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PHILOSOPHISCHE PRAXIS

Blogs in der Philosophie

Blogs in der Philosophie

Von Thorsten Thiel


Das Bloggen und die Debatte um das Internet

Das Internet verändert die Wissenschaft. Dieser Satz kann Feststellung und Drohung, Mantra und Hypothese sein. Als Prophezeiung ist er mittlerweile einige Dekaden alt und je nachdem, wen man fragt, hat sich entweder nichts oder alles geändert – und mal zum Guten, mal zum Schlechten.

Blogs und die Tätigkeit des Bloggens sind seit einigen Jahren ein essenzieller Bestandteil dieser Diskussion. In den frühen 2000ern wurden Blogs hochgeschrieben. Sie galten als die neue Form wissenschaftlichen Austauschs, noch schneller als Journals (oder gar Bücher), noch diskursiver als das gute alte Kaffeehaus. Kein größerer Antrag auf Forschungsgelder kam ohne das Versprechen auf ein angeschlossenes Blog-Projekt aus. Ein Spuk, der so schnell kam wie er wieder ging und von dem heute häufig nur noch ein verschämter Link auf veralteten Projektwebseiten zeugt. Die Karawane zog weiter, heute gilt der tweetende Wissen­schaftler als Avantgarde und spezialisierte Research-Portale versuchen sich an einer noch viel intensiveren Vernetzung einer als schwer modernisierbar geltenden Klientel.

Ohne den Hype aber und im Schatten der Fördergeldruinen entwickelte sich eine durchaus lebendige und mittlerweile konsolidierte Blogosphäre. In Deutschland nicht so groß wie in den USA, in den Sozial- und Geisteswissenschaften nicht so groß wie in den Naturwissenschaften, aber immerhin. Von dieser soll im Folgenden die Rede sein und dies aus drei Blickwinkeln: Zunächst will ich eine allgemeine Einordnung von Blogs und ihrer Bedeutung vornehmen; sodann eine kleine Safari durch die (philosophische) Blogosphäre anbieten. Abschließend noch einige konkrete Tipps geben, wie man das Bloggen anfängt – und wichtiger noch: beibehält.

Zwei qualifizierende Vorbemerkungen: Zum einen sind diese Ausführungen als Anmerkungen von der Seitenlinie zu verstehen. Ich bin Politikwissenschaftler, kein Philosoph und bewege mich eher in sozial- als in geisteswissenschaftlichen Zirkeln. Zu behaupten, dass ich die philosophische Blogszene – jenseits vielleicht der Schnittstelle von Politischer Theorie und Philosophie – kenne, wäre vermessen. Mir geht es daher auch nicht um Vollständigkeit des Überblicks oder darum der Disziplin in ihrer Breite gerecht zu werden. Stattdessen werde ich einige Kategorisierungen anbieten und diese entlang von Beispielen vorstellen, die mich überzeugen. Zum anderen bin ich als aktiver Blogger – ich bin einer der Gründer und Mitherausgeber (in Ermangelung eines passenderen Worts) von theorieblog.de – und daher keineswegs neutral. Dieser Artikel soll werben und zur Diskussion anregen, er soll unterhalten und eventuell auch ein bisschen provozieren – insofern wäre er (hoffentlich) auch ein guter Blogbeitrag.Kritik der bloggenden Vernunft: Wird das Internet die Wissenschaft retten?

Das Bloggen und die Wissenschaft

Zunächst bedarf es einer Einordnung des Bloggens in die schon angeschnittene Debatte um das Internet und die Veränderung der Wissenschaft. Zwei Seiten stehen sich in der Diskussion unversöhnlich gegenüber:

Die eine betont, dass Wissenschaft sich den technischen Möglichkeiten anpassen müsse, um produktiv und gesellschaftlich relevant zu bleiben. Man solle die Chancen sehen und mit der Zeit gehen. So wird eine Umstellung auf kooperative Arbeitsweisen propagiert (in den Naturwissenschaften sicher mit sehr viel mehr Recht als in den Sozial- oder gar Geisteswissenschaften), es wird zur Beschleunigung von Publikationszyklen geraten, da so eine viel größere Aktualität und Beratungskompetenz wissenschaftlicher Publikationen erreicht werden könnte. Es wird versprochen, Statushierarchien zu schleifen und horizontale Netzwerke zu etablieren. Langfristig soll dies alles im Auszug aus dem Elfenbeinturm kulminieren.

