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Hilary Whitehall Putnam (1926 - 2016) war ein amerikanischer Philosoph und Mathematiker mit zahlreichen einflussreichen Veröffentlichungen in den Bereichen Sprachphilosophie, Logik, Wissenschaftsphilosophie, Erkenntnistheorie und Philosophie des Geistes.

Er war insbesondere als Verfechter des logischen Positivismus und einer funktionalistischen Theorie des Bewusstseins bekannt, obwohl er später beide Positionen ablehnte und zu einem Verfechter einer gemäßigten Form des wissenschaftlichen Realismus wurde.

Im Bereich der Erkenntnistheorie kritisierte Putnam das Gedankenexperiment „Gehirn im Tank“, das ein schlagkräftiges Argument für den erkenntnistheoretischen Skeptizismus zu sein scheint, indem er dessen Kohärenz in Frage stellte.

Leben

Hilary Putnam wurde am 31. Juli 1926 in Chicago geboren und wuchs in einer säkularen Familie mit einem linksgerichteten nichtjüdischen Vater, Samuel, und einer jüdischen Mutter, Riva, auf.

Die Familie lebte bis 1934 in Frankreich und kehrte dann in die Vereinigten Staaten zurück, wo sie sich in Philadelphia (Pennsylvania) niederließ. Putnam studierte Mathematik und Philosophie an dortigen Universität, und erwarb einen Bachelor-Abschluss. Anschließend erwarb er einen Abschluss in Philosophie an der Harvard University und später an der University of California, Los Angeles, wo er 1951 mit einer Arbeit mit dem Titel "Die Bedeutung des Wahrscheinlichkeitsbegriffs in seiner Anwendung auf endliche Folgen" promovierte.

Danach übernahm er Lehrtätigkeiten an der Northwestern University in Evanston/Illinois und 1953 an der Princeton University in New Jersey.

Im Jahr 1960 ging Putnam für ein Jahr als Guggenheim Fellow nach Oxford. 1961 wechselte er an das Massachusetts Institute of Technology (MIT). Dort lernte er seine Frau, Ruth Anna Jacobs kennen, die ebenfalls am MIT Philosophie unterrichtete. Sie heirateten 1962.

Der Familientradition entsprechend war er auch politisch aktiv. In den 1960er und frühen 1970er Jahren unterstützte er aktiv die amerikanische Bürgerrechtsbewegung und den Widerstand gegen den Vietnamkrieg.

1965 wechselten die Putnams nach Harvard, wo Hilary Putnam bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2000 lehrte.

Nach 1968 konzentrierte sich sein politischer Aktivismus auf die PLP (Progressive Labor Party - eine marxistisch-leninistische Studentenpartei). Die Verwaltung der Harvard-Universität betrachtete diese Aktivität als störend und versuchte, ihn zu zensieren, doch dieser Versuch konnte von Putnam mit der Hilfe einer großen Zahl von Freunden und Unterstützern abgewehrt werden. Putnam brach 1972 seine Verbindungen zur PLP vollständig ab.

Seine politischen Ansichten waren immer zukunftsorientiert und fortschrittlich, wie die Artikel „ How Not to Solve Ethical Problems“ (1983) und „Education for Democracy“ (1993) zum Ausdruck bringen.

Putnam war Mitglied der American Academy of Arts and Sciences und korrespondierendes Mitglied der British Academy. Er ging im Juni 2000 in den Ruhestand.

Hilary Putnam wurde 2011 mit dem Rolf-Schock-Preis für Logik und Philosophie ausgezeichnet „für seine Beiträge zum Verständnis der Semantik theoretischer Begriffe und Begriffe für natürliche Varietäten und der Konsequenzen dieser Semantik für die Sprachphilosophie, die Erkenntnistheorie, die Wissenschaftstheorie und die Metaphysik.“

Putnam starb am 13. März 2016 in seinem Haus in Arlington, Massachusetts.

Werk

Metaphysik und Ontologie

Im Laufe seiner Karriere vertrat Putnam zunächst einen metaphysischen Realismus, demzufolge wissenschaftliche Aussagen einen Wahrheitswert haben, bevor er seine Auffassung zugunsten eines internen oder pragmatischen Realismus änderte.

