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FORSCHUNG

20. Jahrhundert: Bruno Bauch


20. JAHRHUNDERT

Bruno Bauch

Bruno Bauch gehörte im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts zu den renommierten und wohlbekannten Gestalten der akademischen Philosophie. Seine Schriften wurden in den angesehenen Fachzeitschriften rezensiert, waren Gegenstand lebhafter Auseinandersetzung und stießen je nach Standpunkt auf Kritik oder Zustimmung. Als langjähriger Herausgeber der Kant-Studien sowie als Mitbegründer und späterer Vorsitzender der Deutschen Philosophischen Gesellschaft behauptete Bauch darüber hinaus einen festen Platz im institutionellen Gefüge der Philosophie der damaligen Zeit.

Heute sind Bauchs Leben und Werk nahezu vollständig in Vergessenheit geraten. Zwar hat das Interesse am Neukantianismus in den letzten Jahren eine Belebung erfahren, doch dabei schenkt man dem Werk von Bauch wenig Beachtung. Und dies, obwohl unter den wenigen Forschern, die sich mit dem Werk Bauchs eingehender beschäftigt haben, Einigkeit darüber besteht, dass er zu den „konsequentesten und scharfsinnigsten Denkern“ (so Ollig) der Schule gehört. Man ist aber auch der Meinung, dass sich Bauch während des Ersten Weltkrieges als ein „Protagonist unheilvoller politischer Tendenzen“ profilierte. Dabei besteht aber oft Unklarheit darüber, worin dieses Engagement eigentlich bestand.

Sven Schlotter hat in einer von Gottfried Gabriel betreuten Promotionsarbeit

Schlotter, Sven: Die Totalität der Kultur. Philosophisches Denken und politisches Handeln bei Bruno Bauch. 256 S., kt., 2004, € 34.80, Studien und Materialien zum Neukantianismus Band 22, Königshausen und Neumann, Würzburg

den akademischen Werdegang und das politische Denken Bauchs erforscht.

Von besonderer Bedeutung für den Werdegang des 1877 in Oberschlesien geborenen Bauch war, dass er als Sohn eines Gutsbesitzers geboren wurde. Die ländliche Prägung äußerte sich in einem distanzierten Verhältnis zu Wirtschaft, Industrie und Großstadt, ja zur modernen Welt, was für das Denken Bauchs bestimmend blieb. Zum Studium wählte Bauch eine Universität, die möglichst weit entfernt von seinem Heimatort war – nämlich Freiburg im Breisgau. Eher zufällig geriet er dort in ein Seminar von Heinrich Rickert zu Kants Kritik der Urteilskraft. Rickerts Einfluss war schließlich ausschlaggebend dafür, dass Bauch Philosophie als Hauptfach wählte. Allerdings waren die ersten philosophischen Gehversuche Bauchs von einem Denker veranlasst worden, der bei Rickert auf Ablehnung stieß: von Friedrich Nietzsche. Bauch rezipierte ihn ganz im Zeichen der Kulturkritik. Rückblickend schildert er seine damaligen Eindrücke:

„Unser Wirtschaftsleben stand in Blüte, der deutsche Handel dehnte sich in neider-weckender Weise aus, die Industrie nahm eine führende Stellung in der Welt ein, alllenthalben breitete sich Wohlstand aus, und es bildeten sich geradezu Zentren des Reichtums in unserem Land. Aber gerade damit zog bei uns ein, was Kant den „bloßen Handelsgeist“ nannte. Das heißt: Das Wirtschaftsleben überwucherte das Geistesleben und, anstatt ihm zu dienen, sucht es dieses zu seinem eigenen Diener und Sklaven zu machen.“

