PhilosophiePhilosophie

Die Technikphilosophie ist ein Teilgebiet der Philosophie, das sich mit dem Wesen der Technik und ihren gesellschaftlichen Auswirkungen auf den Menschen befasst. Technik wird dabei u.a. als angewandte Wissenschaft betrachtet; vergleiche: Werkzeuge.

Typische philosophische Fragen zur Technologie sind: Was ist Technologie? Welches Verhältnis besteht zwischen Technik und Natur? Welche Beziehung besteht zwischen Technologie und Mensch? Welche Beziehung sollte man zur Technologie haben? Auf welche Werte soll hierbei Wert gelegt werden? Wie soll man sich gegenüber der Technik verhalten? (Technikethik)

Die philosophische Erörterung von Fragen im Zusammenhang mit der Technik (oder ihrem griechischen Vorläufer techne) reicht bis in die Anfänge der abendländischen Philosophie zurück. Der Begriff „Philosophie der Technik“ wurde erstmals Ende des 19. Jahrhunderts von dem in Deutschland geborenen Philosophen und Geographen Ernst Kapp verwendet, der ein Buch mit dem Titel "Grundlinien einer Philosophie der Technik" veröffentlichte.

Ursprünglich wurde die Technik als eine Erweiterung des menschlichen Organismus betrachtet, die körperliche und geistige Fähigkeiten nachbildet oder verstärkt. Marx betrachtete sie als ein Werkzeug, das von den Kapitalisten zur Unterdrückung des Proletariats eingesetzt wird, glaubte aber, dass die Technik eine grundlegend befreiende Kraft sein würde, sobald sie „von gesellschaftlichen Deformationen befreit“ sei.
Philosophen der zweiten Phase wie Ortega verlagerten später ihren Schwerpunkt von Wirtschaft und Politik auf das „tägliche Leben und das Leben in einer techno-materiellen Kultur“ und argumentierten, dass die Technologie „sogar die Mitglieder der Bourgeoisie unterdrücken kann, die ihre vorgeblichen Herren und Besitzer sind“.
Philosophen der dritten Phase wie Don Ihde und Albert Borgmann stehen für eine Hinwendung zur Entgeneralisierung und zum Empirismus und überlegten, wie der Mensch lernen kann, mit der Technologie zu leben.

Um es mit den Worten von José Ortega y Gasset auszudrücken: „Ohne Technologie würde der Mensch nicht existieren und hätte nie existiert.“ Technologien sind Systeme von Fähigkeiten und Regeln, die der Lösung von Problemen dienen.
Techniken werden erfunden, kommuniziert und angewendet. Wir können beispielsweise über Propaganda-Techniken sprechen, um den Markt für ein bestimmtes Produkt zu gewinnen.

Geschichte

Antike

Der westliche Begriff „Technologie“ stammt vom griechischen Begriff techne (τέχνη) (Kunst oder handwerkliches Wissen) ab, und die philosophischen Ansichten über Technologie lassen sich bis zu den Wurzeln der westlichen Philosophie zurückverfolgen. Ein gemeinsames Thema in der griechischen Auffassung von techne ist, dass sie als Nachahmung der Natur entsteht (z. B. entwickelte sich das Weben aus der Beobachtung von Spinnen). Griechische Philosophen wie Heraklit und Demokrit vertraten diese Ansicht.

Aristoteles stimmte in seiner Physik zu, dass diese Nachahmung oft der Fall sei, argumentierte aber auch, dass techne über die Natur hinausgehen und vollenden könne, „was die Natur nicht zu Ende bringen kann“. Aristoteles argumentierte auch, dass Natur (physis) und techne ontologisch verschieden seien, weil natürliche Dinge ein inneres Prinzip der Erzeugung und Bewegung sowie eine innere teleologische Endursache haben. Während die techne durch eine äußere Ursache und ein äußeres telos (Ziel oder Zweck) geformt wird, das sie formt, streben die natürlichen Dinge nach einem Zweck und reproduzieren sich selbst, während die techne dies nicht tut.

