PhilosophiePhilosophie

Die Didaktik der Philosophie ist die Wissenschaft des Philosophieunterrichts - also die Tätigkeit des Lehrens und Lernens von Philosophie zusammen mit der damit verbundenen wissenschaftlichen Forschung.
Es handelt sich dabei weder um eine Philosophie der Erziehung noch um die philosophische Untersuchung der Erziehung im Allgemeinen.

Man kann zwischen Fragen der Legitimation, der Theorie und der Methode unterscheiden. In Frankreich wurde die Philosophiedidaktik seit den 1990er Jahren vor allem von Michel Tozzi beeinflusst, in Deutschland seit den 1980er Jahren von Wulff Rehfus und Ekkehard Martens.

Die Didaktik kann sowohl auf Kinder und Jugendliche als auch auf Erwachsene ausgerichtet sein. Die Ausrichtung auf Kinder nennt man Philosophieren mit Kindern.

Ganz allgemein gilt: in einer Fachdidaktik müssen die Bedingungen des Fachs mitberücksichtigt werden.

Lehr- und Lernmethode

Philosophie kann durch Vorlesungen (mit oder ohne Dialog) oder durch das Lesen philosophischer Texte oder Werke im Einzel- oder Gruppenunterricht oder außerhalb des Unterrichts gelehrt werden. Diese Lesungen können vom Lehrer kommentiert werden oder Gegenstand von Zusammenfassungs- oder Analyseübungen sein, die von den Schülern durchgeführt werden. Je nach Undurchsichtigkeit und Komplexität der Texte ist eine Analyse mehr oder weniger notwendig. Es besteht auch die Möglichkeit, philosophische Debatten mündlich im Unterricht oder schriftlich auf einer digitalen Plattform zwischen den Studierenden zu organisieren. Der Philosophieunterricht kann auch in Form von Schreibübungen in verschiedenen Textgattungen erfolgen: Essays, Dissertationen, Aphorismen, Briefe, Belletristik (Geschichten, Kurzgeschichten usw.) und Gedichte.

Zu den verschiedenen didaktischen Methoden, die im Philosophieunterricht eingesetzt werden, gehören die sokratische Methode und die Hermeneutik. Ziel der Philosophielehre ist es, den Wissensdrang der Studierenden zu wecken, sie dazu anzuregen, ihren Alltag zu hinterfragen, den gesunden Menschenverstand herauszufordern und sie zu ermutigen, sich mit den Grundlagen ihres eigenen Wissens auseinanderzusetzen. In diesem Sinne ermöglicht uns die Philosophie, die ethische Dimension der Bildung anzusprechen.


Didaktik der Philosophie – eine Standortbestimmung

In Deutschland haben Philosophie und Ethik in den letzten Jahrzehnten in der Schule als eigenes Unterrichtsfach zunehmend an Verbreitung gewonnen, auch unter der Bezeichnung »Werte und Normen« in Niedersachsen, »Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde« (= LER) in Brandenburg oder »Praktische Philosophie« (= PP) in Nordrhein-Westfalen (Schuljahr 5-10). Dies gilt nicht nur für die gymnasiale Oberstufe, sondern auch für die Sekundarstufe I in sämtlichen Schulformen. Zudem wird in der Grund- oder Primarschule (Schuljahr 1-4) in den meisten Bundesländern das Fach Ethik als Pflichtalternative zu Religion angeboten, seit längerem auch das Fach »Philosophieren mit Kindern« (sic!) in Mecklenburg-Vorpommern, und seit kurzem (2011/12) das Fach „Philosophie“ in Schleswig-Holstein.

Um einen Einblick in den quantitativen Umfang der Philosophie an der Schule zu geben: allein in NRW, dem größten Bundesland, nahmen laut amtlicher Schulstatistik im Schuljahr 2008/2009 an 782 Gymnasien 62’100 Schülerinnen und Schüler am Philosophieunterricht teil; es gab 2465 Lehrerinnen und Lehrer mit einer Fakultas für Philosophie (siehe dazu: Bern Rolf, Zur Situation des Philosophieunterrichts in Deutschland. In: Deutsche Gesellschaft für Philosophie e.V.) In Österreich hat der Philosophieunterricht ebenfalls einen festen Platz in der Schule als Kombinationsfach „Psychologie-Philosophie“ (= PP), verpflichtend als „Psychologie“ im 11. Schuljahr und als „Philosophie“ im 12. Schuljahr. Seit 1997/98 werden Schulversuche zum Ethikunterricht als Ersatz für den Religionsunterricht durchgeführt. Die Ausbildung der Ethiklehrer ist noch nicht geklärt. In der Schweiz ist die Lage je nach Kanton sehr unterschiedlich. Grundsätzlich steht etwa in der Hälfte aller Kantone das Fach als Pflicht-Wahlfach auf dem Stundenplan. Dabei hat Ethik deutlich weniger als in Deutschland Gewicht, dagegen haben Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie mehr Bedeutung.

Soweit zur Situation des Unterrichtsfachs. Die akademische Philosophie widmet der Philosophie an der Schule in jüngster Zeit zunehmende Beachtung, aus Verantwortung für die philosophische Bildung der Jugend, aber auch wegen der eigenen Stellenabsicherung. Nicht zuletzt ergeben sich wegen der neuen Bachelor- und Masterstudiengänge durchaus Schnittmengen zwischen einer Fachdidaktik an der Schule und Hochschule, auch wegen der Ausbildung der Fachlehrerinnen und Fachlehrer an den Hochschulen. Gerade universitäre Ausbildung bedarf zudem dringend einer professionellen Verbesserung. Eine eigene Fachdidaktik hat sich erst mit der festeren Etablierung des Unterrichtsfachs entwickelt. 1978 wurde die erste Professur für Philosophiedidaktik an der Universität Hamburg eingerichtet (Martens), es folgten Professuren an den Universitäten in Dresden (Rohbeck) und Bochum (Steenblock), neuerdings auch in Berlin an der HU (Meyer) und FU (Tiedemann), weitere Stellen werden gerade besetzt (Paderborn, Mainz, Münster). Zunächst ging es in einer naiven „Abbilddidaktik“ lediglich darum, die Inhalte der Universitätsphilosophie auf Schulniveau „herunter zu brechen“. Aus unterrichtspraktischen Gründen sowie in Konkurrenz zu den anderen Fächern entwickelte sich dann jedoch rasch eine Abfolge fachdidaktischer Diskurse über die Legitimation, Inhalte und Methoden im Hinblick auf die Breite der Schülerinteressen. Neuerdings hat die Fachdidaktik auch einen (kritischen) Anschluss an die empirische Unterrichtsforschung gewonnen (Tiedemann). Statt diese Stationen im Einzelnen nachzuzeichnen und mit unterschiedlichen Namen zu belegen, sollen hier die systematischen Argumente zu den wichtigsten Problemfeldern der Fachdidaktik zusammengefasst und den einzelnen universitären Forschungs-Schwerpunkten zugeordnet werden.

Hinsichtlich der Kernprobleme besteht in der fachdidaktischen Forschung und Diskussion heute weitgehend Konsens, wenn auch unterschiedliche Akzente gesetzt werden, die hier aus Raumgründen ebenfalls weitgehend vernachlässigt werden sollen.

Ziel der Philosophie (1) ist auch an der Schule ihre Zweckfreiheit, da sie von ihrem prinzipiellen Kritik- oder Begründungsanspruch her in der Tradition des sokratischen »Rechenschaftgebens« (griech. »logon didonai«) keinen gesellschaftlich-politisch oder pädagogisch vorgegebenen Zwecken verpflichtet sein kann. Pädagogisch aber lassen sich aus dem „Rechenschaftgeben“ Ziele wie Denkschulung, Handlungsorientierung oder Persönlichkeitsbildung ableiten. Dagegen würde das Ziel einer direkten Charakter- oder Verhaltensänderung die ohnehin knapp bemessene Unterrichtszeit von Philosophie und Ethik überfrachten und dem pädagogischen Überwältigungsverbot widersprechen. Erhoffen oder wünschen aber kann man eine derartige Änderung der Persönlichkeit schon.

Die Inhalte des Philosophieunterrichts (2) orientieren sich in den meisten Lehrplänen und Unterrichtswerken an den vier Kant-Fragen „Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Was ist der Mensch?“ Im Unterricht werden Probleme behandelt, die für die Schüler von praktischer Bedeutung sind, beispielsweise Themen wie Glück, Freundschaft, Freiheit, Menschenwürde, Sinn des Lebens oder Lebenskunst. Behandelt werden aber auch Fragen nach den Grundlagen unseres Wissens und Handelns aus der Erkenntnis- und Wissenschafts- sowie der Argumentations- und Sprachtheorie, um zu klären, wie man überhaupt über praktische Themen überprüfbar reden und zu begründeten Aussagen gelangen kann.

Dem Philosophieren als Tätigkeit im Sinne eines methodischen Philosophierens (3) ist in der letzten Zeit in der Philosophiedidaktik verstärkte Aufmerksamkeit gewidmet worden, auch deshalb, um der berechtigten Forderung der aktuellen Allgemeinen Didaktik nachzukommen, neben einem inhaltlichen Wissen zugleich ein Können als Methodenkompetenz zu vermitteln. Die fachspezifische Methodenkompetenz ist allerdings nicht mit der ausufernden Diskussion einer Kompetenzorientierung ohne Vermittlung von Inhalten zu verwechseln, wie sie eine Richtung der gegenwärtigen Allgemeinen Didaktik als Folge der Effizienzorientierung einer steuernden Ministerial-Didaktik fordert und dadurch die pädagogische Lehrfreiheit unzulässig einschränkt. Die Vielfalt und Verflechtung der unterschiedlichen Methoden des Philosophierens lässt sich entweder von den unterschiedlichen Strömungen oder Denkrichtungen der Philosophie (Rohbeck) oder aus der sokratischen Methodenpraxis der platonischen Frühdialoge oder anderer gelungener Praxis ableiten (Martens) – beide Ableitungen treffen sich in der Mitte.

Folgende fünf Methoden lassen sich in einer plausiblen Reihenfolge nacheinander anordnen, wobei einzelne zusätzliche Methoden, wie die dekonstruktivistische oder pragmatische (Rohbeck) oder eine Bündelung der analytischen mit der dialektischen Methode durchaus denkbar sind: 1. phänomenologische Methode: differenziert und umfassend beschreiben, was ich wahrnehme und beobachte; 2. hermeneutische Methode: das eigene Vorverständnis bewusst machen sowie (nicht nur philosophische) Texte lesen; 3. analytische Methode: die verwendeten zentralen Begriffe und Argumente hervorheben und prüfen; 4. dialektische Methode: ein (mündliches oder schriftliches) Dialogangebot wahrnehmen, auf Alternativen und Dilemmata zuspitzen und diese abwägen; 5. spekulative Methode: Phantasien und Einfälle zulassen und eigene Lösungsversuche Gedankenexperimenten erproben.

Dass die Methoden und Schulrichtungen der akademischen Philosophie Weiterentwicklungen einer vorgängigen Praxis alltäglichen Sprechens und Denkens sind, betont (ähnlich wie Martens) auch der Dresdner Philosoph Thomas Rentsch. Alle genuin philosophischen Methoden, so stellt er fest, entspringen »konkreten alltäglichen Sprach- und Handlungszusammenhängen und sind deren Hochstilisierungen: Dem Verstehen und Fragen entspringt die Hermeneutik, dem Beschreiben die Phänomenologie, dem Streiten und Widersprechen die Dialektik, dem Nachfragen, Klären und Erläutern von Bedeutungen das Analysieren der Sprachanalyse« (Rentsch). Zu ergänzen ist neben der von Rentsch erwähnten Hermeneutik, Phänomenologie, Dialektik und Sprachanalyse das spekulative oder kreative Philosophieren, dem weniger deutlich eine bestimmte Schulrichtung zuzuordnen ist.