Die Folgen dieser Entwicklung hat Bauch durch einen ganzen Reigen kulturkritischer Vokabeln wie „Vermittelmäßigung“, „Verflachung“ und „Veräußerlichung“ zu beschreiben versucht. So bestand die größte Bedrohung seiner Meinung nach darin, dass im Zeitalter der heraufziehenden industriellen Massengesellschaft eine allgemeine „Gleichmacherei“ und „Nivellierung“ eintreten würde. Je tiefer Bauch in die akademische Philosophie eindrang, desto deutlicher empfand er ein Begründungsdefizit im Denken Nietzsches, als dessen Hauptschwäche er vor allem den Naturalismus und Biologismus nannte. Unter dem Einfluss von Riehl und Vaihinger fand Bauch zu einer Lesart, durch die sich die ursprüngliche jugendliche Begeisterung mit dem Standpunkt der akademischen Wertphilosophie in Einklang bringen ließ. Danach steht Nietzsches Umwertungsgedanke nicht etwa für einen schrankenlosen Relativismus und Naturalismus, sondern bedeutet den unabschließbaren, stetig fortschreitenden Prozess der Werteverwirklichung.

Für Bauch galt es nun, den amoralischen Individualismus Nietzsches in einen ethischen Individualismus zu überführen. Dabei entwickelt er einen eigenen Persönlichkeitsbegriff: eine bedeutende Persönlichkeit zeichnet sich dadurch aus, dass in ihr ein Höchstmaß an besonderen Fähigkeiten und Anlagen zu einem einheitlichen und beständigen Ganzen zusammengeschlossen ist. Das bestimmende Prinzip der personalen Ganzheit findet er im „Charakter“, dessen Ausprägung unendlich viele Grade annehmen kann. Bis zur Universalisierung gelangt die Charakterbildung nur bei den Genies, die in Gestalten wie Leibniz, Humboldt, vor allem aber Goethe eine seltene historische Erfüllung gefunden haben. Nun rückt die Frage in den Vordergrund, „wie denn Kants leere Formel des kategorischen Imperativs den Wert auch nur einer einzigen großen Persönlichkeit und ihre Leistung … ausmessen könne“. Für Bauch reicht hierzu der kategorische Imperativ nicht aus. Neben ihm müssen ergänzend „verschiedene Instanzen der Beurteilung“ treten. Dabei durfte jedoch die Allgemeinheit der sittlichen Prinzipien unter keinen Umständen preisgegeben werden (um einem Rückfall in den Relativismus vorzubeugen). Die einzige Möglichkeit hierzu sah Bauch darin, die ethische Allgemeinheit nicht mehr formal, sondern inhaltlich aufzufassen. In der Folge gab Bauch den vorher hartnäckig verteidigten Standpunkt zugunsten einer inhaltlichen Wertethik auf.

1901 hatte Bauch bei Rickert promoviert. Er setzte nun seine Studien in Berlin fort. Hier entstand eine längere Abhandlung Luther und Kant, die Bauch zur Veröffentlichung in den Kant-Studien an Vaihinger sandte. Dieser war von der Arbeit beeindruckt, bot Bauch die Möglichkeit zur Habilitation an und nahm ihn als Mitherausgeber in die Kant-Studien auf, einer Zeitschrift, die sich zu einer der einflussreichsten philosophischen Zeitschriften Deutschlands entwickelt hatte.

Die stärksten Anregungen erhielt Bauch jedoch nicht von Vaihinger, sondern von den Vertretern der realistischen Spielart des Neukantianismus, vor allem von Alois Riehl und Otto Liebmann. Bauch bezieht nun eine Position, die sich als „transzendentaler Positivismus“ bezeichnen lässt. Danach sind es die Kategorien der Kausalität, Wechselwirkung und Substanz, die in gegenseitiger Abhängigkeit die Wirklichkeit gesetzlich bedingen. Als ein Konstitut transzendentaler Gesetzlichkeit verliert das Sein seine undurchdringliche Starrheit und löst sich in ein Geflecht von Beziehungen auf, in dem die mannigfaltigen Inhalte in gesetzlicher Ordnung miteinander verbunden sind. Form und Inhalt lassen sich für Bauch nicht trennen, doch ist ihm unklar, auf welche Art und Weise diese Durchdringung zu denken ist.

