PhilosophiePhilosophie

Die Handlungstheorie ist ein Fachgebiet der Philosophie, die sich mit Theorien über die Prozesse beschäftigt, die willentliche menschliche Handlungen mehr oder weniger komplexer Art verursachen.

Dieses Denkgebiet umfasst Erkenntnistheorie, Ethik, Metaphysik, Rechtswissenschaft und Philosophie des Geistes und hat seit Aristoteles' Nikomachischer Ethik (Drittes Buch) das starke Interesse der Philosophen auf sich gezogen. Mit dem Aufkommen der Psychologie und später der Neurowissenschaften sind viele Handlungstheorien heute empirisch überprüfbar.

Sie war als eigenständige Disziplin zunächst in der analytischen Philosophie der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auszumachen, wobei sie viel mit der Philosophie des Geistes verbindet. Im Fokus der zeitgenössischen Debatten stehen drei thematische Felder: die Natur von Handlungen, Handlungsbeschreibungen und Handlungserklärungen.

Die Philosophie des Handelns ist nicht zu verwechseln mit soziologischen Theorien des sozialen Handelns, wie etwa der von Talcott Parsons begründeten Handlungstheorie. Auch sollte sie nicht mit der Handlungsregulationstheorie (s.a. Handlungskompetenz) verwechselt werden.


Handlungsgründe

Welches sind die Gründe, aus denen Leute etwas tun und in welcher Beziehung stehen sie zu diesem Tun? Dieser Frage geht der in Bielefeld lehrende Rüdiger Bittner in seinem ursprünglich in englischer Sprache erschienenen, nun ins Deutsche übersetzten Buch

Bittner, Rüdiger: Aus Gründen handeln. 235 S., kt., € 29.95, 2005, Ideen und Argumente, de Gruyter, Berlin

nach.

Er hat auch eine Antwort: Ein Grund ist etwas, was in der Welt der Fall ist, ein Zustand der Dinge, und was aus einem Grund getan wird, ist eine Reaktion auf diesen Zustand.

Bittner lehnt damit die in letzter Zeit populär gewordene Ansicht ab, dass Gründe Dinge im Geiste oder Kombinationen solcher Dinge seien, ab. Er versucht vielmehr ein vollkommen „weltliches“ oder naturalistisches Verständnis von Gründen und Handeln aus Gründen zu gewinnen.

Die Standardauffassung

Die geläufige Antwort auf die Ausgangsfrage lautet: Ein Grund aus dem jemand etwas tut, ist eine Kombination aus einem Begehren und einer Meinung des Handelnden. Jemand möchte ein Bier trinken, und er denkt, wenn er zum Kühlschrank geht, so trägt das dazu bei, dass er dann wirklich eins trinkt: jenes Begehren und diese Meinung zusammen bilden den Grund, aus dem er zum Kühlschrank geht. Autoren wie Carl Gustav Hempel, Donald Davidson, Paul Churchland, Alvin Goldman und Michael Smith sind sich darin einig, dass eine vollständige Gründe-Erklärung eines Handelns ein relevantes Begehren des Handelnden angibt sowie eine Meinung des Handelnden mit dem Inhalt, dass das Handeln zur Realisierung des Begehren beiträgt.

Bittner sieht hier Schwierigkeiten. Eine betrifft die Frage, wie hier „Begehren“ zu verstehen sei. So wurde geltend gemacht, dass bei einem Verständnis von Begehren als Lust auf etwas nicht erklärbar wird, warum wir etwas aus moralischen Gründen tun. Und auch den Zahnarzt besuchen wir wohl kaum, weil man dazu Lust hat. Für Bittner lassen sich bei jeder Definition von „Begehren“ eine Vielzahl von Fällen finden, die sich nicht darunter subsumieren lassen. Davidson hat das erkannt und zugegeben, dass es
Gründe bzw. Erklärungen von Handlungen gibt, die nicht auf ein Begehren oder Meinen des Handelnden Bezug nehmen. Er hat dies Erklärungen durch nicht-primäre Gründe genannt. Nicht-primäre Gründe verdanken ihre Erklärungskraft der Tatsache, dass sie anzugeben einen anderen, einen primären Grund erkennen lässt. Allerdings umgeht Davidson die Frage, wie denn dies zu verstehen sei. Aber auch andere Autoren bleiben bei dieser Frage unbestimmt. So schreibt Colin McGinn, dass ein Grund, mit dem wir eine Handlung erklären, „am besten verstanden wird als ein Begehren und eine Meinung in einer bestimmten Art von Verbindung“, und genauso unbestimmt ist Martha Nussbaum, wenn sie schreibt, dass „es in der Natur der Handlung liegt, durch ein Begehren oder eine Meinung bestimmt zu sein“.

Die Mängel der Standardauffassung

Einzig Michael Smith hat das Argument, dass Gründe, aus denen Leute etwas tun, immer aus einem Begehren und einer Meinung bestehen, ausgearbeitet und zwar in folgenden Schritten:

  1. Einen Grund haben, aus dem man etwas tut, ist unteren anderem dies, ein Ziel zu haben.
  2. Ein Ziel haben heißt in einem Zustand sein, mit dem die Welt übereinstimmen muss.
  3. In einem Zustand sein, mit dem die Welt übereinstimmen muss, ist ein Begehren.
  4. Folglich, einen Grund haben, aus dem man etwas tut, ist unter anderem dies, etwas zu begehren.

Bittner lässt dieses Argument nicht gelten. Einen Satz von Dispositionen zu haben, hält er für keine hinreichende Bedingung für das entsprechende Begehren, und Begehren besteht nicht darin, solche Dispositionen zu haben. Doch selbst, wenn es darin bestünde, würde dies nicht der dritten Prämisse des Arguments helfen: das dispositionelle Verständnis von Begehren stützt nicht die Vorstellung, dass in einem Zustande sein, mit dem die Welt übereinstimmen muss, Begehren ist.

Warum braucht es beides, Begehren und Meinung, für einen primären Grund, aus dem jemand etwas tut? Die Standard-Antwort auf diese Frage lautet: „Handeln aus einem Grund beruht auf einer leitenden Meinung und einem motivierenden Wollen“ (Robert Audi), und nach Georg Henrik von Wright ist „das Wollen das, was bewegt, und die Erkenntnis (kausaler Verknüpfungen) das, was die Bewegung steuert“.

Bittner hält das nicht für kohärent. Wenn Begehren für sich ein hilfloses Verlangen nach dem Ziel ist, dann ist es nicht wahr, dass es einen zum Handeln bewegt. Die Widersprüchlichkeit zeigt sich an den unvereinbaren Rollen, die dem Begehren zugewiesen werden. Begehren in der einen Rolle „setzt das Ziel“, wie sich Audi ausdrückt. Begehren in der zweiten Rolle ist das, was denjenigen in Bewegung setzt, der tatsächlich Schritte unternimmt. Doch von einem so verstandenen Begehren kann man nicht sagen, dass es für sich nicht zum Handeln gelangt: zum Handeln zu führen ist ja gerade seine Rolle.

