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Kurt Gödel (1906 - 1978) war ein österreichischer, später amerikanischer, Logiker und Mathematiker. Gödel gilt neben Aristoteles, Gottlob Frege und Bertrand Russell als einer der bedeutendsten Logiker der Geschichte.

Sein Werk hatte einen tiefgreifenden Einfluss auf das wissenschaftliche und philosophische Denken des 20. Jahrhunderts. Als Student an der Universität Wien war Gödel mit dem Wiener Kreis verbunden.

Leben

Gödel wurde am 28. April 1906 in Mähren als zweiter Sohn von Rudolf August und Marianne Handschuh in eine deutschsprachige Familie hineingeboren, die in der Textilindustrie in der damaligen österreichisch-ungarischen Stadt Brünn arbeitete (heute Tschechien). Der Vater war katholisch, die Mutter evangelisch. Der Vater hatte eine kaufmännische Ausbildung absolviert und schaffte es dank seines großen Arbeitseinsatzes bis zum Direktor und Miteigentümer eines bedeutenden Unternehmens, so dass er seine Kinder auf eine deutsche Privatschule schicken konnte.
Schon in jungen Jahren zeigte Gödel bestimmte Charaktereigenschaften, die ihn sein ganzes Leben lang prägten: eine unstillbare Neugier, ein brillantes Studium, eine ausgeprägte Introvertiertheit und eine schlechte Gesundheit; im Alter von acht Jahren erkrankte er an rheumatischem Fieber, was ihn dazu veranlasste, sich übermäßig um seine Gesundheit (Hypochondrie) und die Gefahren der Nahrung zu sorgen.

Im Jahr 1918 wurde er tschechoslowakischer Staatsbürger. 1924 inskribierte er an der Universität Wien, zunächst mit der Absicht, theoretische Physik, dann Mathematik und Philosophie zu studieren. Er verkehrte in dem von dem Philosophen Moritz Schlick gegründeten Wiener Kreis, der von den Werken Ludwig Wittgensteins geprägt war, und kam mit dem Wissenschaftsphilosophen Rudolf Carnap in Kontakt, mit dem er die Leidenschaft für die Parapsychologie teilte. 1928 studierte er Bertrand Russell und besuchte einen Vortrag von David Hilbert über Fragen der Vollständigkeit und Konsistenz mathematischer Systeme auf dem Internationalen Kongress in Bologna.

Danach konzentrierte er seine Interessen auf die mathematische Logik und promovierte 1929, nachdem er die österreichische Staatsbürgerschaft angenommen hatte, mit einer Dissertation, die von Hans Hahn betreut wurde und in der er die Vollständigkeit des Kalküls der Prädikate erster Ordnung bewies, indem er feststellte, dass es möglich ist, wahre Aussagen für jede beliebige Interpretation von Symbolen zu beweisen.

Auf Einladung von John von Neumann und Oswald Veblen ging er 1933 in die Vereinigten Staaten, wo er ein Jahr lang Gastmitglied des Institute for Advanced Study in Princeton war und sein Unvollständigkeitstheorem bekannt machte. Sowohl in Amerika als auch während seiner Aufenthalte in Wien in diesen Jahren litt er unter Nervenzusammenbrüchen, die sich in einer Besessenheit von Ernährung, Darmrhythmen und einer Phobie vor Lebensmittelvergiftungen äußerten, eine Besessenheit, die ihn dazu trieb, Lebensmittel bis zur Unterernährung zu meiden.

1936 wurde er durch die Ermordung von Moritz Schlick durch einen Nazi-Studenten auf der Treppe der Universität Wien tief getroffen und erlitt einen erneuten Nervenzusammenbruch. Danach verbrachte er ein Jahr in den USA, wo er sich mit Albert Einstein anfreundete.

Im September 1938 heiratete er Adele Porkert Nimbursky, eine 6 Jahre ältere, katholische und bereits geschiedene Wiener Tänzerin, die er in einem Nachtclub kennengelernt hatte und die ihn bis zu seinem letzten Tag unterstützte. Gödel kannte sie seit einigen Jahren, aber ihre Eltern waren wegen ihres Berufs und der Tatsache, dass sie bereits verheiratet war, immer gegen eine Heirat gewesen. Im selben Jahr, nach der Annexion Österreichs durch die Nationalsozialisten, wurde er automatisch deutscher Staatsbürger. Nach der Abschaffung des Titels Privatdozent und aus Angst, zu den Waffen gerufen zu werden, reiste er 1940 mit der Transsibirischen Eisenbahn über Russland und Japan in die USA und überquerte den Pazifik per Schiff.