1911 wurde Bauch an die Universität Jena berufen. Hier entfaltete er bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges eine später nicht mehr erreichte akademische Ausstrahlung. Von Jena aus besuchte er auch die „Villa Silberblick“ der Schwester Nietzsches. Er besprach die soeben erschienene Taschenbuchausgabe der Werke Nietzsches in den Kant-Studien positiv und hob – allen kritischen Stimmen zum Trotz – die „pietätvolle Behandlung“ hervor, die „Frau Förster-Nietzsche den Werken ihres Bruders angedeihen“ lasse. In der Folgezeit legte Bauch seine akademische Zurückhaltung gegenüber Nietzsche fast vollständig ab.

Bauch hatte sein Jenaer Lehramt noch keine drei Jahre inne, als im August 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach. Wie die überwiegende Mehrzahl der deutschen Intellektuellen war er auch fest davon überzeugt, dass Deutschland die Waffen für eine gerechte Sache erhoben habe. Seiner Ansicht nach hatte der wirtschaftliche Aufschwung Deutschlands bei den benachbarten Völkern Konkurrenzneid erregt. Ganz besonders sei dies bei den Engländern der Fall, die nun im Bündnis mit Frankreich und Russland versuchten, den unliebsamen Nebenbuhler auf militärischem Wege auszuschalten. Bauch steigert diese Einschätzung ins Prinzipielle. Danach ist es der auf Gewinn und Vorteil bedachte „englische Krämergeist“, der wie ein „Massenwahn“ die ganze Welt befallen habe und als eigentliche Ursache des Krieges gelten müsse. Die schärfsten Waffen gegen den englischen Utilitarismus fand Bauch bei Nietzsche, der prophezeite, dass von England dereinst eine „Gesamtdepression des europäischen Geistes“ ausgehen werde.

Sein Jenaer Kollege Ernst Haeckel hatte den Krieg in vielen Schriften als einen „Kampf ums Dasein“ gedeutet, in dem sich die stärksten und bestangepassten Völker durchsetzen würden. Gegen diese darwinistische Auffassung machte nun Bauch im Anschluss an Rickert die „Grenzen der naturwissenschaftlichen Begriffsbildung“ bei der Erfassung des historisch Besonderen geltend. Dabei weist er darauf hin, dass der Krieg keineswegs zu einer Auslese der besten Individuen führt. Vielmehr werde die natürliche Selektion geradezu auf den Kopf gestellt, da doch vor allem die „Mutigsten“ und „Kühnsten“ im deutlichen Bewusstsein ihrer Pflichten sich einsetzen und zu Tausenden fallen, während die „Untauglichen“ und „Minderwertigen“ übrig bleiben. So kommt Bauch zu dem Ergebnis, dass sich der Krieg als konkretes historisches Ereignis nicht durch die generalisierenden Naturwissenschaften, sondern allein durch die auf das Besondere bezogene Geschichtswissenschaft angemessen erfassen lässt.
Bauch hat sich aber – im Unterschied zu vielen seiner Professorenkollegen – mit politischen Stellungnahmen zurückgehalten und auch keine der im Umlauf befindlichen „Professorendenkschriften“ unterzeichnet.

Mit Beginn des Jahres 1916 meldet Bauch einen philosophischen Orientierungsanspruch für die Fragen des praktischen und politischen Lebens an. Der Philosophie fällt die Aufgabe zu, die Werte und objektiven Richtpunkte aufzuzeigen, deren Befolgung aus dem Chaos der Interessengegensätze herausführt und die die innere Einheit der Gemeinschaft verbürgen können. In dieser Perspektive kommt selbst dem Krieg ein sittlicher Wert zu. Aus der Verwirtschaftlichung entsprungen, erweist er sich doch zugleich als ein Mittel, mit dem sich die Auswüchse jener Vorkriegsentwicklung korrigieren lassen. Im Zustand der äußeren Gefahr scheint es am ehesten möglich, die egoistischen Einzelinteressen zugunsten gemeinsamer Zwecke und Ziele auszuschalten. Der Krieg wird in dieser Sicht zur großen Katharsis, die den Weg für eine umfassende sittliche und kulturelle Erneuerung frei macht. Die politische Gemeinschaft, an die Bauch als Subjekt der Wertdarstellung denkt, ist die Nation. Dabei steigert sich seine vaterländische Gesinnung zur nationalen Emphase.

