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SERBIEN In den siebziger Jahren waren die Belgrader Philosophieprofessoren Svetozar Stojanovi_, Ljubormir Tadi_ und Mihailo Markovi_ führende Mitglieder jener jugoslawischen Gruppe, die sich mit der Zeitschrift Praxis und der jährlichen Sommerschule auf der Insel Kor_ula internationales Ansehen verschafft hatte. Die Gruppe umfaßte marxistische Philosophen und Soziologen, die den Marxismus entdogmatisieren, die sich auf ihn berufende politische Praxis entleninisieren sowie einen schöpferischen Dialog mit nichtmarxistischen Philosophen führen wollten. Die "Praxis"-Gruppe trat für einen humanistischen, demokratischen Sozialismus ein, in Opposition zur "real exististierenden" Selbstverwaltung im Tito-Jugoslawien, die für sie keine echte war. Wie der Schweizer Philosoph Arnold Künzli, der alle drei von Kor_ula her persönlich kennt, in seinem Aufsatz Künzli, A.: Der Verrat der Intellektuellen, in: Vollmer, Johannes (Hrsg.): "Daß wir in Bosnien zur Welt gehören", 306 S., kt., DM 26.80, 1995, Benziger-Verlag, Solothurn berichtet, sind inzwischen alle drei Anhänger des serbischen Nationalismus: Svetozar Stojanovi_ wurde politischer Berater des zum Staatspräsidenten ernannten Dobrica _osi_, der sich dank seiner nationalistischen Ergüsse den Ehrentitel eines "Vaters der Nation" erworben hatte. Durch den Sturz _osi_' verlor Stojanovi_, der den serbischen Angriffskrieg gerechtfertigt und das multikulturelle Leben in Bosnien verhöhnt hatte, 1993 wider Willen seinen Posten. Ljubomir Tadi_, einer "der besten philosophischen Köpfe der "Praxis-Gruppe", hatte noch Anfang der achtziger Jahre den Nationalismus heftig kritisiert. Aber dann wurde er Vorstandsmitglied der "Demokratischen Partei Serbiens", einer nationalistischen Partei. Mihailo Markovi_ war einer der führenden Vertreter der "Praxis"-Gruppe und anerkannter Konflikt- und Friedensforscher. Er war ein engagierter Partisan der Idee eines demokratischen Selbstverwaltungs-Sozialismus und ihrem "zutiefst humanem Wert" verpflichtet. Er forderte damals, man solle der Jugend "zeigen, was Fanatismus, Nationalismus, Klassenegoismus bewirkt haben". Er avancierte jedoch zum Chefberater des Kriegstreibers Slobodan Milešovi_ und wurde Generalsekretär von dessen Partei. Er habe sich damit, so Künzli, den Namen eines Judas der "Praxis"-Gruppe verdient. Allerdings, so Künzli, seien dies Einzelfälle. Die Mehrzahl der Mitglieder der ehemaligen "Praxis"-Gruppe habe sich dem Virus des Nationalismus gegenüber resistent gezeigt. So sind etwa _arko Puhovski und Gvodzen Flego führende Dissidenten in Kroatien, und in Belgrad gehörte Miladin _ivoti_ zu den Kriegsgegnern. Für ihn ist Markovi_ als "einer der hervorragenden Produzenten des nationalen Hasses in Serbien.... mitverantwortlich für all das, was in diesem Krieg passiert ist". Dazu gehört aber auch die tapfere Philosophieprofessorin Zagorka Peši_-Galubovi_, die 1975 von der Universität relegiert worden war und die den Mut hatte, nicht nur bereits vor Ausbruch des Krieges die repressive Kosovo-Politik faschistisch zu nennen, sondern während der serbischen Angriffe auf Dubrovnik sich in Belgrad an einer gegen diese Angriffe protestierenden Mahnwache beteiligte.
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