Sind Menschen Vernunftwesen?

Die Philosophie der Aufklärung hatte den Menschen als Vernunftwesen bestimmt und an die historische Entfaltung seiner Vernunft die höchsten Erwartungen geknüpft. Die neuzeitlichen Aufklärungsphilosophien sind insofern durchgängig als Vernunftidealismen zu bezeichnen, und es hat davon verschiedene Sorten gegeben, theoretische wie praktische, empiristische wie rationalistische. Niemand mag heute mehr diesen vernunftzentrierten Konzeptionen des Menschen und seiner Geschichte so recht Glauben zu schenken, denn zu oft wurden diese durch die modernen Wissenschaften und noch mehr durch die Realgeschichte widerlegt. Das sukzessive Scheitern solcher Vernunftidealismen hat speziell in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einer reichen Blüte von wissenschafts- und vernunftkritische Strömungen geführt. Aber noch in ihrer radikalen Kritik sind solche Strömungen im Regelfall selbst zutiefst vernunftidealistisch, indem sie ausgehend von der idealistischen These, dass die menschliche Vernunft die Hauptverantwortung für die Geschichte der Menschheit trägt, nun die ‚Schuld’ in den innersten Winkel dieser Vernunft dingfest zu machen suchen, statt in dem, was den Menschen und seine Geschichte jenseits von Vernunft bestimmt und was bestenfalls deren mangelnden Einflussbereich aufzeigen könnte. In einer solchen Situation erscheint die Neubesinnung auf die Rolle der Vernunft für den Menschen angebracht - auf das, was sie zu leisten vermag, und was nicht. Dies soll im folgenden geschehen 

 Die aufklärerische Konzeption von Vernunft ruht auf zwei großen Säulen: der theoretischen und der praktische Rationalität.

Theoretische Rationalität: Ein Glaubenssystem (im Sinn eines Meinungssystems) ist theoretisch rational in dem Grade, in dem es wahre und gut begründete Erkenntnis enthält, im korrespondenztheoretischen Sinn von Wahrheit und wissenschaftlichen Sinn von Begründung.

 Praktische Rationalität: Ein Glaubenssystem bzw. ein darauf basiertes Handlungssystem ist praktisch rational in dem Grade, in dem es zur Realisierung von für alle Menschen erstrebenswerten Werten beiträgt.

 Die theoretische Rationalität ist also zuständig für die Erforschung der Wirklichkeit, so wie sie ist, unabhängig davon, was Menschen anstreben oder anstreben sollten. Die praktische Rationalität hat dagegen herauszufinden, welche grundlegenden Werte alle Menschen anstreben bzw. rationalerweise anstreben sollten, um zum Wohle der Menschheit beizutragen. Das Kernstück aufklärerischer Vernunft besteht nun in der Auffassung, dass theoretische und praktische Rationalität nach folgendem Plan zusammenarbeiten: die theoretische Rationalität gibt dem Menschen die Mittel in die Hand gibt, um gegebene Ziele in optimaler Weise zu verwirklichen, und die praktische Rationalität sagt dem Menschen, welche Ziele dies sein sollen. Natürlich können diese Ziele variieren, aber es ist jedes Mal die theoretische Rationalität, die dem Menschen die optimalen Mittel dazu in die Hand gibt.

 Kernthese der Aufklärungsrationalität: Das beste Mittel, um gegebene Ziele - insbesondere die Ziele der praktischen Rationalität - zu erreichen, ist der Erwerb von möglichst umfassender Erkenntnis (über den betreffenden Gegenstandsbereich) im Sinne der theoretischen Rationalität. 

 Es ist diese Kernthese, in der sich die Aufklärungsrationalität von ihren großen Gegenspielern, den mystischen und religiösen Weltauffassungen unterscheidet. In diesen Weltauffassungen wird eben nicht davon ausgegangen, dass der beste Weg des Menschen, zu seinem Glück zu finden, darin besteht, genau das zu glauben, was sich kritisch-rational begründen lässt. Nur wer bereit ist, ohne rationalen Begründungsversuch zu glauben, kann die tiefere Glaubenswahrheit überhaupt erst erfahren. Mystisch-religiöse Weltauffassungen widersprechen der aufklärerischen Kernthese, insofern sie einen Glauben einfordern, der in seinem Kernbereich die Anwendung der Methode der kritischen Überprüfung als des Herzstücks theoretischer Rationalität von vornherein ausschließt.

 In welchem Maß ist nun die menschliche Evolution dazu angetan, jene Qualitäten zu selektieren, die wir aufgeklärte Rationalität genannt haben?

 Die verallgemeinerte Evolutionstheorie

 Als theoretische Grundlage zur Behandlung dieser Frage verwende ich die verallgemeinerte Evolutionstheorie. Dabei handelt es sich um ein vergleichsweise junges Forschungsprogramm, welches unter anderem auf Dawkins’ Konzeption der Meme – als kulturellem Gegenstücke der Gene – zurückgeht. Über die genetisch-biologische Ebene hinaus kennt die verallgemeinerte Evolutionstheorie auch die Ebene der kulturellen - geistigen, wissenschaftlich-technischen und gesellschaftlichen - Evolution. Diese läuft um Zehnerpotenzen schneller ab als die genetische Evolution und beruht auf der Evolution von Memen. Darunter sind menschliche Ideenkomplexe und Fertigkeiten zu verstehen, die durch den Mechanismus der Tradition - der Informationsweitergabe von Generation zu Generation - reproduziert werden. Trotz aller Unterschiede zwischen der genetischen und der kulturellen Ebene werden Evolutionsprozesse auf beiden Ebenen abstrakt durch die drei ‚Darwinschen’ Module beschrieben:

Reproduktion: Evolutive Systeme (biologisch: Organismen; kulturell: Menschen und ihre ‚Erfindungen’) reproduzieren sich in Zyklen von aufeinanderfolgenden Generationen.

