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FORSCHUNG

Brunner, Constantin und seine Spinozarezeption

Constantin Brunner und seine Spinozarezeption

Constantin Brunner (1862-1937) ist bislang sowohl als eigenständiger Philosoph wie als
Spinozainterpret in der akademischen Forschung weitgehend unbekannt geblieben. Dabei hat er eine eigenständige Philosophie entwickelt, die den Anspruch erhebt, wesentliche Fragen des menschlichen Denkens, Seins und Handelns erfasst und wenigstens in Teilen beantwortet zu haben. Mit seinen Spinozabezügen hat Brunner dabei eine neue eigentümliche Spinozarenaissance einzulei-ten versucht. Im Kreise seiner Schüler hatte er damit durchaus Erfolg, weniger jedoch in der allgemeinen Spinozadiskussion.
Nach dem Krieg sind Brunners Werke fast alle durch das Internationaal Constantin Brunner Instituut in Den Haag wieder zugänglich gemacht worden, bislang größtenteils ungedruckt bleibt der Briefwechsel mit 5000 erhaltenen Briefen.

Spinoza ist für Brunner der maßgebende Philosoph. Dessen Denken und Leben sind für ihn ein vollkommener Ausdruck der Wahrheit, deren philosophische Demonstration und praktische Realisierung Brunner im Sinn hat. Warum hat Brunner aber ein eigenes philosophisches System entwickelt, wenn Spinoza doch für ihn der Philosoph schlechthin ist?

Jürgen Stenzel untersucht dies in seiner Promotionsarbeit

Stenzel, Jürgen: Philosophie als Antimetaphysik. Zum Spinozabild Constantin Brunners. 522 S., kt., 2002, € 35.—, Königshausen und Neumann, Würzburg

Brunner hat kein konzentriertes Spinoza-Buch geschrieben, sondern in allen möglichen Zusammenhängen, an Hunderten von Stellen in seinen Werken auf Spinoza Bezug genommen, und zwar sowohl auf alle wichtigen Themen der Philosophie Spinozas als auch auf sein Leben und seine Wirkungsgeschichte. Spinoza wird aber vor allem zum Leitbild für ein ideales Leben, das Brunner aktiv umsetzen möchte.

Brunners Leben und Denken lässt sich in zwei große Perioden einteilen: eine frühe, die von einem zunächst orthodox-jüdischen, dann allgemein-religiösen Denken geprägt ist, eine spätere Periode der kontinuierlichen, einsiedlerischen Ausarbeitung eines philosophischen Systems. Der Schnittpunkt fällt in das Jahr 1895.

Geboren wurde Leo Wertheimer, der sich später Constantin Brunner nannte, 1862 in Altona. Er betätigte sich aktiv am jüdischen Gemeindeleben, er war Vorsänger und predigte auch. Doch plötzlich brach er mit sei-nen orthodoxen Überzeugungen und begann auf der Suche nach der besten Religion sich mehr und mehr mit rein philosophischen Themen zu beschäftigen. Ende der 80er Jah-re begann er mit einem intensiven Studium der Philosophie Spinozas. 1891 gründete Brunner in Hamburg ein „Literarisches Vermittlungsbüro“, aus dem die Literaturzeitschrift „Der Zuschauer“ hervorging. Hier benutzt er das Pseudonym Constantin Brunner, das er später als bürgerlichen Namen eintragen ließ. Nach 1895 löste Brunner seine Literaturzeitschrift auf, heiratete die geschiedene Rosalie Auerbach, übersiedelte mit ihr nach Berlin und lebte dort zurückgezogen im Kreise seiner Familie, um ein philosophische Werk vorzubereiten, das 1908 unter dem Titel „Die Lehre von den Geistigen und vom Volke“ erschien. Was er in diesem Buch in aller Breite ausführte, spitzte er 1909 in der Streitschrift Spinoza gegen Kant und die Sache der geistigen Wahrheit zu. Dabei handelt es sich um eine Werbeschrift für die Abkehr von Kant und die Rückkehr zu Spinoza. 1910 begeisterte sich Lou Andreas-Salomé für Brunner, besuchte ihn und wollte sich ganz in den Dienst seiner Lehre stellen. Von 1913 an wurde für Brunner der politische Kontext immer wichtig. Er arbeitete an einem Werk Der Judenhass und die Juden, das aber we-gen des Krieges erst 1918 erscheinen konnte. Dabei handelt es sich um eine Staatstheorie, deren zentraler Gedanke die politische Gleichberechtigung aller Bürger ist. 1921 er-schien ein weiteres großes Werk, Unser Christus oder das Wesen des Genies, in dem das Hauptanliegen in einer Illustration des geistigen Lebens unter dem Aspekt der „mystischen Liebe“ steht, die er mit religiösen und moralischen Denkweisen als „aber-gläubische Fehldeutungen“ konfrontiert.