Warum aber konnte sich diese Standard-These solange halten, wenn sie doch sichtliche Mängel hat? Dazu Bittner: Die philosophische Orthodoxie der Gegenwart steht hinter ihr, weil das die hergebrachte Auffassung ist. Die klassische Quelle ist Humes Lehre. wonach „erstens, die Vernunft allein nie Motiv für irgendeine Haltung des Willens sein kann, und zweitens, dass sie bei der Lenkung des Willens der Leidenschaft nichts entgegenzusetzen vermag“.

Die kantische Position

Es gibt allerdings noch eine zweite Antwort auf die Frage, was ein Grund ist, dass jemand etwas tut. Sie hat allerdings nicht so viele Anhänger wie die Standard-Antwort und besagt, dass ein Grund, warum jemand etwas tut, ein Prinzip ist. Diese Auffassung geht auf Immanuel Kant zurück, in der Gegenwart wurde sie von Onora O’Neill und Thomas
Hill ausgearbeitet. Kant spricht zwar nicht von Gründen, aus denen Personen etwas tun, er spricht vielmehr von Maximen und von praktischer Vernunft, aber laut Bittner läuft das auf die Konzeption hinaus: Gründe sind Prinzipien des Handelns. Doch auch diese Antwort scheitert, meint Bittner.

Kant spricht davon, ein vorausgehendes Begehren sei die Bedingung dafür, eine Regel sich als Maxime zu eigen zu machen. Andrews Reath und Henry Allison haben aber überzeugende Gründe dafür vorgebracht, dass die Vorstellung, ein Begehren übe eine Kraft auf den Willen aus, mit praktischer Freiheit im Sinne Kants nicht zu vereinbaren ist. Weiter ist es, um eine Maxime zu haben, nicht erforderlich, auch nach ihr zu handeln.

Bittners Konzeption

Bittner schlägt eine ganz andere Konzeption vor, die die Mängel der vorhergehenden nicht teilt: „Ein Grund, aus dem jemand etwas tut, das ist soviel wie, etwas sein, auf das die betreffende Handlung eine Reaktion ist.“ „Reaktion auf etwas“ ist allerdings nicht im naturwissenschaftlichen Sinne gemeint, gemeint ist vielmehr der Sinn, in dem wir das Wort in der Beschreibung unseres normalen Umgangs miteinander gebrauchen. Charakteristisch ist, dass dazu eine Geschichte gehört, die das einbegreift, worauf die Handlung eine Reaktion ist. Wir lernen Dinge zu tun und zu beschreiben, was getan wird, zum Teil dadurch, dass wir lernen auf das, was geschehen ist, zu reagieren und Reaktionen darauf als solche zu erkennen. Wir lassen uns ein auf ganze Handlungsverläufe und verstehen uns auch als eingelassen auf sie; und manche dieser Handlungsverläufe, wie zum Beispiel durch die Stadt fahren, schließen charakteristischerweise ein, Dinge in Reaktion auf etwas, das geschehen ist, zu tun.

Den ersten Hinweis auf die von Bittner vorgeschlagene Richtung gab Georg Henrik von Wright, indem er zwischen internen Gründen, verstanden nach dem vertrauten Muster der Begehren-/Meinungstheorie, und externen Gründen unterschied. Externe Gründe sind dabei Herausforderungen, wobei Dinge wie Befehlen, Bitten und Fragen eine Gruppe von Herausforderungen bilden und Dinge wie Normen, Gebräuche und Traditionen eine andere. Handeln aus einem externen Grund ist Handeln in Reaktion auf eine solche Herausforderung. Allerdings ist der von Bittner eingeschlagene Weg radikaler: Gründe, aus denen Leute etwas tun, sind allesamt externe Gründe im Sinne von Wrights.

Auf welche Arten von Dingen sollen Handlungen aus Gründen Reaktionen sein? Handlungen sind nach Bittner Reaktionen auf Zustände oder Ereignisse, nicht auf Gegenstände, Personen oder Tatsachen, obgleich wir manchmal so reden, als ob auch diese letzteren Dinge Gründe sein könnten. Der Kreis der Dinge, auf die Handlungen Reaktionen sein können, engt sich noch weiter ein: Ein Grund, aus dem jemand etwas tut, kann nicht etwas sein, wovon der Handelnde auf keine Weise Kenntnis hat. Etwas kann ein Grund sein, aus dem einer etwas tut, und für den anderen ist es ein Grund, dasselbe nicht zu tun. Dieser Unterschied rührt daher, dass beide verschiedene Dinge wissen, glauben, erwarten, begehren oder zu tun Lust haben. Es sollte leicht sein, diese beiden Dinge auseinander zu halten: einen Grund, aus dem
wir etwas tun, und das an uns, was diesen oder jenen Zustand zu einem Grund macht, aus dem wir etwas tun. Aber die beiden Dinge werden häufig verwechselt, vermutlich in Folge der ähnlichen Verwechslung von Gründen und Ursachen.

Dasjenige, was die Gründe, aus denen man wirklich etwas tut, aus dem großen Feld all dessen, was ein solcher Grund sein könnte, aussondert, hängt also von Zügen des Handelnden selbst ab. Relevant dafür sind solche Dinge wie, dass man auf etwas aus ist, etwas meint oder etwas erwartet. Man kann daraus so etwas wie eine Reliefkarte von Dingen, die in verschiedenen Graden für uns wichtig sind, machen. Alle Gründe, die wir haben, etwas zu tun, sind irgendwo darauf angesiedelt, und ihre relative Stärke bestimmt sich dadurch, wie wichtig das betreffende Ding für uns ist. Moralische Gründe sind dabei eine Unterklasse der Gründe, die wir haben. Und die relative Stärke moralischer gegenüber anderen Gründen hängt vom Handelnden und vom jeweiligen Fall ab.

Welche Folgen hat diese Konzeption für das Bild vom Menschen, für die Vorstellung von uns selbst? Was für ein Wesen ist ein aus Gründen Handelnder?

Aus Gründen Handelnde brauchen nach Bittner eine weniger umfassende geistige Ausstattung als in der Theorie angenommen. Sie müssen lediglich Bewusstsein haben sowie die Fähigkeit, etwas zu tun in Reaktion auf das, wovon sie Bewusstsein haben. Mehr brauchen sie aber nicht. Insbesondere brauchen sie nicht das spezielle Vermögen – genannt praktische Vernunft –, das in einer weit gefassten platonischen Tradition als erforderlich für das Erkennen von Gründen angesehen wurde. „Handeln aus Gründen“ ist auch nichts spezifisch Menschliches, sondern findet sich in verschiedenen Wesen. Titel wie „Eine Theorie des menschlichen Handelns“, wie sie in der Literatur geläufig sind, gehen von vornherein fehl: Eine Theorie des menschlichen Handelns ist philosophisch gesehen uninteressant.