Variation: Variationsprozesse, speziell während der Reproduktion, erzeugen Varianten dieser evolutiven Systeme, die mitreproduziert werden.

Selektion: Weil der Populationsgröße durch Ressourcenknappheit obere Grenzen gesetzt sind, reproduzieren sich gewisse Varianten - die sogenannten fitteren - schneller und verdrängen dadurch langfristig die anderen.

 Diejenigen Bestandteile evolutiver Systeme, welche den Code der Evolution ausmachen, sind in der biologischen Evolution die in den Zellkernen lokalisierten Gene und in der kulturellen Evolution die in den Gehirnen lokalisierten Meme. Gene und Meme müssen, um sich zu reproduzieren zu können, in den Organismen auf geeignete Weise kausal wirksam werden. Biologisch gesehen sind wir Menschen sozusagen die Überlebensmaschinen unserer Gene, und kulturell gesehen die Überlebensmaschinen unserer Ideensysteme, unserer Meme.

 Die evolutionäre Selektion bewirkt nicht, dass Organismen perfekt angepasst sind, sondern nur, dass sie besser angepasst sind als ihre evolutionären Vorgänger, und das nur ceteris paribus. Die Evolutionstheorie kennt zahlreiche Beispiele für dysfunktionale Merkmalsbildungen und kann erklären, warum solche unter speziellen Bedingungen nicht aussterben. Es gibt in der Evolutionstheorie auch nichts, was ein Gesetz der „Evolution zum Höheren“ impliziert. Dennoch ist Evolution in ihrem Verlauf nicht tautologisch-beliebig: evolutionäre Prozesse besitzen immer Richtungen, in denen gewisse phänotypische Merkmale sukzessive optimiert werden, als Resultat des nachhaltigen Wirkens stabiler selektierender Umgebungsparameter. Diese ‚Richtungen’ der Evolution äußern sich als bevorzugte Äste des großen Verzweigungsbaumes von Abstammungslinien. Nicht alle evolutiven Systeme konkurrieren ja miteinander, sondern sie sind vielmehr auf sogenannte ökologische Nischen mit unterschiedlichen Selektionsparametern verteilt. So fand unter den Wirbeltieren eine Entwicklung auf immer komplexere Nervensysteme hin statt, was nicht heißt, dass deswegen die Insekten ausstarben. Ebenso hat die gewaltige Expansion von Wissenschaft und Technik nicht dazu geführt, dass Kunst oder Religion ausstarben. 

 Aufklärungsrationalität versus verallgemeinerter Placebo-Effekt

 Unter welchen Selektionsbedingungen kann die menschliche Vernunft nun ihren Selektionsvorteil behaupten und zur evolutionären Durchsetzung gelangen?

 Wäre es wirklich wahr, so wie es die aufklärerische Kernthese behauptet, dass ein theoretisch-rationales Überzeugungssystem generell das optimale Mittel zur Verwirklichung beliebiger praktischer Zwecksetzungen ist, dann dürfte der evolutionären Durchsetzung theoretischer Rationalität im Grunde nichts im Wege stehen. Dann müssten in der genetischen Evolution jene angeborenen Ideen des Menschen, die am besten mit der Realität    übereinstimmen, auch am besten Überleben und Fortpflanzung bewerkstelligen. Erst recht müssten in der kulturellen Evolution jene Ideensysteme, die der Wahrheit am nächsten kommen, den praktischen Zwecken ihrer Rezipienten am dienlichsten sein und sich deshalb der größten Beliebtheit erfreuen. Wenn wir dies als wahr annehmen, dann handeln wir uns auf der Faktenebene allerdings gewisse Erklärungsprobleme ein. Warum zum Beispiel finden dann im Fernsehen statt Talk Shows oder Hollywood-Filmen nicht fortwährend rationale Diskurse und Wissenschaftssendungen statt? Warum landen die im Schweiße unseres Angesichts hergestellten wissenschaftlichen Fachbücher nicht fortwährend auf den Bestsellerlisten unserer Tageszeitungen? Ein Faktum ist aber besonders erklärungsbedürftig: warum sind, trotz jahrhundertelanger explosiver Evolution von Wissenschaft und Technik, religiöse Weltauffassungen, die mit theoretischer und oft genug auch mit praktischer Rationalität völlig inkompatibel sind, heutzutage nach wie vor weit verbreitet, und zwar gerade auch in den USA als dem technologisch fortgeschrittensten Teil der Welt? Wir haben daher gute empirische Gründe, die uneingeschränkte Geltung der aufklärerischen Kernthese zu bezweifeln. Aber welche theoretischen Gründe können wir dafür anführen?

