Der Hannah-Arendt-Preis für politisches Denken wurde von der Heinrich-Böll-Stiftung und dem Bundesland Bremen ins Leben gerufen. Seit 1995 wird er jährlich an Personen verliehen, die nach Ansicht einer internationalen Jury einen Beitrag zum öffentlichen politischen Denken und Handeln in der Tradition der politischen Theoretikerin Hannah Arendt leisten. Zoltan Szankay war Initiator und einer der Stifter.
Ziele
Der 1994 ins Leben gerufene Arendt-Preis soll die öffentliche Debatte über kontroverse politische Themen anregen - ganz im Sinne von Hannah Arendt: „Es ist die Freiheit, die der Politik ihren Sinn verleiht“.
Hannah Arendts theoretisches und praktisches Engagement gegen totalitäre Regime spielt hier eine besondere Rolle; ihr Einsatz ist nach dem Ende des Kalten Krieges nicht in die Geschichte eingegangen, aber er bleibt aktuell, um eine Welt mit mehr Demokratie und Gerechtigkeit zu fördern.
Mit dem Preis wollen die Stifter nicht nur akademische Leistungen, sondern auch das Engagement in der Öffentlichkeit würdigen. Ausdrücklich heißt es:
„Wir ehren Menschen, die das Risiko eingegangen sind, in der Öffentlichkeit zu erscheinen, und die das Neue erkennen und es in einer Welt vermitteln, die scheinbar stillsteht“.
Vergabemodalitäten
Eine internationale Jury entscheidet jedes Jahr über die Vergabe des Preises. Er ist mit 10.000 Euro (seit 2019) dotiert und wird von der Heinrich-Böll-Stiftung und der Bremischen Bürgerschaft gestiftet.
Der rechtliche und politische Träger des Preises ist der Verein Hannah-Arendt-Preis für politisches Denken, der auch Konferenzen organisiert und Publikationen herausgibt.
Preisträger
Eine Liste der bisherigen Preisträger (die Links führen zur Biographie auf Wikipedia):
- 2023 Masha Gessen, russisch-amerikanischer Nationalität, journalistisch und schriftstellerisch tätig.
- 2022 Serhij Schadan, ukrainischer Schriftsteller, Dichter und Musiker (Buchveröffentlichungen unter der englischen Schreibweise Serhiy Zhadan)
- 2021 Jill Lepore, US-amerikanische Historikerin
- 2020 nicht vergeben
- 2019 Jerome Kohn, Freund und Mitarbeiter Arendts, und Roger Berkowitz, Politikwissenschaftler und Direktor des Hannah Arendt Center
- 2018 Ann Pettifor, südafrikanisch-britische Ökonomin
- 2017 Étienne Balibar, französischer Philosoph
- 2016 Christian Teichmann, deutscher Osteuropahistoriker
- 2014 Marija Aljochina und Nadeschda Tolokonnikowa, Mitglieder von Pussy Riot, sowie Jurij Andruchowytsch, ukrainischer Schriftsteller
- 2013 Timothy Snyder, US-amerikanischer Historiker
- 2012 Yfaat Weiss, israelische Historikerin
- 2011 Navid Kermani, deutsch-persischer Orientalist
- 2010 François Jullien, französischer Philosoph und Sinologe
- 2009 Kurt Flasch, deutscher Philosophiehistoriker
- 2008 Victor Zaslavsky, russischer Soziologe und Schriftsteller
- 2007 Tony Judt, britischer Historiker
- 2006 Julia Kristeva, französische Psychoanalytikerin, Philosophin und Schriftstellerin
- 2005 Vaira Vike-Freiberga, Präsidentin der Republik Lettland
- 2004 Ernst-Wolfgang Böckenförde, deutscher Rechtsphilosoph und Bundesverfassungsrichter a. D.
- 2003 Michael Ignatieff, kanadischer Journalist, Wissenschaftler, Essayist und politischer Denker
- 2002 Gianni Vattimo, italienischer Philosoph und Politiker
- 2001 Ernst Vollrath, deutscher politischer Philosoph und Daniel Cohn-Bendit, deutsch-französischer Politiker
- 2000 Jelena Bonner, russische Bürgerrechtlerin
- 1999 Massimo Cacciari, italienischer Philosoph und Politiker
- 1998 Antje Vollmer, deutsche Publizistin und Politikerin und Claude Lefort, französischer Philosoph
- 1997 Freimut Duve, deutscher Publizist, Herausgeber und Politiker und Joachim Gauck, deutscher Bürgerrechtler
- 1996 François Furet, französischer Historiker
- 1995 Agnes Heller, ungarische Philosophin
Organisation
Vorstand
- Bastian Hermisson
- Anke Kujawski
- Waltraud Meints-Stender
Jury
Mitglieder der Jury:
- Alexander Estis (Schweiz)
- Filipp Dzyadko, russischer Autor, Unterstützer von Memorial (lebt in Berlin im Exil)
- Ulrike Huhn (Bremen/Göttingen)
- Waltraud Meints-Stender (Hannover/Mönchengladbach)
- Ronya Othmann, Schriftstellerin und Journalistin (Leipzig)
- Cristina Sanchez (Madrid)
- Facundo Vega, Philosoph, Universidad Adolfo Ibáñez in Santiago (Chile), ICI Berlin
- Klaus Wolschner, Journalist, Medienwissenschaftler (Wien, Bremen)
ehemalige Mitglieder:
- Monika Tokarzewska (bis 2024, Toruń, Polen)
- Grit Straßenberger (bis 2024, Berlin/Bonn)
- Michael Daxner (bis 2024, Potsdam)
- Claudia Hilb (bis 2024, Buenos Aires)
- Antonia Grunenberg (bis 2024, Oldenburg/Berlin)
- Thomas Alkemeyer (bis 2022, Berlin/Oldenburg)
- Christian Volk (bis 2022, Berlin)
- Catherine Colliot-Thélène (bis 2022, Rennes, Frankreich)
Kritik
Das Präsidium der Jüdischen Gemeinde Bremen äußerte sich 2007 verärgert über die Verleihung des Preises an Tony Judt, dem sie antizionistische Propaganda vorwarf, was die Jury in ihrer Erklärung ignorieren wollte. Die Gemeinde kritisierte auch, dass die Preisverleihung an einem Freitagabend und die anschließende Ansprache an einem Samstagmorgen stattfand. Dies hätte die Teilnahme von Juden, die auf die Einhaltung des Shabbat bedacht sind, verhindert.