Alle fünf Methoden bilden eine Einheit, können aber im Unterricht jeweils als eigene Phase akzentuiert werden. Beispielsweise kann man ein Bild von miteinander verbundenen kleinen, grünen Kügelchen als Pistazieneis, Schimmelpilz, alte Tennisbälle oder als Embryo im Frühstadium wahrnehmen und beschreiben. Fragt man ferner nach, was bei der Phänomen-Wahrnehmung genauer mit »Embryo« gemeint ist, kommen unterschiedliche Deutungen und Wertungen zum Vorschein, etwa »bloßer Zellhaufen« oder »schützenswertes Leben«. Versucht man dann, die vorgebrachten Deutungen genauer zu klären, kommt man auf Begriffe und Argumentationsmuster wie »Materie«, »Person« oder »Menschenwürde«. Schließlich wird auch sichtbar, dass sich mit dem behaupteten Anblick des »Zellhaufens« oder des »menschlichen Lebens« höchst kontroverse ethische Ansichten verbinden, die zudem von tief sitzenden Phantasien oder Spekulationen über Fluch und Segen der Gentechnik geprägt sind.

Die Fachdidaktik findet seit einiger Zeit über die Methodik Anschluss an die Allgemeine Didaktik (4), insofern die einzelnen Denkmethoden mit Hilfe allgemeiner Unterrichtsmethoden praktisch umgesetzt werden, etwa durch Rollenspiele, Schreibübungen oder bildliche Darstellungen. Dadurch werden sie zu fachspezifischen Unterrichtsmethoden.

Durch das Graduierungs-Modell der Methoden kommen auch die unterschiedlichen Arten der Philosophie (5) zu ihrem spezifischen Recht, insofern das Philosophieren schrittweise eingeübt wird, angefangen beim Philosophieren mit Kindern mit einem naiven über ein elementares zu einem elaborierten akademischen Philosophieren. Die methodische Akzentuierung bedeutet keineswegs eine Reduktion der Philosophie und des Unterrichts auf Methodik (6). Vielmehr ist der Inhaltsbezug in der hermeneutischen Arbeit an den Phänomenen in den Deutungsmustern oder Ideen immer schon mit enthalten. Man philosophiert über etwas, das heißt über Themen, die für uns oder die Schüler wichtig und sinnvoll sind und durch die Tradition des Denkens vorgeprägt sind.

Auf die Frage, welche Ziele, Inhalte und Methoden Philosophie an der Schule verfolgen sollte, lässt sich zusammenfassen die formelhafte Antwort geben: Philosophieren ist – analog zu Lesen, Schreiben und Rechnen – eine elementare Kulturtechnik zum Zecke humaner Lebensgestaltung (Martens) und zur Bildung der Person (Steenblock). Daraus folgt noch nicht automatisch, dass Philosophie auch in der Schule unterrichtet werden sollte. Wozu also soll Philosophie in der Schule sein? (7) Die Institution Schule in einer demokratischen Gesellschaft versteht sich in einem weiten Sinn als eine Schule der Aufklärung und bedarf einer Philosophie als Schulung der Aufklärung. Von der Passung einer Schule der Aufklärung und einer Philosophie der Aufklärung her lässt sich Philosophie in der Schule in Form eines praktischen Syllogismus rechtfertigen: (a) Wenn Reflexionsfähigkeit und Persönlichkeitsbildung in der Schule sein sollen (normative Prämisse) und (b) wenn Philosophie hierfür tatsächlich ein wirksames Mittel ist (deskriptive Prämisse), (c) dann soll Philosophieren in der Schule unterrichtet werden.

Inwiefern aber kann Philosophieren als Methodenkompetenz durch den Unterricht tatsächlich wirksam unterrichtet werden? Damit stellt sich die unabweisbare Frage einer empirischen Unterrichtsforschung (9). Ob Philosophieunterricht wirksam sein kann, ist in Vergleichs- und Langzeitstudien empirisch zu untersuchen, insofern sich jedenfalls, so das Kernproblem jeder empirischen Unterrichtsforschung, die multifaktoriellen Wenn- Dann-Beziehungen zuverlässig erfassen lassen. Als Ergänzung zur theoretischen und praktischen Philosophiedidaktik stellt eine empirische Philosophiedidaktik noch ein Defizit dar, was weitgehend auch für andere Schul-Fächer gilt. Eine empirische Philosophiedidaktik hätte die Aufgabe, die deskriptive Prämisse (b) zu überprüfen. Eine erste empirische Pilotstudie hat gezeigt, dass die Vermittlung philosophischer Methodenkompetenz tatsächlich die erwartete Unterrichtswirkung haben kann (Tiedemann). Die erwünschte Wirkung des Philosophierens lässt sich, so sind sich die Philosophiedidaktiker einig, als Bildungsprinzip nicht quantitativ erfassen, bestenfalls durch eine qualitative Erhebung in Gesprächen (Steenblock).

Die Entwicklung des gegenwärtigen problem- und schülerorientierten Philosophieunterrichts ist besonders von zwei realen Tendenzen her gefährdet: zum einem von der überbordenden Kompetenzforderung seitens der Ministerialbürokratie, die kaum mehr einen Blick auf die Inhalte erlaubt; zum anderen von der Einrichtung eines Zentralabiturs in allen Bundesländern, die den individuellen Prozess eines problem- und schülerorientierten Philosophierens stark reglementiert. Es bleibt zu hoffen, dass sich die lebendige Praxis „von unten“ gegen starre Vorgaben „von oben“ erfolgreich wehren kann. Die sogenannte Rehfus-Martens Kontroverse „Philosophieren lernen“ (Kant) versus „Philosophie lernen“ (Hegel) aus den siebziger Jahren schien durch eine theoretische und schulpraktische Vermittlung beider Seiten schon längst aufgehoben zu sein, droht aber gegenwärtig durch administrative Vorgaben eines abrufbaren Wissens auf die Hegel-Position zurückzufallen. Eine dritte Gefahr allerdings ist weniger gravierend: eine Anpassung der reale Unterrichtsprozess an den derzeitigen Mainstream einer akademischen, rein analytischen Philosophie (Pfister). Zwar ist unbestritten, dass das analytische Philosophieren einer Begriffs- und Argumentationsklärung seit den Anfängen der Philosophie als „Rechenschaftgeben“ Bestandteil ihrer Methodik ist, ebenso unbestritten aber ist unter den Fachdidaktikern auch, dass es nicht von ihren anderen Methoden ohne Verlust ihrer vielfältigen Erkenntnisquellen getrennt werden kann (Rentsch). Der Philosophieunterricht ist weder, wie in seinen Anfängen, ein hermeneutisches „Labern“ („da werden nur Texte gelesen wie im Deutschunterricht“) noch liegt seine Zukunft in einer analytischen „Haarspalterei“ („da gibt es nur Definitionen wie in Mathe“). Die breite Akzeptanz des gegenwärtigen problem- und schülerorientierten Philosophie- und Ethikunterrichts darf in keiner Weise durch reduktionistische Vorgaben der Ministerial-Didaktik oder der Fachdidaktik gefährdet werden – die Praxis geht ohnehin weitgehend ihre eigenen Wege. Die Fachdidaktik kann die Unterrichtspraxis nicht anleiten, sollte sie aber hilfreich begleiten.

Für ihre Mithilfe danke ich: Nora Ableitinger, Katharina Lacina (Wien), Markus Waldvogel (Bern), Bettina Bussmann (Hamburg).

Zitierte Literatur:

Martens, Ekkehard: Methodik des Ethik- und Philosophieunterrichts. Philosophieren als elementare Kulturtechnik. Hannover 2003 u. ö.
Meyer, Kirsten (Hg.):Texte zur Didaktik der Philosophie. Stuttgart 2010.
Pfister, Jonas: Fachdidaktik Philosophie. Bern 2008.
Rentsch, Thomas: Phänomenologie als methodische Praxis. Didaktische Potentiale der phänomenologischen Methode. In: Johannes Rohbeck (Hrsg.): Philosophische Denkrichtungen. Dresden 2002. S. 11-28.
Rohbeck, Johannes: Didaktik der Philosophie und Ethik. Dresden 2008.
Rohbeck/Steenblock/Thurnherr (Hrsg.): Empirische Unterrichtsforschung und Philosophiedidaktik. Dresden 2009. S. 47- 63.
Steenblock, Volker: Philosophische Bildung. Einführung in die Philosophiedidaktik und Handbuch: Praktische Philosophie. Münster 2000 u. ö.
Tiedemann, Markus: Ethische Orientierung für Jugendliche. Münster 2004.

 

Ekkehard Martens: Didaktik der Philosophie – eine Standortbestimmung. Erschienen in 03-04 2012 - 200. Ausgabe.
Autor: Ekkehard Martens (* 1943) ist ein deutscher Philosoph mit dem Schwerpunkt in den Bereichen Antike Philosophie, Ethik und Didaktik der Philosophie.

 

Quelle: Diese Rezension erschien unter www.information-philosophie.de (Editiert)

 

Herausforderungen der Philosophie- und Ethikdidaktik. Hinweise aus Sicht der Unterrichtspraxis.

Ekkehard Martens dialogisch-pragmatische Philosophiedidaktik

Mit der Einführung der reformierten gymnasialen Oberstufe zu Beginn der 1970er wurde das Fach Philosophie vor allem in Hamburg und Nordrhein-Westfalen als Fach für die Sekundarstufe II etabliert. Damit wurden Fragen nach einer zeitgemäßen Fachdidaktik wichtig. Der Hamburger Didaktiker Ekkehard Martens entwickelte eine vom sokratischen Ideal des Philosophierens ausgehende Konstituierungsthese. Sie besagt, dass die Philosophie bereits aus sich heraus didaktisch verfasst sei, geht es ihr doch um das Legen von Rechenschaft, um das Abwägen von Argumenten, um die Kritik und Einbindung unseres Wissens bei der Lösung der zentralen, uns und unser Leben betreffenden Fragen.

Martens wirkungsmächtige gewordene dialogisch-pragmatische Philosophiedidaktik stellt konsequent den Dialog, das gemeinsame Nachdenken über philosophische Fragen als zentrales Prinzip in den Mittelpunkt. Der Dialog ist für ihn nicht nur als wichtige Gesprächsform zu sehen, sondern stellt die Form der Vermittlung philosophischen Wissens und vor allem der Einübung philosophischen Könnens dar. Letzteres ist dabei von herausragender Bedeutung, geht es doch um das Philosophieren lernen, weniger um den Erwerb philosophischer Kenntnisse. Ausgangspunkt bilden immer die Interessen und Anliegen der Schüler, Texte der philosophischen Tradition werden dabei als in den Dialog miteinzubeziehende und zu befragende Dialogpartner betrachtet.

Martens Ansatz blieb nicht konkurrenzlos. Wulff D. Rehfus entwarf eine bildungstheoretisch-identitätstheoretische Didaktik, die die großen Themen einer philosophia perennis als solche der Schüler betrachtete. Der Schüler soll sich durch die Auseinandersetzung mit der philosophischen Tradition bilden. Dabei ist die Arbeit mit philosophischen Texten von herausragender Bedeutung. Zugespitzt ließe sich also formulieren, dass bei Martens mit Sokrates und Kant („Sapere aude!“) das Subjekt des Philosophierens stärker im Vordergrund steht, während bei Rehfus mit Hegel deutlicher die Objektseite herausgekehrt wird. Diese konträren Positionen haben die philosophiedidaktische Diskussion der 1970er und der beginnenden 1980er Jahre gekennzeichnet. Im Fokus beider Ansätze stand stets der gymnasiale Philosophieunterricht der Sekundarstufe II, insofern konnte der unterrichtliche Blick, der Praxisblick auf eine Minderheit von Schülern und einen nur kleinen Ausschnitt von Schule und Unterricht beschränkt bleiben.