In Platons Timaios wird die Welt als das Werk eines göttlichen Handwerkers (Demiurg) dargestellt, der die Welt in Übereinstimmung mit den ewigen Formen erschaffen hat, so wie ein Handwerker die Dinge anhand von Entwürfen herstellt. Außerdem argumentiert Platon in den Gesetzen, dass ein Handwerker diesen göttlichen Handwerker nachahmt.

In der Zeit des Römischen Reiches und der Spätantike verfassten Autoren praktische Werke wie Vitruvs De Architectura (1. Jahrhundert v. Chr.) und Agricolas De Re Metallica (1556).

Mittelalter, Renaissance, Neuzeit

Die scholastische Philosophie des Mittelalters hielt im Allgemeinen an der traditionellen Auffassung von Technik als Nachahmung der Natur fest.

In der Renaissance war Francis Bacon einer der ersten modernen Autoren, der über die Auswirkungen der Technik auf die Gesellschaft nachdachte. In seinem utopischen Werk "Nova Atlantis" (1627) entwarf Bacon eine optimistische Weltsicht, in der eine fiktive Institution (Salomons Haus) Naturphilosophie und Technologie einsetzt, um die Macht des Menschen über die Natur zu erweitern - zum Wohle der Gesellschaft durch Werke, die die Lebensbedingungen verbessern. Das Ziel dieser fiktiven Stiftung ist „... die Kenntnis der Ursachen und der geheimen Bewegungen der Dinge und die Erweiterung der Grenzen des menschlichen Reiches, um alles Mögliche zu bewirken“.

In der Neuzeit hielt Descartes (1596 - 1650), ein Anhänger des Rationalismus die Anwendung der Wissenschaft für sehr wertvoll:
"Denn diese Begriffe (die allgemeinen Begriffe der Physik) haben mich gelehrt, dass es möglich ist, zu für das Leben sehr nützlichem Wissen zu gelangen und dass es anstelle der spekulativen Philosophie, die in den Schulen gelehrt wird, möglich ist, eine Praxis zu entwickeln, mit deren Hilfe wir, da wir die Kräfte und Wirkungen des Feuers, des Wassers, der Luft, der Sterne, des Himmels und aller anderen Körper, die uns umgeben, so genau kennen wie die verschiedenen Berufe unserer Handwerker, sie uns in allen geeigneten Anwendungen auf die gleiche Weise zunutze machen und auf diese Weise gewissermaßen Eigentümer und Besitzer der Natur werden können" (Abhandlung über die Methode).

19. Jahrhundert

Der aus Texas stammende deutsche Philosoph und Geograph Ernst Kapp veröffentlichte 1877 das grundlegende Buch „Grundlinien einer Philosophie der Technik“. Kapp war stark von der Philosophie Hegels inspiriert und betrachtete die Technik als Projektion der menschlichen Organe. Im europäischen Kontext wird Kapp als der Begründer der Technikphilosophie bezeichnet.

Eine andere, eher materialistische Position zur Technik, die für die Technikphilosophie des 20. Jahrhunderts sehr einflussreich wurde, geht auf die Ideen von Benjamin Franklin und Karl Marx zurück.

20./21. Jahrhundert

Fünf frühe und prominente Philosophen des 20. Jahrhunderts, die sich direkt mit den Auswirkungen der modernen Technologie auf die Menschheit befassten, sind John Dewey, Martin Heidegger, Herbert Marcuse, Günther Anders und Hannah Arendt.

Sie alle betrachteten die Technik als einen zentralen Bestandteil des modernen Lebens, obwohl Heidegger, Anders, Arendt und Marcuse ambivalenter und kritischer waren als Dewey. Das Problem für Heidegger war die verborgene Natur des Wesens der Technik, das "Gestell" oder die Umrahmung. Diese Eigenschaft stellte für den Menschen seine „größte Gefahr“ und damit auch sein „größtes Potenzial“ dar. Heideggers Hauptwerk zur Technologie findet sich in „Die Frage nach der Technik“.