Dem entgegen stehen die Verteidiger des Elfenbeinturms: Sie betonen, dass Wissenschaft anderen Prinzipien gehorcht und gehorchen sollte. Sie beklagen die fehlende Qualitätskontrolle in der wuchernden Publikationslandschaft, verweisen auf die Risiken von Überwachung und Selbstzensur und kritisieren die wissenschaftsferne Überlastung mit dem Pflegen digitaler Profile. Im manipulativen Aufmerksamkeitsstreben und der fehlenden Tiefe, die das Medium induziere, sehen sie dessen fehlende Nachhaltigkeit begründet. Nachwuchswissenschaftler, die sich trotzdem in Online-Welten umtun, werden gewarnt, dass für die Karriere letztlich nur 'echte' Publikationen zählen. Die Wissenschaft wird folglich als unabhängig vom Medienwandel gesehen; wer sich dem Firlefanz verschreibe, werde mit ihm untergehen.

Besonders gerne stehen sich die beiden Seiten im Feuilleton oder auf den Wissenschaftsseiten großer Tageszeitungen gegenüber. Jedes akademische Netzthema – von Open Access bis hin zu MOOCs oder eben Blogs – wird für die immergleiche Aufführung des apokalyptischen Kampfs von Fortschritt gegen Tradition genutzt. Erfrischend ist das schon lange nicht mehr, und auch nicht sonderlich erkenntnisreich. Wer denkt, dass Blogs – um das Thema nun wieder zu fokussieren – die Wissenschaft retten, hat nicht lange nachgedacht, wer auf die umgekehrte Hypothese setzt, ebenso wenig.

Was sind Blogs?

Zunächst daher ganz basal: Was sind Blogs? Blogs sind öffentlich zugängliche Internetseiten, die regelmäßig aktualisiert und von einer oder mehreren Personen betrieben werden. Blogs verfügen über eine sehr einfache, wenig verzweigte Seitenstruktur, sie sammeln Einträge zumeist in chronologischer Weise (optional meist noch einer Kategorienstruktur) und die Beiträge sind im Allgemeinen kurz (von einigen Zeilen bis hin zu kleineren Aufsätzen). Die meisten Blogs verlinken sehr aktiv andere Beiträge, viele bieten eine Kommentarfunktion unter jedem Artikel. Technisch sind Blogs anspruchslos, weswegen eine Vielzahl von Plattformen und Tools existieren, die es einem jeden erlauben in wenigen Handgriffen einen eigenen Blog zu erstellen und zu betreiben. In Blogs dominiert die Schriftform, mit Podcasts wie Hinterfragt – Der Ethik Pod-cast  http://www.ethik.uzh.ch/ hinterfragt.html und VLog (Videoblogs, z.B. Bloggingsheads http://bloggingheads.tv/) gibt es jedoch verwandte Formate in anderer medialer Form.

Was aber macht Blogs aus? Wo liegt ihr Nutzen für die Wissenschaft? Wo deren Grenzen? Ich möchte hier zunächst vier Thesen aufstellen:

● Blogs besetzen eine eigenständige Nische: Weder werden sie Wissenschafts­jour­nalismus ersetzen noch die wissenschaftliche Publikationskultur ablö­sen.