Er kehrte wieder an das Institute for Advanced Study zurück, wo er bis zu seinem Tod blieb. Im Jahr 1948 wurde er US-Bürger. Er wurde 1946 ständiges Mitglied des IAS, 1953 ordentlicher Professor und 1973 emeritierter Professor. 1953 wurde er zum ordentlichen Professor und 1973 zum emeritierten Professor ernannt. Er besuchte Einstein jeden Tag der ihn zu täglichen Spaziergängen und Gesprächen mitnahm. Sein letzter Artikel stammt aus dem Jahr 1958.

Im Jahr 1972 erhielt er die Ehrendoktorwürde der Rockefeller University und 3 Jahre später die National Medal of Science.

Als sich seine geistigen Probleme verschlimmerten, beschränkte sich Gödel darauf nur noch das zu essen, was seine Frau für ihn zubereitete, aber in den den letzten Monaten des Jahres 1977 wurde er wegen gesundheitlicher Probleme für 6 Monate ins Krankenhaus eingewiesen.

Seine Zwangsstörung war inzwischen zu einer paranoiden Wahnvorstellung ausgeartet, und der Mathematiker weigerte sich fast immer zu essen, da er davon überzeugt war, dass das Essen vergiftet war. Anfang 1978 wurde Gödel aufgrund von Unterernährung und Hunger infolge einer schweren Form der Magersucht, die ihn auf 30 Kilogramm abmagern ließ, in das Princeton Hospital eingeliefert. Er starb am 14. Januar 1978. Er wurde auf dem städtischen Friedhof beigesetzt. Adele Gödel überlebte ihren Mann um drei Jahre und starb am 4. Januar 1981.

Werk

Kurt Gödel ist vor allem für seine 1931 veröffentlichten Unvollständigkeitssätze bekannt, die für die Grundlagen der Mathematik elementar sind.
Der Unvollständigkeitssatz sandte eine Schockwelle durch die Welt der Mathematik. Das von Euklid eingeführte, zweitausend Jahre alte Ideal der Axiomatisierung – das Musterbeispiel für systematisierte Vernunft – lag in Trümmern. Gödel hatte gezeigt, dass es in jedem beliebigen formalen System in Anbetracht der Beschränkungen, die auf die-sem System lasten, stets eine Formel gibt, die sich, obwohl sie anschaulich wahr ist, in-nerhalb des Systems oder in Bezug darauf nicht beweisen lässt.

Weitere wichtige Beiträge von Gödel sind sein Beweis von 1930, dass die Prädikatenlogik erster Ordnung vollständig ist (der Vollständigkeitssatz). Alle wahren Theoreme dieser Logik können innerhalb des Systems bewiesen werden, aber dieses Ergebnis wurde bereits 1922 von Thoralf Skolem veröffentlicht, was in Deutschland, wo Gödels Beweis zuerst veröffentlicht wurde, nicht bekannt war.

Außerdem bewies er durch die Einführung konstruierbarer Mengen, dass das Auswahlaxiom und die Kontinuumshypothese relativ konsistent mit den Axiomen der Mengenlehre sind, d. h., diese beiden Axiome sind mit den anderen Axiomen der Mengenlehre vereinbar, sofern sie konsistent sind. Später zeigte Paul Cohen, dass die Negation des Auswahlaxioms und der Kontinuumshypothese ebenfalls relativ konsistent sind, was bedeutet, dass sie von den anderen Axiomen der Mengenlehre unabhängig sind.

Princeton

Nach seiner Einreise in die USA führte Gödel seine Arbeit am Institute for Advanced Study (IAS) weiter. Paul Arthur Schilpp (1897–1993) lud ihn ein, einen Beitrag zu seinem Band über Bertrand Russell zu schreiben.

Gödel beschäftigte sich nun mehr mit Philosophie, besonders mit Gottfried Wilhelm Leibniz, später auch mit Edmund Husserl. So begann er, sich in Princeton immer mehr mit philosophischen Problemen auseinanderzusetzen und sich von der formalen Logik abzuwenden.