Die Situation änderte sich dann zu Beginn der 1990er Jahre grundlegend. Nicht nur das generelle Bedürfnis nach Orientierung und Sinngebung erforderte eine breitere Ausrichtung der Philosophiedidaktik. In Zusammenhang mit der (Neu)einführung der Fächer Philosophie und Ethik in einer Reihe von Bundesländern (unter welcher Bezeichnung und welchen konzeptionellen Schwerpunkten auch immer) und der generell gestiegenen Nachfrage nach einem Ersatzfach für den Religionsunterricht musste die Philosophiedidaktik sich erstens deutlicher auch spezifisch ethikdidaktischer Fragen annehmen bzw. es musste nunmehr von einer Didaktik des Philosophie- und Ethikunterrichts gesprochen werden. Zweitens musste die Philosophie- und Ethikdidaktik nunmehr die Unterrichtspraxis aller Schulformen und Schüler und verschiedenste Formen der Beschäftigung mit philosophischen und ethischen Fragen, einschließlich des gleichzeitig aus dem angloamerikanischen Bereich kommenden Philosophierens mit Kindern, berücksichtigen. In den letzten beiden Jahrzehnten hat sich so ein sich selbstbewusst gebendes, vielfältiges philosophie- und ethikdidaktisches Spektrum sich ergänzender, aufeinander beziehender, punktuell auch kontroverser Ansätze und Positionen entwickelt. So kann Martens berechtigterweise eine insgesamt doch positive Bilanz der Philosophie- (und Ethikdidaktik) ziehen – was, nebenbei bemerkt, nicht heißt, dass die Situation der Philosophie- und Ethikdidaktik an den deutschen Universitäten entsprechend glänzend aussieht. Eine mangelhafte Personal- und Sachmittelausstattung zusammen mit einer mitunter fachwissenschaftlichen Geringschätzung der Didaktik ergeben ein eher düsteres Bild. Die Ansätze und Positionen, die sich seit Beginn der 1990er Jahre entwickelt haben, sind einerseits inhaltlich, teilweise auch personell, Fortführungen und Neuausrichtungen der in den 1970ern Jahren entstandenen Überlegungen und Konzepte. Andererseits werden auch kritische Blicke auf bestehende Ansätze und Positionen geworfen und neue und originelle Zugänge zur Auseinandersetzung mit philosophischen und ethischen Fragen gelegt.

Neuere Ansätze der Philosophiedidaktik

Martens setzt sich angesichts der neuen Entwicklungen seit Beginn der 1990er für die Philosophie als eine unverzichtbare „vierte Kulturtechnik“ ein, die jeder beherrschen sollte wie das Lesen, Schreiben und Rechnen. Damit wendet er sich gegen das vielfach dominierende Argument vom „bloßen“ Bildungswert des Philosophieunterrichts, aber auch gegen nur moralpädagogische Ambitionen des Ethikunterrichts – Ethikunterricht kann nur philosophisch angelegt werden. Und konsequenterweise wäre damit der Philosophieunterricht als Pflichtfach für alle Schüler zu betrachten. In seiner inzwischen vielfach aufgelegten Methodik des Ethik- und Philosophieunterrichts legt Martens unter Rückgriff auf die Idee des dialogischen Philosophierens sein integratives Methodenparadigma dar, das phänomenologische, hermeneutische, analytische, dialektische und spekulative Vorgehensweisen und Zugriffe integriert auf immer komplexer werdenden und vom Alter, Wissen und Können der Schüler abhängigen Anforderungsniveaus. Philosophische Methoden ergeben sich aus der Philosophie bzw. aus verschiedenen philosophischen Richtungen, ein bestimmtes Vorgehen ist so bereits philosophisch und damit auch didaktisch begründet – Methodik, Didaktik und die Philosophie werden so miteinander verwoben.

Die Bezüge beim Ansatz von Martens zu Johannes Rohbecks Überlegungen sind mehr als deutlich. Rohbeck hat bereits in den 1980ern Jahren – ausgehend von der Esoterik-Exoterik-Spannung als Grundproblem der Philosophie – als wesentliche Aufgabe des Philosophieunterrichts die Vermittlung philosophischer Ideen und Begriffe mit der Lebenswelt und dem Denken der Schüler verstanden. Die „Transformation“ philosophischer Konstrukte mit Hilfe von Modellen (z. B. das Modell des Vertrags bei der Erarbeitung der Bedeutung eines Vertrags im Kontraktualismus durch Vergleich mit einem Kaufvertrag) sieht er als eine Möglichkeit. Die Rede von „Transformationen“ spielt eine entscheidende Rolle bei Rohbecks Ansatz, verschiedene Strömungen der Philosophie (analytische Philosophie, Phänomenologie, Konstruktivismus, Dialektik, Hermeneutik, Dekonstruktion) didaktisch-methodisch zu nutzen, zu transformieren. D.h. nicht die philosophische Richtung soll gleichsam in abbilddidaktischer Manier vermittelt werden, sondern philosophische und ethische Fragen sollen unter Rückgriff auf für die jeweilige Richtung typische Weisen verfolgt werden (z.B. phänomenologisch, wenn eine Sinneswahrnehmung genau beschrieben wird, oder analytisch, wenn der Begriff „Gerechtigkeit“ seziert, definiert etc. wird). Dabei ist ein „(f)röhlicher Eklektizismus“ (Rohbeck 2008, S.89) verschiedenster Richtungen durchaus erwünscht. Rohbeck unterscheidet dabei diese zu Denkrichtungen transformierten Richtungen der Philosophie als besondere philosophische Methoden von den allgemeinen philosophischen Methoden (z.B. Begriffsdefinitionen, Gedankenexperimente) und kann so bestimmte Denkrichtungen spezifischen Kompetenzen zuordnen ( „Verstehen“ als Kompetenz beispielsweise wird besonders befördert durch hermeneutisches Vorgehen, die Kompetenz „Beobachtung“ durch phänomenologische Verfahren). Daneben spielen für den Philosophie- und Ethikunterricht auch die allgemeinen Unterrichtsmethoden, Medien und Sozialformen eine Rolle. Rohbeck stellt also ebenso wie Martens einen engen Zusammenhang her zwischen Didaktik und Methodik und der Philosophie selbst, beide kommen nicht bloß hinzu.

Neben Rohbeck und Martens ist noch Volker Steenblock zu nennen, der „Philosophische Bildung als ‚Arbeit am Logos‘“ (Steenblock 2012, S. 26) versteht. Philosophische Bildung kann für ihn weder durch die einseitige Fokussierung auf Bildungsgehalte und die philosophische Tradition erlangt werden noch durch die Konzentration auf die Befindlichkeiten und Meinungen der Lernenden. Die Ideen und Begriffe der philosophischen Tradition dienen der Ausschärfung, Differenzierung, Abgrenzung und Erweiterung der eigenen Vorstellungen und Haltungen. Der Lernende, der Philosophierende kann sich nicht dem entziehen, was bereits gedacht und überlegt wurde und wird – ebenso wenig ist es möglich, bestimmte Phänomene und Erfahrungen einer philosophischen Betrachtung als unwürdig zu erachten, Philosophie muss ihren Sitz im Leben haben. Insofern sind der Philosophieunterricht und ein philosophisch fundierter Ethikunterricht auch immer ein Stück weit Auseinandersetzung mit Kultur als gewachsener wie gegenwärtiger Grundbedingung menschlicher Existenz. Daher betont Steenblock auch das Moment der Bildung durch die Beschäftigung mit philosophischen und ethischen Fragen, Selbstaufklärung und Selbstwerdung stehen im Vordergrund, nicht so sehr oder gar nur lebenskundliche und unmittelbar handlungsbefähigende Aspekte.

Der durch die dialogisch-pragmatische Didaktik von Martens erlebte „Siegeszug des Dialogs“ (Hofer 2006, S.124) wird im Zuge der Herausbildung eines vielfältigen philosophie- und ethikdidaktischen Spektrums durchaus auch kritisch gesehen bei aller grundsätzlichen Anerkennung des Anliegens von Martens. Das Unterrichtsgespräch generell, das (neo)sokratische Gespräch, das Lesen von Texten, das Schreiben usw. – alles wird als Dialog begriffen, und somit läuft man Gefahr, Spezifika etwa der Textarbeit, des Schreibens etc. auszublenden, Nachdenken auch als individuelle Tätigkeit zu sehen. Hinzu kommt, dass der Dialog mitnichten ein symmetrischer ist, die Rolle des Lehrers in einem solchen gemeinsamen Nachdenken wird nicht wirklich als Faktor in Rechnung gestellt. Die philosophische Tradition und ebenso die Philosophiegeschichte erfahren eine zunehmende Schätzung ihres didaktischen Potentials. So macht sich Steenblock, ausgehend von der Idee der „Arbeit am Logos“, stark für das Aufgreifen philosophiegeschichtlicher Inhalte als „eine didaktisch wichtige Zugangsform zum philosophischen Denken“ (Steenblock 2012, S.177), nicht in erster Linie nur Überblicks- und Zusammenhangswissen soll geboten werden, sondern Philosophieren als „unser gegenwärtiges, doch wesentlich in die Geschichte eingelassenes Projekt kultureller Arbeit – ohne überzeitlichen Index“ (S. 193) soll ermöglicht werden.

Ebenso wird verstärkt die Frage nach einem philosophischen Kanon aufgeworfen, um den Philosophieunterricht vor „einem Abgleiten in Beliebigkeit und Aporie“ (Albus 2013c, S.13) zu bewahren. Ein Kanon ist jedoch nicht autoritativ und für alle Zeiten zu setzen, sondern ist Ergebnis fachwissenschaftlicher und didaktischer Diskussionen und ist insofern immer vorläufig und zeitlich begrenzt. Eine „Struktur von Kern – und mehrstufigem Randkanon“ erscheint dabei als „empfehlenswert“, um hinreichend Offenheit und Flexibilität bei aller wünschenswerter Verbindlichkeit zu schaffen.

Der „pictural turn“ in der Didaktik

Neben Texten der philosophischen Tradition und den „großen“ Autoren spielen auch Bilder eine wichtige Rolle, auch die neue Generation von Lehrwerken berücksichtigt Bilder in zunehmendem Maße. Man spricht geradezu von einem „pictural turn“ in der Philosophie- und Ethikdidaktik. Die Bilddidaktik kann als ein Zweig der Didaktik der Philosophie und Ethik begriffen werden, auch wird eine spezifisch philosophische Bildkompetenz ausgemacht. Bilder (wobei hier zwischen Karikaturen, Comics, Fotos und Werken der bildenden Kunst nicht weiter unterschieden wird) haben motivierende Funktion, dienen der Anschaulichkeit, können ein Mehr ausdrücken, das sich sprachlich nicht fassen lässt (allenfalls in Sprachbildern), drücken Gedanken nicht-linear aus, laden zur Spekulation, zur Kreativität ein – die Liste der Punkte, die für die Arbeit mit Bildern sprechen, ist lang. Häufig wird betont, dass Abbildungen nicht nur typischerweise als Einstiegsmaterial eingesetzt, sondern auch als zentrales Material benutzt werden können – oder gar zum Ausdruck eigener Überlegungen. Wenn über Philosophieren mit Bildern gesprochen wird, sind bewegte Bilder, Filme mit eingeschlossen – auch diese sind als allgegenwärtiges Phänomen unserer Lebenswelt philosophiewürdig, wie Steenblock (2013) vorgeführt hat. Außer Überlegungen zur Arbeit mit Bildern gibt es Versuche, sich philosophischen Fragestellungen nicht nur über Texte zu nähern, sondern unter Nutzung „theatral-präsentativer Verfahren“ – so die Formulierung Geferts.