 Die zentrale Prämisse, die der aufklärerischen Kernthese zugrunde liegt, nimmt an, dass alle wesentlichen praktischen Effekte, die unsere Überzeugungen auf uns haben, durch den Wahrheitswert unserer Überzeugungen bestimmt sind und über diesen zustande kommen. Glaube ich z.B., dass es bald regnet, so hat das den praktischen Effekt, dass ich einen Regenschirm mitnehme, und dies hat positive Konsequenzen, wenn mein Glaube wahr ist, weil ich dann nicht nass werde, wogegen es negative Konsequenzen hat, wenn mein Glaube falsch ist, weil ich dann ständig den unnützen Regenschirm mit mir herumschleppe. Ich nenne diese Effekte die Wahrheitseffekte unserer Überzeugungen. Nun ist es aus naturalistischer Perspektive aber offensichtlich, dass unsere Glaubenszustände auch massive praktische Effekte auf uns haben können, die ganz unabhängig von ihrem Wahrheitswert sind und die direkt, sozusagen ohne wahrheitswertvermittelten Umweg, auf uns wirken. Wenn ich z.B. glaube, dass in einer Stunde mich eine geliebte Person besuchen wird, so macht mich dieser Glaube die nächste Stunde froh und glücklich, ganz unabhängig davon, ob diese Person dann auch wirklich kommt. Ich nenne diese Effekte die verallgemeinerten Placebo-Effekte unseres Glaubenssystems.

Effekte glaubensbasierter Handlungen

Der Fehler der aufklärerischen Kernthese besteht nun darin, diese Placebo-Effekte zu vernachlässigen, obwohl sie evolutionär eine signifikante Rolle spielen.

 Extensiv erforscht wurden Placebo-Effekte im Bereich von Medizin und Pharmazie. So macht der bloße Glaube an die Wirksamkeit einer Schlaftablette, die in Wahrheit ganz ohne Arzneigehalt ist, über 50% des Erfolges einer tatsächlichen Schlaftablette aus. Auch für Psychotherapien ist der Placebo-Effekt gut dokumentiert. Werbung und Propaganda bedienen sich ständig des Placebo-Effekts. In Form von sich selbst erfüllenden oder sich selbst zerstörenden Prognosen, z.B. Prognosen über den Aktienmarkt oder über Wahlergebnisse, ist der Placebo-Effekt ein Forschungsobjekt der Soziologie. Auch die Grundregel aller Lehren des mental health Trainings, die Regel des positive thinking, beruht auf dem Placebo-Effekt: glaube an dich und deine Fähigkeiten, denn - Klammer auf: wie es mit diesen auch immer bestellt ist :Klammer zu - dein positives Denken wird letztlich alles zum Guten wenden.

Überzeugungssysteme können also nicht nur selektiert werden, weil sie wahr sind; sie können auch selektiert werden, weil sie vorteilhafte Placebo-Effekte haben. Religiöse Glaubenssysteme haben massive Placebo-Effekte. Denn der Glaube an spirituelle Mächte, die ein ewiges jenseitiges Lebens versprechen, in dem erlittenes Übel kompensatorisch vergolten wird, gibt ein Ausmaß an Zuversicht und an seelischem Gleichgewicht, das rationale Überzeugungssysteme kaum liefern können. Darüber hinaus liefern religiöse Glaubenssysteme ein supremes Motiv für die Unterordnung unter jene sozialen Regelsysteme, die von der Religion heilig gesprochen werden und tragen damit zur Stabilisierung religiös fundierter sozialer Organisationsformen bei. Die Placebo-Effekte des religiösen Glaubens können sogar so weit gehen, dass man voller religiöser Zuversicht ein Selbstmordattentat begeht, sofern man nur fest daran glaubt, dass Gott dafür ewige Belohnung verspricht.

Die Placebo-Effekte religiöser Glaubenssysteme sind der Hauptgrund für deren nachhaltige Selektion bis ins gegenwärtige wissenschaftlich-technische Zeitalter hinein. Wie das letzte Beispiel zeigt, können Placebo-Effekte auch extrem gefährliche Folgen haben, nämlich wenn sie in totalitäre Ideologien ausarten. Der große Vorzug der aufgeklärten Rationalität liegt natürlich in ihrer Selbstkorrigierbarkeit durch die Methode der kritischen Überprüfung. Wie es Popper einmal formulierte, werden in der kritischen Wissenschaft eben nicht unliebsame Menschen getötet, sondern nur falsifizierte Theorien. Diese intrinsische Selbst-Korrigierbarkeit können Placebo-basierte Glaubenssysteme niemals besitzen, denn der Glaube kann nur dann seine Placebo-Wirkung entfalten, wenn man    eben nicht an ihm zweifelt, und erst recht nicht daran denkt, ihn kritisch zu überprüfen. Aus demselben Grund aber muss der rationale Mensch auf die wohltuende Wirkung von Placebo-Effekten verzichten. Ich bin entschieden der Meinung, dass die Rationalität diesen Preis wert ist. Aber es ist ein Preis, und es gibt keinen evolutionären Automatismus, dass dieser Preis entrichtet wird. Es bleibt vielmehr eine fortwährende Aufgabe, die Institutionen der Bildung und Wissenschaft so weit zu stärken, dass sie in der Lage sind, einen kontinuierlichen Selektionsvorteil für die Meme der aufgeklärten Rationalität zu erzeugen gegenüber den Memen Placebo-basierter Glaubenssysteme. Natürlich gibt es auch harmlose Placebo-Effekte, und es wäre illusorisch und in einer pluralistischen Gesellschaft gar nicht erstrebenswert, auch alle harmlosen Placebo-Effekte verbannen zu wollen. Nötig ist aber eine kontinuierliche Wachsamkeit gegenüber der ständig latenten Möglichkeit irrationalistischer oder gar totalitaristischer Ausartungen. Und weil dies so ist, werden wir auch nie in eine endgültig aufgeklärte oder gar post-aufgeklärte Epoche eintreten, sondern Aufklärung wird eine fortlaufende Aufgabe des Menschengeschlechts bleiben.