"Eine gültige Philosophie sollte sich in mehr oder minder axiomatischer Weise – wenn auch nicht durch und durch formal – der fundamentalen Begriffe bedienen, die der Wirklichkeit zu Grunde liegen, und dazu gehörten seiner Meinung nach u. a. Vernunft, Ursache, Wesen, Zufall, Notwendigkeit, Wert und Gott. Gödel hatte den Wunsch, dereinst „für die Metaphysik dasselbe vollbringen zu können wie Newton für die Physik“. [...]

Gödel und Einstein wiesen einmütig den Gedanken Kants, dass die Gegenstände der Erkenntnis nicht die Dinge „an sich“ sind, zurück. In einem nie veröffentlichten Aufsatz von 1961 stellte Gödel fest, „ich glaube, es ist eine allgemeine Eigenschaft vieler Kant-scher Behauptungen, dass sie wörtlich ver-standen falsch sind, aber in einem allgemeineren Sinne tiefe Wahrheiten enthalten“.

Dabei bezog er sich auf Kants Behauptung, dass wir zur Ableitung geometrischer Theorien stets neue geometrische Intentionen benötigen. Das, stellte Gödel fest, sei nachweislich falsch. Ersetzt man jedoch „geometrisch“ durch „mathematisch“, kommen wir, so Gödel, zu einem Ergebnis, das sich unmittelbar aus seinem Unvollständigkeitssatz ergibt. Was also zur kontinuierlichen Entwicklung der Mathematik notwendig wäre, „ist ein Verfahren oder eine Technik, welches in uns einen neuen Bewusstseinszustand hervor-bringen soll, in dem wir die von uns verwen-deten Grundbegriffe unseres Denkens detaillieren oder andere bisher unbekannte Grund-begriffe erfassen“.

Gödel sieht dieses Verfahren in der von Husserl begründeten Phänomenologie. „Husserls transzendentale Phänomenologie zuende geführt“, schrieb Gödel an den Mathematiker und Philosophen Gian-Carlo Rota, „wäre nicht mehr und nicht weniger als Kants Kritik der reinen Vernunft umgesetzt in exakte Wissenschaft“, und böte, „weit davon entfernt, die traditionelle Metaphysik zu zerstören…eher eine solide Grund-lage für diese“. In Husserl glaubte Gödel eine Form des Idealismus gefunden zu ha-ben, die sich zwar von Kant herleitete, aber dem Realismus keineswegs unversöhnlich gegenübersteht. " [Quelle: www.information-philosophie.de]

"In Princeton traf er auch auf einen anderen Aussiedler – Albert Einstein. Gödels schlechter psychischer Zustand besserte sich jedoch nicht. Er setzte alles daran, jeglichen „unnötigen“ sozialen und intellektuellen Austausch zu umgehen und um jeden Preis den physischen Kontakt mit anderen Menschen zu vermeiden.

Mit Einstein jedoch traf er sich allmorgendlich zwischen zehn und elf Uhr, und die beiden gingen zu Fuß ins Institut, ein Weg von etwa einer halben Stunde. Um ein oder zwei Uhr nachmittags machten sie sich gemeinsam auf dem Heimweg, wobei sie über Politik, Philosophie und Physik diskutierten. Dieser Rhythmus verleiht Einsteins Äußerung, er gehe nur ins Büro um des Privilegs willen, mit Kurt Gödel den Heimweg anzutreten, eine besondere Note (diese Spaziergänge machten etwas 30% des Arbeitstages aus).

Beide betrachteten Bohrs und Heisenbergs Kopenhagener Deutung der Quantenmechanik mit Skepsis, und Gödel stand auch Einsteins Bestrebungen, die Quantenmechanik mit der Relativität zu versöhnen, kritisch gegenüber.

Gödel seinerseits hatte sich auf eine intellektuelle Herausforderung versteift, die sich als ebenso unergründlich erweisen sollte wie Einsteins Suche nach einer einheitlichen Feldtheorie. Er beteiligte sich an der von Georg Cantor begonnenen Jagd nach der Kardinalzahl des Kontinuums, in einfachen Wor-ten: der Anzahl der Punkte auf einer Geraden. Natürlich wusste jeder, dass die Zahl der Punkte auf einer echten Geraden unendlich ist, doch nach Cantors epochaler Entdeckung, dass die Unendlichkeit selbst in unterschiedlichen Größen zu haben ist, begann die Jagd nach der exakten Beschreibung der Mächtigkeit dieser Unendlichkeit. Mitte der dreißiger, Anfang der vierziger Jahre konnte Gödel zeigen, dass die Kontinuumshypothese relativ zur Zermelo-Fraenkelschen Mengenlehre widerspruchsfrei ist, d.h. durch diese nicht widerlegt wird." [Quelle: www.information-philosophie.de]