Weg vom bzw. weniger Text und Textarbeit bzw. Texte in Kombination mit anderen Medien – schon früh hat auch Herbert Schnädelbach eine ausgesprochene Textlastigkeit im Philosophieunterricht als schädlich kritisiert – ist eine Entwicklungstendenz der neueren Philosophie- und Ethikdidaktik, die allerdings nicht gänzlich unumstritten ist. So hat Markus Tiedemann unlängst gegen Versuche, Bilder, überhaupt präsentative Formen und Materialien zu gleichwertigen Medien und Gegenständen zu stilisieren, polemisiert: „Wir können in Bildern denken, aber nicht philosophieren. Schon gar nicht können wir gemeinsam in oder gar mit Bildern philosophieren. Ein Bild ist ein Bild. Erst wenn ein diskursiver Akt hinzukommt, kann Philosophie entstehen.“ (Tiedemann 2011a, S. 80). Man mag zwar nicht von einer fachdidaktischen Kontroverse sprechen, dennoch wird die Frage, welcher Stellenwert präsentative, eher Gefühle, Befindlichkeiten, Intuitionen ansprechende Formen zukommt, und welche Rolle diskursive, auf Argumentation und sprachlich-rationale Auseinandersetzung setzende Verfahren spielen, die fachdidaktische Diskussion weiterhin beschäftigen – zumal die Frage ganz unmittelbar unterrichtspraktische Aspekte berührt.

Überlegungen zu produktionsorientierten Verfahren, häufig angestoßen durch die Deutsch- und Fremdsprachendidaktik, Überlegungen zum Schreiben im Philosophie- und Ethikunterricht, zum narrativen und literarischen Philosophieren sind weitere Beispiele dafür, wie vielfältig und mit welchen Schwerpunktsetzungen Philosophie- und Ethikunterricht didaktisch und methodisch angegangen wird. Konzepte und Überlegungen zu „klassischen“ Fragen des Philosophie- und Ethikunterrichts sind natürlich auch weiterhin von großer Relevanz, etwa warum und wie mit welchen philosophischen Texten gearbeitet wird, zum Einsatz von Gedankenexperimenten oder zur Bedeutung der Argumentationsanalyse.

Quer zu den Positionen, Ansätzen und Vorschlägen wird wie in allen anderen Fachdidaktiken auch die Frage der Kompetenzorientierung diskutiert. Nicht nur die grundsätzliche Frage, ob eine solche überhaupt kompatibel ist mit dem Selbstverständnis der Fächer, spielt eine Rolle – politisch ist diese Frage ja ohnehin entschieden – , sondern vielmehr sich daraus ergebende Fragen sind wichtig. Was ist eine philosophische/ethische Kompetenz? Wie lässt sie sich feststellen und messen? Wie ist darauf der Unterricht in den Fächern Philosophie und Ethik abzustellen? Zumindest auf letztere Frage hin hat Julia Dietrich für den Ethikunterricht ein mögliches plausibles Modell für die ethische Urteilsbildung vorgelegt, das eine Dreischrittigkeit von (1) Wahrnehmung einer Situation/ eines Falls als ethisches Problem, (2) Analyse/Abwägung/ Kritik der in Frage kommenden Werte und Normen und (3) Schlussfolgerung/begründetes Urteil vorsieht. Für Dietrich ist dabei eine derartig strukturierte Kompetenz der ethischen Urteilsbildung nur eine Teilkompetenz einer umfassenderen moralischen Kompetenz, die auch das Moment der moralischen Handlungsfähigkeit einschließt. Da das von Dietrich vorgeschlagene Modell ethischer Urteilsbildung eben nicht auch die Frage der moralischen Motivation, d.h. letztendlich auch gemäß dem gewonnenen Urteil zu handeln, mit aufnimmt und damit den Philosophie- und Ethikunterricht deutlich entlastet von überzogenen, nicht realisierbaren Anforderungen, bietet es sich als stimmiges, handhab- und praktizierbares Modell für einen kompetenzorientierten Ethikunterricht an.

Matthias Tichy stellt fest, dass bei der Diskussion um einen kompetenzorientierten Philosophieunterricht zwei Kompetenzbegriffe angenommen werden können. Ein enger Begriff geht von Themen und Fragestellungen des Philosophie- und Ethikunterrichts aus und leitet davon mögliche zu erwerbende Kompetenzen ab. Ein weiter Begriff geht von einem Set postulierter allgemeiner Kompetenzen aus und fragt, inwiefern der Philosophie- und Ethikunterricht zur Förderung dieser Kompetenzen beitragen kann. Der engere Begriff ermöglicht für Tichy eine deutliche Inhaltsorientierung und insofern bedeutet Kompetenzorientierung dann auch keine grundsätzliche Neuausrichtung des Unterrichts, sondern trägt ganz im Gegenteil zur Transparenz der Anlage und Ziele des Philosophie- und Ethikunterrichts bei. Aber auch der weitere Begriff ist nicht grundsätzlich abzulehnen, nur bedeutet er eine Ausweitung der Aufgaben des Philosophie- und Ethikunterrichts, wenn z.B. auch allgemeine Kompetenzen wie die der Visualisierung, der Kommunikationsfähigkeit etc. in den Blick zu nehmen sind. Ein deutlich inhaltsorientiertes Kompetenzverständnis kommt jedoch einem Verständnis des Philosophie- und Ethikunterrichts näher, das den Philosophie- und Ethikunterricht fachwissenschaftlich begründet und fundiert innerhalb des schulischen Fächerkanons und ihn nicht oszillieren lassen möchte zwischen Fachunterricht und schulischem und unterrichtlichem Grundprinzip.

Insgesamt ist - auch wenn die vorstehenden Ausführungen nur ganz wesentliche Aspekte aufgreifen und stark verkürzt wiedergeben - eine Vielfalt didaktisch-methodischer Ansätze und Vorschläge zu konstatieren, deren Zahl mit zunehmender Ausdifferenzierung und Spezialisierung der Fachdidaktik weiter zunehmen wird.

Offene Fragen


Es sind vier zentrale Fragen, die aus Sicht des Unterrichtspraktikers offenbleiben:

● Die Frage nach dem Status philosophischer Texte. Sollen diese Hauptgegenstand und -medium des Unterrichts darstellen? Oder treten daneben gleichberechtigt auch andere Textsorten und andere Medien?

● Die Frage nach der Rolle von Bildern in einem visuellen Zeitalter. Sollten nicht zumindest Bilder neben Texten zentral für den Unterricht sein - gerade weil Schüler aller Altersgruppen und Fähigkeiten und Interessen im Philosophie- und Ethikunterricht angesprochen werden müssen? Welche Bilder sind einsetzbar, welche Kriterien zeichnen ein Bild aus, damit es Philosophieren ermöglicht?

● Geht es „nur“ um das Erlernen und Einüben des Philosophierens als einer Kulurtechnik oder gibt es nicht auch gute Gründe dafür, sich Wissen über philosophie- und geistesgeschichtliche Zusammenhänge und Entwicklungen gewissermaßen als ein Stück kultureller, sinnstiftender Bildung anzueignen?

● Welche Rolle soll und darf der Dialog und damit das Verhältnis von Lehrenden und Lernenden spielen?

Anmerkungen aus Sicht der Unterrichtspraxis

Dem Philosophieunterricht, aber auch dem Ethikunterricht droht die Gefahr, dass sie ihr eigentliches Proprium verlieren. Wenn alles Material, alle Medien interessant und nutzbar gemacht werden sollen und können, hieße das, alles und letztendlich nichts macht den Philosophieunterricht aus. Damit verlöre er seine Existenzberechtigung oder aller Unterricht wäre Philosophie – Philosophie als Unterrichtsprinzip statt als Unterrichtsfach wäre dann noch die wünschenswertere, aber disziplinär mehr als unscharfe Variante, die zudem einem gewissen Dilettantismus Vorschub leisten könnte. Überspitzt formuliert für den Ethikunterricht heißt das: wenn der eigene Medienkonsum ebenso ethisch relevant ist wie der Welthunger, wenn ein Popsong dazu ebenso aussagekräftig sein soll wie Überlegungen von Philosophen zum Thema „Gerechtigkeit“, dann droht Beliebigkeit. „Schön, dass wir darüber geredet haben“ könnte dann nur allzu leicht das Fazit einer Ethikstunde sein. Wenn ethische Urteilskompetenz als fächerübergreifende Kompetenz Angelegenheit vieler oder gar aller Fächer sein soll, so ist zu fragen, ob und inwiefern dann tatsächlich alle Fächer bzw. die Unterrichtenden dafür zuständig sein oder kompetent gemacht werden können.

Und tatsächlich ist es für viele Berufsanfänger bzw. Referendare – aber nicht nur diese – manches Mal ein großes Problem, einen Philosophie- oder Ethikunterricht (oder im Fach Werte und Normen) zu planen und zu realisieren, der diesen deutlich als Philosophie- oder Ethikunterricht ausweist. Gerade im Zusammenspiel mit der angesprochenen organisatorischen Vielfalt der Fächergruppe in den Schulen und der noch relativ schwachen Position im Kanon schulischer Fächer stellt sich eine solche Aufweichung des fachlichen Profils als Gefahr dar. Philosophie und Ethik sind dann Aufgabe aller Kollegen und Fächer, alle machen alles kann auch heißen, nichts wird konsequent gemacht. Gerade angehende Lehrer sitzen dann schnell zwischen allen Stühlen, weder gibt es klare fachlich-organisatorische Strukturen an den Ausbildungsschulen noch genügend fachlich qualifizierte Kollegen als Ausbilder. Statt kompetenter Fachlehrer könnten dann allzu leicht beliebig philosophisch und ethisch vorgebildete Lehrer ausgebildet werden, die irgendwie für die Ausbildung philosophischer und ethischer Kompetenzen von Schülern zuständig sind.

Andererseits kann nicht verhehlt werden, dass gerade die vielfältigen Materialien und Medien sowie die zahlreichen, auch aktuellen Anlässe die Chance bieten, möglichst viele Adressaten und Lerntypen anzusprechen und zur Auseinandersetzung mit philosophischen bzw. ethischen Fragen anzuhalten. Gerade weil die Philosophie ihren Sitz im Leben hat und didaktisch der Weg der Problemorientierung in vielen Fällen der einzig gangbare für die Fächer Philosophie und Ethik ist, kann der Philosophie- und Ethikunterricht sich nicht ausschließlich auf genuin philosophische Materialien und Medien stützen. Die Herausforderung besteht also darin, das – mit Aristoteles gesprochen – rechte Maß zu finden zwischen hinreichender Offenheit und notwendiger fachlicher Profilierung.

Selbstverständlich kann es im Philosophieunterricht nicht allein und in erster Linie um die Vermittlung philosophischer Begriffe und Ideen, um den Nachvollzug der Entstehung und Wirkung der „großen“ philosophischen Schulen und Systeme gehen. Begriffshuberei, die Aneignung bloßer ethik- und philosophiegeschichtlicher Kenntnisse oder gar die ganzer und mit einem gewissen Totalitätsanspruch auftretender Systeme wäre eine Gefahr für den Philosophie- und Ethikunterricht. Allerdings ist mit Blick auf die aktuelle fachdidaktische Diskussion ein solcher Extremausschlag nicht zu befürchten. Schon gar nicht kann es um die Vermittlung eines wie und von wem auch immer festgelegten Wertekanons gehen, sondern Schüler sollen lernen, sich zu orientieren, abzuwägen und zu begründen. Jedoch kann das nicht irgendwie erfolgen, sondern nur in Auseinandersetzung mit den Überlegungen, den „Denkangeboten“ der Philosophie. Dabei spricht nichts dagegen, auch eine (nicht nur historische) Ordnung in diese „Angebote“ zu bringen. Damit ermöglicht der Philosophie- und Ethikunterricht auch ein Stück weit materiale Bildung und gibt Schülern – von diesen oft und immer wieder zu Recht eingefordert – einen ordnenden Überblick. Eine etwas ausgeprägtere Kenntnis begrifflich-systematischer und historischer Zusammenhänge stellt eine weitere Chance zur fachlichen Profilierung des Philosophie- und Ethikunterrichts dar und hilft unterrichtspraktisch die Frage zu beantworten, was den eigenen Unterricht als Fachunterricht auszeichnet und legitimiert gegenüber einem unverbindlichen Austausch über diese oder jene Fragen des menschlichen Zusammenlebens und Daseins. Eine deutlichere Berücksichtigung und Exponierung des Wissens um und Umgangs mit Überblicks- und Zusammenhangswissen in den fachdidaktischen Konzeptionen wäre also angezeigt. Für die Ausbildung von Lehrern bedeutet das: Es führt kein Weg daran vorbei, sich in der ersten Phase der Ausbildung ein solches Überblicks- und Zusammenhangswissen und den Umgang damit anzueignen. Die Studienordnungen müssten in dieser Hinsicht überarbeitet und ein Stück weit vereinheitlicht werden – Vielfalt im Studium kann nicht Beliebigkeit bis zur Fachvergessenheit heißen.

