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Internationale Zeitschrift für Philosophie |
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INTERNATIONALE 2/2007
1/2008 Das Heft hat Handlungserklärungen zum Thema und gibt mit exzellenten Artikeln eine Übersicht über die gegenwärtige Auseinandersetzungen in der Handlungstheorie. Guido Löhrer, der kürzlich nach Erfurt berufen wurde, ist Gastherausgeber der Nummer. Er gibt in seiner Einleitung eine lesenswerte Einführung in die Thematik. Danach ist die Handlungstheorie von einer Kontroverse zwischen Verfechtern kausaler und teleologischer Auffassungen geprägt. Letztere sind der Auffassung, dass Handlungserklärungen irreduzibel teleologisch sind: „Ich spielte die Trumpfkarte, um den spielentscheidenden Stich zu machen.“ Seit Davidsons epochemachendem Aufsatz „Handlungen, Gründe und Ursachen“ (1963) wird mehrheitlich eine kausaltheoretische Position vertreten: „Der Wunsch, den spielentscheidenden Stich zu machen, und die Überzeugung, dies durch Spielen der Trumpfkarte zu erreichen, verursachte, dass ich die Trumpfkarte spielte.“ Eine Handlungserklärung ist danach genau dann wahr, wenn der von ihr angeführte Grund die Ursache der Handlung war. Hinzu kommt die sog. „Belief-Desire“-These, die besagt, dass sich ein handlungserklärender Grund aus einem Wunsch und einer Überzeugung zusammensetzt. Christoph Lumer (Siena) skizziert eine intentional-kausalistische Theorie der Handlungserklärung. Er nimmt zwar eine intentionale Struktur von Handlungen an, will das aber rein kausal erklären. Insbesondere wird kausal expliziert, was es heißt, „den Verlauf der Welt intern steuern“. Grundthese ist dabei, dass die Absicht die Handlung nicht nur verursacht, sondern gesteuert erzeugt. Lumer behauptet, selbst das schwierige Problem der abwegigen Absichtsrealisierungen (Handlungen, bei denen zwar die Absicht realisiert wird, aber auf eine abwegige Weise, so dass keine Absichtlichkeit mehr vorliegt) darin lösen zu können. Viele Handlungstheoretiker haben in den letzten Jahren die Meinung vertreten, es sei schwierig, psychische Einstellungen als „Gründe“ zu bezeichnen. Dass jemand etwas glaube, wolle, hoffe, sei doch niemals ein Grund dafür, etwas zu tun, sondern nur dasjenige, was die Person glaube, hoffe usw. Vertreter dieser Position sind Rüdiger Bittner, Jonathan Dancy und Fred Stoutland. Für Ralf Stoecker hat dies allerdings die Konsequenz, dass jemand, der bloß meint, in Reaktion auf die Welt zu handeln, sich darin aber irrt, aus gar keinem Grund handelt. In jüngster Zeit gab es eine Reihe von Versuchen, den teleologischen Erklärungen einen eigenständigen Wert außerhalb des Bilds der von Davidson geprägten kausalistischen Standardtheorie zuzuweisen. Dahinter stehen Zweifel, ob man im Rahmen der Standardtheorie dem speziellen explanatorischen Charakter der Handlungserklärung wirklich Rechnung tragen kann. Es ist denn die entscheidende Frage, ob man innerhalb dieser Konzeption eine befriedigende Erläuterung für den explanatorischen Wert der primären Gründe hat. Gerade der zweifelhafte ontologische Charakter von in Zukunft liegenden externen Handlungsgründen (z.B. dass Anna auf Besuch kommt) und von Handlungszwecken machen für Stoecker deutlich, wie viel an der Behauptung hängt, dass im Grunde die intentionalen Einstellungen (und das heißt letztlich: die primären Gründe) erklären, warum jemand handelt, während alle anderen Arten von Handlungserklärungen ihre explanatorische Potenz aus der Beziehung zu diesen Einstellungen erhalten. Stoecker argumentiert gegen diese Auffassung, Gründe aus Ursachen seien so gravierenden Einwänden ausgesetzt, dass diese Position sich letztlich als unhaltbar erweisen: a) Primäre Gründe können gar keine Ursachen sein b) Es wird bezweifelt, dass die Auskunft, dass primäre Gründe Ursachen seien, halte was sie verspricht, nämlich die explanatorische Potenz der Handlungserklärungen deutlich zu machen. Stoecker schlägt eine Umkehrung der Denkrichtung