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Familienarbeit | |
Der Wert der Familienarbeit Auch heute noch gilt Kindererziehung und mit ihr all das, was traditionellerweise Frauen zu Hause für ihre Angehörigen tun, nicht als ökonomische Arbeit. Weder wird es entlohnt, noch taucht es in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung auf. In ihrer Arbeit Krebs, Angelika: Arbeit und Liebe. Die philosophischen Grundlagen sozialer Gerechtigkeit. 324 S., kt., € 12.—, 2002, stw 1564, Suhrkamp, Frankfurt geht die in Basel lehrende Philosophin Angelika Krebs der Frage nach, ob diese Arbeit nicht doch ökonomische Arbeit darstelle und als solche Anerkennung verdiene. Es ist dies ein Thema, zu dem so gut wie keine philosophische Literatur besteht und das, wie Krebs schreibt, erst philosophisch salonfähig gemacht werden muss. Es geht dabei um die Frage nach der gerechten gesellschaftlichen oder ökonomischen Anerkennung von Tätigkeiten. Das Wort „Arbeit“ ist mehrdeutig; in diesem Kontext geht es um einen Arbeitsbegriff, der die menschlichen Tätigkeiten markiert, die gesellschaftlich-ökonomische Anerkennung verdienen. Krebs findet diesen Begriff, ihrem Lehrer Friedrich Kambartel folgend, in der Bestimmung, eine entsprechende Tätigkeit hänge davon ab, ob sie in die gesellschaftliche Aufgabenteilung, den gesellschaftlichen Leistungsaustausch eingelassen ist oder nicht (institutioneller Arbeitsbegriff). Die Stärke dieses Ansatzes liegt darin, dass er berücksichtigt, dass man einer Tätigkeit für sich genommen nicht ansehen kann, ob sie eine ökonomische Tätigkeit darstellt oder nicht. Eine Frau, die zu Hause einen Computer repariert, kann das einmal als Angestellte einer Computerfirma tun und ein anderes Mal als Privatfrau, die ihren eigenen Computer wieder flottmacht. Aber nur im ersten Fall liegt ökonomische Arbeit vor. Dieser Arbeitsbegriff macht es möglich, die Frage, ob Hausfrauenarbeit gesellschaftlich-ökonomische Anerkennung verdiene, überhaupt erst anzugehen. Natürlich ist Krebs der Meinung, diese Frage sei zu beantworten. Die Begründung dazu besteht in drei Schritten: Erstens ist es die Struktur gegenseitiger Abhängigkeit, der praktischen Angewiesenheit auf den Beitrag der anderen, die Anerkennungsprobleme aufwirft. Zweitens ist es so, dass ein jeder, der innerhalb einer solchen Anerkennungsstruktur etwas gibt, auch etwas bekommen sollte. Wer eine Leistung einbringt, sollte eine Gegenleistung erwarten können. Während man bei Kleingruppen wie Wohngemeinschaften, so der dritte Schritt, noch über Gespräche und Vereinbarungen dafür sorgen kann, dass sich Geben und Nehmen die Waage halten, ist dies bei Millionen von Menschen nicht mehr möglich. Hier sind abstraktere, ökonomische Mechanismen der Sicherung von Gegenseitigkeit, typischerweise Entlohnung, vonnöten. Eine Tätigkeit für andere liegt vor, wenn andere einen nicht-marginalen Nutzen aus ihr beziehen. Krebs nennt als Beispiele das tägliche Essenkochen der Hausfrau für ihren Mann oder des Berufskochs für die Gäste des Restaurants. Für die Frage, ob das Essenkochen eine Tätigkeit für andere ist, ist es dabei unerheblich, ob die Hausfrau oder der Berufskoch gerne kocht und ob der Mann bzw. der Restaurantbesucher das Essen nur benutzt, um seinen Hunger zu stillen oder es als Gourmet genießt. Tätigkeiten der Haus- und Familienarbeit sind so zweifellos Tätigkeiten für andere und fallen unter den institutionellen Arbeitsbegriff, auch wenn zweifellos bei der Familienarbeit auch Eigenarbeit (wie das eigene Zimmer aufräumen) anfällt. Auch ist Kinderarbeit Arbeit für andere, insofern Kinder öffentliche Güter und nicht teure Hobbys sind, denn jede Gesellschaft ist auf Kinder angewiesen, ist darauf angewiesen, dass Kinder geboren und erzogen werden. Eine Alternative zur ökonomischen Anerkennung von Fortpflanzungs- wie Pflegearbeit wäre die Gleichverteilung dieser Arbeit auf alle arbeitsfähigen Gesellschaftsmitglieder. Doch scheidet diese Alternative insofern aus, als sie ein Lebensformdiktat enthält, das mit moralischem Respekt vor der Autonomie und Besonderung von Menschen nicht vereinbar ist. Man sollte, so Krebs, Familie vielmehr als eine schützenswerte Option des guten menschlichen Lebens betrachten, die zusätzlich den Charakter einer gesellschaftlichen Arbeit hat. Sekundär ist für die Frage der gesellschaftlichen Anerkennung