Wer Blogs als Konkurrenz zu wissenschaftlichen Artikeln stilisiert (und ihnen sodann fehlende Qualitätssicherung entgegenhält), sieht nicht, dass Blogs anders sind und anderes wollen. Blogs suchen gar nicht die geschlossene Form. In ihnen kann ein Argument ausprobiert werden, sie sind ein Ort für den Schnellschuss, der das bewusst subjektive und unfertige unterstreicht. Ein Blogartikel fordert Kritik heraus und bietet ihr direkt den Ort zur Diskussion. Blogs sind auch nicht Do-it-yourself-Wissenschaftsjournalismus. Zwar können sie für eine breitere Öffentlichkeit geschrieben sein, aber ihr vorläufiger, stark interaktiver Charakter macht sie primär nicht zu einem Erklärmedium, sondern zu einem Ort des Austauschs, der am ehesten noch mit Konferenzen zu vergleichen ist.

● Blogs bieten die Möglichkeit, sich im Publizieren zu üben und gleichzeitig Sichtbarkeit für die eigene Forschung zu erreichen. Die institutionelle Anerkennung folgt der digitalen Praxis. Gerade der wissenschaftliche Nachwuchs kann daher vom Bloggen profitieren.

Wer bloggt, schreibt und wird gelesen. Man schärft Argumente, diskutiert und partizipiert. So trainieren Blogs den eigenen Stil und lehren die Auseinandersetzung. Bloggen kann ein jeder, Rezeption aber ist eine Folge von Qualität, Witz und langem Atem. Ein einzelner Blogbeitrag ist daher nicht lebenslauffähig, aber in einer Wissenschaftslandschaft, die mehr als genug unsichtbare, aber diamantenharte Glasdecken pflegt, stellen Blogs eine Chance auf Befreiung dar. Zu bloggen kostet kaum Ressourcen und beruht nicht auf vorhandener Autorität, Reputation bildet sich durch steten Einsatz im Diskurs.

● Wissenschaftliche Blogs können auch bei geringer Reichweite und wenigen Kommentaren erfolgreich sein.

Wissenschaftliche Blogger schreiben für die Nische und wer bloggt, braucht weder Hilfskräfte noch Materialeinsatz. So müssen Blogs nicht auf Popularität schielen oder sich anbiedern. Das Blog stammt vom Tagebuch ab und manch kleiner Blog nimmt Aufmerksamkeit zwar gerne an, hat aber bereits seinen Zweck erfüllt, wenn der eigene Gedanke formuliert und vor einer zumindest potentiellen Öffentlichkeit publiziert wurde.

● Blogs dienen dem disziplinären und interdisziplinären Dialog.

Gerade in Zeiten immer weiterer Ausdifferenzierung bieten sie daher die Möglichkeit, den Fachdiskurs im Gang zu halten, dessen Vielfalt erlebbar und auch jenseits der Disziplin nachvollziehbar zu machen. Anders als Zeitschriften und Kongresse sind Blogs dabei sich permanent aktualisierende Instanzen und vermitteln so das Gefühl kontinuierlichen Austauschs.

Alle vier Thesen laufen also darauf hinaus, Blogs wegen ihrer Eigenständigkeit und Niedrigschwelligkeit zu schätzen. Blogs sind kein Allheilmittel, sie verdrängen keine etablierten Formate und erfordern nicht, dass man die Wissenschaft als Ganzes umkrempelt. Was sie jedoch schaffen, ist, dass sie für ganz spezielle Aufgaben (insbesondere die Kommunikation innerhalb einer Disziplin und mit einer weiteren Öffentlichkeit) und Statusgruppen (insbesondere dem wissenschaftlichen Nachwuchs) eine Bereicherung etablierter Strukturen erlauben.