Unbestritten ist, dass das Prinzip des Dialogs eine herausragende Bedeutung für den Philosophie- und Ethikunterricht besitzt. Das Nachdenken über grundlegende Fragen des menschlichen Zusammenlebens und Daseins kann nicht einzig eine einsame Tätigkeit sein, das kann nur auf dem Wege des Austausches und der Verständigung erfolgen. Allerdings kann daraus nicht abgeleitet werden, dass der Lehrer sich möglichst zurückhält und nur moderiert. Unterrichtspraktisch zeigt sich das dann oft in einer Vielzahl von Partner- und Gruppenarbeitsphasen mit dem für sich genommen wichtigem Ziel, Schüler zum Selbstdenken anzuregen. Aber das Selbstdenken bedarf der Initiierung, der Unterstützung, der Anleitung – und hier ist der Lehrer gefragt. Man mag dabei einerseits die Gefahr eines eher traditionellen Frontalunterrichts wittern, in dem der Lehrer „vorphilosophiert“ und die Schüler „nachphilosophieren“. Ebenso jedoch besteht andererseits die Gefahr, die Schüler ohne eine solche deutliche Anleitung dilettieren zu lassen.

Texte und Positionen der Philosophie in erster Linie als Dialogpartner und Diskussionsanlässe zu betrachten birgt eine weitere Gefahr. Diese Texte und Positionen nicht in all in ihren Hinsichten – sprachlicher und begrifflicher Art, wirkungsgeschichtlicher, historischer Art und biographischer Art – ernst zu nehmen und sie im Zweifelsfall gegen Materialien und Argumente verschiedenster Provenienz auszutauschen, heißt, einen philosophischen Text als Text sui generis und die philosophischen Argumente als philosophische Argumente nicht ernst zu nehmen. Im Hintergrund lauert für den Philosophie- und Ethikunterricht also einmal mehr die Gefahr der Beliebigkeit und Unverbindlichkeit.

Die Aufgabe für die Fachdidaktik besteht darin, die Rolle philosophischer Texte und Positionen in Verbindung mit dem Prinzip des Dialogs immer wieder herauszuarbeiten und auszuschärfen.

Die Herausforderung der Fachdidaktik (aber ebenso auch der Unterrichtspraxis als Probierstein der Praxis) besteht darin, den vielen Fächern und Organisationsformen des Philosophie- und Ethikunterrichts ein klares fachliches Profil zu geben, das – wie es Neudeutsch so schön heißt – das „Alleinstellungsmerkmal“ des Philosophie- und Ethikunterrichts herausstellt.

Mit einer „situativen Didaktik“ von Fröhlich/Langebeck/Ritz (2014) liegt zwar aktuell ein praxisorientierter Versuch einer Fokussierung vor, der aber theoretisch sehr blass bleibt.

Zu bedenken ist, dass sich der Philosophie- und Ethikunterricht selbstverständlich auch Fragen seiner Wirksamkeit zu stellen hat. Vor dem Hintergrund der sogenannten empirischen Wende in den Erziehungswissenschaften wurde und wird versucht, ethische und moralische Bildung quantitativ wie qualitativ zu erfassen und zu beurteilen. Das Problem bei derartigen Unterfangen ist jedoch, dass bei quantitativen Messungen oftmals faktisch nicht philosophisches und ethisches Wissen und Können, sondern eher übergeordnete allgemeine Fähigkeiten wie die der Informationsentnahme, des Textverständnisses usw. geprüft werden, während philosophisch-ethische Bildung schwer erfass- und messbar erscheint. So gilt: „Die philosophische Arbeit einer Person an sich selbst, die Formung der Persönlichkeit, die Bildung eines sittlichen Charakters, die Abscheu und Abwehr von Unmenschlichkeit, Wachheit für letzte Fragen, die praktisch gelebte Moral, Wertfestigkeit, philosophische Gesinnung – kurz eine philosophische Haltung – entzieht sich dem empirischen Zugriff.“ (Albus 2012, S. 345) Ist eine empirische Erfassung dessen, was der Philosophie- und Ethikunterricht leisten kann, auch vielfach mit Skepsis zu sehen, so versucht die Fachdidaktik richtigerweise doch weiterhin, „Möglichkeiten und Grenzen“ empirischer Zugriffe auf den Philosophie- und Ethikunterricht auszuloten. Eine Feststellung Ferdinand Fellmanns kann dabei als Grenzmarkierung sowohl für das verstanden werden, was erfass- und messbar ist, als auch für das, was der Ethiklehrer leisten kann: „Moral ist in Form der Aufdeckung und Auslegung der Wirklichkeit lehrbar, in denen sich Menschen selbst und anderen begegnen. Mehr kann der Ethiklehrer nicht tun. Alles andere müssen die Schüler auf ihrem Lebensweg selbst zustande bringen, und sie werden es auch tun.“ (Fellmann, S.52) Für den Unterrichtspraktiker heißt es nichtsdestotrotz, dass er gehalten ist, Leistungen in den Fächern Philosophie und Ethik unter fachspezifischen Kriterien zu messen und zu beurteilen, nicht zuletzt stärkt auch das die Stellung Fächer im schulischen Kanon. Hier ist sicherlich noch ein wichtiges Betätigungsfeld für die Fachdidaktik zu sehen – auch wenn schon erste Anläufe unternommen worden sind.

Als Fazit bleibt festzuhalten: Die Fächer Philosophie bzw. Ethik sind fachdidaktisch stark zu machen als distinkte Fächer in Schule und Lehrerausbildung. Es geht um Philosophie bzw. Ethik als durch ihr spezifisches didaktisches Potential legitimierte Unterrichtsfächer und nicht um Philosophie als Unterrichtsprinzip – so wünschenswert auch das in vielen Fällen sein mag. Dieser (unterrichts)fachlichen Prägung hat sich die Fachdidaktik sowohl in der Lehrerausbildung zu stellen als auch mit Blick auf die Unterrichtspraxis in den Schulen. Eine fachdidaktisch nicht rückgebundene Unterrichtspraxis bleibt leer, eine in ihrer ganzen Breite nicht ausreichend beachtete Unterrichtspraxis lässt die Fachdidaktik erblinden.

UNSER AUTOR:

Bernhard Seelhorst ist Studiendirektor am Studienseminar Wilhelmshaven

LITERATUR

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- Albus, Vaness (2013c): Kanonbildungsprozesse im Philosophieunterricht. Deskriptive, evaluative und präskriptive Betrachtungen. In: ZDPE, Heft 3/S .7-14.

- Dietrich, Julia (2004): Grundzüge ethischer Urteilsbildung. In: Rohbeck, Johannes (Hrsg.): Ethisch-philosophische Basiskompetenz, S. 65-96.

- Fellmann, Ferdinand (2000): Die Angst des Ethiklehrers vor der Klasse. Ist Moral lehrbar? Stuttgart: Reclam.

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- Martens, Ekkehard (2005): Methodik des Ethik- und Philosophieunterrichts. Philosophie als elementare Kulturtechnik. 2. Aufl., Hannover: Siebert.

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- Rohberg, Johannes (Hrsg.) (2000): Methoden des Philosophierens. Dresden: Thelem

- Rohbeck, Johannes (Hrsg.) (2004): Ethisch-philosophische Basiskompetenz. Dresden: Thelem.

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- Steenblock, Volker (2013): Philosophieren mit Filmen. Tübingen: Francke.

- Tichy, Matthias (2012): Eine Zweideutigkeit des Kompetenzbegriffs und deren Bedeutung für die Philosophiedidaktik. In: ZDPE, Heft 3/S. 221-229.

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- Tiedemann, Markus (2011): Philosophiedidaktik und empirische Bildungsforschung. Möglichkeiten und Grenzen. Münster: Lit Verlag.

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Münsteraner Erklärung zur Fachdidaktik Philosophie an deutschen Hochschulen

Anlässlich des Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Philosophie haben der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Philosophie, Michael Quante, der Vorsitzende des Fachverbands für Philosophie, Jörg Peters, und der Co-Leiter des Forums für Didaktiker der Philosophie und Ethik, Volker Steenblock, am 2. Oktober eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht. Sie knüpfen dabei an das Programm „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ von Bund und Länder an, das Optimierungsbedarf bei der fachdidaktischen Einbeziehung der „Schulwirklichkeit in die hochschulische Ausbildung“ sieht.

„Speziell in den Lehramtsstudiengängen Philosophie und Ethik gibt es in…der hochschulischen Lehrerbildung erheblichen Handlungsbedarf: Hier sind die Sphären Hochschule und Schule schärfer voneinander getrennt als in vielen anderen Hochschulfächern, die ebenfalls Unterrichtsfächer sind. Die ‚Schulwirklichkeit‘ kommt in vielen philosophischen Instituten nur am Rande in den Blick. Lehramtsstudierende gelten nicht selten als ‚Philosophen zweiter Klasse’. Diese Marginalisierung lässt sich an der personellen Verankerung der Verzahnungsdisziplin, der Fachdidaktik Philosophie, deutlich ablesen. Seit 1999 nahezu unverändert werden an philosophischen Instituten mehr als die Hälfte der fachdidaktischen Lehrveranstaltungen durch Lehrbeauftragte, dagegen nur 15 % von Professoren/innen durchgeführt. Die Zurückhaltung der philosophischen Institute, Professuren mit fachdidaktischer Ausrichtung zu etablieren, behindert die „Forschungsorientierung innerhalb der Lehrerbildung“ nachhaltig. Angesichts neuer Herausforderungen, wie etwa die erforderliche fachdidaktischen Fundierung und Gestaltung des Philosophierens mit Kindern, ist dies ein gravierender Mangel. Wer den fachspezifischen „Umgang mit Inklusion und Heterogenität“ einfordert, muss Forschung zu den damit einhergehenden bildungsethischen Grundsatzfragen, inhaltlich-thematischen Akzentuierungen und didaktisch-methodischen Neuansätzen ermöglichen.

Auch die Schulseite, d. h. die entsprechenden Ministerien und Schulaufsichtsbehörden, trägt zur Trennung der Sphären Hochschule und Schule bei: Die philosophischen Institute werden in der Regel weder an der Entwicklung von Lehrplänen und Prüfungsaufgaben noch an der Begutachtung von Unterrichtsmaterialien angemessen beteiligt. Neuere Entwicklungen in der Fachphilosophie kommen so nur zufällig und zumeist verzögert in der Schulwirklichkeit fruchtbar zur Geltung. Besonders gravierend ist es, dass kaum Chancen für hoch qualifizierte Lehrkräfte bestehen, von den Schulen an die Hochschulen zu wechseln. Der Berufung von aktiven Lehrkräften auf Professuren stehen vielfältige, in den Bundesländern differierende bürokratische Hemmnisse und erhebliche finanzielle Nachteile im Wege. Diese Situation lässt nur eine Schlussfolgerung zu:

Die Förderung der Fachdidaktik Philosophie ist eine notwendige Aufgabe, der sich Hochschulen und Ministerien gleichermaßen verpflichtet sehen müssen.

Die unterzeichnenden Verbände fordern deshalb erstens die philosophischen Institute an den Hochschulen auf, Professuren mit fachdidaktischen Denominationen einzurichten.