Die Rolle des Placebo-Effektes in der kognitiven Evolution

Die Bedeutung des Placebo-Effektes in der evolutionären Selektion von Überzeugungssystemen zeigt sich aber nicht erst bei religiösen Glaubenssystemen, sondern auch schon im Bereich der Evolution der theoretischen Rationalität, oder in anderen Worten, der kognitiven Evolution. Hier ist in den letzten zwei Jahrzehnten ein neuer Ansatz entstanden, der sich evolutionary psychology nennt. Ganz anders als in der älteren evolutionären Erkenntnistheorie geht es in dieser jüngeren Strömung weniger um die evolutionäre Erklärung der Rationalität menschlicher Erkenntnis als im Gegenteil um die evolutionäre Erklärung ihrer Mängel. In den letzten Jahrzehnten hat die kognitive Psychologie nämlich eine solche Unmenge an Schwächen des menschlichen Verstandesvermögens herausgefunden, dass viele Psychologen zumindest zwischenzeitlich dazu tendierten, den Menschen als ein im Grunde kognitiv irrationales Wesen anzusehen. Piatelli-Palmarini fasst diese kognitiven Unzulänglichkeiten in sieben Gruppen zusammen, von denen zumindest drei, wie ich meine, Folgen der - vermutlich schon genetischen - Selektion von Placebo-Effekten sind.

Ein erster kognitiver Placebo-Effekt ist die sogenannte overconfidence. Damit ist gemeint, dass Versuchspersonen durch die Bank ihre eigene Urteilsreliabilität wesentlich höher einschätzen, als es diese wirklich ist. Natürlich hat ein übertriebenes Selbstvertrauen auch Nachteile in Form von suboptimalen Prognosen der eigenen Fehlerrate,     aber solange diese Übertreibung moderat bleibt, kann dieser Nachteil durch den Vorteil der sozialen Attraktivität von selbstbewusstem Auftreten und dem dadurch geschaffenen Surplus von sozialer Unterstützung durchaus aufgewogen und daher evolutionär selektiert werden.

Mit dem hindsight bias ist die Tatsache gemeint, dass Versuchspersonen nachträglich meinen, ein Geschehen mit ihnen bekanntem Ausgang hätte so kommen müssen bzw. könne von ihnen erklärt werden, obwohl der Ausgang des Geschehens tatsächlich durch Zufallsvariation festgelegt wurde. Der hindsight bias ist also ein Placebo-Effekt des     überschätzten Voraussage- und Erklärungsvermögens, der auf derselben Linie liegt wie der Placebo-Effekt der overconfidence. Der dritte Placebo-Effekte ist die übertriebene Selbsteinschätzung im sozialen Urteilsvermögen: auch hier stellt sich ein durchgängiger egozentrischer bias heraus, auch self-righteous bias genannt. So tendieren Versuchspersonen durch die Bank dazu, ihre   eigenen Leistungen und Güteransprüche     überzubewerten, und die der anderen unterzubewerten. Dieser egozentrische Bias ist den Versuchspersonen nicht bewusst, sie streiten ihn hartnäckig ab, was einige Psychologen zu der Vermutung veranlasste, dass die Evolution der Fähigkeit zur Fremdtäuschung mit der Evolution der Fähigkeit zur Selbsttäuschung koevolvierte, insofern eine Selbsttäuschung über den eigenen Egozentrismus ein glaubwürdigeres Auftreten bei Fremdtäuschungen ermöglicht.  

Alle diese Phänomene stehen im Gegensatz zur Kernthese der Aufklärung, und dennoch haben sie aus der Sicht der modernen Evolutionstheorie sehr plausible Erklärungen. Der Gegensatz zwischen der modernen evolutionären Kognitionswissenschaft und der älteren evolutionären Erkenntnistheorie spiegelt in gewisser Weise die generelle Wandlung im Verständnis der Evolutionstheorie wieder. Die evolutionäre Erkenntnistheorie trug noch normativ-idealistische Züge, insofern dieser Ansatz die aufklärerische Kernthese voraussetzte, d.h. einen durchgängigen Zusammenhang von evolutionärem Selektionserfolg und Wahrheitsnähe annahm: eine genetische Disposition für die Suche nach Wahrheit an sich müsste, wie es z.B. David Papineau unlängst formulierte, hohe Selektionschancen haben. Doch aus der Sicht der modernen Evolutionstheorie besteht kein automatischer Zusammenhang von evolutionärem Erfolg und Wahrheitsnähe. Wie es Ghiselin einmal formulierte: die Evolution kümmert sich kein Jota um Wahrheit an sich, solange Ignoranz die Fortpflanzungschancen erhöht.