Kausalistische vs. teleologische Handlungserklärungen

Fragen an Guido Löhrer zur gegenwärtigen Debatte in der Handlungstheorie

Die Handlungstheorie kennt eine Art Standardtheorie. Donald Davidson hat sie 1963 in seinem Aufsatz „Actions, Reasons and Causes“ vorgetragen. Was beinhaltet diese Theorie?

Davidsons Handlungstheorie setzt sich aus drei Bausteinen zusammen: einer Ereignisontologie für Handlungen, einer Logik für Handlungssätze und Folgerungsbeziehungen zwischen solchen Sätzen und einer Handlungsepistemologie. Die Standardtheorie ist im Wesentlichen eine Theorie der Handlungserklärung durch mentale Einstellungen, die dem Handeln vorausgehen. Auch fünfzig Jahre nach ihrer Grundlegung ist sie einer der Referenzpunkte für die handlungstheoretische Diskussion. An ihr und ihren Filiationen und Weiterungen muss sich auch ihr teleologischer Widerpart, der Handlungen mittels Angabe ihrer Zielrichtung erklärt, abarbeiten. Teleologische Handlungserklärungen sind attraktiv, wenn sie die Schwierigkeiten, die die Standardtheorie aufwirft, vermeiden.

Handlung ist, was ein Akteur aus einem Handlungsgrund vollzieht, und die Angabe dieses Grundes erklärt die Handlung. Dies ist der weitgehend unstrittige Ausgangspunkt handlungstheoretischer Überlegungen. In „Actions, Reasons and Causes“ fragt Davidson nach der Beziehung zwischen einer intentionalen Handlung und dem handlungserklärenden Grund, aus dem der Akteur diese Handlung ausgeführt hat. Die Auffassung, die heute als Standardtheorie gilt, bringt dazu zwei Thesen ins Spiel: die Wunsch-Überzeugungs-These und die Kausalthese. Die erste These betrifft die Form handlungserklärender Gründe und die zweite die Art der Erklärung.
Im Alltag werden Handlungsgründe häufig wie folgt angegeben: Ich bündele das Altpapier, weil Mittwoch ist. Paul macht einen Kopfstand, um Paula zu beeindrucken. Nach Davidson erklären Gründe einzelne Handlungen jedoch nur dann, wenn sie die Form sogenannter Primärgründe besitzen oder sich auf diese Form zurückführen lassen. Primärgründe – das ist die erste These – bestehen aus zwei mentalen Einstellungen, nämlich der Pro-Einstellung eines Akteurs zu einem Typ von Handlungen mit einer bestimmten Eigenschaft und der Überzeugung des Akteurs, dass die in Rede stehende Einzelhandlung eine Instantiierung dieses Handlungstyps ist und die entsprechende Eigenschaft aufweist: Paul hat eine Pro-Einstellung zu Handlungen, die Paula beeindrucken, und ist überzeugt, dass hier und jetzt einen Kopfstand zu machen eine Handlung ist, die Paula beeindruckt. Darum macht er einen Kopfstand.

Diese Formulierung ist recht umständlich, und die Rede von Pro-Einstellungen hat sich nicht durchsetzen können. Stattdessen spricht man bei einem Primärgrund gewöhnlich von einem Wunsch-Überzeugungs-Paar, bestehend aus dem Wunsch, ein Ziel zu erreichen, sowie der Überzeugung, die zu erklärende Handlung sei ein geeignetes Mittel, um dieses Ziel zu erreichen. Für sich genommen erklärt somit weder der Wunsch noch die Überzeugung die Handlung. Zwar unterdrücken Alltagserklärungen gewöhnlich entweder die eine oder die andere Komponente des Grundes oder setzen sie stillschweigend voraus: Warum gehst du ins Café? Weil ich meine Freunde treffen möchte. Warum gehst du ins Café? Weil ich glaube, dass ich meine Freunde treffe, wenn ich ins Café gehe. Doch müssen sich diese Gründe gemäß der Standardtheorie in die Form eines Primärgrunds überführen lassen. Dies ist die Wunsch-Überzeugungs-These, die die Form handlungserklärender Gründe betrifft.

Besitzt ein Grund diese Form, ist damit allerdings erst eine notwendige, aber noch keine hinreichende Bedingung für eine Handlungserklärung im Sinne der Standardtheorie erfüllt. Denn ich kann mehrere Gründe dieser Form für eine Handlung haben und diese Handlung auch tatsächlich ausführen, aber nur aus einem dieser Gründe gehandelt haben. So kann es sein, dass ich ins Café gehe, weil ich meine Freunde treffen möchte und glaube, dies so zu erreichen, aber auch, weil ich Kaffee trinken möchte und glaube, dies so zu erreichen. Bin ich nur aus einem dieser beiden Gründe ins Café gegangen, erklärt auch nur dieser eine Grund meine Handlung. Eine korrekte Handlungserklärung hat ebendiesen Grund anzugeben. Darum muss nach der Beziehung zwischen einer intentionalen Handlung und dem handlungserklärenden Grund, aus dem der Akteur diese Handlung ausgeführt hat, gefragt werden.

An dieser Stelle kommt Davidsons Kausalthese ins Spiel. Sie besagt, dass der handlungserklärende Primärgrund für eine Handlung deren Ursache ist. Handlungserklärend ist danach nur derjenige Grund, der (bzw. dessen neuronales Korrelat) kausal wirksam geworden ist. Davidson hat betont, dass es sich bei Handlungserklärungen um eine Spielart der Kausalerklärung handelt. Wichtig scheint mir in diesem Zusammenhang jedoch der Hinweis, dass in Davidsons „Actions, Reasons and Causes“ mit der Kausalthese zunächst nicht vorrangig ein Naturalisierungsprogramm verfolgt wird. Vielmehr geht es um die Antwort auf ein epistemisches Problem: Wie bestimmen wir unter den Gründen, die ein Akteur hat und die sein Verhalten allesamt rechtfertigen würden, den Grund, der seine Handlung erklärt, weil der Akteur aus ihm auch tatsächlich gehandelt hat? Der Beitrag, den die Handlungsursache für eine Handlungserklärung leistet, besteht gemäß der Standardtheorie darin, dass sie aus der Menge möglicher rechtfertigender Gründe den erklärenden Grund herausgreift. Handlungserklärungen sind somit hybride, nämlich sowohl kausale als auch gründebasierte Erklärungen, und die Ursache, so die Idee, pickt den richtigen Grund heraus.

Davidson hat seinerzeit den Mainstream der analytischen Philosophie damit überzeugen können. Worin liegt die Stärke dieses Ansatzes?