Gottesbeweis

Der ontologische Gottesbeweis von Gödel ist ein formales Argument für die Existenz Gottes. Siehe auch Gödels ontologischer Gottesbeweis (archive.org) - Rezension des Buches "Existenz und Notwendigkeit. Kurt Gödels axiomatische Theologie" von André Fuhrmann, bei archive.org

Gödel war überzeugter Theist und zeitlebens Christ. Er lehnte die Vorstellung ab, dass Gott unpersönlich sei, wie Einstein glaubte. Er glaubte fest an ein Leben nach dem Tod und sagte: „Ich glaube an ein Leben nach dem Tod, unabhängig von der Theologie. Wenn die Welt logisch aufgebaut ist, sollte es ein Leben nach dem Tod geben.“

Gödel verspürte immer eine gewisse "Dringlichkeit", eine logisch-mathematische Ordnung als Grundlage für die Existenz des Universums zu finden. Eine solche Ordnung schien ihm nur durch die logische Notwendigkeit der Existenz Gottes gewährleistet zu sein, das heißt durch den Nachweis eines Wesens, das die positiven Eigenschaften aller realen Wesen in sich vereinigt.

Sein Beweis setzt eine Entwicklungslinie fort, die auf Anselm von Canterbury (1033–1109) zurückgeht. Das ontologische Argument des Heiligen Anselm lässt sich in seiner einfachsten Form wie folgt zusammenfassen: „Gott ist per Definition das Größte, was man sich vorstellen kann.“ Gott existiert in unserem Verständnis. Wenn Gott in unserem Verständnis existiert, können wir uns vorstellen, dass er der Größte ist, der in Wirklichkeit existiert. Folglich muss Gott existieren. Eine ausführlichere Version stammt von Gottfried Leibniz (1646–1716); Dies ist die Version, die Gödel untersuchte und mit seinem Argument zu klären versuchte.

"Er führt den Begriff einer positiven Eigenschaft als einen Terminus ein, der implizit durch seine Rolle in einer Theorie charakterisiert ist. Die Theorie formuliert er als ein axiomatisches System, d. h. er legt die Sprache fest, in der Sätze der Theorie formu-liert werden können. Er zeichnet einige wenige Sätze als Axiome aus und beschreibt die Schlussregeln, mit denen aus den Axiomen weitere Sätze bewiesen werden können. Das Ziel ist es, das modale Konditional (1) und die Möglichkeitsbedingung (2) in dem axio-matischen System als Theorem herzuleiten. Dabei setzt er drei Axiome:

1. Jede Eigenschaft ist entweder positiv oder negativ.
2. Was eine positive Eigenschaft notwendig einschließt, ist selbst eine positive Eigen-schaft.
3. Göttlichkeit ist eine positive Eigenschaft.

Gödel führt nun einen detaillierten Beweis für die Existenz Gottes (der in Fuhrmanns Darstellung über mehrere Seiten geht). Er führt über eine Erweiterung der Prädikatenlogik erster Stufe um einige Prinzipien und Regeln, die Begriffe der Notwendigkeit (einer Aussage) und der Positivität (einer Eigenschaft) betreffend." [Quelle: www.information-philosophie.de]

Kurt Gödel hat diese Arbeit, die er 1941 begann und 1954 und 1970 vollendete, nie veröffentlicht. Piergiorgio Odifreddi glaubt, dass Gödel nicht den Eindruck erwecken wollte, er interessiere sich für Theologie, wenn es ihm nur um den logischen Teil der Reflexion ging. Zudem hegte er Zeit seines Lebens eine tiefe Abneigung gegen Dispute und Kontroversen. Im Herbst 1970 machte der US-amerikanische Logiker & Informatiker, Dana Scott, diesen Beweis einem Kreis Interessierter zugänglich. Ihre Notizen begannen zu zirkulieren, und schließlich wurde 1987 Gödels Beweis erstmals veröffentlicht.

Schriften (Auswahl)

Literatur