Das kognitive Unbewusste

Placebo-Effekte sind keineswegs der einzige Punkt, in dem idealistische Vernunftkonzeptionen durch naturalistisch-evolutionstheoretische Modelle menschlicher Kognition korrigiert werden. Der erste gravierende Unterschied besteht in der Rolle des Bewusstseins. Während bei Descartes und den meisten Aufklärungsphilosophen das menschliche Erkenntnisvermögen mit einer Fähigkeit des reflexiven Bewusstseins identifiziert wurde, laufen aus kognitionswissenschaftlicher Sicht die meisten kognitiven Prozesse unbewusst ab, und das Wissen, das unser reflexives Bewusstsein von ihrer Funktionsweise hat, ist sehr bescheiden. Es gibt also ein kognitives Unbewusstes, und dieses kognitive Unbewusste ist weitaus umfangreicher als das kognitive Bewusste, und vermutlich auch als das emotive Unbewusste, das Sigmund Freud entdeckt hatte. Wohlbekannt ist beispielsweise, dass alle Prozesse unserer visuellen Wahrnehmungsverarbeitung unbewusst verlaufen und nur ihr Ergebnis in unser Bewusstsein senden. Unbewusst sind auch alle Suchprozesse unseres repräsentationalen Gedächtnisses. Die Prozesse der Erinnerungssuche werden in der Künstlichen Intelligenz-Forschung information retrieval genannt, und das menschliche information retrieval ist    enorm effektiv, ohne dass unser Bewusstsein die leiseste Ahnung davon hat, wie dieser Erinnerungs-Suchprozess eigentlich vor sich geht - nur sein Ergebnis wird ins Bewusstsein gesandt: es ‚fällt’ uns ein. Neben dem repräsentationalen Gedächtnis, dessen Inhalte ins Bewusstsein gerufen werden können, wenngleich der Suchprozess unbewusst ist, gibt es aber auch noch das sogenannte prozedurale Gedächtnis, das aus kognitiven Fertigkeiten besteht, die durch Übung erlernt wurden, ohne dass diese als solche jemals bewusst werden, was durch Experimente mit gehirngeschädigten Personen eindrucksvoll belegt wurde. 

Sogar wesentliche Anteile des intuitiven menschlichen Schließens laufen unbewusst ab. Seit Jahrzehnten haben kognitionspsychologische Experimente immer wieder festgestellt, dass die Mechanismen des intuitiven Schließens von den Regeln des korrekten Schließens markant abweichen und zu intuitiven Fehlschlüssen führen. Daniel Kahneman hat für seine Untersuchungen zu probabilistischen Fehlschlüssen unlängst sogar den Nobelpreis erhalten. Mir geht es im folgenden um logische Fehlschlüsse. Betrachten Sie die beiden folgenden Denkaufgaben: bei der ersten handelt es sich um den berühmten auf Wason zurückgehenden Kartentest und bei der zweiten um den späteren auf Griggs/Cox  und Cosmides zurückgehenden Betrugsaufdeckungstest:

 Modus Tollens-Schlüsse aus der Sicht der kognitiven Evolution

 

Experiment 1 (Kartentest, Wason 1966):

Gegeben eine Schachtel mit Karten. Auf der Vorderseite dieser Karten befindet sich ein Buchstabe. Auf der Rückseite eine Ziffer. Es soll die folgende Regel erfüllt sein:

 Wenn auf der Vorderseite ein A steht, dann steht auf der Rückseite eine 1.

 Ihnen werden nun vier Karten aufgelegt - zwei mit der Vorderseite und zwei mit der Rückseite nach oben. Die Frage an Sie lautet:

 Welche dieser vier Karten müssen Sie umdrehen, um zu prüfen, ob die Regel für diese Karten tatsächlich zutrifft?

       

      

Experiment 2 (Betrugsaufdeckungstest,   Griggs und Cox 1982):  

Gegeben ein Jugendlokal. Es gibt Bier und Cola. Es soll folgende Regel gelten:

 Wer Alkohol trinkt, muss mindestens 16 Jahre alt sein.

 An einem Tisch sitzen 4 Jugendliche. Von zweien (Berta, Klaus) kennen Sie nur das Getränk, aber nicht das Alter, von den zwei anderen (Lisa, Martin) nur das Alter, aber nicht das Getränk. Die Frage an Sie lautet:

 Wen müssen sie überprüfen, um festzustellen, ob er die Regel gebrochen hat?

     Berta (Bier)                Klaus (Cola)  

     Lisa (18 Jahre)           Martin (14 Jahre)

Das verblüffende Ergebnis des ersten Experiments war: nur wenige Versuchspersonen erkennen, dass neben der ersten auch die vierte Karte umgedreht werden muss, um die Regel zu überprüfen. Das Drehen der ersten Karte entspricht dem gültigen Schluss des Modus Ponens, den jeder beherrscht, das Drehen der vierten Karte entspricht dem ebenso gültigen Schluss des Modus Tollens, den die meisten Versuchspersonen nicht beherrschen; Drehen der zweiten und dritten Karte entspricht dagegen jeweils ungültigen Schlüssen, nach denen Versuchspersonen ebenfalls und mit teilweise größerer Häufigkeit schließen als mit der gültigen Regel des Modus Tollens (A: 100%, B: 5%, 1: 10%, 2: 5%).