Bauch geht von einer unlösbaren Bindung zwischen Staat und Nation aus, so dass ein dauerhafter Bestand nur den Nationalstaaten eingeräumt werden kann. Zum anderen stellt er die natürliche Seite der Nation auf eine biologische Grundlage. Bauch dringt auf die Erhaltung des natürlichen Charakters der Nation und warnt vor einer Mischung mit dem Fremdvölkischen. Ein allgemeines „Völkermischmasch“, das einer gänzlichen Nivellierung der nationalen Differenzen gleichkäme, würde seiner Meinung zufolge auch das Ende der Kultur bedeuten. Die von ihm herangezogenen Beispiele zeigen, dass Bauch dabei vor allem das Verhältnis von Deutschen und Juden im Blick hatte.

Bei den jüdischen Mitgliedern der Kant-Gesellschaft stießen Bauchs Ausführungen auf entschiedenen Widerstand. Mit besonderer Empörung reagierte Cohen, der einen direkten Angriff auf seine Auffassung von einem deutschen Judentum vermutete. Nach langen Verhandlungen erklärte sich Bauch bereit, eine Entgegnung von Vaihinger in den Kant-Studien zu veröffentlichen. Nach der Lektüre des betreffenden Textes nahm Bauch allerdings davon Abstand, mit dem Argument, es handle sich um einen politischen und nicht um einen philosophischen Text. Vaihinger hatte in seinem Text der Bauch’schen Kopplung von Kultur und Natur ein ausschließlich kulturalistisches Konzept der Nation gegenüber gestellt. Danach besteht der „echte Begriff des Volkes“ nicht in der Blut- und Rassengemeinschaft, sondern in der Gesamtheit der ideellen Aufgaben und Leistungen.

Schlotter sieht in Bauchs hartnäckigem Eintreten für eine Scheidung zwischen Deutschtum und Judentum weniger einen Antisemitismus als vielmehr die Folge seiner Individualitätsemphase, die sich letztlich von Nietzsche herleitet. „Aber ich durfte nicht schweigen“, schreibt Bauch an Elisabeth Förster-Nietzsche, „Das ‚Different sein wollen’ Nietzsches besteht zurecht nicht allein für die Einzelnen, sondern auch für die Völker und der ‚soziale Mischmasch’ wäre der Tod aller Kultur“. Cassirer urteilt hingegen über das Votum Bauchs: „Selten ist mit einer solchen Lebensfremdheit über Fragen geurteilt worden, bei denen es sich immerhin nicht nur um Begriffe und Doktrinen, sondern um wirkliche Menschen und deren lebendige Empfindungen handelt.“

Bei Cohen selbst hatte die Diskussion um Bauchs Aufsatz wie auch die im November 1916 im deutschen Heer veranstaltete „Judenzählung“ zu einer Desillusionierung hinsichtlich einer deutsch-jüdischen Symbiose geführt. In einem Brief an Natorp erklärte er nicht nur seinen Patriotismus für nurmehr „rein historisch“, er machte sogar den „Judenhass“ als einen „Herzpunkt im deutschen Geiste“ aus. Natorp antwortet entrüstet: „Unser Volk leidet das kaum noch Erträgliche, alle Völker leiden, die Menschheit ringt mit dem Tode – Ihnen aber, nun schon Wochen lang, ‚das Wichtigste’, dass wieder einmal ein Professor etwas von den Juden gesagt hat.“

