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Philosophia naturalis | ||||||||||||||||||||||
Philosophia naturalis 1/2007
2/2007
Der wissenschaftliche Realist vertraut nicht nur auf die Ontologie der besten Theorien, er verlässt sich auf etwas, das man Typologie der Theorien nennen kann: Wissenschaftliche Theorien nehmen sich nicht nur Gegenständen, sondern auch Typen, Eigenschaften und Zuständen dieser Gegenstände an. Zur Theorie der Elektrizität gehören nicht nur die Annahme von Elektronen, sondern auch die der elektrischen Ladungen, die sie besitzen können, und der Feldstärken, unter deren Einfluss sie gelangen können. Ralf Busse (Regensburg) spricht hier von fundamentalen Größen und suggeriert damit, dass es eine Ebene der Realität gibt, deren Gegenstände durch gewisse Größen charakterisiert sind, aus denen sich alle anderen Bestimmungen von Dingen ergeben. Eine naturphilosophisch orientierte Metaphysik hat sich für Busse um solches Konzept fundamentaler physikalischer Größen zu bemühen, das sie den Interpretationen einzelner physikalischer Theorien zur Verfügung stellen kann. Er behauptet zudem, eine solche Metaphysik könne in Anlehnung an die Metaphysik von David Lewis entwickelt werden. Dabei sollte allerdings u. a. der Ansatz von Lewis, demzufolge Eigenschaften Klassen möglicher Individuen sind, durch eine nominalistische Konzeption primitiv-natürlicher Eigenschaften ergänzt werden. Peter Schulte (Bielefeld) untersucht den Universalienrealismus und zeigt, dass dieser nicht dem sog. „Bradley-Regress“ zum Opfer fällt, dass er aber dazu führt, dass einige Argumente zugunsten dieses Realismus aufgegeben werden müssen.
2/2008
Wenn wir potentielle Erklärungen miteinander vergleichen müssen, um uns für eine bestimmte Hypothese zu entscheiden, spielt die Erklärungsstärke bzw. Erklärungstiefe der Hypothesen eine wichtige Rolle – ein Thema, das in der Wissenschaftstheorie selten aufgegriffen wurde. Das Erklärungsschema der strikten Empiristen besagt, dass das Erklären eines Ereignisses E darin besteht aufzuzeigen, wie E aufgrund bestimmter empirischer Naturgesetze und einiger vorliegender Randbedingungen zu erwarten war bzw. sich deduktiv ableiten lässt (DN-Schema). Der Leipziger Wissenschaftstheoretiker Thomas Bartelborth zeigt, dass es mit dieser Konzeption nicht gelingen kann, das wissenschaftliche Erklären korrekt zu rekonstruieren. Ein Erklären ist immer ein Hervorheben von bestimmten Aspekten einer Situation als Ursachen und die Angabe eines (kausalen) stabilen Musters, das einen Zusammenhang der Ursachen zur Wirkung aufzeigt. Aber nicht nur dass: Wir müssen vom DN-Schema auch insofern abrücken, als wir keine strikten Naturgesetze verlangen können, sondern höchstens Generalisierungen mit einer bestimmten Stabilität, die Bartelborth „nomische Muster“ nennt.
Rolf Busse (Philosophisches Seminar der Universität Regensburg) untersucht die Frage, ob es fundamentale physikalische Eigenschaften gibt. Gibt es eine letzte Ebene der physikalischen Beschreibung der Welt, auf die sich alle anderen physikalischen und ebenso alle weiteren Phänomene zurückführen lassen? D.M. Armstrong und D. Lewis haben herausgearbeitet, dass unter den Eigenschaften einige objektiv ausgezeichnet sind, Busse nennt sie fundamentale bzw. perfekte Eigenschaften. Zu denken ist dabei etwa an die elektrische Elementarladung. Busse vertritt eine nominalistische Position hinsichtlich solcher perfekter Eigenschaften. Das bedeutet, dass er auf universelle qualitative Entitäten, die identisch an oder in vielen Einzeldingen vorkommen können, verzichtet. Bei der Auszeichnung natürlicher Bestimmungen nimmt er nur die Existenz der Eigenschaften selbst an. Seine „Ähnlichkeitsnominalismus“ genannte Theorie verteidigt er gegen Armstrongs Supervenienzargument und gegen G. Rodriguez-Percyras Argument wider ein irreduzibel plurales Ähnlichkeitsprädikat.
Hermann von Helmholtz hat wie kein zweiter zu der heute gängigen Meinung beigetragen, nach der Einführung der nicht-euklidischen Geometrien sei Kants Auffassung des Raumes als „eine a priori gegebene Form aller äußerer Anschauung“ völlig unhaltbar geworden. Denn Kant habe versucht, „die geometrischen Axiome als a priori durch transzendentale Anschauung gegebene Sätze zu betrachten“. Da aber außer dem euklidischen auch Räume anderer Art möglich sind, ist damit auch widerlegt, dass „die Axiome der Geometrie nothwendige Folgen einer a priori gegebenen transzendentalen Form unserer Anschauungen im Kant’schen Sinne seien“ (so Helmholtz). Marco Giovanelli zeigt, dass das Problem Kants, als er den Raum als „Anschauung“ und nicht als „Begriff“ definierte, nicht darin bestand, die Axiome der euklidischen Geometrie a priori „anschauen“ zu lassen, sondern vielmehr festzustellen, dass die „Kongruenz“ geometrischer Figuren nicht auf die logische „Identität“ von Begriffen zurückgeführt werden kann.