 Der zweite Experimenttyp hat ein fast noch verblüffenderes Resultat zutage gefördert. Obwohl die zweite Aufgabenstellung sich in ihrer logischen Struktur mit der ersten völlig deckt, beherrschen die Versuchspersonen die zweite Denkaufgabe perfekt, d.h. alle überprüfen korrekt die erste und vierte Person, gemäß Modus Ponens und Modus Tollens, und niemand begeht den Fehlschluss, die zweite und dritte Person überprüfen zu wollen (Berta: 100%, Klaus: 0%, Lisa: 0%, Martin: 100%).

Wie geht das zu? Offenbar gehen Menschen in ihrem intuitiven Schließen nicht von allgemeinen logischen Prinzipien aus, denn dann müssten beide Aufgaben gleich gut bzw. gleich schlecht beherrscht werden. Cosmides hat aus ihren Befunden vielmehr geschlossen, dass Menschen über einen bereichsspezifischen Modul der Aufdeckung von sozialen Betrügern, der cheating detection, verfügen, welcher im Verlauf der menschlichen Evolution selektiert wurde, weil er für die Etablierung und Einhaltung von Regeln der sozialen Kooperation eine besonders wichtige Rolle gespielt hat. In der Tat hat man in Anschluss an Axelrod eine Reihe von evolutionären Szenarios ausfindig gemacht, in denen soziale Kooperation auch ohne vernunftidealistische Präsuppositionen zu entstehen vermag. Allerdings sind diese Szenarios sehr anfällig gegenüber sozialen Betrugsmechanismen verschiedenster Art, die soziale Kooperation schnell und flächendeckend zusammenbrechen lassen können, und eben deshalb ist der Evolution von Mechanismen der Aufdeckung von sozialen Regelbrechern so große Bedeutung zuzumessen.

 Die Menschen haben also eine hochspezialisierte Fähigkeit, durch Modus Tollens Schlüsse die Einhaltung sozialer Regeln zu überwachen, ohne dass sie die allgemeinen logischen Prinzipien, die dahinter liegen, durchschauen oder generell anwenden könnten. Warum hat sich aber in anderen Bereichen, z.B. im Bereich der Voraussage natürlicher Phänomene, nicht ebenfalls die Fähigkeit zum Modus Tollens Schließen herausgebildet? Bei fast allen Gesetzmäßigkeiten in der Umgebung lebender Systeme handelt es sich nicht um strikte, sondern um unsichere und ausnahmenbehaftete Wenn-dann-Beziehungen. Während es bei der Aufdeckung von Betrügern um das normative Ziel geht, die Einhaltungsquote von sozialen Regeln auf möglichst 100% hinaufzutreiben, wozu uneingeschränkte Modus Tollens Schlüsse nötig sind, muss bei der Prognose natürlicher Phänomene der Möglichkeit von Ausnahmen Rechnung getragen werden. Nun gelten aber für unsichere Konditionale nicht dieselben logischen Regeln wie für strikte Konditionale. Während Modus Ponens Schlüsse für unsichere Konditionale uneingeschränkt rational sind im Sinne einer hohen Trefferwahrscheinlichkeit, sind Modus Tollens Schlüsse nur unter probabilistischen Zusatzbedingungen an die involvierten Prädikate rational, und durch Experimente kann man zeigen, dass die Häufigkeit von Modus Tollens Schlüssen unter solchen Zusatzbedingungen steigt.

 Die evolutionäre Architektonik der Kognition

 In ähnlicher Weise hat man herausgefunden, dass die intuitive menschliche Kognition aus einer Reihe solcher bereichsspezifischer Module besteht. Bekanntermaßen gibt es einen Spracherwerbsmodul, sowie einen euklidischen Raum- und Bewegungsmodul. Weiter gibt einen Kausalitätsmodul für unbelebte Objekte und einen Intentionalitätsmodul für belebte Objekte, die beide bereits bei Babies experimentell festgestellt werden konnten, sowie einen theory-of-mind Modul, der sich ab 4 Jahren herausbildet und der Menschen in die Lage versetzt, sich ein Bild über Glaubenszustand und Intentionen anderer Personen zu machen. Diese Module beruhen auf zumindest teilweise bewusst repräsentierten Modellbildungen, die auf einen spezifischen Anwendungsbereich eingeschränkt sind, und auf diesen Bereich beschränkte Schluss- bzw. Berechungsprozeduren durchführen, aber wenn sie auf andere Bereiche ausgedehnt werden, gar keine oder fehlerhafte Resultate liefern.