Es zeichnete sich nun eine Spaltung der Kant-Gesellschaft ab. Eucken unternahm noch einen letzten Versuch, eine Verständigung zwischen Bauch und Cassirer herbeizuführen. Letzterer gab jedoch in einem Brief zu erkennen, dass er die Auseinandersetzung als den Versuch betrachte, „mir den Grund und Boden zu bestreiten, auf dem ich in geistigem Sinne stehe und von dem ich mich nicht abdrängen lasse“. Solange Bauch auf dem Standpunkt seiner Sache beharre, sehe er deshalb „keine Brücke auf keine mögliche Gemeinschaft zwischen seiner und meiner Anschauung“. Da dies für Bauch unannehmbar war, trat er im November 1916 von seinem Posten als Redakteur der Kant-Studien zurück. Um Aufsehen zu vermeiden, gab die Kant-Gesellschaft an, der Rücktritt sei aus gesundheitlichen Gründen erfolgt. Diese Falschmeldung erschien in mehreren Zeitungen. Bauch nahm dies zum Anlass, im Januar 1917 in einem Artikel eine Darstellung der Vorgänge, die zum Rücktritt geführt hatten, aus seiner Sicht zu geben. Dabei sprach er davon, dass er sich „einer Art jüdischer Oberzensurbehörde“ in den Kant-Studien nicht habe beugen wollen. Diese Erklärung fand in der Öffentlichkeit ein unerwartet großes Echo und schürte Ängste einer jüdischen Unterwanderung des deutschen Pressewesens. So äußerte Heinz Heimsoeth in einem Brief an Nikolai Hartmann die Vermutung, „dass die Kant-St. endgültig verjudet sind“.

Zu Pfingsten 1917 fand eine Vorversammlung zur Gründung einer deutschen Philosophischen Gesellschaft statt, die eine Gegenorganisation zur Kant-Gesellschaft bilden sollte. Zu ihren Mitgliedern gehörten diejenigen Philosophen, die in der „Judenfrage“ den Standpunkt Bauchs teilten. Zu nennen sind dabei Hermann Schwarz, Heinrich Scholz, Max Hildebert Boehm, Leonore Ripke-Kühn und Ferdinand J Schmidt. Zu den geistigen Voraussetzungen dieser 1917/ 18 gegründeten Gesellschaft gehörte die Fichte-Renaissance. Sie hatte um den Jahrhundertbeginn in Deutschland eingesetzt, schwoll im Säkularjahr 1914 mächtig an und erreichte während des Ersten Weltkrieges ihren Höhepunkt. Im Mittelpunkt der Neuaneignung stand dabei weniger Fichtes Wissenschaftslehre als vielmehr seine Schriften zur praktischen und politischen Philosophie. Insbesondere seine Reden an die deutsche Nation wurden in zahllosen Neuauflagen, Anthologien und Kommentaren verbreitet. Bruno Bauch gehörte zu den wichtigsten Wegbereitern dieser Fichte-Rezeption innerhalb der akademischen Philosophie. Er hatte sich bereits als Privatdozent mit Fichtes Staats- und Rechtstheorie beschäftigt, nach seiner Berufung nach Jena nahm seine Fichte-Verehrung aber geradezu kultische Züge an. Fichte wurde zum Zeugen für ein Denken aufgerufen, das die Nation als Träger einer sittlichen, ja „göttlichen Ewigkeitsbestimmung“ betrachtet und dem deutschen Volk eine Sonderbestimmung oder Sendung in der Weltgeschichte zuweist. Entsprechend heißt es in der Satzung der DPhG:

„Zweck der Gesellschaft ist die Pflege, Vertiefung und Wahrung deutscher Eigenart auf dem Gebiete der Philosophie. Dieses nationale Ziel wird aufgestellt im Sinne des von Kant begründeten und von seinen Nachfolgern weitergeführten deutschen Idealismus.“

Als einzige Beitrittsbedingung zu der neuen Gesellschaft ist das Bekenntnis zu den „rein nationalen Zielen“ formuliert. Bald nach der Gründung forderte der zum linken Flügel der SPD gehörende E. Zschimmer, der unter dem Einfluss von Nietzsches Sprachtheorie zu der Überzeugung gelangt war, dass „die deutsche Sprache das vollkommenste Werkzeug zum Ausdruck philosophischer Gedanken“ sei, die konsequente Eindeutschung aller fremdsprachlichen Fachausdrücke in der Philosophie. Der Vorschlag war in der Folge Tagungsschwerpunkt der Weimarer Hauptversammlung, wurde aber abgelehnt. Allerdings erging an die Autoren der Zeitschrift der Gesellschaft, der Beiträge, die Aufforderung, Fremdwörter nach Möglichkeit zu vermeiden.

