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EDITIONEN

Stein, Edith: Über den Staat


EDITH STEIN

Innerhalb der Edith Stein Gesamtausgabe ist die Schrift

Stein, Edith: Eine Untersuchung über den Staat. Einleitung, Bearbeitung und Anmer-kungen von Ilona Riedel-Spangenberger. 134 S., Ln., € 29.—, 2006, Edith Stein Gesamt-ausgabe Band 7, Herder, Freiburg

erschienen. Sie zeigt, wie die Herausgeberin in der Einleitung ausführt, eine bislang wenig bekannte Stein während ihrer phänomenologischen Schaffensperiode. Den 1924 erstmals publizierte Text hat Edith Stein nach ihrer Assistentenzeit bei Husserl und der Verhinderung ihrer Habilitation in Freiburg bei ihren häufigen und oft monatelangen Aufenthalten im Haus des ihr naheste-henden Philosophenehepaares Hans Theodor Conrad und Hedwig Conrad-Martius erarbei-tet. Die Arbeit bildet auch den Abschluss ihres rein philosophischen, noch nicht vom christlichen Glauben beeinflussten Werkes.

Aus heutiger Sicht ist die Arbeit schwer zu-gänglich. Edith Stein entwickelt darin eine Staatsrechtslehre, die sich einerseits am Rechtspositivismus ihrer Zeit orientiert und andererseits aus phänomenologischen Erwä-gungen einen eigenständigen Entwurf dar stellt, der aber weitgehend thetisch und bis-weilen widersprüchlich erscheint. -
Edith Stein hatte sich nach dem Ersten Weltkrieg für den demokratischen Neuanfang in Deutschland und für die Rechte der Frauen eingesetzt und in der „Deutschen Demokra-tischen Partei“ mitgewirkt. Wichtig waren ihr dabei der „Glauben an das Volk“, der „innere Friede“, die „volle soziale und politische Gerechtigkeit“ sowie eine „internationale Rechtsordnung für den Frieden der Menschheit“. Angesichts des Kampfes radikaler Interessengruppen sieht sie bald den Staat massiv gefährdet und letztlich zum Untergang bestimmt. Als Gegenmittel fordert sie eine einzige ausgebildete Staatstheorie als leitendes Ideal und einen durch das Recht geordneten Staat, in dem die Kraft der Vernunft zugunsten der Volksgemeinschaft zum Zug kommt.

Eine Untersuchung über den Staat gliedert sich in zwei ungleich lange Kapitel Die ontische Struktur des Staates und Der Staat unter Wertgesichtspunkten. In Anknüpfung an Aristoteles zeigt sich für Stein der spezifische Charakter des Staates in seiner „Souveränität“. Ihm kommt das Recht zu, allen Per-sonen und Organisationen innerhalb seines Gebietes Weisungen zu geben. Auf diese Souveränität kann er nur durch „Selbsteinschränkung“, wie z.B. durch Anerkennung von Völkerrecht verzichten.

Stein sieht den Staat als soziales Gebilde, in das Menschen als freie Personen integriert sind und in dem eine Mehrheit von ihnen die anderen repräsentiert und regiert. Der Staat selbst ist für sie wertfrei, das Moralische weist sie den Personen zu. Aber sie sagt auch, der Staat müsse sich um seiner selbst willen dem Ethos des Volkes anpassen.

Der Jurist Ernst von Hippel hat kritisiert, Edith Stein gehe bei ihrem Versuch, „die Struktur des Staatlichen an sich aufzuwei-sen“ fehl, wenn sie dabei nur „die machia-vellistische Staatsauffassung der Neuzeit“ logisiere.