 Der modularity approach der evolutionary psychology scheint im Gegensatz zu stehen zu dem älteren Modell des induktiven Konditionierungslernens, welches gerade nicht als ein bereichsspezifischer, sondern als universaler Lernmechanismus nachgewiesen wurde, der bei allen Wirbeltieren bis hin zum Menschen im Prinzip gleich funktioniert. Dieser Gegensatz ist jedoch nur scheinbar. Bei den Modulen der evolutionary psychology handelt es sich um spezifisch menschliche Kognitionsmodule, die bei nichtmenschlichen Säugetieren weitgehend fehlen (ob sie bei Primaten rudimentär vorhanden sind, ist kontrovers). Papineau hat die plausible These aufgestellt, dass die durch induktive Konditionierung erworbenen Wenn-Dann-Beziehungen durch neuronale Verknüpfungen zwar realisiert, aber nicht repräsentiert sind, weshalb sie keinen Schlussprozeduren zugänglich sind. Ein Beispiel: der Affe, der gelernt hat, beim Anblick eines früchtetragenden Baumes diesen zu schütteln, um zur Frucht zu gelangen, und beim Anblick eines Bären einen Gegenstand am Boden aufzuheben, um ihn nach dem Bären zu werfen, hat deshalb noch keineswegs gelernt hat, beim Anblick eines Bären in der Nähe eines fruchttragenden Baumes den Baum zu schütteln, um mit der heruntergefallenen Frucht nach dem Bären zu werfen. Für derartige Schlüsse benötigt unsere Kognition explizit repräsentierte Modelle, welche uns das Schließen in einem bestimmten Bereich ermöglichen. 

 Die intuitive menschliche Kognition besteht also einesteils aus völlig unbewusst ablaufenden Prozesse, die nur ihr Resultat ins Bewusstsein senden, und anderenteils aus bereichsspezifischen Modulen, die zwar bewusst repräsentiert sind, deren komputationelle Mechanismen uns aber nicht bewusst sind. Worin besteht dann überhaupt die Rolle des Bewusstseins in der menschlichen Kognition? Darüber besteht kein Konsens. Eine extreme Auffassung, der sogenannte Epiphänomenalismus, behauptet, dass dem Bewusstsein eigentlich nur die Rolle eines nachträglichen zusammenfassenden Berichterstatters über unsere unbewussten geistigen Prozesse zukommt, aber nicht die Rolle des kausalen Auslösers. Diese Auffassung wurde durch ein von Libert ersonnenes Experimente gestützt, welches zeigt, dass die EEG-Aktivitäten im Gehirn, die eine spontane Willenshandlung wie das Heben eines Armes einleiten, bereits eine halbe Sekunde vor dem Zeitpunkt stattfinden, zu dem die Versuchsperson den bewussten Entschluss zum Heben des Arms gefasst hat. Die epiphänomenalistische Bewusstseinsauffassung, die natürlich in krassem Gegensatz zur aufklärungsphilosophischen Konzeptionen steht, hat viel Furore gemacht. Doch auf den Bereich der Kognition angewendet scheint sie mir übertrieben zu sein. Es ist zwar empirisch unbezweifelbar, dass der bewusste menschliche Verstand nur einen Bruchteil der unbewussten menschlichen Kognitionsprozesse ausmacht und dass ihm auch die Rolle eines zusammenfassenden Berichterstatters zukommt. Aber darüber hinaus leistet der bewusste menschliche Verstand eine nachträgliche systematische Vernetzung und Überprüfung unserer Denkinhalte, und diese bewusst-systematische Verstandestätigkeit kann durch Übung und Bildung enorm gesteigert werden. Nun ist dieser bewusste Verstandes- bzw. Vernunftanteil bezüglich seiner Rechengeschwindigkeit zwar um Zehnerpotenzen langsamer als die zuvor erläuterten unbewussten kognitiven Prozesse und bereichsspezifischen Module. Die letzteren deshalb so effektiv, weil sie großteils als neuronale Parallelprozesse ablaufen, worin viele Neuronengruppen simultan bestimmte Teilaufgaben abarbeiten. Bewusste Denkprozesse laufen dagegen seriell ab, was sich darin zeigt, dass wir immer nur einen Gedanken nach dem anderen denken können. Wenn wir praktische Entscheidungen treffen, beispielsweise ob wir noch schnell über die Kreuzung laufen sollen oder nicht, dann schätzen wir die darin involvieren Wahrscheinlichkeiten und Nutzenwerte intuitiv innerhalb eines Bruchteils einer Sekunde ab, während, wenn wir eine solche Abschätzung streng entscheidungstheoretisch vornehmen, wir Stunden bis Tage brauchen würden. Diese enorm schnellen, aber zugleich stark mängelbehafteten intuitiven Kognitionsmechanismen werden in der künstlichen Intelligenzforschung auch quick-and-dirty Systeme genannt, und ihre enorme Schnelligkeit im Vergleich zum bewussten Verstand ist natürlich der Grund, warum sie evolutionstheoretisch unverzichtbar sind.