Noch Ende Oktober 1918 schloss sich Bauch einer Adresse der deutschen Universitäten an, in der die Reichsregierung aufgefordert wurde, gegenüber den amerikanischen Forderungen fest zu bleiben und keinen Frieden zu schließen, der die Preisgabe deutschen Landes beinhalte. Denn „noch gibt es Männer, die entschlossen sind, das Äusserste zu wagen“. Später schrieb Bauch über dieses Jahr:

„Wir sind im Jahre des Unheils 1918 nicht durch feindliche Waffen besiegt worden: Wir blieben unbesiegt zu Lande und zu Wasser und in der Luft. Es war der Judasgeist im eigenen Lande, dieser Ungeist, der keine Begeisterung kennt und nur seinen parteipolitischen Vorteil sucht, der den Feinden den Sieg über uns in die Hand gab.“
Das Krisenbewusstsein Bauchs verdichtete sich nun zu einer Theorie Vom Kultursterben der Menschheit (so der Titel eines Artikels vom Juni 1919). Hier vertritt Bauch die These, dass die Kultur mit unabdingbarer Notwendigkeit zum Untergang verteilt sei. Wie zum natürlichen Leben das Sterben gehöre, so wohne auch dem Kulturleben in „immanenter Tragik“ der „Keim des Todes“ inne. An die Stelle des Kulturmenschen treten spezialisierte „Fachmenschen“, in denen Bauch die „Todesboten“ der Kultur erblickt. Je mehr Fachmenschen eine Gemeinschaft aufweist, desto geringer wird die Möglichkeit, sich über die Grenzen der Fächer hinweg zu verständigen. Bauch konstatiert diesen Niedergang auf allen Kulturgebieten. So sah er in der Wissenschaft den Pragmatismus triumphieren, für den der Wahrheitswert mit dem bloßen Nutzen zusammenfalle. Statt Sittlichkeit sieht er Zügellosigkeit und Willkür: in der Wirtschaft hat sich der den Profit zum Selbstzweck erhebende Kapitalismus endgültig durchgesetzt, die Kunst ist zum Handelsobjekt verkommen, und in der Politik führe die demokratische Verfassungsreform zu einer allgemeinen Vermittelmäßigung. Dennoch: Bauch hält diesen Prozess für aufhaltbar, ja er achtet eine zwischenzeitliche Periode kulturellen Aufstiegs als denkbar. Hierbei bedarf es allerdings der Kulturphilosophie, die damit bei Bauch eine gleichsam kulturschöpferische Bedeutung erhält. Allerdings kommt es darauf an, den Ergebnissen der philosophischen Reflexion auch öffentliche Wirksamkeit und allgemeine Achtung zu verschaffen.

Bauch meldete sich in der Folge in unterschiedlichsten Zusammenhängen zu Wort. Seine Aufsätze wurden in den angesehenen Kulturzeitschriften, in den Blättern des nationalen und internationalen Spektrums, in den Organen der „Adelsgenossenschaft“ wie den Blättern der Lehrerschaft gedruckt. Dabei war er ohne weiteres bereit, den Interessen und der Aufnahmefähigkeit der Lehrer entgegenzukommen. Er wählte allgemein vertraute Phänomene wie Eitelkeit, Freundschaft, Liebe oder Vertrauen, um seine wertphilosophische Botschaft zu entwickeln. Um eine theoretische Fundierung seiner Wertphilosophie bemühte sich Bauch in seinem 1923 erschienenen Hauptwerk Wahrheit, Wert und Wirklichkeit. Darin arbeitet er eine objektive Instanz, genannt das „logische Urteil“ heraus, die sich im Unterschied zum tatsächlichen Denken durch zeitlose Geltung auszeichnet. Dabei ist eine Übereinstimmung mit Frege festzustellen. Beide ordnen die Wahrheit dem „Gedanken“ zu, der durch ein negativ kategoriales Verfahren von der subjektiven und dinglichen Wirklichkeit abgesetzt wird. Bei beiden handelt es sich dabei insofern um einen „transzendentalen Platonismus“, als die Gedanken zwar unabhängig von der subjektiven Vernünftigkeit sind, als Inbegriff der objektiven Vernunft aber die Bedingungen der Möglichkeit des vernünftigen Denkens selbst. Zwischen Frege und Bauch bestand ein persönliches Verhältnis, und Bauch machte die Veröffentlichung der Logischen Untersuchungen in den Beiträgen erst möglich.