Die fröhliche Wissenschaft: Safari in der Blogsphäre

Zwar ist das Lesen von Blogs keine Kunst, doch gerade der Vielleser hat einige Tools zur Hand, um dem Wildwuchs der Blogosphäre (und ihren uneinheitlichen Aktualisierungszyklen) gerecht zu werden. Blogs sind Webseiten, sie werden daher im Regelfall im Browser gelesen. Meist steuert man direkt den Blog über die URL an, mancher setzt sich ein Lesezeichen oder kommt über eine Suchmaschine (bzw. Links aus den sozialen Netzwerken). Je mehr Blogs man interessant findet, desto unwahr­scheinlicher, dass man es schafft, diese regelmäßig zu besuchen und auf aktuelle Beiträge zu prüfen. Abhilfe schaffen sogenannte Feedreader (z.B. Feedly, http://www.feedly.com. Nahezu jeder Blog offeriert seine Beiträge im RSS-Format, welche man dort abonnieren kann. So erhält man alle neuen Einträge aller relevanten Blogs an einer Stelle und vorsortiert. Das hilft den Überblick zu behalten, wichtige Artikel für den Offline-Gebrauch zu speichern oder an anderer Stelle zu teilen (nützlich in dieser Hinsicht und generell für das Lesen langer Internetartikel sind zudem Tools wie Pocket (https://getpocket.com) oder Instapaper (http://www.insta­paper. com). Ein anderer Weg up to date zu bleiben: Die meisten Blogs haben eine Twitter- und/oder Facebook-Präsenz. Auch dort kann man bequem den Überblick behalten, ohne weitere Webpräsenzen in sein Surfverhalten eintrainieren zu müssen. Schließlich lassen sich viele Blogs auch via E-Mail abonnieren, ein neuer Beitrag landet dann einfach in der Mailbox.

Damit aber nun auf in die Blogosphäre: Welche Blogs begegnen uns dort, was zeichnet sie aus? Es ist zwar weder trennscharf noch umfassend, aber ein guter Weg, einen Überblick zu gewinnen ist es, Blogs danach zu sortieren, welcher Funktion sie (primär) dienen: der Forschung, dem Außenauftritt, der Lehre oder der Wissen­schaftskommunikation.

Ali Arbia  unterscheidet in einem Debattenartikel zu Blogs in der Subdisziplin Internationaler Beziehungen in einer ähnlichen Weise zwischen Blogs als didaktischem Hilfsmittel, Blogs, die dem disziplineninternem Austausch, der Kommunikation in die Öffentlichkeit oder der Kommunikation mit der Politik dienen (Arbia 2014). Daniel Voelsen und Cord Schmelzle (Schmelzle/Voelsen 2010) haben für die Politische Theorie vorgeschlagen, zwischen feuilletonistischen Blogs, persönlichen Blogs und Dienstleistungsblogs zu unterscheiden.

Auf Forschung spezialisierte Blogs

Blogs, die sich auf Forschung konzentrieren, suchen den frühzeitigen Austausch von Thesen und fordern zur kritischen Kommentierung von Ideen oder Ergebnissen auf. Solche Blogs versuchen nicht eine weite Öffentlichkeit zu erreichen, sondern zielen auf eine relativ klar umgrenzte Community. Sie verwenden deren spezialisierten Jargon und setzen eine intime Diskurskenntnis voraus.

Viele solcher Blogs werden von Einzelwissenschaftlern geschrieben. Sie sind dann meist ein Spiegel der Forscherpersönlichkeit und von dessen Erkenntnisinteressen. Beispiele sind Think Tonk (http://claytonlittlejohn.blogspot.de/), Flickers of Freedom (http://philosophycom-mons.typepad.com/flickers_of_freedom/), für Deutschland: Philoblog (http://philoblog.de). Einzelblogger, die sich nicht einfach irgendwo im Internet zu Wort melden wollen, schließen sich zudem häufig wissenschaftlichen Blogportalen an. In Deutschland sind in erster Linie SciLogs (http://www.scilogs.de/), ScienceBlogs (http://scienceblogs.de/)  und Hypotheses (http://de.hypotheses.org/), wobei für alle drei gilt, dass dezidiert diszplinär philosophische Blogs sehr selten sind (Philosophie – Phisolophie http://philophiso.hypotheses.org/).