Brunner vermied jede öffentliche Betätigung. Eine lebhafte Korrespondenz wurde Quelle enger Kontakte zu Freunden. Zu diesen zählten der Sozialist Gustav Landauer und der deutsche Außenminister Walter Rathenau, kurzfristig Lou Andreas-Salomé und Martin Buber. Durch eine ständig steigende Schülerschaft wuchs die Korrespondenz an. 1925 entstand in Berlin eine Constantin Brunner-Gesellschaft, und 1919 rief Friedrich Kettner im rumänischen Czernowitz ein an Brunner orientiertes „Ethisches Seminar“ ins Leben.

Brunners Anhänger sind hauptsächlich Juden, die ursprünglich zionistisch gesinnt wa-ren, sich aber durch Brunners Einfluss in den westlichen Kulturen zu assimilieren trachte-ten. Wirkmächtig war Brunners Lehre vor allem durch seine spinozistische Einheitslehre, für die sich gerade seine ostjüdischen Anhänger als besonders empfänglich erwiesen - manchmal bis hin zur Schwärmerei. Ende der zwanziger Jahre sammelten sich viele dieser Anhänger in Berlin. Brunner wandte sich ihnen persönlich zu, wenn sie ihn auf-suchten, war aber nicht bereit, vor ihnen Vorträge zu halten. Im letzten Jahrzehnt sei-nes Lebens beschäftigte er sich ausschließ-lich mit seiner Staats- und Gesellschaftsleh-re, und zwar immer unter dem Aspekt der „Judenfrage“, deren Lösung für Brunner vor dem Hintergrund des wachsenden Antisemi-tismus immer dringender wurde.
Brunner hatte einen zu Extremen neigenden Charakter und wurde dadurch zu einer unbe-quemen Persönlichkeit. Mit leidenschaftli-chem Temperament griff er die zeitgenössi-schen Autoritäten an, verblieb aber äußerlich scheu als Einsiedler in seiner Klause. Ein Lehramt strebte er nicht an. Die Weise der Darstellung, die Brunner bevorzugte, war selten sachlich und objektiv, sondern oft sehr subjektiv und polemisch. Er erklärte, nein, er beschwor in seinen Schriften immer wieder die Ergebnisse seines Denkens. Hinzu kam eine Neigung zum Polarisieren. Es ging ihm nicht um eine nüchterne Darstellung, er wollte seine Leser mit allen möglichen Mitteln in seine Gedankenwelt hineinziehen, d. h. er wollte eine wirkliche Lehre schaffen. Die einen Leser gaben sich überzeugt Brunner ganz hin, andere wandten sich enttäuscht von dieser Philosophie ab und sahen darin nur leeres Behaupten.

Eigentlich wollte Brunner nur ein Buch schreiben, „Die Lehre vom Geistigen und vom Volk“, in drei Bände gegliedert: praktischer Verstand, Geist, Aberglaube. Erschienen ist davon aber nur der erste Band.

Brunners Philosophie lässt sich übersichtlich darstellen als Lehre von den drei Fakultäten. Der praktische Verstand äußert sich als Fühlen, Wissen, Wollen. Der Geist äußert sich als Kunst, Philosophie, mystische Liebe und der Aberglauben äußert sich als Religion, Metaphysik und Moral. Der Geistige denkt den praktischen Verstand auf Grund des Geistes, das Volk denkt den praktischen Verstand auf dem Grunde des Aberglaubens.