 Und dennoch hat dieser viel langsamere bewusste logische Verstand im Laufe der kulturellen Evolution bewiesen, dass er - wenn man ihm genügend Zeit lässt, in einem gefahrenfreien Raum seinen Aktivitäten nachzugehen - zu viel größeren kognitiven Leistungen imstande ist als alle kognitiven quick-and-dirty Systeme zusammengenommen. Nur durch die institutionelle Etablierung eines von unmittelbaren praktischen Zwängen abgeschotteten Forschungs- und Bildungsbereiches konnte sich dieser bewusste Verstand in unserer wissenschaftlich-technischen Zivilisation in derartig überlegener Weise entwickeln. Unsere theoretische Vernunft konnte von Euklid bis Michelangelo die euklidische Geometrie und perspektivische Projektion so vollständig darstellen, dass damit alle Täuschungen unserer Wahrnehmungsmodule aufklärbar sind; sie konnte von Aristoteles bis Boole und Frege das System logischen und probabilistischen Schließens so vollständig darstellen, dass damit alle intuitiven Schlussfehler aufklärbar sind. Sie konnte aber noch viel mehr, nämlich durch abstrakt-mathematisches Denken, das alle Anschaulichkeit übersteigt, mit Einstein in die Gesetze des unvorstellbar Großen, mit Bohr und Schrödinger in die Gesetze des unvorstellbar Kleinen eindringen, mit Darwin die Grenze zwischen dem Nichtlebenden und dem Lebenden übersteigen und mit Informatik und Computertechnologie schließlich die Grenze zwischen Natur und Geist. Unsere theoretische Vernunft konnte in all diesen Bereichen übergeordnete Theorien entwickeln, aus denen völlig neuartige empirische Phänomene folgen, die wir in unserer natürlichen Wahrnehmung gar nicht antreffen, die induktives Lernen uns nie bescheren könnte, und die mächtigen und zugleich gefährlichen Technologien Raum gegeben haben, welche unsere Welt in atemberaubendem Tempo zu verändern im Begriffe sind.

 Ausgewählte Literatur zum Thema:

Verallgemeinerte Evolutionstheorie:

Locus classicus ist das Kap. 11 in Dawkins, R., Das egoistische Gen (2. Aufl. 1998, rororo; englische Erstauflage 1976). Ebenfalls empfehlenswert: Millikan, R. G. (1984), Language, Thought, and Other Biological Categories (MIT Press) sowie Boyd, R. and Richerson, P. J. (1985), Culture and the Evolutionary Process (Univ. of Chicago Press, Chicago). Ferner: Blackmore, S. (2000): The Meme Machine (Oxford Paperbacks), sowie: Journal of Memetics (http://jom-emit.cfpm.org). Aus eigener Feder: “What Is ‘Normal’? An Evolution-Theoretic Foundation (...)“ in Philosophy of Science  28, 2001, 476-97.

Evolutionäre Erkennistheorie (EE): 

Neben K. Lorenz („Die angeborenen Formen möglicher Erfahrung“, 1943) zählt Campbell, D. T. („Evolutionary Epistemology“, 1974) zum locus classicus, abgedruckt in P. Schlipp (Hg.), The Philosophy of Karl Popper (Open Court). Campel legt frühe Bausteine einer verallgemeinerten Evolutionstheorie, während G. Vollmer (z.B. 2002, Evolutionäre Erkenntnistheorie, Hirzel) die EE auf die biologisch-genetische Ebene beschränkt. Ebenfalls empfehlenswert: Papineau, D., “The Evolution of Knowledge”, in Carruthers/Chamberlain (2000, s. unten), sowie Heyes, C. und Hull, D.L. (2001, Hg.), Selection Theory and Social Construction (SUNY Press).

Kognitionswissenschaft: 

Zur Psychologie logischen Schließens s. Evans, J. St. (1982), The Psychology of Deductive Reasoning, (Routledge & Kegan Paul). Piatelli-Palmarini, M. liefert in Die Illusion zu wissen (1997, Rowohlt) eine Zusammenfassung kognitiver Täuschungen. Der Synthese-Band Non-monotonic and Uncertain Reasoning in Cognition (Ende 2003, Hg. Schurz, G. und Leitgeb, H.) informiert über unsicheres Schließen. Zu Bewusstseinstheorien s. z.B. Block, N. et al. (Hg., 1997), The Nature of Consciousness (MIT Press). Zum Placebo-Effekt vgl. Harrington, A. et al. (Hg., 1997), The Placebo Effect (Harvard University Press) sowie Taylor, S. E. (1989): Positive Illusions (Basic Books, New York).

Evolutionäre Psychologie (EP): 

Standardwerke sind Barkow, J. et al. (Hg., 1992), The Adapted Mind (...) (Oxford Univ. Press); Crawford, C. und Krebs, D.L. (Hg., 1998), Handbook of Evolutionary Psychology (Lawrence Erlbaum Assoc.); sowie  Carruthers, P. und Chamberlain, A. (Hg., 2000), Evolution and the Human Mind (Cambr. Univ. Press). 

 Induktives Konditionierungslernen: 

S. z.B. Shanks, D. R. et al. (Hg., 1996). The Psychology of Learning and Motivation (Academic Press, San Diego). Kritische Vergleiche zur EP finden sich in Heyes, C. und Huber, L. (2000, Hg.): The Evolution of Cognition (MIT Press).

Evolution der sozialen Kooperation: 

Die Literatur hierzu ist immens; erwähnt sei nur Axelrod, R. (1984), Die Evolution der Kooperation (Oldenbourg), sowie das beeindruckende und Axelrod-kritische Werk von Binmore, K. (1998): Just Playing (MIT Press).

 

  - Eine Bilanz der Diskussion um eine "Evolutionäre Ethik", Veröffentlicht in: Philosophie naturalis, Bd. 33 1/1996, S. 119-141.

 

 

Autor

Gerhard Schurz ist Professor für Philosophie an der Universität Düsseldorf.