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EDITIONEN

Grün, Karl: Ausgewähle Schriften

Karl Grün – ein deutscher Sozialist wird neu entdeckt

Manuela Köppe hat in einer zweibändigen Ausgabe die in philosophischer Hinsicht be-deutendsten Texte des in Vergessenheit geratenen Sozialisten und Feuerbach-Herausgebers Karl Grün neu herausgebracht:

Grün, Karl: Ausgewählte Schriften in zwei Bänden. Mit einer biographischen und werkanalytischen Einführung herausgegebenen von Manuela Köppe. Hegel-Forschungen, 2005, € 128.—, Akademie-Verlag, Berlin.

Köppe hat dazu den Lebenslauf Grüns eingehend erforscht. So hat ein großer Teil des ersten Bandes das Leben Grüns sowie den Nachlass Feuerbachs zum Thema.

Wie sie darstellt, hat der 1817 in Lüdenscheid geborene Karl Theodor Ferdinand Grün 1839 die Stelle eines Deutschlehrers in Colmar angenommen. Er hatte aber bald Sehnsucht, „auf deutschem Boden ein deutsches Leben zu führen“ und kehrte 1841 mit vielen literarisch-publizistischen und wissenschaftlichen Plänen zurück. Die „Hallischen Jahrbücher“ und darin vor allem die Beiträge Feuerbachs weckten sein Interesse für Philosophie, und er wollte „nun feierlichst auf die Seite der Philosophie“ treten. Grün bemühte sich um eine akademische Laufbahn – aber erfolglos. Anfang 1842 übernahm er die Redaktion der Mannheimer Abendzeitung, die sich unter seiner Leitung schnell zu einem der führenden Oppositionsblätter in Baden entwickelte. Im Herbst desselben Jahres wurde er verhaftet und ohne Verhör und Prozess ausgewiesen. Grün veröffentlichte im Jahr darauf eine Schrift Meine Ausweisung aus Baden, meine gewaltsame Ausführung aus Rheinbaiern und meine Rechtfertigung vor dem deutschen Volk.

Er lernte nun Moses Hess und Karl Marx persönlich kennen. 1845 veröffentlichte er eine Schrift Die Judenfrage. Gegen Bruno Bauer. Mit Bauer stimmte Grün darin überein, dass man „allen Volksklassen zu bürgerlichen Rechten verhelfen“ müsse, und er hielt es für eine Schmach, dass „die Juden sie nicht besitzen“. Aber im Unterschied zu Bauer sah Grün in der Befreiung des Staates von der Religion zugleich schon die Emanzipation des Menschen erreicht. Auch wandte sich Grün entschieden gegen Bauers unveränderte Beibehaltung der Religiosität und forderte statt dessen deren weitere Entwicklung. Grüns Schrift rief unter den Junghegelianern Kritik hervor.

Auf die Verschärfung der sozialen Lage in Deutschland reagierte Grün mit einem Bekenntnis zum Sozialismus. Er entwarf ein idealistisches Erziehungs- und Bildungskonzept, das sich an Schillers Vorstellung von der ästhetischen Erziehung des Menschen als Weg hin zu einer gesellschaftlichen Befreiung anlehnte. Das Ideal einer gesellschaftlichen Erziehung und Bildung ist für Grün ein Bildungsideal, das als eigentliche Voraussetzung und wesentlich schon als Vollendung gesellschaftlicher Befreiung dargestellt wird.

Grün begeisterte sich für Feuerbachs Vom Wesen des Christentums und für dessen Grundsätze der Philosophie der Zukunft. Wie Ludwig Feuerbach „muß man schreiben, so muß man laut und offen denken“. Grün war in Paris im Exil, hier arbeitete er als Korrespondent für die verschiedensten Zeitungen, hier arbeitete er an einer Schrift zur sozialen Bewegung in Frankreich und Belgien, und hier kam es auch zu intensiven Gesprächen mit Proudhon, in denen, so Grün, deutlich wurde, dass beide „in der Kritik des französischen Sozialismus und Philosophismus“ übereinstimmten. Grün war es auch, der die deutsche Öffentlichkeit mit Proudhons Gedanken bekannt machte und dessen Système des contradictions ins Deutsche übersetzte. Dennoch warnte Marx Proudhon vor Grün, er sei ein „literarischer Hochstapler“, eine Art „Scharlatan“, ein „Schmarotzer“.

Ergriffen von der Signalwirkung der französischen auf die deutsche Revolution kehrte Grün 1848 nach Deutschland zurück. In Trier betätigte er sich als Redner und ließ sich für die Wahl nach Frankfurt aufstellen. Er konzipierte eine neue Zeitschrift Amphitheater für Unterhaltung, Kunst und Kritik, mit der er die neue Richtung des Feuilletons entscheidend prägte. Auch wurde er zum „Ersten Kongress der deutschen demokratischen Republikaner“ delegiert, wo er langjährige Bekannte und nicht zuletzt Ludwig Feuerbach traf. Grün wirkte auch aktiv an der Gründung einer „Freien Deutschen Akademie“ mit. Diese Akademie sollte frei sein „von aller todten Gelehrsamkeit“, und an oberster Stelle sollte die „Autonomie des Geistes und die volle Lehrfreiheit“ stehen. Ein Projekt, das jedoch nicht verwirklicht werden konnte. 1849 wurde Grün erneut verhaftet. Man warf ihm vor, einen Aufstand der Moselbevölkerung zumindest ideell vorbereitet zu haben. Nach acht Monaten Haft wurde er freigesprochen. Grün ging nun er-neut ins Exil – diesmal nach Brüssel. Später kehrte er nach Deutschland zurück und nahm in Frankfurt an der dortigen Handelsschule eine Stelle als Lehrer an. Er schrieb einige dickleibige kulturgeschichtliche Arbeiten und übernahm dann die Aufgabe, Ludwig Feuerbachs Nachlass herauszugeben.

Der weitaus größte Teil von Feuerbachs Nachlass war damals noch unbekannt. Die Familie Feuerbach suchte öffentlich einen Herausgeber dafür, und Grün meldete sich als erster. Im März 1874 veröffentlichte er eine Schrift Zur Würdigung Ludwig Feuerbachs, worauf – sozusagen als Vorbereitung zur Nachlassausgabe – weitere Beiträge über Feuerbach erschienen. Feuerbachs Bedeutung sah Grün in dessen Rückkehr „zu dem wahren Kant’schen Ausgang“, der „dem Denken erprobte Anschauungen zu Grunde gelegt wissen wollte, auf dass Phantasie und Willkür dort vertrieben würden, wo sie die schreiendsten contradictiones in adjecto sind, nämlich in der Philosophie, der Wissenschaft vom Wahren“. 1887 erschien Grüns Edition von Feuerbachs Nachlass. Auch wenn sie heutigen Anforderungen einer historisch-kritischen Ausgabe nicht genügt, konnte über Jahrzehnte auf sie zurückgegriffen werden.

Grün plante nun eine „Ethik auf anthropologischer Basis“ als Abschluss seiner litera-risch-publizistischen und wissenschaftlichen Laufbahn zu veröffentlichen. Sie sollte gegliedert sein in 1. Unser philosophischer Standort, 2. Die isolierten ethischen Prinzi-pien und 3. Die ethischen Institutionen. Allerdings kam es nicht mehr zu einer Veröffentlichung. Grün starb am 18. Februar 1887 in Wien.