Als Anforderungen an die fachdidaktische Qualifikation der/des Stelleninhabers/-inhaberin sollten gelten:

• mindestens fünf Jahre Erfahrungen im Berufsfeld Schule (nach der Ausbildung)

• besondere Leistungen in den fachdidaktisch relevanten Arbeitsfeldern (z. B. Fachleitung, Mitwirkung an Lehrplänen, Entwicklung von Unterrichtsmaterialien oder fachdidaktische Publikationen)

Im Sinne einer Verzahnung von Fachwissenschaft und Fachdidaktik sollte die Professur neben der Fachdidaktik einen zentralen fachwissenschaftlichen Bereich, z. B. eine Epoche oder eine Disziplin, abdecken.

Als Anforderungen an die fachwissenschaftliche Qualifikation der/des Stelleninhabers/-inhaberin sollten neben einer Promotion in der Philosophie gelten:

• fachwissenschaftliche Publikationen außerhalb der Fachdidaktik

• in der Regel Erfahrungen in der Lehre an Hochschulen

Dieses Anforderungsprofil ist zur besseren Verzahnung von Schule und Hochschule erforderlich, das Stellenformat der Juniorprofessur für Fachdidaktiker/innen somit wenig geeignet. Außerdem ist die mit Juniorprofessuren zumeist verbundene zeitliche Befristung der Stellen mit den strukturellen Erfordernissen einer nachhaltigen Lehrerausbildung (Praxissemester, beständiger Kontakt zu Schulen) nicht vereinbar.

Die unterzeichnenden Verbände fordern zweitens die zuständigen Schulministerien auf, besonders qualifizierte Lehrkräfte anzuregen, sich auf Fachdidaktik-Professur-Stellen zu bewerben, und die einem solchen Wechsel im Wege stehenden Hindernisse zu beseitigen.

Die unterzeichnenden Verbände fordern drittens die Philosophischen Institute und zuständigen Schulministerien auf, gemeinsame Kommissionen für die Gestaltung künftiger Lehrpläne zu bilden.“

 

Aus: Heft 1/2015, S. 44-53; Autor: Bernhard Seelhorst

 

Quelle: Diese Rezension erschien unter www.information-philosophie.de (Editiert)

 

Die desolate Lage der Philosophiedidaktik


Personelle Ressourcen in der Philosophiedidaktik

In dem 1998 erschienenen Handbuch Philosophische Disziplinen schreibt Ekkehard Martens, der erste Professor für Philosophiedidaktik in Deutschland, in seinem Überblick zur Philosophiedidaktik:

„Faktisch allerdings hat sich bisher eine Institutionalisierung [der Philosophiedidaktik] in Form eigener Lehrstühle mit entsprechender Personal- und Sachmittelausstattung kaum etabliert. Die Regel ist vielmehr eine Reduktion fachdidaktischer Aktivitäten auf methodisch-praxeologische Lehrerausbildung ohne hinreichende innovative und fundierende Forschungsarbeit.“ (E. Martens, Philosophiedidaktik, in: Philosophische Disziplinen, hrsg. von A. Pieper, S. 299)

Diese Aussagen sind leider noch heute, 15 Jahre später, gültig. In einem vor wenigen Monaten erschienen Artikel desselben Autors zur Standortbestimmung der Philosophiedidaktik heißt es:

„Gerade universitäre Ausbildung [im Bereich der Philosophiedidaktik] bedarf […] dringend einer professionellen Verbesserung.“ (E. Martens, Didaktik der Philosophie, in: Information Philosophie 3/4 2012, S. 102)

Auf der Basis aktueller Zahlen lässt sich die mangelhafte Institutionalisierung der Philosophiedidaktik belegen. Wirft man zunächst nur einen flüchtigen Blick auf die personellen Ressourcen im WS 12/13 in der Philosophiedidaktik an 43 deutschen Universitäten, an denen ein Philosophiestudium mit Lehramtsoption möglich ist, ergibt sich bereits das Bild einer siechenden Randdisziplin. An 54% der Universitäten wird Philosophiedidaktik allein durch Lehraufträge abgedeckt. Meistens handelt sich bei dieser Statusgruppe um engagierte Lehrkräfte aus dem Schuldienst, in Einzelfällen um Fachleiter aus den umliegenden Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung. Eine maßgebliche Beteiligung an philosophiedidaktischer Forschung ist aufgrund der hohen Belastungen dieser Statusgruppe nicht vorhanden.

Wissenschaftliche Mitarbeiter, Akademische Räte, Lehrkräfte für besondere Aufgaben und Studienräte im Hochschuldienst stellen 30% der personellen Ressourcen für Philosophiedidaktik. In dieser Statusgruppe haben 54% eine Lehrverpflichtung von 13 bis 18 Semesterwochenstunden, was – wenn man die üblichen Aktivitäten in der Selbstverwaltung berücksichtigt – mit erheblichen Einbußen in der Forschungskapazität einhergeht. Drei von 13 Universitäten, die die Philosophiedidaktik aus dem hauptamtlichen Mittelbau heraus bedienen, verfügen in dieser Disziplin über habilitiertes Personal. In nur einem der drei Fälle gelang die Habilitation auf einer Studienratsstelle mit hohem Lehrdeputat. Unabhängig von der akademischen Qualifikation des Personals wird der hauptamtliche Mittelbau die Rekrutierung des wissenschaftlichen Nachwuchses nicht leisten können. So gibt es z. B. in Essen kein fachdidaktisches Oberseminar, das den Lehramtsstudierenden die Möglichkeit einer forschungsbasierten Masterarbeit in der Philosophiedidaktik eröffnet.

Die Aufgabe, wissenschaftlichen Nachwuchs auszubilden, kommt in erster Linie den Universitätsprofessoren zu, die 14% der Philosophiedidaktikstellen an deutschen Universitäten inne haben. Auf professoraler Ebene ist zudem eine vakante, zur Zeit fachfremd vertretene Juniorprofessur, zu erwähnen, die mit weiteren 2% das Bild komplettiert.

Anforderungen an die Philosophiedidaktik

Schaut man sich die Besetzungsmodalitäten genauer an, zeigt sich sogar ein noch schlimmeres Bild. Denn da, wo Philosophiedidaktik drauf steht, ist nicht immer Philosophiedidaktik drin. Welche Merkmale aber muss ein Philosophiedidaktiker am universitären Lernort zwingend erfüllen? Nur derjenige, der in der Philosophiedidaktik eigenständig forscht und lehrt sowie über eigene Unterrichtserfahrungen in der Schule verfügt, genügt offenkundig dem Anforderungsprofil in der Lehrerausbildung in vollem Umfang. Wenn das Anforderungsprofil von Stellen mit philosophiedidaktischer Denomination tatsächlich genau darin besteht, schrumpft die Zahl derer, die die Philosophiedidaktik sachadäquat repräsentieren, nochmals erheblich.


In allen Statusgruppen gibt es nämlich Kandidaten, die zwar unter dem Etikett der Philosophiedidaktik tätig sind, die genannten Kriterien jedoch nicht erfüllen. Die Statusgruppe der Lehrbeauftragten z. B. bietet keine forschungsbasierte Lehre an. Es handelt sich meistens, wie bereits erwähnt, um nicht promovierte Lehrkräfte, die neben ihrer Unterrichtstätigkeit in der Schule einen Lehrauftrag an einer Universität angenommen haben und verständlicherweise kaum Kapazitäten zum Forschen aufbringen können. Eine nach obigem Anforderungsprofil völlige Fehlbesetzung liegt bei 4% der Lehrbeauftragten vor, die weder jemals an einer Schule unterrichtet, noch im Bereich der Fachdidaktik geforscht haben. Von dieser zugegebenen sehr kleinen Gruppe werden dann entweder mit großem Selbstbewusstsein praxeologische oder fachphilosophische Lehrveranstaltungen mit fachdidaktischer Modulzuweisung in Mogelpackungen angeboten.

Die Personalsituation im hauptamtlichen Mittelbau ist ebenfalls problematisch. Nur 23% können alle drei genannten Kriterien erfüllen. Keine selbständige Forschung im Bereich der Philosophiedidaktik erbringen 61% der hauptamtlich Lehrenden im Mittelbau. 46% verfügen weder über Forschungsleistungen noch über Lehrerfahrung an Schulen.

Auf professoraler Ebene lehren 42% der Stelleninhaber mit philosophiedidaktischer Denomination in der Didaktik der Philosophie entweder überhaupt nicht oder zumindest nicht forschungsbasiert. So gibt es z. B. einen Lehrstuhl mit philosophiedidaktischer Denomination, der zwar fachphilosophisch einschlägig besetzt ist, aber keinen Beitrag zur philosophiedidaktischen Lehre und Forschung leistet. Auf die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses im Bereich der Fachdidaktik wird hier zwangsläufig ebenfalls verzichtet. In einem anderen Fall wurde durch eine Hausberufung eines kurz vor der Pension stehenden Lehrkörpers ohne Venia die Chance auf richtungweisende Forschungsarbeit in der Philosophiedidaktik einmal mehr verspielt. Forschungsbasierte Lehre unabhängig von der Statusgruppe der Lehrenden können in der Philosophiedidaktik damit insgesamt nur 14% der lehramtsausbildenden Universitäten anbieten. Das ist ein Alptraum.

Eine Verbesserung der personellen Ressourcen ist zumindest in naher Zukunft nicht zu erwarten. Ganz im Gegenteil, es zeichnet sich momentan ab, dass nach einer bevorstehenden Emeritierung eine Professur mit philosophiedidaktischer Teildenomination gar nicht mehr und eine vakante Stelle nur fachfremd besetzt werden wird.

Der Bedarf an Philosophiedidaktik

Die personell desaströse Lage der Philosophiedidaktik resultiert nicht, wie vielleicht vermutbar, aus ihrem mangelndem Bedarf. Etwa die Hälfte der Philosophiestudierenden studiert auf Lehramt und ist somit zum Besuch von philosophiedidaktischen Lehrveranstaltungen verpflichtet. Im Sommersemester 2012 studierten z.B. an der Universität Duisburg-Essen 45% der Philosophiestudierenden auf Lehramt, in Dresden waren es sogar 52%. Mit der Verkürzung der zweiten Phase der Lehrerbildung sind im Zuge der Hochschulreform fachdidaktische Inhalte – man halte davon, was man wolle – faktisch an die Universität verlagert worden. Der Bedarf an fachdidaktischen Modulen steigt überall spürbar.

Ferner sind im Rahmen der Hochschulreform die BA-Studiengänge ohne Lehramtoption im Gegensatz zu den eher forschungsorientierten Masterstudiengängen anwendungs- und berufsorientiert ausgerichtet. Nähme man diese Ausrichtung ernst, so müsste auch in diesem Studiengang fachdidaktisches Wissen und Können vermittelt werden, weil die Absolventen später durchaus in Berufsfeldern agieren werden, in denen Vermittlungsarbeit und das Philosophieren mit Laien von Bedeutung sein könnte.

Ebenso unstrittig dürfte gegenwärtig auch der Bedarf an Philosophielehrkräften sein. Die Chancen, nach Abschluss eines Lehramtstudiums und des zweiten Staatsexamens einen Arbeitsplatz zu finden, sind keineswegs aussichtslos, denn an den Schulen steigt die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die Philosophie als Unterrichtsfach wählen. In Sachsen z. B. besuchen schon 80% der Lernenden den Ethikunterricht, nur 20% nehmen am Religionsunterricht teil. Die steigende Anzahl der teilnehmenden Schülerinnen und Schüler in NRW im Unterrichtsfach Praktische Philosophie von 2001 bis 2008 dokumentiert die Schulstatistik (vgl. B. Wiesen: Praktische Philosophie. Entstehung und Wirkung des neuen Schulfaches in Nordrhein-Westfalen, Münster, 2009, S. 198, Abb. 105 - nur im Printmagazin).