Brunners Anliegen ist es, geistige Besinnung über das Absolute zu erlangen. Dies ist er-reicht, wenn das relative Denken des praktischen Verstandes sich auf dem Grunde des Wahrhaften, des Absoluten weiß. Diese Einsicht ist Brunners Ziel, denn ein philosophisches Denken des Seins, wie es „absolut wirklich“ ist, führt seiner Ansicht nach zu einem anderen praktischen Leben. Für Brunner sind hierbei nur zwei philosophische System wirklich hilfreich: das von Platon und das von Spinoza. Den Vorzug gibt er dem System Spinozas. Dieses ist noch geeigneter als Platons Ideenlehre, unser Wissen philosophisch zu modifizieren, das heißt die Relati-vität und Negativität unseres praktischen Bewusstseins zu durchschauen und die geistige Besinnung auf das Absolute zu fördern. Dabei greift aber Brunner nie auf Spinozas eigene Beweisstruktur zurück, er ignoriert sie und hält sich lediglich an Spinozas Gedan-kenwelt. Deren systematischen Zusammenhang interpretiert Brunner als logischen Zu-sammenhang und nennt ihn „mathematisch“. Spinoza, so schreibt er, betrachte die „ganze
Welt als ‚Folgt aus’, als mathematisches Verhältnis“. Diese innerliche Mathematik hat aber für Brunner nichts mit Spinozas Defini-tionen, Axiomen, Lehrsätzen und Beweisen zu tun. Er hält sich an das Wesentliche des Systems, an die „innerliche Mathematik der Gedanken“.

Obgleich aber Brunner meint, seine Philosophie stimme mit Spinozas Philosophie wesentlich überein, entwickelt er ein eigenes philosophisches System, das auf den ersten Blick nicht viel mit dem Spinozas gemeinsam zu haben scheint. Brunners Philosophie, so Stenzel, ist im Grunde keine Spinoza-Interpretation, sondern ein eigenes, originelles philosophisches System, das den An-spruch erhebt, in sich schlüssig zu sein. Brunner nennt Spinoza nur, weil er ihm viel verdankt und weil er in vielem zu denselben Ergebnissen gekommen zu sein glaubt wie dieser.

Für Brunner ist der Inhalt der Philosophie der Gedanke, dass das Sein einheitlich, d.h. „Eines“ ist. Es gibt neben dem Sein kein substantiell Anderes, d. h. nichts, was nicht dieses Sein ist. Alles ist in dieser Hinsicht identisch, das heißt alles ist Eines, Ein Sein. Natürlich ist dieses Eine Sein differenziert, da wir sonst nichts Unterschiedliches wahr-nehmen könnten. Diese Differenz ist aber nicht substantieller Art. Dieses Eine Sein, das Absolute, ist weder körperlich noch geistig, es ist merkmal- und zeitlos. Dem Abso-luten gegenüber steht das „Relative“ als die Welt der Dinge. Brunner fasst das Verhältnis der Dinge zueinander als einen unaufhörli-chen und unabänderlichen Bewegungszusammenhang auf. Bewegung und Kausalität sind identisch: die Dinge „kausieren“ einander und bilden damit die Welt des Vielen, in der wir einzig und allein leben. Das Absolute und die Relativität unserer Lebenswelt sind für Brunner aber dasselbe – auf zwei Weisen aufgefasst. Auch gibt es keine absoluten materiellen Dinge an sich, sondern Dinge sind immer nur Vorstellungen; sie spiegeln kein außerhalb des Bewusstseins vorhandenes materielles Sein wieder. Das heißt aber: Dinge sind „Gedachtes“; unsere ganze Welt, die körperliche wie die psychische, ist eine gedachte Welt und sonst gar nichts. Es ist Gedachtes eines „Denkenden“, des undinglichen Absoluten. Das Sein muss also als Denken betrachtet werden, das Denken und das Gedachte, also das Bewusstsein und die materiellen Dinge, sind als Eines aufzufas-sen. Wollen wir das Denkende richtig den-ken, so dürfen wir es nicht als Gedachtes denken, sondern müssen es als Denkendes ohne Gedanken denken. Brunners Denken mündet am Ende in die Mystik: „Die Mystik stimmt völlig überein mit dem Resultat der Philosophie.“ Da dem Denken das Primat zukommt, nennt Brunner seine Philosophie einen absoluten Idealismus.

Als Vertreter einer philosophia perennis geht Brunner davon aus, dass ein und derselbe Gedanke in ganz unterschiedlichen Formen ausgedrückt werden kann. Zum Beispiel hät-ten Moses, Christus und Spinoza dieselbe Wahrheit des Einen gelehrt, sie aber in je-weils anderen Formen dargestellt.

