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FORSCHUNG

Gödels Freundschaft mit Einstein


Palle Yourgraus Darstellung von Gödels Leistung und seiner Freundschaft mit Ein-stein

Ob Naturwissenschaften, Sprachen oder Mathematik, der Wiener Schüler Kurt Gödel war in allen Fächern in seiner Klasse der Beste, und man behauptet, er habe in keiner Lateinaufgabe je einen Fehler gemacht. Seine einzige weniger gute Note bekam er ausgerechnet in Mathematik. Später, als Student beeindruckten ihn insbesondere die Vorlesungen zur Zahlentheorie. Sein mathematischer Mentor Hans Hahn war, was die neuen Entwicklungen in mathematischer Logik und Mengenlehre betraf, stets auf dem neuesten Stand. Außerdem besuchte Gödel ein von Carnap angebotenes Seminar über die Grundlagen der Mathematik. Karl Menger schrieb später über Gödel: Er „durchblickte die mathematische Situation stets rasch und vollständig und antwortete mit höchster Präzision in einem Minimum von Worten, wobei er dem Frager oft neue Gesichtspunkte eröffnete. Das alles äußerte er mit völliger Selbstverständlichkeit, aber oft mit einer gewissen Schüchternheit, deren Scharm im manchem Zuhörer warme persönliche Gefühle für den Sprecher erweckte.“ Allerdings darf man Gödels Zurückhaltung nicht als Schüchternheit missdeuten. Denn als der bereits höchst renommierte Carnap dem jungen Studenten vorschlug, um bekannt zu werden, ein paar Beiträge zu einer Enzyklopädie zu verfassen, antwortete ihm Gödel, er brauche solche Dinge nicht, um sich einen Namen zu machen.

Obschon alles anderes als gesellig, knüpfte Gödel enge Freundschaften zu verschiedenen Kommilitonen und Professoren, unter anderem zu Carnap und Hahn, sowie zu Herbert Feigl und von Neumann. Gödel nahm auch an den Treffen des Wiener Kreises statt, dessen reguläres Mitglied er war. Wittgenstein dagegen ist er wahrscheinlich nie begegnet.

Wie Palle Yourgrau in seinem Buch

Yourgrau, Palle: Gödel, Einstein und die Folgen. Vermächtnis einer ungewöhnlichen Freundschaft. 234 S., Ln., € 19.90, 2005, C.H. Beck, München

berichtet, versuchte Gödel Hilberts Programm, die intuitive Mathematik jedes ma-thematischen Teilgebietes durch ein in reiner Formelsprache geschriebenes Axiomenprogramm zu ersetzen, zu vollenden. Hilberts Programm bestand darin, ein System aus einfachen Formeln, so genannten Axiomen zu finden, aus denen sich nach festen Beweisregeln – Syntaxregeln – sämtliche Lehrsätze eines mathematischen Teilgebietes herleiten ließen. Zwei Kriterien waren bei einem solchen System entscheidend: Vollständigkeit und Widerspruchsfreiheit. Um unwillkommenen Überraschungen vorzubeugen, musste bewiesen werden, dass ein beliebiges formales System widerspruchsfrei war – dass sich aus seinen Axiomen kein Widerspruch herleiten ließ und das System vollständig war in dem Sinne, dass sich alle relevanten Sätze aus den Axiomen herleiten ließen. Um Zirkelschlüsse zu vermeiden, durfte das System, dem Widerspruchsfreiheit nachzuweisen war, selbst keine mathematisch suspekten oder kontroversen Verfahren anwenden, die die eigene Widerspruchsfreiheit gefährden konnten.

