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Reinhold

 

 

REINHOLD

 

Beiträge zur Berichtigung bisheriger Mißverständnisse der Philosophen

 

Nachdem Karl Leonhard Reinhold seinen Versuch einer neuen Theorie des menschlichen Vorstellungsvermögens 1789 veröffentlicht hatte, dachte er daran, eine Zeitschrift namens Beyträge zur Berichtigung bisheriger Missverständnisse  herauszugeben, in der er auf die Einwände antworten wollte, die von verschiedenen Seiten an ihn gerichtet worden waren. Diese Absicht änderte aber bald, und Reinhold teilte den Subskribenten im Juli 1790 mit, dass er die Form eines Buches derjenigen eines Journals vorziehe. Dieses Buch soll einen „neuen und zusammenhängenden“ Versuch über die Elementarphilosophie darstellen und deshalb sei die ursprünglich geplante Form „unzusammenhängender, und von Zeit zu Zeit veranlaßter Aufsätze“ ungeignet.

 

Faustino Fabianelli hat den ersten Band dieser „Beyträge“ im Rahmen der „Philosophischen Bibliothek“ ediert und mit einer Einleitung und Anmerkungen versehen:

 

Reinhold, Karl Leonhard: Betriäge zur Berichtigung bisheriger Mißverständnisse der Philosophen.Erster Band, das Fundament der Elementarphilosophie betreffend. 452 S., Ln., 2003, Eur....., Philosophische Bibliothek Band 55a, Meiner, Hamburg

 

 

 

 

 

 

 

Wie Fabianelli in seiner Einleitung ausführt, sieht Reinhold den Hauptfehler aller bisherigen, selbst der kritischen Philosophie, im „Mangel eines allgemeingeltenden Princips“. Eines der wesentliche Missverständnisse, durch

welche die Philosophen bislang abgehalten wurden, sich über ein solches Prinzip zu einigen, sei „die Verwechslung allgemeingeltender Gründe mit allgemein geltenden Grundsätzen“. Reinhold hofft auf einen Frieden in der Philosophie, wenn sich die Philosophen auf einen allgemein geltenden Grundsatz einigen und auf ihre unwichtigen Verschiedenheiten verzichten. Denn der Grund der Streitigkeiten in der Philosophie liegt ihm zufolge nicht im Wesen der Philosophie, sondern „in dem Mangel an allgemeingeltenden Principien“.

 

In den „Beyträgen“ geht es nun nicht mehr wie im „Versuch“ darum, eine völlig neue Theorie aufzustellen, sondern vielmehr darum, sie zu rechtfertigen und gegen die Einwendungen und Mißverständnisse, die ihr begegnet sind, zu verteidigen. Der von Fabbianelli herausgegebene Band beinhaltet sechs Abhandlungen, zwei Rezensionen des Versuchs, auf die Reinhold anschliessend antwortet sowie drei Texte, die die Auseinandersetzung zwischen Heydenreich und Reinhold dokumentieren.

 

Die von Reinhold angewendete Verteidigungsstrategie besteht darin, eine Definition der Philosophie als die „Wissenschaft desjenigen, was durch das blosse Vorstellungs-Vermögen bestimmt ist“, einzuführen. Dies soll es ermöglichen, Philosophie als strenge Wissenschaft zu betrachten und die bisherigen Missverständnisse zu beseitigen. Zuerst widerlegt Reinhold jedoch in der ersten Abhandlung Definitionen der Philosophie, die von einigen Hauptvertretern verschiedener Ansätze - empirischer Art wie bei Feder oder

 

 

 

rationalistischer Art wie bei Platner oder Baumgarten - vorgeschlagen worden waren. In der vierten Abhandlung geht er die heikle Frage nach dem Verhältnis zwischen seiner Elementarphilosophie und der Kantischen Kritik nach und diskutiert, inwiefern Kants Philosophie ungenügend sei. Seine Hauptthese lautet dabei: Alles was in der Kritik der reinen Vernunft als „Grund“ erscheint, muss

in der neuen Theorie als Folge angesehen werden: „Da sie den Begriff der Vorstellung überhaupt, folglich die Gattung, wirklich unbestimmt gelassen hat; so hat sie insoferne auch die Begriffe von sinnlicher Vorstellung, Begriff und Idee in Rücksicht auf dasjenige, wodurch sie zu blossen Vorstellungen werden, und was sie zu Arten Einer Gattung macht, unbestimmt lassen müssen; und ungeachtet sie daher die vollständigen Materialien zu einer Theorie der Sinnlichkeit, des Verstandes und der Vernunft geliefert hat, so hat sie dch keineswegs diese Theorien selbst geliefert, die nur als Theorien der Arten von der Theorie der Gattung unzertrennlich aufgestellt werden können“.

 

Reinhold stellt erstmals das Konzept einer „Philosophie der Philosophie“ bzw. „Wissenschaft der Wissenschaften“ vor - ein Konzept, das innerhalb der klassischen deutschen Philosophie weiter entwickelt werden wird. Diese Elementarphilosophie muss sich auf die Untersuchung und Entwicklung desjenigen beschränken, „was ursprünglich und unmittelbar im blossen Bewusstsein jedes Menschen bestimmt ist.“ Sie besteht insbesondere in der Deduktion aller ursprünglichen Formen des Bewusstsein als „dem ersten allgemeingeltenden Grund“. Soweit man zeigen kann, dass solche Formen den verschiedenen Wissenschaften zugrunde liegen, wird es auch möglich zu behaupten, dass die Elementarphilosophie eine „Philosophia prima“ darstellt. Elementarphilosophie und Theorie des Vorstellungsvermögens sind danach ein und dasselbe, da die erste sich nur mit den ursprünglichen Formen der Vorstellungen befasst, andererseits aber - und zwar dann, wenn man mit

 

 

 

„Theorie der Vorstellungsvermögen“ die im Versuch dargestellten Inhalte bezeichnet - voneinander verschieden, weil jetzt der erste Grundsatz aus dem diese Formen abgeleitet werden, der des Bewusstseins ist.  Dieser Satz des Bewusstseins, das allgemeine Prinzip, der zu Kern der neuen Theorie geworden ist, drückt ein Faktum, eine Tatsache, nämlich die des Bewusstseins aus.