf aufgeweckt wird. Damit ein Schmerz eine Person veranlassen kann aufzuwachen, muss er vor dem Aufwachen existiert haben. Da es sich aber beim Aufwachen um eine Sache des Bewusstwerdens verschiedener Dinge – einschließlich des Schmerzes – handelt, sieht es so aus, dass der Schmerz auch ohne Bewusstsein existieren kann. Somit können wir Schmerzen als Objekte betrachten, auf die der Geist bei Schmerzen gerichtet ist.

Viele zeitgenössischen Philosophen akzeptieren die Existenz irreduzibler geistiger Eigenschaften, aber von einer Existenz irreduzibler geistiger Objekte wollen sie aus metaphysischen Gründen nichts wissen: Diese lassen sich nicht in ein naturalistisches Weltbild integrieren. Eine Verteidigung des Intentionalismus braucht sich aber nicht auf geistige Objekte zu stützen. Bei Körperempfindungen kann er stattdessen durch eine an der Wahrnehmung orientierten Auffassung von Körperempfindung verteidigt werden – ein Ansatz, der sich etwa bei David Armstrong oder in jüngerer Zeit bei Michael Martin findet. Diesem Ansatz nach ist Körperempfindung so etwas wie eine Wahrnehmung des eigenen Körpers. Gerade durch Körperempfindungen gelangen wir zu einem Bewusstsein des Zustandes unseres Körpers und der in ihm stattfindenden Geschehnisse. Die Qualitäten, derer wir in Körperemp¬findungen gewahr sind, werden in diesen Erfahrungen bestimmten Körperregionen zugeschrieben. Ein Schmerz in meiner Hand fühlt sich als in meiner Hand, nicht als in meinem Geist sitzend an. Er zeigt sich selbst eher als etwas an, auf das mein Geist sich konzentrieren, seine Aufmerksamkeit lenken oder das er ignorieren kann denn als etwas, das sich gleichsam in meinem Geiste befindet. Die Verfechter geistiger Objekte und die Vertreter der Wahrnehmungstheorie sind sich so weit einig. Für Crane spricht aber zugunsten der Wahrnehmungstheorie die Tatsache, dass ich mich notwendigerweise auf den schmerzenden Körperteil konzentrieren muss, um mich auf den Schmerz zu konzentrieren. Diese Notwendigkeit kann durch die Theorie der geistigen Objekte nicht erklärt werden.

Searle nennt neben Schmerz als weitere Beispiele nichtintentionaler und subjektiver phänomenaler Zustände Nervosität, Hochstimmung und Unruhe. Crane zufolge treffen auch diese Beispiel nicht zu. Jemand, der unruhig ist, mag zwar nicht in Worten fassen, worüber er beunruhigt ist, dennoch vermag er auszudrücken, wie die Dinge ihm im Zustand der Unruhe erscheinen. Und wenn man über sich selbst beunruhigt ist, richtet man die eigene Unruhe auf sich selbst. Auch dann ist die Unruhe auf etwas gerichtet.

Crane schlägt vor, Intentionalität als einen Begriff zu verstehen, der auf alle geistigen Phänomene anwendbar ist, sowohl auf bewusste, phänomenologisch auffällige geistige Zustände wie Wahrnehmungen, Empfindungen oder bewusste Gefühlsregungen als auch auf unbewusste Überzeugungen, Wünsche und andere geistige Dispositionen.