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden viele bedeutende Werke veröffentlicht. Paul Durbin weist darauf hin, dass die Veröffentlichung der um die Jahrhundertwende erschienenen Bücher „Technology and the Good Life“ (2000, herausgegeben von Eric Higgs, Andrew Wright und David Strong) und „American Philosophy of Technology“ (2001, herausgegeben von Hans Achterhaus) die Entwicklung der Technikphilosophie als akademische Unterdisziplin mit kanonischen Texten markierte.

Technologische Deterministen wie der französische Soziologe und Theologe Jaques Ellul haben argumentiert, dass die moderne Technologie eine einheitliche, monolithische und deterministische Kraft darstellt und dass die Vorstellung, Technologie sei lediglich ein Werkzeug, ein schwerer Fehler ist. Ellul ist der Ansicht, dass das moderne technologische Weltsystem durch die Bedürfnisse seiner eigenen Effizienz und Macht motiviert ist und nicht durch das Wohlergehen der menschlichen Ethnie oder die Integrität der Biosphäre.

Im letzten Jahrzehnt wurden mehrere Essaysammlungen zu diesem Thema veröffentlicht, und Zeitschriften wie Techne: Research in Philosophy and Technology (herausgegeben vom Philosophy Resource Center) und Philosophy & Technology ( Springer) haben Monographien zu diesem Thema herausgegeben.

Weitere Überlegungen konzentrieren sich auf die Philosophie des Ingenieurwesens als Teilbereich der Philosophie der Technik. Ibo van de Poel und David E. Goldberg haben einen Band mit dem Titel "Philosophy and Engineering: An Emerging Agenda" (2010) herausgegeben, der eine Reihe von Forschungsartikeln zu Design, Erkenntnistheorie, Ontologie und Ethik im Ingenieurwesen enthält.

Literatur

Alfred Nordmann: Technikphilosophie zur Einführung. 184 S., kt. , € 13.90, 2008, Junius, Hamburg. Diese Rezension stammt aus der Zeitschrift www.information-philosophie.de

Was man hier nicht findet, ist eine didaktisch aufbereitete systematisch angelegte Übersicht über die verschiedenen, unverbundenen gegenwärtigen Ansätze der Technikphilosophie. Nordmanns Ansatz ist ein anderer, der der Reflexion und der des Erzählens:
„Die Frage nach einem angemessenen Technikverständnis ist eng mit der Frage verknüpft, was für Geschichten wir erzählen und welchen Reflexionsbewegungen wir folgen, was für Denk- und Handlungsmöglichkeiten diese Geschichten eröffnen und welche sie verhindern, was sie aufhellen und was sie verdunkeln.“

Dadurch, dass das Buch essayistisch angelegt ist und den Leser mit einem reichen Wortschatz erfreut, unterscheidet es sich von den meisten anderen Technikphilosophiebüchern, von denen man oftmals glaubt, Techniker hätten sie geschrieben.

Nordmann, der an der Universität Darmstadt lehrt, ordnet das Thema in vier Fragen, nämlich die Frage nach Mensch und Technik, die Frage nach Natur und Technik, die Frage nach Technik und Geschichte sowie die Frage nach Technik und Wissen. Diese vier Fragen erläutert er jeweils an je zwei Beispielen oder Sinnbildern. Beim Thema Natur und Technik ist es beispielsweise der „Berliner Schlüssel“ (ein Schlüssel, der den Benutzer zwingt, die Tür hinter sich abzuschließen) sowie die von Donna Haraway beschriebene Krebsmaus.

Er illustriert seine Erörterungen jeweils mit Beispielen aus der Literatur (wobei ihm Wittgensteins Lebensform sehr liegt) und aus der Technikgeschichte. Nordmanns leicht lesbare narrative Art der Darstellung führt in seine Art, Technikgeschichte zu betreiben ein und in die von ihm bevorzugten Fragen – vieles, was andere Technikphilosophen, und vielleicht auch Leser, umtreibt, bleibt aber dabei unberücksichtigt.


Birgit Recki: Anthropologie: Mensch und Technik. Eine Bestandsaufnahme in der Philosophischen Anthropologie des 20. Jahrhunderts (archive.org)