weiter, ob jemand diese Fürsorgeleistung aus Liebe erbringt. „Liebe“ im Sinn von „Fürsorge aus Liebe“ kann sehr wohl Arbeit sein. Liebe ist aber kein Garant für gute Fürsorge. Krebs unterscheidet bei „Familienarbeit“ zwischen der Arbeit am Partner („Partnerarbeit“) und der Arbeit am hilfsbedürftigen Alten und Kranken und am Kind („Familienarbeit im engeren Sinne“). Im zweiten Teil ihrer Arbeit greift Krebs auf die gegenwärtig populäre Kritik am Egalitarismus, der Auffassung also, dass Gerechtigkeit in der Schaffung gleicher Lebensaussichten für alle Menschen besteht, zurück. Der dritte Teil behandelt schließlich die Frage nach dem Verhältnis von Arbeit und Gerechtigkeit. Er geht von dem Problem der Arbeitslosigkeit aus mit der Gefahr der Spaltung der Gesellschaft mit einem ökonomisch gut gestellten und integriertem Teil und einem nur schlecht integriertem ohne Erwerbsarbeit auf der anderen Seite. Eine solche Spaltung kann man (philosophisch) auf zwei Arten angehen. Die eine sieht ein Recht auf Arbeit vor und hat so prominente Fürsprecher wie Michael Walzer, André Gorz, Judith Shklar, Friedrich Kambartel, Walter Pfannkuche, Alan Gewirth, Avishai Margalit und Ulrich Steinvorth. Die zweite Art sieht ein Recht auf ein Grundeinkommen, und sie wird von Günter Ropohl, Philippe Van Parjis, Claus Offe, Avishai Margalit, Peter Koller und neuerdings André Gorz befürwortet. Angelika Krebs reiht sich in die Befürworter des ersten Weges ein, allerdings ohne den zweiten Weg ganz auszuschließen. Und sie begründet dieses Recht auf Arbeit anerkennungstheoretisch. Einem Menschen, dem in einer Arbeitsgesellschaft die Arbeit verweigert wird, droht nicht nur die Zuweisung eines unteren Ranges, sondern der soziale Ausschluss. Da Menschen ihre Selbstachtung nicht völlig unabhängig von ihrer sozialen Umgebung aufbauen und erhalten können, geht mit sozialem Ausschluss oft ein Verlust an Selbstachtung einher. Es gibt gewisse elementare Bedingungen, ohne die ein menschenwürdiges Leben nicht möglich ist, und dazu gehört nach Krebs auch soziale Anerkennung als „einer von uns“. Es ist nun ein Grunderfordernis eines gerechten Staates, dass seine Institutionen allen ihnen unterworfenen Menschen den Zugang zu einer menschenwürdigen Gesellschaft effektiv garantieren. Dieses Grunderfordernis allgemeiner Gerechtigkeit hat Vorrang vor den Verteilungsprinzipien der besonderen Gerechtigkeit wie dem Verdienst- oder dem Tauschprinzip. Da soziale Zugehörigkeit auf der Liste der Bedingungen steht, die für ein menschenwürdiges Leben unabdingbar sind, dann ist für Arbeitsgesellschaften, in denen soziale Zugehörigkeit wesentlich vermittelt ist über die Teilnahme an Arbeit und an der monetären Anerkennung, die sie genießt, ein Recht auf bezahlte Arbeit moralisch gefordert. Das Menschenrecht auf soziale Zugehörigkeit nimmt in Arbeitsgesellschaften wesentlich die Form eines Rechtes auf Arbeit an. Krebs teilt - Michael Walzer folgend - das Recht der Anerkennung auf Arbeit in vier normative Grundlagen auf: 1. Garantie von Zugehörigkeit. In einer Gesellschaft, in der die Standardanerkennung von Arbeit monetärer Art ist, ergibt die Forderung nach Anerkennung von Arbeit die Forderung nach einem die menschenwürdige Existenz sichernden Minimallohn.
2. Die Anerkennung von Verdienst. Verlangt wird die Anerkennung von herausragenden Leistungen, heroischen Taten oder Opfern für die Allgemeinheit. Bei dieser Leistung handelt es sich nicht um Anerkennung im Sinne einer Gegenleistung, sondern um die Ehrung oder Hochachtung einer Person für das, was sie getan hat.
3. Das Tauschfreiheitsprinzip. Das Gut, welches der Markt verwirklichen kann, ist das Gut der Tauschfreiheit. Damit Tauschfreiheit herrscht, darf der Markt allerdings weder durch Not (Tauschgeschäfte aus Verzweiflung) noch durch Macht (z.B. die Macht der Kapitaleigner über die Arbeiter) verzerrt sein.
4. Kompensation von Härten: Harte Arbeit soll höher als normale oder angenehme Arbeit entlohnt werden. Mit diesem Buch schreibt Thomas Schramme in der Frankfurter Rundschau, sei Angelika Krebs ein überzeugendes Plädoyer für die ökonomische Aufwertung der Familienarbeit gelungen. Es sei eine Studie, so schreibt Elisabeth von Thadden in der Zeit, die nach der Ermüdung des Marxismus noch einmal neu das Recht auf Arbeit begründen wolle.
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