Der in „Actions, Reasons, and Causes“ dargelegte und verteidigte Ansatz verdrängte sehr rasch die in der analytischen Philosophie bis dahin vertretene Auffassung, zwischen Grund und Handlung bestehe eine enge logisch-begriffliche Verknüpfung, so dass sie nicht als zwei unterschiedliche Ereignisse begriffen werden könnten. Folglich könnten sie auch nicht in einem Ursache-Wirkungs-Verhältnis zueinander stehen. Zu dieser sogenannten logical-connection-These hatte Wittgenstein mit einer Bemerkung im Blauen Buch den Anstoß gegeben. Die Relation zwischen Ursache und Wirkung sei Gegenstand induktiver Generalisierungen bzw. Vermutungen, wie Wittgenstein sagt. Von unseren Handlungsgründen wüssten wir dagegen unmittelbar. Dass wir unsere Handlungsgründe kennen und angeben können, sei eine grammatische Aussage. Handlungs- und Kausalerklärungen müssten demnach als zwei distinkte Erklärungstypen betrachtet werden. Davidson attackierte diese Auffassung von zwei Seiten. Den ersten Einwand habe ich schon genannt: Die vermeintlich enge logisch-begriffliche Verknüpfung zwischen den uns bekannten Gründen und unseren Handlungen wäre, selbst wenn sie bestünde, nicht handlungserklärend. Denn man kann, wie gesagt, mehrere Gründe für eine Handlung haben, sie aber nur aus einem einzigen dieser Gründe ausführen. Davidson denkt dem Grund, aus dem man tatsächlich handelt, die kausale Rolle der Handlungsursache zu und verknüpft auf diese Weise die Handlung mit dem richtigen, nämlich handlungserklärenden Grund. Diese Argumentationsstrategie ist ein Schluss auf die beste Erklärung, in Ermangelung einer befriedigenden Alternative. Bekannt geworden ist sie unter dem Namen „Davidson’s Challenge“. Sie fordert all diejenigen, die der Ansicht sind, dass wir intentionale Handlungen aus Gründen vollziehen, dazu auf, eine befriedigende Analyse dieser Gründe vorzulegen, ohne ihnen eine kausale Rolle zuzuschreiben.

Gegen die logical-connection-These bringt Davidson zum zweiten vor, dass Handlungserklärungen als Kausalerklärungen sehr wohl Aussagen über zwei unterschiedliche Ereignisse machen. Das eine Ereignis ist die Handlung, das andere ein mentales Ereignis. Dieses besteht in der Ausbildung eines Grundes durch das Fassen einer Absicht. Im Einzelnen heißt dies, dass ein Wunsch entsteht und eine Überzeugung gewonnen wird. Die neuronalen Korrelate mentaler Ereignisse verursachen Handlungsereignisse, beispielsweise Körperbewegungen. Somit können Handlungserklärungen als singuläre Kausalaussagen aufgefasst werden.

Diese Auffassung ist analytischer Mainstream geworden, eben die Standardtheorie. Ihre Attraktivität und Stärke liegt, wie mir scheint, vor allem in zwei Punkten. Zum einen passen Handlungserklärungen, obgleich sie gewöhnlich mit einem alltagspsychologischen Vokabular formuliert werden, auf diese Weise elegant zu Erklärungen der Art, die wir gewöhnlich als besonders leistungsfähig ansehen, den Erklärungen der Naturwissenschaften. Hier drängt sich ein erklärungsökonomischer Vorzug auf. Menschliche Haddlungen sind nichts derart Außergewöhnliches, dass wir dafür eine besondere Art der Erklärung benötigten, die ansonsten nirgends Verwendung findet.

Der zweite Punkt knüpft an das eben Gesagte an. Wenn der kausale Erklärungsansatz das leistet, was er zu leisten verspricht, haben wir ein Verfahren an der Hand, mit dem wir aus dem Angebot der ein Verhalten rechtfertigenden Gründe den richtigen Grund herausfinden können, nämlich denjenigen, aus dem der Akteur gehandelt hat und der die Handlung tatsächlich erklärt. Die Frage aber ist: Leistet der Kausalismus in der Handlungstheorie das, was er zu leisten verspricht?

Allerdings sind in den letzten Jahren von verschiedenen Seiten – auch von Ihnen - Einwände gegen diese Theorie vorgebracht worden. Der prominenteste Einwand ist wohl das Argument aus den abweichenden Kausalketten, das auf Daniel Bennett und Davidson selbst zurückgeht. Was besagt dieser Einwand?

Gemäß der Standardtheorie sind Handlungen dasjenige Verhalten, das aus einem Primärgrund geschieht, der Ursache dieses Verhaltens ist. Das Argument aus den abweichenden Kausalketten versucht zu demonstrieren, dass diese Auffassung inadäquat, weil zu weit ist. Gerade wenn eingeräumt wird, dass Gründe Ursachen sind und daher zu den Antezedentien einer Handlung gehören, liefert uns die Standardtheorie, so der Einwand, Erklärungen des falschen Typs für Ereignisse, die gar keine Handlungen sind.

Wenn Davidson diesen Einwand anführt, operiert er mit einem Beispiel, das sich Daniel Bennett ausgedacht hat. Ein Killer zielt auf sein Opfer, doch geht der Schuss durch eine ungeschickte Bewegung weit an der ins Visier genommenen Person vorbei. Stattdessen scheucht der Schuss Wildschweine auf, die diese Person tot trampeln. Bedeutsamer als solche sekundären bzw. externen Abweichungen sind für die Diskussion jedoch primäre bzw. interne Abweichungen, die sich gleichsam im Akteur zutragen. Davidsons eigenes Beispiel handelt von einem Bergsteiger, der den Wunsch hat, sein eigenes Risiko zu minimieren, und glaubt, dies erreichen zu können, indem er sich eines anderen Mitglieds seiner Seilschaft durch Lösen der Seilsicherung entledigt. Die Vorstellung vom Lösen der Seilsicherung irritiert ihn dermaßen, dass er unwillkürlich genau die Handbewegungen ausführt, die die Sicherung lösen. Weil diese Beispiele so schön grotesk sind, erwähne ich ein weiteres. Es stammt von Harry Frankfurt. Ein Gangster verabredet mit seinen Komplizen, ihnen den günstigsten Moment zum Raubüberfall auf die Gäste einer Party dadurch zu signalisieren, dass er seinen Drink verschüttet; dies macht ihn so nervös, dass er seinen Drink im exakt richtigen Moment durch ein Zucken seiner Hand verschüttet.

Beispiele für primäre Abweichungen folgen stets demselben Muster, und man kann sich leicht neue ausdenken. Ein Akteur hat die Absicht, ein Handlungsziel durch eine bestimmte Handlung zu erreichen. Doch verursacht diese Absicht nicht die Handlung, sondern macht ihn sehr nervös. Durch seine Nervosität wird eine unwillkürliche Körperbewegung hervorgerufen, die wie von ungefähr den zuvor beabsichtigten Zweck herbeiführt.

Fälle primärer Abweichung sind für Kausalisten besonders problematisch, weil das Geschehen sowohl mit der Wunsch-Überzeugungs-These als auch mit der Kausalthese im Einklang steht, aber kein intentionales Handeln vorliegt. Ein Wunsch-Überzeugungs-Paar besitzt in diesen Fällen eine kausale Rolle, ist aber nicht handlungserklärend. Oder anders gesagt: Etwas, das die kausaltheoretischen Bedingungen für einen Handlungsgrund erfüllt, ist zwar die Ursache des Geschehens, doch erklärt es keine Handlung; denn der Akteur handelt gar nicht.