Hilberts Formalismus war nur ein Beispiel von vielen – aber das konsequenteste und mathematischste – für den Geist, der im 20. Jahrhundert herrschte. Im Kern verfocht er die Herrschaft der Form über den Inhalt, der Syntax über die Semantik, des Beweises über die Wahrheit. Es überrascht daher kaum, dass die Verkörperung eines formalen Systems schlechthin, der Computer, ein rein syntaktischer Apparat, zum wichtigsten mechanischen Instrument dieses Jahrhunderts avancierte. Dabei bildete die Physik die Vorhut: Mit der speziellen Relativitätstheorie hatte Einstein die kantische Vorstellung von Raum und Zeit zugunsten des mathematischen Formalismus einer Raumzeit aufgegeben, einzig eingeschränkt durch die formalen Forderungen der Lorentz-Invarianz und das physikalische Postulat eines Grenzwerts für die Geschwindigkeit elektromagnetischer Signale. In diesem Jahrhundert erfand auch Chomsky die Linguistik neu, und zwar im Sinne einer Strukturwissenschaft, die sich an Frege orientierte. In der Mathematik selbst zeichnete sich zunehmend der Trend zu einer Reduktion ihrer Teilgebiete auf die strukturellen Beziehungen ab, die zwischen den jeweiligen Elementen herrschten, das heißt, die Syntax des formalen Elements.

Wenn also das Leitmotiv des 20. Jahrhun-derts Formalismus hieß, dann lässt sich Gö-dels Unvollständigkeitssatz, der Hilberts Programm auf dramatische Weise unwiderruflich widerlegte, durchaus als bedeutendste intellektuelle Leistung des 20. Jahrhunderts ansehen. Gödel nahm Hilberts Projekt zunächst auf, um herauszufinden, ob sich die Widerspruchsfreiheit und Vollständigkeit eines formalen axiomatischen Systems zur mathematischen Analyse beweisen ließ. Er begann damit, die Widerspruchsfreiheit und Vollständigkeit eines Axiomensystems für die arithmetische Zahlentheorie, einem Teilgebiet der Analysis, zu beweisen.














Kurt Gödel

Die Zeichen hiefür standen günstig. Dede, Fregekind und Peano hatten ein System aus Axiomen und Postulaten aufgestellt, aus de-nen sich, wie man glaubte, sämtliche Wahr-heiten bezüglich der natürlichen Zahlen wür-den herleiten lassen.

Gödel kam aber zu dem Schluss, dass nicht nur die Peano-Axiome, sondern jedes System aus Axiomen (selbst ein unendlich langes), das vernünftige mathematische Kriterien der Überprüfbarkeit durch einen endlichen Ver¬stand oder Geist erfüllen soll, unvollständig ist. Das einfachste und grundlegendste Teil-gebiet der Mathematik, die Arithmetik der natürlichen Zahlen, der Fels, auf dem die große Burg der Mathematik errichtet worden war, erwies sich damit von einem formal-axiomatischen Standpunkt aus betrachtet als unvollständig, schlimmer noch, als nicht komplettierbar. Ein Computer vermag nur Theoreme auf der Basis der Axiome zu be-weisen, die der Programmierer ihm eingege-ben hat, er kann nicht, wie Gödel betonte, von sich aus neue Axiome erfinden – das heißt aber auch, dass im Prinzip kein Com-puter und kein genau definiertes System von Computern, nicht einmal ein unendliches, jemals sämtliche Wahrheiten der Arithmatik zu erfassen vermag (vom Rest der Mathema-tik ganz abgesehen). Um es mit Gödel zu sa-gen: „fortgesetzte Appelle an die mathemati-sche Intuition werden nötig sein … um die Probleme einer finitären Zahlentheorie zu lö-sen.“
Ironischerweise lässt sich ein Computer so programmieren, dass er Gödels Sätze beweist – das heißt, eben jene Tatsachen aufzeigt, die die Beschränktheit eines Computersystems definieren. Arithmetische Wahrheiten lassen sich daher grundsätzlich nicht auf ein forma-les System reduzieren. Hierin liegt ein ent-scheidender Unterschied zwischen Wahrheit und Beweis. Ein mathematischer Beweis ist grundsätzlich ein Beweis innerhalb und mit Bezug auf ein formales System, wohingegen Wahrheit als solche absolut ist. Gödel hat gezeigt, dass mathematische Wahrheit sich nicht auf (formale oder mechanische) Bewei-se reduzieren lässt. Syntax kann Semantik nicht ersetzen. Das Leitmotiv des 20. Jahr-hunderts hat keinen Bestand. Ohne das, was uns Bedeutung erschließt, nämlich Intuition, kommt nicht einmal die Arithmetik aus. Das war der erste Nagel zu Hilberts Sarg. Der zweite ließ nicht lange auf sich warten. Schon bald bewies Gödel die zweite Hälfte seines Unvollständigkeitssatzes. Wenn ein gegebenes System von Axiomen für die Arithmetik tatsächlich widerspruchsfrei ist, ist dieses nicht durch das System selbst zu beweisen. Anders ausgedrückt: Nur ein in sich widersprüchliches formales System ver¬mag seine eigene Widerspruchslosigkeit zu beweisen.