Zum wesentlichen Begriff wird für Brunner die Begierde. Sie ist kein Affekt, der sein oder nicht sein kann, sondern sie ist die per-manente Wirklichkeit in unserem Bewusst-sein. Auch lieben wir andere Menschen nicht um ihrer selbst, sondern um unserer selbst willen. Dies wird verdeckt durch geheuchelte Höflichkeit und Toleranz. Die Gesellschaft sieht Brunner als ein bewegtes Hin und Her von Interessen, die nie völlig zum Ausgleich kommen. Der Egoist muss sich abfinden mit der Existenz und Berechtigung anderer Menschen. Dies führt für Brunner zur Idee eines allgemeinen Rechts, einer Berücksichtigung der Berechtigung aller. Die durch staatlichen Zwang aufrecht gehaltene Friedensordnung sichert die Menschen voreinander in Bezug auf ihre Freiheit, ihre Selbstbestimmung, die Unverletzlichkeit ihrer Person, ihren Besitz und ihre Ehre. Die besten Aussichten dazu sieht er in einem parlamentarisch-demokratischen Rechtssystem.

Für Brunner sind aber nicht nur die Gedanken Spinozas relevant, sondern auch sein Leben. Spinoza ist jemand, der nicht nur die Wahrheit des geistigen Denkens erkannt hat und also zur geistigen Besinnung durchgedrungen ist, sondern der auch selbst ein geistig modifiziertes Leben geführt hat und zwar in einer so vorbildlichen Weise, dass er für Brunner zu einem Meilenstein in der abendländischen Geschichte wird, zum Leitbild für unser Denken und Leben. Brunner will Spinoza geistig-reproduktiv wiederbeleben und zwar durch ein schöpferisches inner-liches Nachdenken von seinen zentralen Ein-sichten, und er will sein Leben „von innen her“ erfassen.

Der Kreis von Anhängern Brunners ist in weiten Teilen zugleich ein Kreis von Spino-za-Anhängern. Dabei wurde Spinoza immer dem Brunnerschen Bilde entsprechend inter-pretiert. Zu einer Auseinandersetzung mit anderen Spinozadeutungen kam es im Brun-nerkreis so gut wie nie. Die Mitglieder versuchten vielmehr durch ihre Spinoza-Lektüre Brunner besser zu verstehen. Sie erlebten Spinoza als reales Phänomen des Geistigen, das ihnen zur Leitlinie ihres Lebens wurde.

Zu den Brunner-Jüngern gehörte Ernst Alt-kirch (der eigentlich Ernst Knopf hieß, sich aber nach seinem elsässischen Geburtsort Altkirch nannte). Er veröffentlichte, Brunner „in großer Liebe und Verehrung zugeeignet“, 1913 den Band „Spinoza im Porträt“ bei Diederich in Jena. Altkirch gehörte zu denen, die sich von Brunners Pathos begeistern lies-sen, da sie darin den Atem des geistigen Denkens spürten. Auch Gustav Landauer war erst begeistert von Brunners Lehre, zeigte sich dann aber doch bald reserviert: „Aber lästig ist mir oft der gewollte Abraham a Santa Clara-Ton dieser Standreden.“ Umgekehrt ist Brunner verärgert über die Ver-stümmelung seines Briefwechsels mit Landauer in Bubers Edition der Landauerbriefe. Unter den akademischen Philosophen nahm einzig Rudolf Eisler Brunner ernst, der in seinem Philosophen-Lexikon aus dem Jahr 1912 Brunner einen überraschend großen Platz einräumt. Auch der in Paris lebende Zionist Max Nordau kann zu den frühen Be-wunderern Brunners gezählt werden.