Was bringen die Verteidiger der Standardtheorie gegen dieses zentrale Argument vor?

Da es die Kausalisten sind, die mit dem gravierenden Problem der sogenannten abweichenden Kausalketten konfrontiert werden, liegt es nahe zu erwarten, sie suchten nach einer kausaltheoretischen Lösung dieses Problems. Ein erster Versuch dieser Art wurde von Christopher Peacocke entwickelt, der auf eine Idee von John Bishop zurückgreift. Kausalursächliche Primärgründe erklären Handlungen diesem Ansatz zufolge differentiell. Bei differentiellen Erklärungen wird nach einer festen Regel jedem Element einer Ausgangsmenge genau ein Element einer Zielmenge zugeordnet. Beispielsweise bilden traditionelle Personenwaagen das Gewicht eines Menschen auf einer Skala so ab, dass die Drehung der geeichten Scheibe dem Gewicht der gewogenen Person entspricht, und jedes Gewicht ergibt genau einen bestimmten Zahlenwert. Ganz analog sei beim intentionalen Handeln jeder Absicht, die Ursache ist, genau eine bestimmte Handlung zugeordnet. Dagegen lässt sich das Verschütten des Drinks in Frankfurts Beispiel nicht differentiell erklären; denn die Absicht des Gangsters, seinen Komplizen den günstigsten Moment zum Raubüberfall zu signalisieren, und deren nervositätsbedingte Folge sind einander nicht eins zu eins zugeordnet.
Scott Sehon hat die Tragfähigkeit dieses Vorschlags angezweifelt. Nehmen wir an, für die Geschwindigkeit, mit der eine Person eine Handlung ausführen kann, gebe es eine physische Grenze, so dass jede Absicht, eine höhere Geschwindigkeit zu erzielen, eine Handlungsgeschwindigkeit auf dieser Limite zur Folge hätte. In diesem Fall gibt es keine differentielle Erklärung. Trotzdem hätte die Person, wenn sie beabsichtige, mit der ihr möglichen Maximalgeschwindigkeit zu handeln, aus diesem Grund gehandelt.

Raffinierter erscheint mir der Versuch, den Alfred Mele vorgelegt hat, um das Problem der abweichenden Kausalketten zu lösen. Er denkt sich dazu sogenannte Prometheische Akteure, bei denen Nervosität als Handlungsursache mittels eines neurophysiologischen Mechanismus ausgeschlossen wird. Im Kortex dieser Wesen werden Befehlssignale, die vom Fassen einer unmittelbar handlungswirksamen Absicht ausgelöst werden, von solchen unterschieden, die von einem zwischengeschalteten nervösen Zustand herrühren. Nur erstere werden in Ausführungssignale für die entsprechenden Muskeln umgesetzt. Wenn solche Ausführungssignale aufgrund von Nervosität nicht erzeugt werden, kommt es bei Prometheischen Akteuren, anders als bei Davidsons Bergsteiger, erst gar nicht zu Körperbewegungen. So können Handlungen nicht länger mit Ereignissen verwechselt werden, die, obwohl sie von denselben Primärgründen verursacht wurden und dieselben Resultate haben, keine Handlungen sind.

Allerdings ist auch dieser Lösungsvorschlag einem Einwand ausgesetzt. Greift das Argument aus den abweichenden Kausalketten den Kausalismus an, weil er zu vieles als Handlung gelten lassen müsse, scheint Mele den Begriff der Handlung zu eng zu fassen. In Wettkampf- oder Prüfungssituationen kann es vorkommen, dass eine Höchstleistung ohne die Aufgeregtheit, die sich erst aus der Absicht ergibt, eine Höchstleistung zu erbringen, gar nicht erzielt würde. Intuitiv betrachtet besteht hier kein Grund, dem Akteur abzusprechen, absichtlich gehandelt zu haben.

Auffällig ist in diesem Zusammenhang, dass ausgerechnet Davidson alle Bemühungen, das Problem der kausalen Abweichungen mit einem kausalen Instrumentarium zu lösen, für aussichtslos hält. Stattdessen sei zu fordern, dass Gründe auf die richtige Weise verursachen und Kausalketten in der richtigen Weise verlaufen. Was es aber heiße, auf die richtige Weise zu verursachen, könne nicht auf nicht-zirkuläre Weise expliziert werden.

Nun ist „Richtigkeit“ jedoch ein normativer Begriff, der in einer naturwissenschaftlichen Kausalerklärung keinen Platz hat. Dies gilt allerdings bereits für die Rede von kausalen Abweichungen. Kausalbeziehungen bestehen oder bestehen nicht. Von Abweichungen bei Kausalketten zu sprechen, erscheint nur dann sinnvoll, wenn man damit Abweichungen von einem intendierten, erwarteten und für richtig befundenen Verlauf meint; Abweichungen, die sich einem Handlungsinterpreten ex post eventu zeigen. Auf diesen Punkt hatte John Searle in Intentionality (1983) hingewiesen.

George Frederick Schuler hat als Einwand gegen Davidsons Funktionalismus vorgebracht, dieser sei nicht in der Lage, von der Handlungsursache her den handlungserklärenden Grund unter den möglichen Rechtfertigungsgründen zu ermitteln. Sie haben diesen Einwand unterstützt. Warum ist dieser Einwand so wichtig und bringt er Davidsons Konzeption zu Fall?

Davidson unterscheidet eine ontologische Ebene beschreibungsunabhängig existierender Entitäten, den Ereignissen, von den Ebenen ihrer Beschreibungen. Ereignisbeschreibungen wiederum unterscheiden sich durch ihr Vokabular. Wahre Ereignisbeschreibungen mit einem physikalischen Vokabular zeichnen die ontologisch betrachtet beschreibungsunabhängigen Ereignisse als physische Ereignisse aus, wahre Beschreibungen dieser Ereignisse mit einem alltagspsychologischen Vokabular als mentale Ereignisse. Sämtliche Ereignisse erlauben wahre Beschreibungen mit physikalischem, einige davon auch wahre Beschreibungen mit alltagspsychologischem Vokabular. Kausalität ist eine beschreibungsunabhängig bestehende Relation zwischen individuellen Ereignissen auf der ontologischen Ebene. Von Kausalität zu sprechen ist aber nur dann gerechtfertigt, wenn Ereignistypen so verknüpft sind, dass Kausalgesetze, d. h. wahre Gesetzesaussagen in Form allquantifizierter Konditionalsätze formuliert werden können. Singuläre Kausalaussagen wie „Ereignis p verursachte Ereignis q“ erklären ein Ereignis q nur dann, wenn diese Verknüpfung die Exemplifizierung eines Gesetzes ist. Kausalgesetze können, so Davidson, nur mit einem rein physikalischen Vokabular formuliert werden. Zwar gibt es demnach keine psychophysischen Korrelationsgesetze und auf der Ebene alltagspsychologischer Beschreibungen keine strikten Gesetze, die Voraussagen über mentale Ereignisse und das Verhalten von Personen erlaubten. Gibt es aber eine wahre Beschreibung der kausalen Beziehung eines mentalen zu einem physischen Ereignis, dann ist nach dem eben Gesagten garantiert, dass diese Beziehung unter eine in rein physikalischem Vokabular formulierte wahre Gesetzesaussage fällt. Dies ist Davidsons These vom Anomalismus des Mentalen, mit der er die Standardtheorie u.a. gegen den Einwand verteidigt, Kausalerklärungen erforderten Gesetze, die für Erklärungen durch Gründe nicht zur Verfügung stünden.