Der Unvollständigkeitssatz sandte eine Schockwelle durch die Welt der Mathematik. Das von Euklid eingeführte, zweitausend Jahre alte Ideal der Axiomatisierung – das Musterbeispiel für systematisierte Vernunft – lag in Trümmern. Gödel hatte gezeigt, dass es in jedem beliebigen formalen System in Anbetracht der Beschränkungen, die auf die-sem System lasten, stets eine Formel gibt, die sich, obwohl sie anschaulich wahr ist, in-nerhalb des Systems oder in Bezug darauf nicht beweisen lässt.

Gödel berichtete als erstem Rudolf Carnap von seiner folgenschweren Entdeckung. Al-lerdings konnte dieser deren Bedeutung nicht abschätzen. Noch auf einer Tagung ein paar Tage später fuhr Carnap fort, in guter positi-vistischer Manier Widerspruchsfreiheit als Prüfstein aller formal-mathematischen Theo-
rien zu postulieren. Von Neumann war der einzige, der die Tragweite der Entdeckung sofort erfasste. Doch im Laufe der Zeit wür-digten die meisten Logiker und Mathemati-ker Gödels Leistung. Hilberts Programm wurde weitgehend aufgegeben. Gödel ge-langte in mathematischen und logischen Kreisen zu internationalem Ruhm. Die eigent¬liche Tragweite von Gödels Leistung lag Yourgrau zufolge freilich woanders.

Alonzo Church überlegte aufgrund des Be-weises von Gödel, ob es nicht möglich wäre, den intuitiven Begriff mit dem formalen zu erfassen. Er entwarf den Begriff der allge-meinen Rekursion bzw. den der Turing-Berechenbarkeit.

Gödel erhielt die Einladung, im Eröffnungs-semester 1933/34 als Gastwissenschaftler am Institute for Advanced Study in Princeton zu arbeiten. Allerdings musste er um diese Zeit auch damit beginnen, seine Arbeit gegen Missverständnisse der Kritiker zu verteidi-gen. Das hatte verheerende psychische Aus-wirkungen auf ihn. Denn Gödel hegte Zeit seines Lebens eine tiefe Abneigung gegen Dispute und Kontroversen. Auf die von ihm veröffentlichten Arbeiten wirkte sich dies nachteilig aus, waren sie doch mit Bedacht so formuliert, dass sie bei weitem nicht alles enthielten, was er wusste, sondern nur, was er gegen jeden Zweifel einwandfrei beweisen konnte. Mit dem Ruhm kamen außerdem nicht nur Freunde, sondern auch Feinde, und darauf war Gödel nicht vorbereitet. In diesen Jahren erlitt er seine ersten depressiven Schübe und zeigte ersten Kennzeichen jener Essstörung, die ihn letzten Endes das Leben kosten sollte. Verbürgt sind Aufenthalte in verschiedenen Sanatorien. Damit einher ging der Zerfall des von Gödel geliebten Wien: in Österreich kam es zum Anschluss, Schlick wurde ermordet, und ein enger Freund Gö-dels stürzte auf einer Bergtour zu Tode. Doch selbst als eine Putzfrau ihm eine Rech-nung vorlegte, unter der die Worte „Heil Hit-ler!“ standen, konnte sich Gödel nicht zur Auswanderung entschließen. Erst als er von einer Horde junger Nationalsozialisten, die ihn für einen Juden hielten, tätlich angegrif-fen wurde und er bei der Einberufung zur Wehrmacht als tauglich eingestuft wurde, bemühte er sich um eine Ausreise nach Ame-rika.