Frege teilte auch die politische Ausrichtung der „Deutschen philosophischen Gesellschaft“. In Auseinandersetzung mit Frege kommt Bauch zu der These, dass keine Zahl ein letzter für sich bestehender Gegenstand ist, sondern nur in funktional bestimmten Beziehungen zu anderen Zahlen bestehen kann. Damit sieht Bauch einen weiteren Beleg für die These von der Relationalität alles Seienden erbracht: Nicht nur die wirklichen, sondern auch die unwirklichen Gegenstände sind der Beziehungsstruktur unterworfen.

Diese holistische Grundthese erfährt eine Steigerung in der 1926 erschienenen Schrift Die Idee, welche zugleich den Schlussstein von Bauchs theoretischer Philosophie bildet. Folgt man der Einsicht, dass alle Gegenstände in einem durchgängigen Zusammenhang stehen, so müssen auch die gegenstandskonstitutiven Begriffe (die sich ihrerseits schon als Gefüge kategorialer Beziehungen erwiesen hatten) untereinander einen Zusammenhang bilden. Diese übergreifende, „alle Beziehungen zur Ganzheit beziehende“ unendliche „Totalität“ bezeichnet Bauch als „Idee“. Zu einer letzten systematischen Einheit gelangt Bauch, indem er die Idee in ihrer Subjektbezogenheit als die „Einheit und Totalität der Werte“ fasst. Bei den Grundzügen der Ethik, dem letzten von Bauch veröffentlichten Werk, handelt es sich um eine Ethik, welche die obersten Instanzen in allgemeinen und objektiven Werten findet. Diese besitzen zwar subjektunabhängige Geltung, stellen sich aber in ihrer Subjektbezogenheit als Aufgaben dar.

Auf die Initiative Bauchs ist es zurückzuführen, dass Nietzsches Schwester Elisabeth Förster-Nietzsche 1921 die Ehrendoktorwürde der Universität Jena verliehen wurde. Als das Nietzsche-Archiv jedoch anfing, mit der NSDAP zu kooperieren, zog sich Bauch zurück und beschränkte seine Beziehungen zu Elisabeth Förster-Nietzsche auf das rein Persönliche. Bauch warnte vor Bestrebungen, welche die Nation einzig als naturhaftes Gebilde verstehen: „Wird also die Geistigkeit aus dem nationalen Leben ausgeschaltet und dieses lediglich in abstrakter Naturhaftigkeit gefaßt, dann muss es notwendig versinken, und das, was sich als nationale Bestrebungen ausgeben möchte, müßte der Barbarei verfallen“. Allerdings gehörte auch Bruno Bauch zu den 300 Gelehrten, welche 1933 mit dem Titel „Die deutsche Geisteswelt für die Liste 1“ einen Aufruf zur Unterstützung der NSDAP unterschrieb. Und im selben Jahr bekundete die Deutsche Philosophische Gesellschaft die Bereitschaft, ihre Kräfte in den Dienst der politischen Aufbauarbeit zu stellen.

Dies bescherte der Gesellschaft einen erheblichen Zulauf, es entstanden Ortsgruppen in Bremen, Köln, Hannover und Hamburg. Bruno Bauch wurde zum Präsidenten der Gesellschaft gewählt. Er sah nun Fichte als Vorläufer der Nationalsozialisten. Zwar könne man bei ihm noch nicht deren ganzes Programm herauslesen, aber Fichte habe als erster begründet, dass sich ein wahrhaft soziales Leben nur innerhalb der nationalen Gemeinschaft erfüllen kann.