Die „Anschauung“ ist die unmittelbare Vorstellung eines einzelnen Objekts, während der Begriff die mittelbare Vorstellung mehrerer Objekte durch Merkmale ist, die diesen Objekten gemeinsam sind. Zwei kongruente Körper (etwa die linke und die rechte Hand) können völlig gleich sein. Einer ist vom anderen nicht zu unterscheiden, „wenn er allein und zugleich vollständig beschrieben wird“; sie sind erst verschieden, wenn man ihre wechselseitigen Verhältnisse im Raum betrachtet. Während sich Begriffe hierarchisch nach Art und Gattungen strukturieren, sind alle Teile des Raumes vollkommen gleichberechtigt. Wenn, so das von Giovanelli Kant unterstellte Argument, die Teile des Raumes nicht gleichberechtigt wären, der Raum also keine „reine Anschauung“ wäre, wäre die Geometrie unmöglich. Die Geometrie ist aber ein Faktum. Anders als für die Metaphysik lässt sich für die Geometrie ein Buch aufzeigen, nämlich die Elemente von Euklid, in dem sie in ihrer wissenschaftlichen Form dargestellt sind. Der homogene Raum ist also eine notwendige Bedingung der Möglichkeit der Geometrie.
Während Kant das Problem philosophisch behandelt, nimmt es bei Helmholtz eine mathematisch-physikalische Wendung. Es wurde klar, dass in der euklidischen Geometrie und ihren Beweisen für die Kongruenzsätze eine bestimmte Voraussetzung notwendig ist: Es muss angenommen werden, dass die beiden Gebilde, die man als kongruent erklärt, zueinander hin bewegt werden und dass sie bei dieser Bewegung ihre Gestalt und Masse nicht ändern. Damit ist eine Voraussetzung gewonnen, von der Kant ausgegangen ist: Die Identität der Raumteile hängt nur von ihrer wechselseitigen Stellung im Raum ab. Zugleich stellt sich aber eine Frage, die den Horizont der kantischen Problemstellung übersteigt: Wie können wir unter den möglichen Geometrien wählen, die einen Raum voraussetzen, der diese Forderung erfüllt? Der Beitrag findet sich auch im Internet unter www.wpk.uni-tuebingen.de
Erik C. Banks stellt ein kombinatorisches Modell des Raumes vor, das auf Machs Element des Inhalts und Grassmanns Algebra basiert, und Martin Gorke (Greifswald) zeigt, dass die Frage nach außerirdischem Leben umweltethische Relevanz hat: Die extreme Unwahrscheinlichkeit solchen Lebens ist ein Argument dafür, mit der Biosphäre verantwortlich umzugehen. AZ-Interview Julian Nida-Rümelin: Grundrechte sind "die Essenz unserer Demokratie" | Alma von Stockhausen, Interview anlässlich ihres Todes kath.net | Antirassismus: Immanuel Kant steht zur Debatte. Das Interview mit Michael Zeuske | Christian Bermes über Krisenmanagement Deutschlandfunk Kultur | Eike Gebhardt zu Hampe, Die Wildnis, die Seele, das Nichts. Deutschlandfunk 24.7.2020 | Ein Sklave als deutscher Philosoph: Anton Wilhelm Amo Berliner Tagesspiegel | Essay-Preis: Was bedeutet 1989 für das Denken? | Essaypreis der GAP "Nachdenken über Corona" | Floris Briskamp: Sollte man Kant als Rassisten bezeichnen? Tagesspiegel 21.6.2020 | Giordano Bruno-Stiftung kritisiert Zusammensetzung des Deutschen Ethik-Rates | Giorgio Agamben, Der Notstand erlaubt alles NZZ | Habermas besorgt über Diskussion über das Verhältnis von Lebensschutz und Freiheitsrechten | Hannah Arendt Ausstellung Berlin, Der Spiegel | Jürgen Habermas über die Corona-Krise und sein neues Buch | Nachdenken über Corona. Essaywettbewerb der GAP | Rainer Forst über den Virus und die Demokratie Die Zeit, 27. Juni 2020 | Reinhard Merkel über Risiko während der Krise Frankfurter Rundschau 11. Mai | Stefan Gosepath: War Kant Rassist? | Virologie als neue Religion. Deutschlandfunk Kultur im Gespräch mit Markus Gabriel | Vittorio Hösle: Trump zeigt "klassische Strategie eines Diktators" Deutsche Welle 23.6.2020 | Wird das "Institute for Philosophy and Social Theory Belgrade (IFDT" politisch gesäubert? | |
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