In der Philosophie weit beliebter als der Einzelauftritt sind Gruppenblogs. Diese werden eher als Plattform wahrgenommen denn als Ego-Nummer, was mehr Wissenschaftlichkeit durch eine gewisse Peer-Kontrolle zu implizieren scheint. Gruppenblogs können direkt von Institutionen betrieben werden (so etwa das Blog "Menschenwürde" http://blogs.philoso-phie.ch/menschenwuerde/, das vom Schwei-zer Philosophieportal betrieben wird), noch häufiger aber handelt es sich um lose, thematisch indizierte Zusammenschlüsse, in denen ein besonderer Fokus auf Teilfragen das verbindende Element darstellt. Beispiele hier sind die Blogs Justice Everywhere (http://justice-everywhere.blogspot.de) oder Bleeding Heart Libertarians. (http://bleeding-heartlibertarians.com/)

Es ist dabei oft, aber bei weitem nicht immer das Unfertige, Experimentelle, was in Forschungsblogs diskutiert wird. Ebenso beliebt ist es, Blogs als Diskussionsforen für Publiziertes zu benutzen. Etwa, wenn Lesezirkel zu Büchern eingerichtet werden oder Author-meets-Critics-Formate für Zeitschriftenartikel angeboten werden. So organisiert PEA Soup (http://peasoup. typepad.com/) etwa regelmäßig Debatten zu Artikeln der Zeitschrift Ethics und der Theorieblog (http://www.theorieblog.de/) hat ein ähnliches Format mit der Zeitschrift für Politische Theorie etabliert.

An die breite Öffentlichkeit adressierte Blogs

Während Forschungsblogs ihren Schwerpunkt in der disziplinären Diskussion haben, gibt es daneben auch solche Blogs, die sich nach außen, sprich: an die interessierte Öffentlichkeit richten. Hier wird versucht aktuelle Forschungskontroversen zu übersetzen, die Relevanz philosophischer Fragestellungen herauszustreichen oder bestimmte Sichtweise zu popularisieren. Das Schreiben ähnelt eher dem Feuilleton als dem Konferenzmodus. Es ist weniger hermetisch und mehr erklärend als fragend. Viele der Blogs, die sich an die interessierte Öffentlichkeit richten, halten auch auf diese Weise Kontakt und Austausch mit dem jeweils beforschten empirischen Feld.  Ein Beispiel für ein sehr populäres und stets anregendes Blog ist The Stone (http://opinionator.blogs.nytimes.com
/category/the-stone/),
welches Simon Critchley für die NY Times zusammenstellt. Insgesamt sind solche Blogs in der Philosophie im Vergleich zu anderen Disziplinen aber sehr selten, was schon deswegen überraschend ist, weil kommerzielle Printalternativen wie die Zeitschriften Hohe Luft oder Philosophie Magazin zeigen, dass Nachfrage vorhanden wäre.

Blogs in der Lehre

Wer Blogs in der Lehre einsetzt, will damit zumeist ein Seminar ins Gespräch miteinander bringen. Das kann heißen, dass kollaboratives Schreiben eingeübt wird oder ein virtueller Raum bereitgestellt werden soll, in dem das Seminar über die Sitzungen oder gar über das Semester hinaus existiert. Blogs in der Lehre sind allerdings ein relativ selten genutztes Mittel. Ein Überangebot an Tools zum kollaborativen Arbeiten mag eine Ursache dafür sein, eine andere dürfte der öffentliche Charakter von Blogs sein, der Studenten wie Dozenten zumindest potentiell abschreckt. Nicht direkt seminarbezogen, aber ein Zeichen dafür, dass Blogs von Studenten nicht nur gelesen werden, sondern auch als Chance erkannt werden, sind studentische Blogs. Für die Philosophie etwa der Blog Dunkelraum (http:// www.dunkelraum.de/) oder die AG Politische Theorie(http://www.agpolitischetheorie.de/wordpress/).