Von Interesse in diesem Zusammenhang ist die große Zufriedenheit der Schülerinnen und Schüler mit dem Unterrichtsfach Praktische Philosophie, die in einer empirischen Studie von Bernd Wiesen mittels Umfragebogen mit freier Texteingabe ermitteln werden konnte (B. Wiesen, S. 108). Mit Einbrüchen in den Teilnehmerzahlen dürfte zukünftig nicht zu rechnen sein. Praktische Philosophie ist ein Unterrichtsfach mit enormem Entwicklungspotential.

Die steigenden Teilnehmerzahlen im Ersatzfach Praktische Philosophie in allen Schulformen geht jedoch nicht, wie man voreilig meinen könnte, mit steigenden Abmeldezahlen im Religionsunterricht einher. Ganz im Gegenteil, die Anzahl der Religionsabmeldungen sinkt mit wachsenden Teilnehmerzahlen in Praktischer Philosophie. Diese Entwicklung ist dem Wegfall von Freistunden geschuldet, die entfallen, wenn an einer Schule Praktische Philosophie für Religionsabmelder angeboten werden kann. Die Bereitschaft, sich vom Religionsunterricht abzumelden, nimmt ab, sobald die Teilnahme am Ersatzfach verpflichtend ist. Religion und Philosophie stehen als Unterrichtsfächer also nicht in einem Konkurrenzverhältnis, sondern gehen eine Symbiose ein.

Mögliche Gründe für die Diskrepanz zwischen Bedarf und Ressourcen

Als Gründe für das Mauerblümchendasein der Philosophiedidaktik lassen sich drei Punkte ausweisen:

Vorbehalte der Fachphilosophen
Verortungsschwierigkeit
Neuartigkeit und Anspruch

Vorbehalte der Fachphilosophen

Ein Grund für das Mauerblümchendasein der Philosophiedidaktik ist in der Mentalität unseres schönen Faches zu suchen. Theologen oder Philologen z. B. stellen die Erziehung von Kindern und Jugendlichen im Zeichen des Glaubens bzw. die Lehr- und Lernbarkeit von Fremdsprachen gar nicht erst in Frage und stehen daher von vorneherein didaktischen Bestrebungen offen gegenüber. Die Philosophen dagegen lieben professionsgebunden den Zweifel, und so fragen sie sich spätestens im Falle einer drohenden Institutionalisierung der Philosophiedidaktik, ob Philosophie überhaupt gelernt und gelehrt werden könne oder ob das Philosophieren vielleicht eher als eine Art spirituelle Eingebung nur wenigen Begabten von Natur aus zukäme.
Wenn Philosophie, so könnte man dann argumentieren, weder lehr- noch lernbar sei, sondern allein auf einer genetischen Disposition beruhe und auch sonst keiner weiteren Kultivierung bedürfe, sei Philosophiedidaktik entweder überflüssig oder schädlich. In beiden Fällen – überflüssig oder schädlich – wird freilich eine Institutionalisierung der Philosophiedidaktik abgelehnt.

Abgesehen davon, dass das Philosophen-Gen noch immer nicht empirisch nachgewiesen wurde, ist schließlich einzuwenden, dass das Philosophieren in unserer demokratischen und multikulturellen Gesellschaft eine notwendige Kulturtechnik ist, die von jedem mündigen und kritisch denkenden Menschen beherrscht werden muss, um Orientierungswissen generieren und Prozesse der Persönlichkeitsbildung in Gang setzen zu können. Von philosophischer Bildung kann und darf niemand aufgrund von Begabungen ausgeschlossen werden. Die Vertreter der Schädlichkeitsthese befürchten vor allem eine Simplifizierung oder Verzerrung der Philosophie durch eine popularisierende Philosophiedidaktik, scheinen doch gerade die großen Werke der Meisterdenker in Klassenzimmern zu sperrig. In diesem Sinne schade zwar die Populärphilosophie nicht den Schülerinnen und Schülern, sie schade vielmehr dem Ansehen der akademischen Philosophie.

Die Angst vor der Schädigung der akademischen Philosophie durch populären Philosophieunterricht an den Schulen führte schon im 19. Jahrhundert zur Abschaffung des Philosophieunterrichts. Aus der Geschichte aber lässt sich lernen, dass nicht der schulische Philosophieunterricht der esoterischen Philosophie Schaden zufügte, sondern vielmehr seine Entfernung aus den Stundenplänen der Schüler. Die Abschaffung des Philosophieunterrichts zur Schonung der Fachphilosophie lief langfristig auf ein wissenschaftliches Nachwuchsproblem hinaus, und die Fragen und Gegenstände der Philosophiedidaktik wurden nicht etwa obsolet, sondern lediglich in den Bereich der Hochschuldidaktik ausgelagert. Diejenigen Fachphilosophen, die erst zur Schonung der Philosophie für eine Abschaffung des philosophischen Unterrichts an den Schulen des 19. Jahrhunderts bildungspolitisch sorgten, beklagten sich wenig später über die mangelnde philosophische Vorbildung und Reflexionsfähigkeit ihrer Erstsemester.

Es ist ferner zu fragen, ob der Philosophieunterricht nicht primär unter dem Gesichtspunkt der sich philosophisch bildenden Schülerinnen und Schüler betrachtet werden sollte. Für wen findet Philosophieunterricht statt? Für das Ansehen der großen Philosophen, die sich vielleicht im Grabe umdrehen, wenn sie wüssten, dass ihre Philosophie nun schon als Bastelset – frei nach Depners Ansatz „Kant für die Hand“ – erhältlich ist? (H. Depner, Kant für die Hand, München, 2011) Nein, die Adressaten des Philosophieunterrichts sind sicherlich die Bildungssubjekte. Ein Kant wird es verkraften, dass die „Kritik der reinen Vernunft“ heutzutage auch in Form von populären Bastelbögen erhältlich ist.

Nicht zuletzt gilt es, das elitäre Selbstverständnis mancher Fachphilosophen zu hinterfragen. Philosophiedidaktiker und Philosophielehrkräfte erfahren vielfach keinerlei Wertschätzung, denn wer mit Laien philosophiere, könne selbst kein großer Philosoph sein. Meisterdenker philosophierten nur unter ihresgleichen und seien notwendigerweise nicht in der Lage, ihre komplexen Gedanken Anfängern der Philosophie verständlich zu machen. Eigenständiges Philosophieren und Philosophievermittlung schlössen sich gegenseitig aus und seien unvereinbar.

Verortungsschwierigkeiten

Sowohl die Unvereinbarkeits- als auch die Überflüssigkeits- und die Schädlichkeitsthese basieren auf einem Didaktikbegriff, der die Didaktik als nachträglich auffasst, und zwar in dem Sinn, als dass Didaktik Philosophie mit Hilfe rhetorischer und motivationstechnischer Tricks bloß abbildet. Eine Abbilddidaktik überträgt die Systematik der Fachwissenschaft, ohne auf die Sichtweise der Schülerinnen und Schüler zu achten. Es versteht sich von selbst, dass das Abbild im Vergleich zum Urbild eine schlechtere Qualität hat. Das diachrone Verhältnis von Didaktik und Philosophie einerseits und die Summe der fachphilosophischen Vorbehalte andererseits führen in letzter Konsequenz zur Neigung, Philosophiedidaktik möglichst klein zu halten oder sie als minderwertige Disziplin des Empirischen und Kontingenten in die Erziehungswissenschaften abzuschieben.

Ein Verdienst der Vertreter der dialogisch-pragmatischen Philosophiedidaktik besteht nun aber darin, die Philosophiedidaktik auf der Basis der Konstituierungsthese als vollwertigen Teil der akademischen Philosophie zu etablieren. Martens’ Konstituierungsthese lautet:
„Philosophie ist didaktisch, insofern sie einen gemeinsamen Lehr-Lern-Prozess darstellt. Didaktik ist für sie, wie für jedes Wissen, konstitutiv. Dieser Prozess erfordert nicht nur ein Wissen, sondern vor allem ein erlernbares praktisches Können. Umgekehrt aber ist nicht nur die Philosophie didaktisch, sondern auch Didaktik philosophisch, insofern dieser Prozess einer Rechtfertigung in einem Zweck-Mittel-Zusammenhang bedarf.“ (E. Martens: Dialogisch-pragmatische Philosophiedidaktik, Hannover, 1979, S. 11).

Neuartigkeit und Anspruch

Nach der schweren Krise des Philosophieunterrichts im 19. Jahrhundert wurde Philosophie als reguläres Unterrichtsfach in der Oberstufe erst 1972 eingeführt. Der erste Lehrstuhl für Philosophiedidaktik folgte 1978. Die Ausweitung des Ethik- und Philosophieunterrichts auf der Sekundarstufe I ist, wie die Disziplin der Philosophiedidaktik selbst, ein sehr junges Phänomen und benötigt vermutlich zur Stabilisierung und Etablierung etwas Zeit.
Es soll zuletzt nicht unerwähnt bleiben, dass der Anspruch der Philosophiedidaktik – erstes und zweites Staatsexamen, Unterrichtserfahrung, eigene Forschung und akademische Lehre – sehr hoch und die Aufstiegschancen promovierter Philosophen in der Schullaufbahn günstiger sind als die Bedingungen für den wissenschaftlichen Nachwuchs an der Universität.
Maßnahmen zur Rettung der Philosophiedidaktik

Vor diesem Hintergrund sind gegenwärtige Bemühungen zur Rettung einer institutionalisierten und professoralen Philosophiedidaktik nicht hoch genug zu schätzen. Die letzten Mohikaner der Philosophiedidaktik erarbeiten derzeit in Kooperation mit den Fachverbänden Philosophie und Ethik und den Mitgliedern des Forums für Didaktik der Philosophie eine Initiative zur Verbesserung der philosophiedidaktischen Lehrerausbildung an den Universitäten. Vorurteile sollen bekämpft und Kooperationen mit der Fachphilosophie initiiert werden. Institutionenpolitisch geplant sind die Verabschiedung eines Konzepts zur Stärkung der Philosophiedidaktik auf der DGPhil-Mitgliederversammlung 2014 sowie die Thematisierung der problematischen Situation im 19. DG Phil-Newsletter März 2013.

Themenfelder der Philosophiedidaktik

Wie jede andere Fachdidaktik auch beschäftigt sich die Philosophiedidaktik mit Fragen des Wozu, Wie, Was und Wer. Als junge Disziplin ist sie sowohl mit anderen Fachdidaktiken als auch mit der Erziehungswissenschaft und der Allgemeinen Didaktik eng vernetzt. Hinsichtlich der Kernfragen des Lehrens und Lernens von Philosophie besteht in der gegenwärtigen Philosophiedidaktik weitgehend Konsens. Die turbulenten Zeiten der Kontroversen, wie sie in der Gründungsphase geführt wurden, sind vorüber.

Wozu

Gerade in einem jungen Unterrichtsfach stellt sich mit der Absicht der Rechtfertigung die Frage nach dem Zweck des Philosophieunterrichts sehr früh. Von zentraler Bedeutung ist hierbei der Bildungsbegriff, der vor allem von Volker Steenblock und Kirsten Meyer zum Ausgangspunkt philosophiedidaktischer Betrachtungen gewählt wird.

Zu den notwendigen Kriterien philosophischer Bildung gehört das Kennenlernen, Vergleichen, das kritische Würdigen und das Dulden von verschiedenen Weltbildern, so dass dem Begriff der Toleranz im Rahmen philosophischer Bildungsprozesse mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden sollte. Die Pluralität von Weltbildern in einer Lerngruppe manifestiert sich in unterschiedlichen Philosophien, Kulturen, religiösen Bekenntnissen, Norm- und Wertsystemen, Ordnungsprinzipien sowie grundlegenden Orientierungen des Menschen zum Seienden im Ganzen. Es wird in der Forschung noch zu zeigen sein, dass dieser Facette der philosophischen Bildung in der Genese des Philosophieunterrichts nicht dauerhaft Rechnung getragen wurde.

