Kratylos ist der Name eines Dialogs von Platon. Die meisten modernen Gelehrten sind sich einig, dass er größtenteils in Platons so genannter mittlerer Periode geschrieben wurde.
In dem Dialog wird Sokrates von 2 Männern, Kratylos und Hermogenes, gebeten, ihnen zu sagen, ob Namen „konventionell“ oder „natürlich“ sind, d. h. ob die Sprache ein System willkürlicher Zeichen ist oder ob Worte eine innere Beziehung zu den Dingen haben, die sie bezeichnen.
Die Debatte spielt sich in antiken Athen ab, nähere Angaben zum Ort der Zusammenkunft werden nicht gemacht. Für die Datierung der fiktiven Handlung bietet der Text nur wenige Anhaltspunkte. Demnach fällt die Dialoghandlung in den Zeitraum 431 bis 421, also in die erste Phase des Peloponnesischen Krieges.
Der Kratylos gilt als eines der schwierigsten Werke Platons. In der neueren Forschung wird seine wegweisende Bedeutung für die europäische Sprachphilosophie gewürdigt: Die Überlegungen im Dialog erscheinen als Weichenstellung in eine Richtung, die schließlich zur modernen Zeichentheorie der Sprache führte.
Der Philosoph Kratylos (Mitte des 5. Jahrhunderts v. Chr.) war der erste intellektuelle Einfluss auf Platon. Aristoteles gibt an, dass dieser Platon beeinflusste, indem er ihm die Lehren des Vorsokratikers Heraklit vorstellte.
Zusammenfassung
Das Thema des Kratylos ist die Richtigkeit der Namen (περὶ ὀνομάτων ὀρθότητος), mit anderen Worten, es ist eine Kritik zum Thema der Namensgebung.
Bei der Erörterung einer ὄνομα (onoma) und ihrer Beziehung zu ihrem Gegenstand vergleicht Sokrates die ursprüngliche Schöpfung eines Wortes mit der Arbeit eines Künstlers: Ein Künstler verwendet Farbe, um das Wesen seines Gegenstandes in einem Gemälde auszudrücken. In ähnlicher Weise verwendet der Schöpfer von Wörtern Buchstaben, die bestimmte Laute enthalten, um das Wesentliche des Themas eines Wortes auszudrücken. Es gibt einen Buchstaben, der am besten für weiche Dinge geeignet ist, einen für flüssige Dinge und so weiter. Er kommentiert:
"Die beste Art zu sprechen besteht darin, Namen zu verwenden, die alle (oder die meisten) wie die Dinge sind, die sie benennen (d. h. ihnen angemessen sind), während die schlechteste Art darin besteht, die entgegengesetzte Art von Namen zu verwenden."
Eine Gegenposition, die von Hermogenes vertreten wird, lautet, dass die Namen durch Gewohnheit und Konvention entstanden sind. Sie drücken nicht das Wesen ihres Gegenstandes aus, so dass sie von den Individuen oder Gemeinschaften, die sie verwenden, gegen etwas anderes ausgetauscht werden können.
Die Grenze zwischen den beiden Sichtweisen ist oft fließend. Über die Hälfte des Dialogs stellt Sokrates auf Wunsch von Hermogenes Vermutungen darüber an, woher die Namen und Wörter stammen. Dazu gehören die Namen der olympischen Götter, personifizierte Gottheiten und viele Wörter, die abstrakte Begriffe beschreiben. Er untersucht, ob zum Beispiel die Benennung von „Strömen“ für Kronos und Rhea (Ροή - „Fluss“ oder „Raum“) rein zufällig ist.
"Glaubst du nicht, dass derjenige, der den Vorfahren der anderen Götter die Namen „Rhea“ und „Kronos“ gab, denselben Gedanken hatte wie Herakleitos? Glaubst du, dass er beiden die Namen von Strömen (ῥευμάτων ὀνόματα) nur zufällig gegeben hat?"
Der griechische Begriff „ῥεῦμα“ kann sich auf das Strömen eines beliebigen Mediums beziehen und ist nicht auf das Strömen von Wasser oder Flüssigkeiten beschränkt. Viele der Wörter, die Sokrates als Beispiele anführt, können von einer Idee herrühren, die ursprünglich mit dem Namen verbunden war, sich aber im Laufe der Zeit verändert hat. Bei den Wörtern, für die er keine Verbindung finden kann, nimmt er oft an, dass sie fremden Ursprungs sind oder sich so stark verändert haben, dass sie keine Ähnlichkeit mehr mit dem ursprünglichen Wort aufweisen. Er stellt fest:
„Die Namen sind auf alle möglichen Arten verdreht worden, so dass es mich nicht wundern würde, wenn uns die alte Sprache im Vergleich zu der heute gebräuchlichen als eine barbarische Sprache erscheinen würde.“
Die letzte Theorie über die Beziehung zwischen Namen und benanntem Objekt stammt von Kratylos, einem Schüler des Heraklit, der glaubt, dass Namen einen göttlichen Ursprung haben und daher notwendigerweise richtig sind. Sokrates weist diese Theorie zurück, indem er Kratylos an die Unvollkommenheit mancher Namen erinnert, wenn es darum geht, die Objekte zu erfassen, die sie bezeichnen sollen. Von diesem Punkt aus lehnt Sokrates schließlich das Studium der Sprache ab, da er es für philosophisch minderwertiger hält als das Studium der Dinge selbst.