Gödel erhielt am Institute for Advanced Stu-dy in Princeton eine Anstellung und hier traf er auch auf einen anderen Aussiedler – Al-bert Einstein. Gödels schlechter psychischer Zustand besserte sich jedoch nicht. Er setzte alles daran, jeglichen „unnötigen“ sozialen und intellektuellen Austausch zu umgehen und um jeden Preis den physischen Kontakt mit anderen Menschen zu vermeiden. Er entwickelt die Überzeugung, dass aus seinem Kühlschrank und der Heizung „schlechte Luft“ und „Rauchgase“ austräten. Neben sei-ner Angst vor Gasen entwickelte er eine zu-nehmende Aversion gegen Kälte. Sogar im Sommer sah man seine verhärmte hagere Gestalt in einen Wintermantel gehüllt, mit Hut und Handschuhen.

Mit Einstein jedoch traf er sich allmorgend-lich zwischen zehn und elf Uhr, und die bei-den gingen zu Fuß ins Institut, ein Weg von etwa einer halben Stunde. Um ein oder zwei Uhr nachmittags machten sie sich gemein-sam auf dem Heimweg, wobei sie über Poli-tik, Philosophie und Physik diskutierten. Dieser Rhythmus verleiht Einsteins Äuße-rung, er gehe nur ins Büro um des Privilegs willen, mit Kurt Gödel den Heimweg anzu-treten, eine besondere Note (diese Spazier-gänge machten etwas 30% des Arbeitstages aus).

Beide betrachteten Bohrs und Heisenbergs Kopenhagener Deutung der Quantenmecha-nik mit Skepsis, und Gödel stand auch Ein-steins Bestrebungen, die Quantenmechanik mit der Relativität zu versöhnen, kritisch ge-genüber. Gödel seinerseits hatte sich auf eine intellektuelle Herausforderung versteift, die sich als ebenso unergründlich erweisen sollte wie Einsteins Suche nach einer einheitlichen Feldtheorie. Er beteiligte sich an der von Ge-org Cantor begonnenen Jagd nach der Kardi-nalzahl des Kontinuums, in einfachen Wor-ten: der Anzahl der Punkte auf einer Gera-den. Natürlich wusste jeder, dass die Zahl der Punkte auf einer echten Geraden unend-lich ist, doch nach Cantors epochaler Entde-ckung, dass die Unendlichkeit selbst in un-terschiedlichen Größen zu haben ist, begann die Jagd nach der exakten Beschreibung der Mächtigkeit dieser Unendlichkeit. Mitte der dreißiger, Anfang der vierziger Jahre konnte Gödel zeigen, dass die Kontinuumshypothe-se relativ zur Zermelo-Fraenkelschen Men-genlehre widerspruchsfrei ist, d.h. durch die-se nicht widerlegt wird.

Einsteins philosophische Einstellung war ei-ne Form des Realismus. Auch Gödel hing dem Realismus an, in der Physik und in sei-nen mathematischen Gefilden. Er glaubte, dass mathematische Objekte und Eigenschaf-ten objektiv und unabhängig vom Wissen des menschlichen Geistes um ihre Existenz exi¬stieren. Er war sich der Parallelen zwischen seiner Philosophie und der Einsteins durch-aus bewusst. In einer Schrift What is Can-tor’s Continuum Problem legte er seinen ma-thematischen Platonismus dar. Er entwickel-te in diesen Jahren starke philosophische Ambitionen. Vierzehn philosophische The-sen hielt er unter der Überschrift „My philo-sophical viewpoint“ in seinen Notizen fest. Darin schreibt er Begriffen ausdrücklich eine objektive Existenz zu und distanziert sich zugleich nachdrücklich vom Materialismus. Er geht aber noch weiter und erklärt, die Welt sei rational. Er glaubt an andere Welten und vernunftbegabte Wesen von „anderer und höherer Art“. Eine gültige Philosophie sollte sich in mehr oder minder axiomati-scher Weise – wenn auch nicht durch und durch formal – der fundamentalen Begriffe bedienen, die der Wirklichkeit zu Grunde liegen, und dazu gehörten seiner Meinung nach u. a. Vernunft, Ursache, Wesen, Zufall, Notwendigkeit, Wert und Gott. Gödel hatte den Wunsch, dereinst „für die Metaphysik dasselbe vollbringen zu können wie Newton für die Physik“.