Blogs zur internen Kommunikation

Viertens gibt es schließlich noch Blogs in denen (meist neben inhaltlichen Diskussionen), der Koordination und internen Kommunikation eines Forschungsfelds großer Raum eingeräumt wird. Dies ist der Bereich, wo wissenschaftliche Blogs derzeit wohl am meisten Wirkung haben. Blogs konkurrieren hier zwar mit anderen Formaten wie Mailinglisten (gegen die jedoch spricht, dass sie – gerade wenn unmoderiert – den Posteingang verstopfen), Gruppen in sozialen Netzwerken (die weniger invasiv als Mailinglisten sind, jedoch Mitgliedschaften bei den Facebooks und Twitters dieser Welt voraussetzen) oder spezialisiertere Angebote, wie etwa der disziplinäre Veranstaltungs­kalender PhilEvents (http://philevents.org/) Alle diese Formate können Funktionalitäten von Blogs ersetzen, diese aber haben den Vorteil variabler und responsiver zu sein. Welches Format wo genutzt wird, hängt allerdings ohnehin weniger von den theoretischen Vor- und Nachteilen ab, sondern eher an den Routinen eines Forschungszusammenhangs.

In der Philosophie gibt es eine lange Tradition von solchen ‚Serviceblogs‘. Sie transportieren Nachrichten, geben Lektüreempfehlungen, verbreiten Calls und Ausschreibungen und führen Metadebatten zur Entwicklung der Disziplin. Meist werden diese Blogs von großen Gruppen betrieben und zu den bekanntesten Beispielen gehören: NewAPPS  (http:// www.newappsblog.com/) DailyNous
(http://dailynous.com/), Ethics ETC (http://ethics-etc.com/),  Public Reason (http://publicreason.net/), Habermas-Rawls-Blog (habermas-rawls.blogspot.de) - sowie im deutschen Feld der Theorieblog (www.theorieblog.de). Manchmal geht es auch weniger um Nachrichten als um den talk of the town, so etwa bei Leiter Reports  (leiterreports.typepad.com)/oder The Philosophy Smoker (http://philosophysmoker. blogspot.de/)  Und eine ganz besondere (und leider sehr notwendige) Untergruppe stellen disziplinenkritische Blogs dar wie etwa „What is it like to be a woman in philosophy“(http://feministphilosophers.wordpress.com).

Dies soll fürs einen ersten Überblick genügen, wenn es auch noch lange nicht alles war. Wer noch ganz viel mehr entdecken will, sei auf die Blogrolls verwiesen, den die allermeisten Blogs pflegen und in denen auf befreundete und thematisch verwandte Blogs verwiesen wird. Eine umfangreiche Linkliste über philosophische Blogs zudem hier: http://consc.net/weblogs.html. Der Rundumschlag aber zeigt, dass die (politikphilosophische) Blogosphäre reich und divers ist. In ihr existiert gerade für innerdisziplinäre Kommunikation und Forschung eine Vielzahl etablierter und über die Statusgruppen hinweg viel frequentierter Angebote. Blogs werden dabei ganz überwiegend von Vertretern des akademischen Mittelbaus betrieben, die sich mittels dieser um Aufmerksamkeit und Austausch bemühen. In der Philosophie fehlt es hingegen auffällig an Promiblogs (wie etwa der NYTimes Blog von Paul Krugman für die Ökonomie). Auch das Potential für Blogs auf der studentischen Ebene und bezüglich erklärender Blogs scheint nicht ausgeschöpft.

Augenfällig ist schließlich auch, dass sich ein großer digitaler Graben zwischen der agilen angloamerikanischen Blogcommunity und der eher abgelegenen deutschsprachigen Provinz auftut. Die Ursache hierfür dürfte zunächst in der Hegemonie der amerikanischen Wissenschaftslandschaft zu suchen sein. Strukturelle Eigenheiten (z.B. die große Bedeutung, die in amerikanischen Blogs der Diskussion des jobmarket zukommt) sind ein weiterer Erklärungsfaktor. Und schließlich wird auch eine Rolle spielen, dass in der stratifizierten deutschen Wissenschaftslandschaft wichtig bleibt, dass man 'wissenschaftlich' bleibt. Das heißt, dass man sich erst meldet, wenn man wirklich etwas fertig gedacht, Fußnoten gepflegt und seinen Humor unterdrückt hat.

How To Do Things With Blogs

Wenn dem aber so ist und man das Argument dieses Artikels pro Blogs zumindest ansatzweise überzeugend findet, was lässt sich tun? Einen Blog gründen oder bei einem Blog mitschreiben. Beides ist nicht schwierig; daher statt eines Schlusswortes hier noch ein paar Tipps, die beim Schreiben und Organisieren eines Blogs helfen sollen.