Nun hat Fred Schueler in Reasons and Purposes (2003) darauf hingewiesen, dass Davidsons Kausalthese – „Ein primärer Grund für eine Handlung ist deren Ursache“ – eine intensionale sowie eine extensionale Lesart erlaubt. Bei der intensionalen Lesart, die sich in „Actions, Reasons, and Causes“ findet, hängt die Erklärungskraft einer Handlungserklärung durch ein Wunsch-Überzeugungs-Paar vom Informationsgehalt einer Ereignisbeschreibung ab. „Jephtha opferte Gott das erste, was ihm nach gewonnener Schlacht aus seiner Haustür entgegen ging“ und „Jephtha opferte Gott seine Tochter“ beschreiben jeweils dasselbe Ereignis, aber die zweite Beschreibung ist aufschlussreicher für das Verständnis des Geschehens. Intensional ist diese Lesart, weil alltagspsychologische Handlungserklärungen intensional sind. Koreferentielle Ausdrücke können nicht wahrheitswerterhaltend ausgetauscht werden, und Ereignisse sind unter einigen Beschreibungen intentionale Handlungen, unter anderen nicht. Kausalerklärungen in diesem Sinn sind kausale Neubeschreibungen alltagspsychologischer Erklärungen individueller Handlungen mittels singulärer Kausalaussagen.
Die extensioniale Lesart macht geltend, dass Kausalität eine Beziehung zwischen individuellen Ereignissen auf der ontologischen Ebene ist, ganz gleich, wie diese Ereignisse beschrieben werden. Wenn sie aber in einer Kausalbeziehung zueinander stehen, gibt es auch eine Beschreibung dieser Beziehung, die ein Gesetz exemplifiziert. Dabei wird es sich nicht um dieselbe Beschreibung handeln, die eine alltagspsychologische Erklärung liefert. Kausal wirkt das Ereignis des Fassens einer Absicht, nicht deren Inhalt. Wie Davidson in „Mental Events“ sagt, ist es allerdings möglich „zu wissen, dass ein geistiges Ereignis mit einem physischen Ereignis identisch ist, ohne zu wissen mit welchem (d.h. man ist nicht imstande, ihm eine eindeutige physikalische Kennzeichnung zu geben, durch die es unter ein relevantes Gesetz gebracht wird).“ Schueler moniert, dass diese Lesart zwar den kausalistischen Ansatz gegen den oben skizzierten Einwand verteidigt, darüber jedoch die substanzielle Lesart der Kausalthese verliert. Dann kann man aber nicht mehr behaupten, die Erklärung durch Gründe sei eine Kausalerklärung.

An diesen Punkt knüpfen Christoph Horn und ich an. Unter den skizzierten Vorzeichen leistet die kausalistische Standardtheorie nicht, was sie zu leisten beansprucht. Sie versichert lediglich, dass dem handlungserklärenden Grund eine physische Ursache entspricht. Doch ist sie nicht in der Lage, aus der Menge möglicher rechtfertigender Gründe für eine bestimmte Handlung den erklärenden Grund herauszugreifen, indem sie ihn durch seine kausale Rolle zu identifizieren erlaubte. Damit aber ist auch die Sprengkraft von Davidson’s Challenge dahin. Ohne Zweifel werden Handlungen verursacht. Gründen eine kausale Rolle zuzuschreiben, bringt uns bei der Ermittlung des richtigen Grundes jedoch keinen Schritt voran.

Ein anderes vielgenanntes Argument ist das „Argument aus der Steuerung und den Sinnmustern“, das auf Harry Frankfurt zurückgeht.

Harry Frankfurts kurzer Essay „The Problem of Action“ (1978) stellt einen wichtigen Ausgangspunkt für neuere Ansätze dar, die sich gegen Davidsons Kausalismus richten. Frankfurt wendet sich dagegen, mit der Standardtheorie lediglich die kausale Vorgeschichte von Handlungen zu betrachten. Gemäß seiner Überzeugung ist es unzureichend, das entscheidende Merkmal einer Handlung in etwas zu sehen, das zum Zeitpunkt ihrer Ausführung bereits abgeschlossen ist und zurückliegt. Nach Frankfurt lassen sich Handlungen von bloßen Geschehnissen nicht mittels ihrer unterschiedlichen Kausalgeschichten unterscheiden. Zentral für Handlungen sei es vielmehr, dass sie während ihres Verlaufs einer Steuerung oder Lenkung (guidance) unterliegen. Folgt man Frankfurt, so charakterisiert es Handlungen, von einem steuernden Individuum kontinuierlich kontrolliert zu werden. Zwar gleicht eine Akteurin in ihrem Steuerungsverhalten nur bedingt einem Autofahrer, aber sie hat mit diesem doch immerhin gemein, sich in ihrem Lenkungsverhalten auf gelegentliche Interventionen und Korrekturen beschränken zu können. Hinzu kommt, dass Handlungen für Frankfurt durch ein besonderes Merkmal gekennzeichnet sind: Sie folgen komplexen sinnhaften Mustern. Danach unterscheiden sich Handlungen, etwa das geübte Klavierspiel eines Pianisten, grundlegend von komplizierten anderen Bewegungen, z.B. einem epileptischen Anfall, durch ihre teleologischen Muster. Sie sind zielgerichtet.

Kausalistische Handlungstheoretiker haben darauf mit der Konzeption einer handlungsbegleitenden Absicht (intention in action) reagiert. Alfred Mele baut sie den bereits erwähnten Prometheischen Akteuren ein. Danach erhält eine Akteurin im Verlauf ihrer Handlung jeweils eine Rückmeldung darüber, ob der eigene Körper sich im Sinne ihrer unmittelbar handlungswirksamen Absicht plangemäß bewegt. In diesem Fall kann sie die Bewegungen einleiten, die für die Umsetzung des nächsten Teils ihres Handlungsplans erforderlich sind. Wenn die Rückmeldung dagegen anzeigt, dass die Dinge aus dem Ruder laufen, sorgt sie sogleich für Korrekturen an ihren Körper-bewegungen. Die Korrekturmaßstäbe liefert dabei ein in die sowohl unmittelbar wirksame als auch beständige Absicht der Akteurin eingebetteter Plan. D.h., die unmittelbar wirksame Absicht bleibt präsent und hält die nötigen Bewegungen kausal aufrecht, bis die Akteurin entwe der zur Auffassung gelangt, ihr Handlungsziel sei erreicht, oder aber ihre Absicht aufgibt.