vor, einen ontologischen Minimalismus. Solange man sich intentionale Einstellungen als eigenständige Entitäten vorstellt, ist das Verhalten nur Ausdruck dieser inneren Einstellungen. Stoecker schlägt nun vor, darauf abzusehen, hier sei in einem ontologisch ernsthaften Sinn von Etwas die Rede und stattdessen die explanatorische Bedeutung von Sätzen, in denen gesagt wird, was jemand meint oder wünscht, an unsere Fähigkeit zum praktischen Nachdenken und Beratschlagen knüpft. Guido Löhrer unterstützt den gegen Davidsons Kausalismus erhobenen Einwand, dieser sei nicht in der Lage, von der Handlungsursache her den handlungserklärenden Grund unter den möglichen Rechtfertigungsgründen zu ermitteln. Christoph Horn untersucht fünf verschiedene Argumente, die gegen Davidsons Kausalismus und zugunsten einer teleologischen Perspektive geltend gemacht werden, Überlegungen, die für ihn durchaus in der Lage sind, den Intentionalismus zu stärken, und die dafür stehen, auch antike teleologische Positionen in die aktuelle Diskussion miteinzubeziehen. 2/2008
Mit dieser Ausgabe stellt die dreisprachige „Internationale Zeitschrift für Philosophie“, die so etwas wie eine Schweizer Zeitschrift für Philosophie geworden ist, ihr Erscheinen ein – „vorläufig“, wie es im Editorial heißt. Offenbar war die „relativ kleine Anzahl von Abonnenten“ zu gering, als dass sich der Verlag weiter für die Zeitschrift engagiert hätte.
Die Druckerei hat zum Abschied einen kleinen Streich gespielt: bei einem Teil der Auflage fehlt ein Bogen – den entsprechenden Lesern entgeht, was Thomas Held, Direktor des Schweizer think thank „Avenir suisse“, über die Tugenden der kleinen Schweiz schreibt. Dafür kann er gleich doppelt nachlesen, wie es Karl Löwith 1936-1941 in Japan ergangen ist. Frank-Rutger Hausmann hat, Henrichs Konzept der Konstellationsforschung übernehmend, alle denkbaren Quellen für diesen wichtigen Lebensabschnitt von Löwith zusammengetragen. Löwith lehrte in Sendai, einer Stadt, die an die 300 km nördlich von Tokio liegt. Er lehrte dort, in den Fußstapfen seines Vorgängers und Landsmannes Eugen Herrigel deutsche Philosophie. Allerdings war Löwith nicht sicher, ob die Japaner der von ihm vorgetragenen Rechtsphilosophie Hegels folgen konnten. Denn Begriffe wie „Geist“, „Geschichte“ oder „Freiheit“ sagten den Japaner aufgrund ihrer eigenen Tradition wenig, sodass Löwith einen Abgrund zwischen ihm und seinen Schülern konstatierte. Probleme bekam er auch von einer anderen Seite: Nationalsozialistische Kulturfunktionäre in Tokio drängten auf eine Einhaltung der deutschen Rassengesetze und auf die Nichtverlängerung der Anstellungsverhältnisse der nicht-arischen Deutschen, was eine zunehmende Isolation Löwiths zur Folge hatte. Löwith nutzte seine Zeit in Japan, um Von Hegel zu Nietzsche zu schreiben. Als die Situation beinahe unerträglich wurde und Löwiths Frau zudem wegen Depressionen behandelt werden musste, verschaffte Paul Tillich Löwith zu einer befristeten Lehrstelle am theologischen Seminar von Hartfort (Connecticut). Henning Ottmann befasst sich mit dem Problem der Weltarmut und legt konkret dar, „was zu tun wäre“, um die Situation zu verbessern: 1. Internationale Organisationen wie IWF oder Weltbank müssten einen Status erhalten, der sie zu echt repräsentativen Institutionen macht. 2. Entwicklungsländer dürfen nicht der Lehrbuchökonomie des Neoliberalismus folgen, sondern sollen am Anfang mit Schutzzöllen operieren. 3. Bildung muss in Entwicklungsländer transferiert werden. 4. Die politischen Systeme der Dritten Welt müssen geändert und die korrupten Systeme bekämpft werden. Darüber hinaus ist nicht nur eine Kultur der Gleichheit, sondern auch eine Kultur der Anerkennung mit dem Recht auf Differenz notwendig. Weitere Texte: M. Bachmann: Globalisierung als ideologisches Projekt der Managementphilosophie. A. Graeser: Dürfen wir glauben, was wir glauben wollen? H. Hofmann: Recht und soziale Ordnung.
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