Wer einen Blogbeitrag verfasst, sollte zunächst im Kopf behalten, dass Stil wichtig, doch das Internet nicht aus Papier ist. Ausnahmen bestätigen die Regel, doch der kunstvoll gedrechselte Satz, der präzise seinen Punkt nicht nur macht, sondern auch noch belegt und einordnet, ist im Internet oft zu lang. Konkurriert er doch mit kurzen Sätzen, Bildern, Katzenvideos und drei anderen geöffneten Tabs. Mehr noch gilt dies für die Textlänge: 1.000 Wörter und mehr bilden auf einer Webseite eine Textwüste (wer Raum für sein Argument braucht, sollte daher immer auch eine PDF anbieten, die ablenkungsfreieres Lesen ermöglicht). Ein konsequent durchdachter Gedanke, wenig Jargon und etwas Humor sind im Netz eigentlich immer die richtige Mischung. Auch sollte ein Artikel seine Struktur schon am Anfang offen legen, seine Ziele klar benennen und offensiv zur Diskussion auffordern, anstatt die eigenen Argumente zu immunisieren. Dazu gehört auch, dass Links der tiefere Sinn des Internets (und das richtige Surrogat für Fußnoten sind). Niemand ist in diesem eine Insel und wenn ein Link auch manchen Leser vom Text weg lotsen und auf eine Odyssee schicken mag, so ist das durch Links forcierte assoziative Lesen doch ein wichtiger und richtiger Unterschied zwischen Büchern und Webseiten. Das mag nicht jeder und es ist nicht für jeden Gedanken angemessen, aber an seinem Ort und für seine Zwecke funktioniert es. Für den der schreibt aber vielleicht die wichtigste Regel: Nur ein geschriebener Blogbeitrag ist ein guter Blogbeitrag. Und daher sollte man sich klare Vorgaben für die Zeit zwischen Idee und Beitrag setzen (etwa 24 oder 48 Stunden). Auch dies trainiert und hat gerade für den Langzeitarbeiter im Bergwerk Dissertation/Habilitation eine durchaus befreiende Wirkung.

Bloggen ist zwar (anfangs) schwer, erfordert Mut und kostet Zeit, doch ist dies so, weil Bloggen ungewohnt ist, man sich präsentiert und es ungemein vielseitig ist. Die Form verringert aber auch die Fallhöhe: wo sonst kann man in der Profession schon einmal einfach so einen Gedanken riskieren und zum Austausch stellen. Auf lange Sicht zahlt sich Bloggen und das (durchaus beträchtliche) commitment, welches es erfordert, aber aus. Nicht nur erhält man Aufmerksamkeit und wird in interessante Diskussionen verwickelt, sondern man tut auch viel fürs eigene Denken und Schreiben. Bloggen wird so nicht die Wissenschaft verändern, doch hat es einen Mehrwert in der etablierten Strukturen – und die vielen Gemeinsamkeiten der alten philosophischen Ideale von Denken und Diskussion zur Auseinandersetzung via Blog kommt auch nicht von ungefähr.

Literatur

Arbia, Ali 2014: Die Republik der Gelehrten 2.0, in: Zeitschrift für Internationale Beziehungen 21: 1, S. 109-127.

Schmelzle, Cord/Voelsen, Daniel 2010: Theorie in Blogsatz. Ein Streifzug durch die Weblogs unserer Disziplin, in: Zeitschrift für Politische Theorie 1: 1, S. 131-135.

 

UNSER AUTOR:

Thorsten Thiel ist promovierter Politikwissenschaftler, Koordinator des Leibniz-Forschungsverbunds „Krisen einer globalisierten Welt, assoziierter Mitarbeiter des Exzellenclusters „Die Herausbildung Normativer Ordnungen“ an der Universität Frankfurt und einer der Initiatoren des Blogs www.theorieblog.