Die handlungsbegleitende Absicht ist ein Addendum zur unmittelbar handlungswirksamen Absicht. Letzterer kommt die kausale Auslöserrolle und die des Durchhaltens dieser Absicht zu. Der handlungsbegleitenden Absicht wird hingegen eine kausale Lenkungsrolle zugedacht. Nun ist „Zielgerichtetheit“ allerdings ein offenkundig teleologischer Begriff. Hier dürften also teleologische Vorstellungen im Spiel sein, und es ist fraglich, ob sie sich restlos kausalistisch reduzieren lassen.

In den letzten Jahren haben teleologische Handlungserklärungen als Antwort auf die Krise der kausalistischen Ansätze wieder Zulauf. Was hat man genauer unter einem teleologischen Ansatz zu verstehen?

Teleologische Theorien der Handlungserklärung suchen den handlungserklärenden Grund nicht unter den kausalen Antezedentien einer Handlung. Nach teleologischer Auffassung werden Handlungen vielmehr erklärt, indem man das Ziel angibt, auf das sie gerichtet sind: Ich gehe ins Café, um meine Freunde zu treffen. Die Erklärung nennt einen Akteur, sein Verhalten, ein teleologisches Konnektiv und das Ziel, auf den das Verhalten gerichtet ist.
Handeln ist zielgerichtetes Verhalten. Eine Akteurin führt eine Handlung aus, um einen Zweck zu verwirklichen. Wenn der Satz, der auf das teleologische Konnektiv „um zu“ folgt, den handlungserklärenden Grund angibt, kann dieser Grund nicht Ursache sein, weil er der Handlung zeitlich nicht vorausgeht. Offensichtlich sind solche Ansätze nicht mit dem Problem abweichender Kausalketten konfrontiert.

Welche Spielarten kann man unter den teleologischen Ansätzen, die gegenwärtig vertreten werden, unterscheiden?

Zum einen lassen teleologische Ansätze sich in reduktionistische und nichtreduktionistische einteilen. Zum anderen unterscheiden sie sich nach den verschiedenen Bedeutungen, in denen der Ausdruck „Zweck“ (gr. telos, engl. purpose) gebraucht wird. Ich greife davon nur zwei heraus. (1) Einerseits bezeichnet „Zweck“ das Handlungsziel, das eine Akteurin setzt, verfolgt und im Erfolgsfall erreicht. (2) Andererseits steht „Zweck“ aber auch für die Funktion, die eine Sache, Tätigkeit oder Person erfüllt bzw. erfüllen soll. So haben Herzen die Funktion, Blut zu pumpen. Die ausgequetschte Zahnpastatube auf dem Tisch soll mich daran erinnern, neue Zahnpasta zu besorgen. Bei der zweiten Bedeutung müssen wir wiederum unterscheiden zwischen (2.1) einer Funktion, die Sachen, Tätigkeiten oder Personen auf natürliche, nämlich nicht intendierte Weise zukommt, einerseits, und (2.2) einer Funktion, die Sachen, Tätigkeiten oder Personen nur deswegen besitzen, weil sie ihnen von einem Akteur gezielt beigelegt wurden, andererseits. Erste wird entdeckt, letztere verliehen.

Entsprechend unterscheidet sich, was unter einer teleologischen Handlungserklärung zu verstehen ist. Geht es um Zwecke im Sinne natürlicher Funktionen (2.1), werden in der Regel Handlungstypen analysiert. Sind Zwecke im zuletzt genannten Funktionssinn gemeint, zielen Handlungserklärungen darauf herauszufinden, welche Funktion ein Akteur einer individuellen Handlung beigelegt hat (2.2) und auf welches Ziel sein Tun gerichtet ist (1).

Einen teleologischen Ansatz der ersten Art stellen die „teleofunktionalen Analysen“ von Ruth Millikan dar. Millikan versucht in ihrem Buch White Queen Psychology and Other Essays for Alice von 1993 eine naturalistische Rekonstruktion intentionalen Handelns als reproduktionserklärende Eigen- bzw. Teleofunktionen zu geben. Dazu deutet sie absichtliches oder rationales Verhalten als evolutionäres Adaptionsmuster, das ähnlich dem animalischen Fluchtverhalten eine ganze Bandbreite von Teilfunktionen einschließt. Diese können bei Gelegenheit abgerufen werden, ohne das Individuum allerdings auf ein bestimmtes Muster festzulegen. Denn diese Mechanismen sind stets in einer redundanten Anzahl präsent und können einander im Versagensfall kompensieren. Millikan betont, dass die teleofunktionalen Mechanismen nicht im Leben jedes Individuums einer Spezies auftreten müssten. Es genügt, dass sie in der Evolution der Spezies gelegentlich von Nutzen sind und bei Bedarf reaktiviert werden können. Zwar sei rationales Verhalten im Sinne einer für das Überleben vorteilhaften Adaptionsleistung biologisch erklärbar, doch gebe es vermutlich weder strikte Gesetze, mit denen menschliches Handeln vorausgesagt werden könne, noch existierten ceteris-paribus-Gesetze für das Verhalten aller Besitzer einer bestimmten teleofunktionalen Eigenschaft.

Dieser teleologische Ansatz trägt stark reduktionistische Züge; denn er führt die Zielgerichtetheit menschlichen Handelns mithilfe einer Theorie der natürlichen Selektion auf Überlebensvorteile zurück. Es dürften jedoch einige Hürden zu nehmen sein, um Handlungen zu erklären, die für die Reproduktion unerheblich sind und schwerlich auf Verhaltensdispositionen reduzierbar sind, die unseren Vorfahren Überlebensvorteile verschafft haben: Ins Café gehen, um Freunde zu treffen; Skifahren; Klavierspielen etc.

Anders gelagert sind teleologische Ansätze der zweiten Art, denen es direkt um die Erklärung individueller Handlungen geht. Hier spitzt sich die Debatte auf die Frage zu, ob es sich bei teleologischen Handlungserklärungen um einen eigenständigen Erklärungstyp handelt oder ob teleologische Erklärungen auf Kausalerklärungen zurückgeführt werden können oder zumindest durch sie ergänzt werden müssen.

Anstoß zur zweiten Position gibt eine Bemerkung in Davidsons Vorwort zum Sammelband seiner Aufsätze über Actions and Events: sowohl kausale als auch teleologische Erklärungen müssten sich häufig auf kausale Zusammenhänge berufen. So hat Alfred Mele zu zeigen gesucht, dass teleologische Erklärungen individueller Handlungen nur dann gute Erklärungen sind, wenn sie sich auf Kausalerklärungen reduzieren lassen: Ich gehe genau dann ins Café, um meine Freunde zu treffen, wenn der Wunsch, meine Freunde zu treffen, und die Überzeugung, die Freunde im Café anzutreffen, verursacht, dass ich ins Café gehe. Nur auf diese gleichsam kausalteleologische Art werde der richtige Grund isoliert und Davidson’s Challenge gemeistert. Doch habe ich Gründe angeführt, die Zweifel daran nähren, dass der Kausalismus dazu imstande ist.