Gödel und Einstein wiesen einmütig den Ge-danken Kants, dass die Gegenstände der Er-kenntnis nicht die Dinge „an sich“ sind, zu-rück. In einem nie veröffentlichten Aufsatz von 1961 stellte Gödel fest, „ich glaube, es ist eine allgemeine Eigenschaft vieler Kant-scher Behauptungen, dass sie wörtlich ver-standen falsch sind, aber in einem allgemei-neren Sinne tiefe Wahrheiten enthalten“. Da-bei bezog er sich auf Kants Behauptung, dass wir zur Ableitung geometrischer Theorien stets neue geometrische Intentionen benöti-gen. Das, stellte Gödel fest, sei nachweislich falsch. Ersetzt man jedoch „geometrisch“ durch „mathematisch“, kommen wir, so Gö-del, zu einem Ergebnis, das sich unmittelbar aus seinem Unvollständigkeitssatz ergibt. Was also zur kontinuierlichen Entwicklung der Mathematik notwendig wäre, „ist ein Verfahren oder eine Technik, welches in uns einen neuen Bewusstseinszustand hervor-bringen soll, in dem wir die von uns verwen-deten Grundbegriffe unseres Denkens detail-lieren oder andere bisher unbekannte Grund-begriffe erfassen“. Gödel sieht dieses Ver-fahren in der von Husserl begründeten Phä-nomenologie. „Husserls transzendentale Phä-nomenologie zuende geführt“, schrieb Gödel an den Mathematiker und Philosophen Gian-Carlo Rota, „wäre nicht mehr und nicht we-niger als Kants Kritik der reinen Vernunft umgesetzt in exakte Wissenschaft“, und böte, „weit davon entfernt, die traditionelle Meta-physik zu zerstören…eher eine solide Grund-lage für diese“. In Husserl glaubte Gödel eine Form des Idealismus gefunden zu ha-ben, die sich zwar von Kant herleitete, aber dem Realismus keineswegs unversöhnlich gegenübersteht.

Von P.A. Schilpp wurde Gödel gebeten, an dem Band Einstein der renommierten Reihe „Philosophen des 20. Jahrhunderts“ mitzuar-beiten. Gödel sagte einen Beitrag von drei bis fünf Seiten „Relativitätstheorie und Kant“ zu.

Zeit hielt Gödel auch nach oder trotz Ein-stein für die philosophische Frage. Es ist „je-nes rätselhafte und scheinbar in sich wider-spruchsvolle Etwas, das doch die Grundlage für die Existenz der Welt und unserer selbst bildet“. Gödel wollte in seinem Beitrag das Thema aus Einsteins Relativitätstheorie her-aus angehen. Wie bei seinem Unvollständig-keitssatz bestand die Absicht darin, formale
Ergebnisse mit beträchtlicher philosophi-scher Tragweite zu formulieren. Seine Frage war: Kann man in schlüssiger Weise beides – die Existenz von Zeit, verstanden im intuiti-ven Sinne – und die Wahrheit der Relativi-tätstheorie anerkennen? Gödel entwarf in seinem Beitrag nun ein Weltmodell für die Gleichungen der allgemeinen Relativität, dessen Geometrie so extrem war, dass die Zeitkomponente der Raumzeit-Struktur – ob-schon in relativistischer Hinsicht wider-spruchsfrei – vernünftigerweise nicht als Repräsentation der intuitiven Zeit gesehen werden kann. Dabei demonstrierte er, dass Zeitreisen mit der Relativitätstheorie verein-bar sind. Allerdings: Wenn Zeitreisen mög-lich sind, ist Zeit selbst unmöglich. Gödels Leistungen zur Zeit blieben im Unterschied zu denen auf dem Gebiet der Logik auch Ex-perten ein Rätsel und verblassten nach der ersten Aufregung ganz schnell.

1949 erhielt Gödel, von Einstein selbst über-reicht, den ersten Albert-Einstein-Preis. Nach dem Tode Einsteins und vieler seiner Kolle-gen, denen Gödel nahe stand, verfiel Gödel geistig und körperlich immer mehr. Er ent-wickelte eine Paranoia und behauptete, die Ärzte würden ihn belügen, und ihre Fachbü-cher seien schlecht geschrieben. Er aß immer weniger und starb am 11. Januar 1978 laut Diagnose an „Unterernährung und Entkräf-tung“ aufgrund einer Persönlichkeitsstörung.