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DISKUSSION

Heidegger: Der Streit um das Gespräch mit Her­mann Heidegger über seinen Vater

 

 Der Streit um das Gespräch mit Her­mann Heidegger über seinen Vater

 Hermann Heidegger, der Sohn des Philoso­phen und Betreuer der Heidegger-Gesamt­ausgabe, hatte sich bisher kaum öffentlich über seinen Vater geäußert. Der 75jährige brach sein Schweigen gegenüber den Italie­nern Franco Volpi und Antono Gnoll, die das Gespräch in der italienischen Tages­zeitung La Repubblica veröffentlichten und in der der Sohn seinen Vater nicht nur verteidigt, sondern zum Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus hochstilisiert (siehe das Gespräch auf Seite 44 dieser Nummer).

Die insbesondere in Freiburg verbreitete Badische Zeitung druckte eine deutsche Fassung ohne jeden Kommentar anläßlich des 20. Todestag von Martin Heidegger. Darauf brach in den Leserbriefspalten dieser Zeitung ein Kontroverse los, die das ganze letzte Jahr über anhielt. Eine "unappetit- liche Geschichtsklitterei" werde da dem Leser vorgesetzt, die Italiener hätten sich mit ihrem unkritischem Interview einen Bä-ren aufbinden lassen, kritisierte ein Heinz Siebold aus Freiburg. Wenn die Bücher von Farias oder Ott den Interviewern nicht be­kannt seien, sei das zwar traurig genug, von einer Freiburger hingegen sollte man erwar­ten dürfen, in­formierter zu sein. Als Mit­glied einer Familie, deren Vater zur selben Zeit schwerster Schikane ausgesetzt gewe­sen war, pflichtet ihm ein Conrad Wilhem Mayer bei, sei dieses "lässige Bild" eine Zumutung.

 Ein anderer Leserbriefschreiber, Kilian Schenkel aus Offenburg, erinnert sich noch, wie Heideg­ger als Rektor den Stu­denten auf dem Frei­burger Flughafen bei der ersten Wehrsport­veranstaltung auf hohem Podest eine Rede hielt, wonach künftig Wehrdienst und Wehrsport gleichrangig neben dem Studium zu stehen hätten, und er zudem die Studie­renden aufforderte, der SA und der SS beizutreten, zumal diese Mitgliedschaf­ten auch bei den Examina an Bedeutung gewin­nen würden. Die Studenten damals, so Schenkel, hätten Heidegger für einen fanati­schen Nationalsozialisten gehalten. Curt

Ochwadt aus Hannover hingegen nahm Heidegger in Schutz: 1933 sei das heute beinahe verschwundene Wort "Füh­rer" noch nicht so negativ belastet gewesen. Zudem sei in der Rektoratsrede nicht von "Führer", sondern von "Führern" die Rede gewesen.

Im Juli nahm der Heidegger-Bio­graph Hugo Ott anläßlich der Verleihung des silbernen Stadtsiegels zu einem Punkt des Inter­views Stellung, zur Husserl-Trauerfeier. Hermann Heidegger sagte in dem Interview, sein Vater sei zum Zeitpunkt des Begräbnisses krank gewesen. Aber, so wendet Ott ein, Heidegger habe Husserl während dessen langer Krankheit kein einziges Mal besucht. Ott zitierte dabei den Naturwissenschaftler Hans Spemann, der an der Trauerfeier teilnahm und darüber schrieb: "Nur der eine fehlte, der nicht hätte fehlen dürfen, und der ihn noch bei seinem 70. Geburtstag in den Himmel gehoben hatte. 'Zu ängstlich' sagte ein Kollege mit nur verhohlener Verach­tung."

Nun schlug Hermann Heidegger am 5.9., wieder in der Badischen Zeitung, zurück: Otts Buch Martin Heidegger - unterwegs zu seiner Biogaphie - weise in seiner ersten Auflage insgesamt 163 zu beanstandende Fehler auf: 163 nicht genehmigte Nach­drucke, 64 sachliche Fehler, darunter nicht gekennzeichnete Auslassungen bei Zitaten, 21 fehlende Quellenangaben, 49 unwahre Aussagen sowie 22 verschwiegene Tat­sachen. Zudem habe er vom Deutschen Literaturarchiv in Marburg Hausverbot erhalten, da er aus noch gesperrten Briefen seines Vaters zitiert habe. Seine weltweite Bekanntheit verdanke Ott nur Martin Hei­degger, den er mit einer Haßliebe verfolge.

Ulrich Ott, Direktor des Deutschen Litera­turarchivs des Schiller-Nationalmuseum in Marbach korrigierte darauf am 12.9. den ansonsten so auf Genauigkeit Wert legenden Hermann Hei­degger, Hugo Ott hätte die Be­nutzungsordnung vorsätzlich verletzt und er, Ulrich Ott, habe sich deshalb ausbedingun­gen, bei Benutzungsanträgen Hugo Otts die Ent­scheidung vorzubehalten. Das sei aber keinesfalls ein "Hausverbot".

aus Heft 2/1997