Wie

Im Zuge der ministerialbürokratisch geforderten und mittlerweile in der Philosophiedidaktik schon als „überbordend“ (E. Martens, Didaktik der Philosophie, a.a.O., S. 105) empfundenen Kompetenzorientierung jeglichen Unterrichts und dem Aufstieg der empirischen Bildungsforschung hat die Philosophiedidaktik nicht nur die Methoden der Philosophie und die Methoden des Ethik- und Philosophieunterrichts, sondern im reflexiven Gestus auch die eigene Forschungsmethodik im Blick.
In der philosophiedidaktischen Methodendiskussion sind die sich ergänzenden, im Generierungsverfahren jedoch gegenläufigen Modelle von Johannes Rohbeck und Ekkehard Martens einschlägig. Auf deduktivem Weg transformiert Rohbeck die Denkrichtungen der Philosophie (Analytik, Konstruktivismus, Phänomenologie, Dialektik, Hermeneutik, Dekonstruktion) in philosophische Methoden des Unterrichts. Im Gegensatz dazu entwickelt Martens induktiv aus den Elementen des alltäglichen Denkens fünf Methoden, die sich als Richtungen gegenwärtiger Philosophie herausstellen (Phänomenologie, Hermeneutik, Analytik, Dialektik und Spekulation) und als Arbeits- und Unterrichtsmethoden im Ethik- und Philosophieunterricht angewendet werden. Auf die wissenschaftliche und curriculare Etablierung der beiden Modelle folgen gegenwärtig Konkretisierungen in Form von Unterrichtsvorschlägen und Materialsammlungen für Lehrende und Lernende. Der Weg der Konkretisierung wird auch weiterhin in der Philosophiedidaktik einzuschlagen sein, um lerngruppenspezifisches Planen von Unterricht in der Praxis zu erleichtern. Exemplarisch soll dies zukünftig anhand einer Transformation von Husserls und Merleau-Pontys phänomenologischen und Blumenbergs hermeneutischen Methoden in einem Projekt gezeigt werden. Der Schwerpunkt auf phänomenologische und hermeneutische Kompetenzschulung ist dadurch motiviert, dass die Notwendigkeit eines Methodenpluralismus zu Recht Konsens der philosophiedidaktischen Forschung ist, gleichwohl aber eine bedenkliche Entwicklung zum Methodenmonismus im realen Unterrichtsprozess zu beobachten ist. Der Aufschwung der analytischen Philosophie auf esoterischer Ebene geht mit einem Übergewicht an analytischen Methoden im Unterricht einher.
Im Hinblick auf die Forschungsmethoden in den Didaktiken und Erziehungswissenschaften stellt derzeit die Wende zur empirischen Unterrichtsforschung eine große Herausforderung dar. Eine systematische Erschließung der vorhandenen empirischen Studien hat jüngst Markus Tiedemann unternommen. Es gilt, Möglichkeiten und Grenzen des empirischen Ansatzes für philosophische Bildungsprozesse auszuloten und in einer zahlenorientierten Kultur vor übertriebenen Erwartungen zu warnen, denn wenn die Evaluation des Ethik- und Philosophieunterrichts allein empirischen Verfahren ausgeliefert ist, gerät das Wertvollste der philosophischen Bildung – die Arbeit einer Person an sich selbst, die Bildung eines sittlichen Charakters, philosophische Gesinnung, praktisch gelebte Moral und Wertfestigkeit – aus dem Blick.

Philosophische Bildung zielt nicht allein auf Kompetenzerwerb, sondern beinhaltet auch den Aspekt der materialen Bildung oder des Wissens, das in Folge der Standardisierung und der Einführung des Zentralabiturs gegenwärtig weitgehend unreflektiert kanonisiert wird. Nachdem jüngst der Versuch unternommen wurde, Kanonbildungsprozesse in der Geschichte des Philosophieunterrichts deskriptiv zu beleuchten, um auf normativer Ebene Vorschläge für die gegenwärtige Unterrichtspraxis unterbreiten zu können, wäre eine empirische Verifizierung der Vorschläge und eine Implementierung lohnenswert. Die auf diesem Weg erschlossenen historischen Quellen sind größtenteils leider kaum noch zugänglich und zudem in Latein. Die bibliographische Situation verlangt geradezu nach Neueditionen, Übersetzungen und Chrestomathien für den Bereich der akademischen Philosophielehrerausbildung.

Neben Texten, die traditionell ein sehr wichtiges Medium im Philosophieunterricht sind, bildet sich jüngst ein Hybridkanon heraus, in denen ganz unterschiedliche Medien, wie z.B. Bilder, Filme, Musikvideos, Computerspiele oder Soap Operas zum Philosophieren genutzt werden. Ein bisher unentdecktes Medium stellt ganz ungerechtfertigt das philosophische Hörbuch dar. Es schult sowohl das Hörverstehen als auch die Konzentrationsfähigkeit und kann in leseschwachen Lerngruppen eingesetzt werden. Die theatrale Inszenierung philosophischer Probleme sorgt für Abwechslung, Motivation und lebensweltliche Nähe. Die Erforschung der Potentiale des philosophischen Hörbuchs für das Lehren und Lernen von Philosophie scheint ein lohneswertes Unterfangen zu sein.

Die Frage nach den Bildungssubjekten und der Beschaffenheit der Lerngruppe ist in der Philosophiedidaktik von besonderer Brisanz, da Philosophie traditionell als besonders anspruchsvolles Fach gehandhabt wurde und nur für erwachsene und zugleich männliche Bildungssubjekte geeignet schien. Ein Verdienst der dialogisch-pragmatischen Philosophiedidaktik besteht nun aber darin, die Philosophie aus dem elitären Komplex der Gelehrtenbildung befreit zu haben. Als elementare Kulturtechnik ist Philosophie inzwischen Bestandteil eines Bildungsprogramms für jedermann. An den Schulen philosophieren sowohl Kinder als auch Jugendliche. Philosophische Lehrtätigkeit findet statt in Kliniken, Jugendpsychiatrien, philosophischen Praxen, in der Gastronomie, auf Reisen, in der Unternehmensberatung und im Strafvollzug. Die Ausweitung und Erkundung außerschulischer Lernorte ist weiterhin Programm. Lerngruppenspezifische Unterrichtsmaterialien für die nicht alltäglichen Lernorte sind ein Desiderat.

Unter diesem Signum findet an der Universität Duisburg-Essen in diesem Semester in Kooperation mit UNIAKTIV, dem Zentrum für gesellschaftliches Lernen, ein vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft und der Stiftung Mercator gefördertes Projekt zum Learning-Seminar statt, in dem Studierende mit sozialem Engagement außerschulische Lernorte erforschen und mit Menschen in Grenzsituationen, darunter Senioren, Süchtige, Depressive, Nicht-Sesshafte, Haftentlassene, Wohnungs- und Arbeitsentwöhnte und aufgrund ihrer Herkunft und Lebensweise benachteiligte Personen, philosophieren. Das Projekt ist insofern produktionsorientiert, als dass die studentischen Dokumentationen in Form einer Publikation einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Auf diesem Weg werden die hochschuldidaktischen Möglichkeiten und Grenzen des Konzepts Service Learning veranschaulicht. Nicht zuletzt ist auch die Universität ein philosophischer Lernort, der innerhalb der Philosophiedidaktik bisher nur am Rande gewürdigt wurde.

Die Frage nach den Bildungssubjekten und der Zusammensetzung spezifischer Lerngruppen im Philosophie- und Ethikunterricht ist aus der Perspektive der Entwicklungspsychologie eine Einstufungsfrage auf der Skala der moralischen Urteilskompetenz mittels Dilemma-Methode. Gerade Straftäter werden auf der Skala der moralischen Urteilskompetenz von den Vertretern dieses Ansatzes sehr niedrig eingestuft und dienen als Paradebeispiel für Menschen mit mangelnder moralischer Diskursfähigkeit. Die eigenen Unterrichtsversuche auf der Basis einer sokratischen Philosophiedidaktik konnten diesen Eindruck nicht bestätigen, so dass sich auch hier ein größeres Feld der Kritik und Verifizierung eröffnet.

Am schulischen Lernort sind die Lerngruppen im Philosophie- und Ethikunterricht bedingt durch den Ersatzfachstatus multikulturell und sehr heterogen. Viele Schülerinnen und Schüler lernen Deutsch als Zweit- oder Fremdsprache, was das gemeinsame Philosophieren im Klassenraum sehr erschwert. Eine Herausforderung besteht nun darin, im Sinne einer durchgängigen Sprachförderung Konzepte zur Sprachbildung im Fachunterricht zu entwickeln. In der Philosophiedidaktik stellt dieser Gegenstandsbereich leider ein Desiderat dar, was gerade an der Universität Duisburg-Essen einerseits sehr schmerzlich ist, da in den neuen Lehramtstudiengängen profilrelevante Wahlpflichtveranstaltungen zu diesem Komplex angeboten werden müssen. Anderseits versetzt es uns in die komfortable Lage, dass sich interdisziplinäre Arbeitsgruppen rasch zusammenfinden, um tragfähige Konzepte für Forschung und Lehre zu entwickeln. Ein möglicher Ansatzpunkt zur Sprachförderung im Philosophieunterricht ist eine noch näher auszubuchstabierende Metapherndidaktik.

An Herausforderungen, so ist abschließend festzuhalten, mangelt es in der noch recht jungen Disziplin der Philosophiedidaktik sicherlich nicht. Um das Abgleiten in rein monologische Werkschöpfungen zu verhindern, werden in Zukunft alle Kräfte zur Institutionalisierung dieser Disziplin erforderlich sein.

Literatur zum Thema:

Albus, Vanessa: Kanonbildung im Philosophieunterricht. Lösungsmöglichkeiten und Aporien, Dresden, 2013.
Ein Grundlagenwerk, das unter dem Gesichtspunkt der Kanonbildungsprozesse die Geschichte des Philosophieunterrichts zukunftsweisend entfaltet.

Albus, Vanessa; Altenschmidt, Karsten (Hrsg.): Philosophieren mit Jedermann. Ein hochschuldidaktisches Projekt zum Service Learning, Münster, 2013. (im Erscheinen)
Dokumentiert ein hochschuldidaktisches Projekt der Universität Duisburg-Essen, das der Kultivierung des Philosophierens von Erwachsenen an außerschulischen Lernorten dient und dem Konzept des Service Learning verpflichtet ist.

Martens, Ekkehard: Methodik des Ethik- und Philosophieunterrichts. Philosophieren als elementare Kulturtechnik, Hannover, 22005.
In der „Methodik“ wird das integrative Methodenparadigma entwickelt und das Philosophieren als elementare Kulturtechnik situiert.

Meyer, Kirsten: Bildung, Berlin, 2011.
Diskutiert wird das Verhältnis von Bildung zu Autonomie, Werten, gutem Leben, Neutralität und Gerechtigkeit.

Rohbeck, Johannes: Didaktik der Philosophie und Ethik, Dresden, 22010.
Leitidee ist die Vermittlung zwischen akademischer Philosophie und schulischer Unterrichtspraxis auf der Basis einer Transformation didaktischer Potenziale der Philosophie.

Steenblock, Volker: Philosophische Bildung. Einführung in die Philosophiedidaktik und Handbuch: Praktische Philosophie, Münster, 2012.
Führt in die Philosophiedidaktik ein und plädiert für die Notwendigkeit einer philosophischen Bildung in einer Zeit der zivilisatorischen Beschleunigung.

Tiedemann, Markus: Philosophiedidaktik und empirische Bildungsforschung. Möglichkeiten und Grenzen, Münster, 2011.
Analysiert empirische Forschungsprojekte zum Philosophieunterricht und klopft sie auf Möglichkeiten und Grenzen ab.

Aus Heft 2/2013, S. 16-2; Autorin: Vanessa Albus ist habilitierte Philosophin und lehrt an der Universität Duisburg-Essen Philosophiedidaktik. Der vorliegende Artikel ist eine gekürzte Fassung ihrer Antrittsvorlesung vom 31.01.2013.

 

Quelle: Diese Rezension erschien unter www.information-philosophie.de (Editiert)