Philosophie des Geistes

Putnam ist wahrscheinlich am bekanntesten für seine Beiträge zur Philosophie des Geistes. Er war einer der Vordenker und eifrigsten Fürsprecher des Funktionalismus oder des Computationalism (kurz gesagt: die Auffassung vom menschlichen Geist als Analogon eines Computers). Allerdings hat er seine Position in Darstellung und Wirklichkeit revidiert, wo er erklärt, warum die funktionalistische Auffassung in ihrer überarbeiteten Version nicht funktionieren kann.

Er vertritt auch die Ansicht, dass das Leib-Seele-Problem auf sprachlichen Problemen und Kategorienfehlern beruhe. Er sieht dabei einen engen Zusammenhang neuzeitlicher Vorstellungen, die von Descartes bis in die Gegenwart reichen, mit religiösem Denken, das eine Seele postuliert.

Sprachphilosophie

Einer von Hilary Putnams wichtigsten Beiträgen zur Sprachphilosophie ist die Idee, dass Bedeutung nicht nur im Kopf stattfindet (meaning just ain't in the head), ein Argument, das durch das berühmte Gedankenexperiment mit der Zwillingserde veranschaulicht wird. Dieser besagt, dass die Bedeutung eines Wortes nicht a priori bekannt sein kann, sondern dass weitere, externe Faktoren bekannt sein müssen.

Erkenntnistheorie

Im Bereich der Erkenntnistheorie (Epistemologie) kritisierte Putnam in einem Artikel mit dem Titel „Was Theorien nicht sind‚ die von Carnap in "Testability and meaning" (1956) aufgestellte Dichotomie zwischen ‘beobachtbaren Aussagen“ und „theoretischen Aussagen“ sowie Carnaps Hoffnung, eine formale, präzise Sprache zu konstruieren, ohne den Umweg über ungenaue Begriffe zu gehen. Seine Kritik, die dem Projekt des logischen Positivismus einen schweren Schlag versetzt, beruht auf 2 Hauptpunkten:

  1. die „Beobachtungsaussagen“ bezeichnen nicht nur öffentlich beobachtbare Dinge, sondern auch nicht beobachtbare Entitäten; umgekehrt gibt es theoretische Begriffe, die beobachtbare Dinge bezeichnen;
  2. die Interpretation eines Experiments bezieht sich nicht nur auf „Beobachtungsaussagen“, sondern auch auf „theoretische Aussagen“: „Die Begründung in der Wissenschaft erfolgt in alle möglichen Richtungen“; Beobachtungsaussagen werden durch theoretische Aussagen begründet und umgekehrt.

Putnam ist jedoch vor allem für das Gedankenexperiment der „Gehirne in einem Tank“ (eine modernisierte Version der kartesischen Hypothese vom "trügerischen Gott" (dieu trompeur)) bekannt. Das Argument besteht darin, dass niemand konsistent sagen kann, dass er ein Gehirn in einem Tank ist, das von einem verrückten Wissenschaftler dort platziert wurde.

Mathematik

Putnam trug zum Beweis der Unentscheidbarkeit von Hilberts 10. mathematischem Problem (Lösung einer diophantischen Gleichung) bei.
Anmerkung: In der Mitte seines Lebens hat David Hilbert, einer der wichtigsten Mathematiker aller Zeiten, eine Liste 23 vertrackter Probleme aufgestellt, deren Lösung er im Lauf des gerade begonnenen 20. Jahrhunderts für erreichbar hielt.

Die von ihm 1964 zusammen mit Paul Benacerraf herausgegebene Aufsatzsammlung "Philosophy of Mathematics: Selected Readings" enthält eine Einführung in die Philosophie der Mathematik.

Putnam vertrat die Meinung, dass in der Mathematik wie in der Physik und anderen empirischen Naturwissenschaften keine streng logischen Beweise, sondern „quasi-empirische“ Methoden verwendet werden, wenn sie auch nicht ausdrücklich als solche gekennzeichnet werden. Als Beispiel nannte er einen durch viele einzelne Berechnungen geführten Versuch, den großen fermatschen Satz zu beweisen. Selbst wenn auf solche Art empirisch gewonnenes Wissen als Vermutung und nicht als strenger Beweis behandelt wird, wird es doch als Grundlage zur Entwicklung mathematischer Ideen benutzt.

Schriften (Auswahl)

Literatur