Für die Irreduzibilität teleologischer Handlungserklärungen durch Gründe argumentiert Scott Sehons Teleological Realism (2005). Sein Verfahren zur Ermittlung des richtigen Erklärungsgrunds macht von einer Variante des Principle of Charity Gebrauch, das einem Akteur sowohl bei der Wahl seiner Handlungsziele als auch bei der Wahl der zur Erreichung dieser Ziele ausgeführten Handlungen größtmögliche Rationalität unterstellt. Sehon leitet aus diesem Grundsatz zwei teleologische Handlungserklärungsprinzipien ab.

Das erste Prinzip gebietet, das Ziel zu suchen, für dessen Realisierung die zu erklärende Handlung die optimal angemessene Strategie darstellt. Das zweite Prinzip fordert, das wertvollste Ziel zu suchen, das mit der zu erklärenden Handlung erreicht werden kann. Für beide Prinzipien gilt, dass die zu erklärende Handlung im Lichte einer Hintergrundtheorie der sonstigen intentionalen Einstellungen und Handlungsumstände der Akteurin betrachtet werden muss. Eine Handlung ist dann überzeugend teleologisch erklärt, wenn die Erklärung beiden Prinzipien hinreichend Rechnung trägt.

Teleologische Erklärungen stützen kontrafaktische Konditionale über naheliegende mögliche Welten. Wenn ich ins Café gehe, um meine Freunde zu treffen, statt um Kaffee zu trinken, wäre ich nicht ins Café gegangen, wenn ich sie anderswo vermutet hätte. In allgemeiner Form: Wäre durch die Handlung ein wertvolleres Ziel erreichbar gewesen, hätte die Akteurin – ceteris paribus – gehandelt, um dieses Ziel zu erreichen. Wäre eine andere Handlung die optimal angemessene Strategie gewesen, um das Handlungsziel zu erreichen, hätte die Akteurin – ceteris paribus – diese andere Handlung ausgeführt. Unterschiedliche teleologische Erklärungen desselben Verhaltens stützen also unterschiedliche kontrafaktische Konditionale. Dies ist die teleologische Antwort auf Davidsons Herausforderung.

Dazu bedürfen die Prinzipien allerdings einer Ergänzung durch ein Einfachheits- und ein Konservativitätsprinzip. Zwar mag es sein, dass das Herbeiführen eines Kurzschlusses die optimal angemessene Strategie ist, um ein Elektrogerät kaputt zu machen, und es kaputt zu machen das Beste, was man auf diese Weise bewerkstelligen kann. Doch kann dieses Verhalten nur dann als intentionales, zielgerichtetes und rationales interpretiert werden, wenn uns dies nicht in eine der nachfolgenden Konsequenzen treibt: eine massive Revision der Hintergrundtheorie und ihre erhebliche Verkomplizierung sowie eine Rationalisierung dieses einen Verhaltens um den Preis, dass die Akteurin insgesamt irrationaler erscheint. Somit ist ein Teleologe nicht gezwungen, solches Verhalten als zielgerichtet zu betrachten, das es intuitiv nicht ist.

Welche Ansätze präferieren Sie persönlich und aus welchen Gründen?

Ich sympathisiere mit Scott Sehons nichtreduktionistisch teleologischem Ansatz. Dieser liefert ein Verfahren, das mir geeignet erscheint, den Grund herauszufinden, aus dem der Akteur gehandelt hat und der die Handlung tatsächlich erklärt. Dabei kann er einen wichtigen Punkt für sich geltend machen. Teleologische Handlungserklärungen stützen kontrafaktische Konditionale und leisten damit etwas, was man sonst Kausalerklärungen zurechnet. Interessanterweise passen die Erklärungsprinzipien des Teleologischen Realismus und seine Variante des Principle of Charity zum Principle of Continence, das Davidson am Schluss von „How is Weakness of the Will Possible?“ (1970) entwickelt: „Vollziehe die Handlung, die auf der Basis aller verfügbaren relevanten Gründe als die beste beurteilt wird.“

Nun scheinen teleologische Ansätze allerdings einen gravierenden Nachteil aufzuweisen. Sie führen neben der Kausalerklärung für Ereignisse einen weiteren Erklärungstyp ein, der, von wenigen Ausnahmen abgesehen, auf nichts anderes als auf Handlungen angewandt werden kann. Unter einem erklärungsökonomischen Gesichtspunkt müssten kausalistische Theorien wegen ihrer Einfachheit vorgezogen werden. Ist mein zuvor skizzierter Einwand gegen den Kausalismus allerdings stichhaltig, dann betrifft er auch einen kausalteleologischen Ansatz, und wir müssen uns damit abfinden, dass Erklärungen für Ereignisse, die Handlungen sind, und solche, die keine sind, wechselseitig irreduzibel sind.

Wie ich es sehe, lauten zwei grundlegende Annahmen teleologischer Handlungserklärungen: (1) Akteure handeln im Großen und Ganzen aus normativen Gründen; so etwa, weil etwas geboten ist, weil ihnen an etwas liegt, weil ihnen etwas wichtig und am besten zu sein scheint, usw. (2) Ihr Handeln untersteht Angemessenheitsbedingungen.

Verhält sich das so, dann legt es sich als handlungstheoretisches Projekt nahe, teleologische als wertbasierte Handlungserklärungen zu reformulieren und zu präzisieren. Dabei sind Werturteile über Handlungsziele und Handlungsmittel ebenso zu berücksichtigen wie epistemische Werte wie Konsistenz, Kohärenz, Erklärungskraft und Einfachheit. Handlungen realisieren und offenbaren Wertorientierungen. Das zielgerichtete rationale Verhalten eines Akteurs wird durch Gründe erklärt, indem man den Wert ermittelt, auf dessen Realisierung sein Verhalten orientiert war.

Autor

Guido Löhrer ist Professor für Praktische Philosophie an der Universität Erfurt.

Literatur

Handlungserklärungen, hg. v. Guido Löhrer, Internationale Zeitschrift für Philosophie 17.1 (2008).

Constantine Sandis (Hg.), New Essays on the Explanation of Action, Basingstoke: Palgrave Macmillan 2009.

Christoph Horn / Guido Löhrer (Hg.), Gründe und Zwecke. Texte zur aktuellen Handlungstheorie, Berlin: Suhrkamp 2010.

Jesús H. Aguilar / Andrei A. Buckareff (Hg.), Causing Human Actions. New Perspectives on the Causal Theory of Action, Cambridge, MA: MIT Press 2010.

Timothy O’Connor / Constantine Sandis (Hg.), A Companion to the Philosophy of Action, Civester: Wiley-Blackwell 2010.

 

Quelle: Diese Rezension erschien unter www.information-philosophie.de (Editiert)