Eine zentrale Rolle in der Wirkungsgeschichte Brunners spielt Friedrich Kettner, ein Wiener Lehrer. Angeregt durch „Spinoza gegen Kant“ reiste Kettner nach Potsdam, wo Brunner damals wohnte. Dieser las ihm aus dem Manuskript seines Judenbuches vor, und Kettner reagierte begeistert: er küsste Brunner wiederholt die Hände. Kettner gründete nun in Czernowitz unabhängig von Schule oder Universität ein „Ethisches Seminar“, in dem er vor einem Kreis junger Männer Vorträge hielt. Die Themen waren Brunner, Spinoza, Platon und die Bibel. Kettner versuchte Brunners Ideal einer Gemeinschaft geistiger Spinozisten praktisch zu etablieren. Er ging aber noch weiter und gründete eine „Biosophie“ genannte, auf Brunner und Spinoza fußende neue Lehre. Dabei handelt es sich um ein praktisches Vorgehen, durch das Brunners Lehre nach-haltig in die Lebenspraxis umgesetzt werden sollte. Brunner reagierte aber auf Kettners Vorstellungen entsetzt. Als eine Schülerin Kettners schwanger wurde und sich um-brachte, fiel auf Kettner der Verdacht, er ha-be sie verführt. Es kam zum Eklat, die Schü-ler verließen ihn, und Kettner zog sich auf die Position des verkannten Genies zurück. Allerdings hielten die Kettner-Schüler weiterhin untereinander Kontakt, sie trafen sich immer wieder, um gemeinsam zu studieren. Selbst als es die zumeist jüdischen Schüler in die ganze Welt verschlug, bildeten sie an vielen Orten Studiengruppen und diskutierten über die Philosophie Brunners - oftmals auch schriftlich. Der größte Teil dieser Korres-pondenz ist zwar verlorengegangen, doch an die tausend solcher Briefe sind erhalten geblieben.

Zugleich entstand eine Brunner-Sekundärliteratur – Versuche, durch Schreiben Teile der Philosophie Brunners (und Spinozas) besser zu verstehen. Dabei ging es den „Brunnerianern“ immer um ein Weiterkom-men auf ihrem Weg zur „geistigen Besinnung“, nicht um Beiträge zur Erforschung der Philosophie Brunners. In Wien etablierte sich bereits 1921, zuerst als Filiale des „Ethischen Seminars“, eine „Platonica“. 1925 gründeten Berliner Juden offiziell eine „Constantin Brunner-Gemeinschaft“.

Zu einem Streit über Brunner kam es 1924 in der Kant-Gesellschaft. Diese wollte Brunner zu einem Vortrag einladen. Ein Mitglied wehrte sich aber dagegen: „Ein echter Kantianer wird eher zu einem Strick greifen als zu einem Buch von Constantin Brunner.“ Dennoch waren die Kant-Studien in den fol-genden Jahren das einzige akademische Or-gan, das von Brunner Notiz nahm und zwei Arbeiten über ihn veröffentlichte.

Brunner starb 1937 an den Folgen einer Herzerkrankung. Nach der Machtübernahme durch Hitler musste die Brunner-Gemeinschaft in Berlin ihre Arbeit einstellen. Nur in Rumänien konnte sich ein Brunner-Kreis noch eine Weile halten. Nach dem Ende des Krieges lebte aber durch Korrespondenzen und Besuche ein internationaler Brunner-Kreis wieder auf, mit Ausnahme von –Deutschland. Erst 1968 entstand in Hamburg eine von dem Literaturwissenschaftler Heinz Stolte geleitete Constantin-Brunner-Stiftung, die – ohne Erfolg – Brunner wieder bekannt zu machen versuchte.

Die lebendigste Brunner-Gruppe fand sich in Tel Aviv. Aus ihr ging „Constantin Brunner Gemeinschaft“ hervor, die dann zum Haager Brunner-Institut führte. 1946 wurde die Zeit-schrift „Die Constantin Brunner Gemein-schaft“ gegründet, in der die Brunnerianer ihre Arbeiten publizierten. Allerdings kam es bald zur Spaltung der Gesellschaft; eine Ge-genpartei gab die Zeitschrift „Der Constantin Brunner Gedanke“ (1955-56) heraus. Die „orthodoxe“ Gruppe existierte bis Anfang der 90er Jahre und war recht aktiv. Auch in Zürich bestand um Bruno Schmergel ein kleiner Brunner-Kreis, der 1963 an der Gründung der Spinoza-Gesellschaft beteiligt war.

Die Schriften von Constantin Brunner wer-den vom „Stichting International Constantin Brunner Instituut“ betreut und vom Verlag Die Blaue Eule (Annastr. 74, D-45130 Es-sen, www.die-blaue-eule.de) ausgeliefert. Dort ist auch ein Prospekt mit den Schriften von und über Brunner erhältlich. In Brunner Denken ist auch eine gute Einführung er-schienen: Matthes, Hendrik: Constantin Brunner. 140 S., kt., € 14.80, Parerga, Ber-lin.