Die Medizinethik ist ein angewandter Zweig der Ethik, der sich mit der Praxis der (klinischen) Medizin und der damit verbundenen wissenschaftlichen Forschung befasst.
Die medizinische Ethik beruht auf einer Reihe von Werten, auf die sich Fachleute im Falle von Unklarheiten oder Konflikten berufen können. Zu diesen Werten gehören die Achtung der Autonomie, des Nicht-Malefiziums (Primum non nocere), des Benefiziums und der Gerechtigkeit. Diese Grundsätze können es Ärzten, Pflegern und Familien ermöglichen, einen Behandlungsplan zu erstellen und auf ein gemeinsames Ziel hinzuarbeiten. Diese 4 Werte sind nicht nach Wichtigkeit oder Relevanz geordnet, sondern umfassen alle Werte, die zur medizinischen Ethik gehören.
Es kann jedoch zu Konflikten kommen, die eine Hierarchie in einem ethischen System erforderlich machen, so dass einige moralische Elemente Vorrang vor anderen haben, um in einer schwierigen medizinischen Situation das beste moralische Urteil zu fällen. Die medizinische Ethik ist besonders relevant bei Entscheidungen über nicht freiwillige Behandlung und nicht freiwillige Einweisung.
Es gibt mehrere Verhaltenskodizes. Der Hippokratische Eid enthält grundlegende Prinzipien für Mediziner[5] und stammt aus dem fünften Jahrhundert v. Chr. Die Erklärung von Helsinki (1964) und der Nürnberger Kodex (1947) sind 2 bekannte und angesehene Dokumente, die zur medizinischen Ethik beitragen. In jüngster Zeit werfen neue Techniken für das Gen-Manipulation, die auf die Behandlung, Vorbeugung und Heilung von Krankheiten abzielen, wichtige moralische Fragen über ihre Anwendungen in der Medizin und bei Behandlungen sowie über die gesellschaftlichen Auswirkungen auf künftige Generationen auf.
Der Bereich der medizinischen Ethik umfasst sowohl die praktische Anwendung im klinischen Umfeld als auch wissenschaftliche Arbeiten in der Biologie, Philosophie, Geschichte und Soziologie.
Die Medizinethik umfasst Wohltätigkeit, Autonomie und Gerechtigkeit im Zusammenhang mit Konflikten wie Sterbehilfe, Vertraulichkeit von Patienten, Einwilligung nach Aufklärung und Interessenkonflikten im Gesundheitswesen. Darüber hinaus sind Medizinethik und Kultur miteinander verbunden, da verschiedene Kulturen ethische Werte unterschiedlich umsetzen, wobei manchmal mehr Wert auf familiäre Werte gelegt und die Bedeutung der Autonomie heruntergespielt wird. Daraus ergibt sich ein zunehmender Bedarf an kultursensiblen Ärzten und Ethikausschüssen in Krankenhäusern und anderen Einrichtungen des Gesundheitswesens.
Grundsätze
Das Modell kennt vier moralische Prinzipien, die als Grundlage für die Beurteilung medizinischer & bioethischer Fragen herangezogen werden sollen und die je nach den Umständen unterschiedlich gewichtet werden können. Die vier Grundsätze sind:
- Grundsatz der Autonomie: Der Patient hat das Recht, eine Behandlung abzulehnen und am Entscheidungsprozess teilzunehmen;
- Grundsatz des Wohlwollens: Die Angehörigen der Gesundheitsberufe müssen im besten Interesse des Patienten handeln;
- Grundsatz der Nichtschädigung oder primum non nocere: Angehörige der Gesundheitsberufe dürfen dem Patienten keinen Schaden zufügen;
- Grundsatz der Gerechtigkeit: Wenn die Ressourcen begrenzt sind, muss die Behandlung auf faire und gerechte Weise auf die Patienten verteilt werden.
Je nach den zu untersuchenden Fällen können weitere moralische Werte in den Rahmen aufgenommen werden:
- Respekt vor der Person: Sowohl der Patient als auch das Gesundheitspersonal haben das Recht, mit Würde behandelt zu werden;
- Wahrhaftigkeit und Ehrlichkeit: Patienten haben das Recht, vollständig und informiert über ihre Behandlung informiert zu werden.
Das Wertesystem erklärt nicht, wie man mit jeder möglichen Situation umzugehen hat, aber es bietet nützliche Richtlinien, um zu verstehen, wie man Konflikte entwirren kann. Wenn moralische Werte miteinander in Konflikt stehen, entstehen ethische Dilemmata. Es gibt Fälle, in denen es keine Lösung für ein ethisches Dilemma gibt, und in diesen Fällen stehen die moralischen Werte der medizinischen Gemeinschaft (z. B. des Krankenhauses und seines Personals) in Konflikt mit den Werten des Patienten, seiner Familie oder der Gemeinschaft. Manchmal können auch Konflikte zwischen Familienmitgliedern oder zwischen Leistungserbringern im Gesundheitswesen entstehen: So wurde beispielsweise der Notwendigkeit, gegenüber Familienmitgliedern ehrlich über den eigenen Gesundheitszustand zu sein, vor der HIV-Ära nicht viel Beachtung geschenkt; andererseits geraten die Grundsätze der Autonomie und der Wohltätigkeit in Konflikt, wenn ein Patient eine vom Gesundheitspersonal als lebenswichtig erachtete Transfusion ablehnt, wie im Fall der Zeugen Jehovas.
Philosophischer Ansatz
Die letzten 50 Jahre des 20. Jahrhunderts waren von enormen Entwicklungen in der Medizin geprägt. Diese Entwicklung und die Überalterung der niederländischen Bevölkerung haben zu einem Anstieg der Kosten für die medizinische Versorgung beigetragen. Der chronische Charakter von Alterskrankheiten lässt die Kosten noch weiter steigen. Sollte die medizinische Versorgung rationiert werden oder sollten Prioritäten gesetzt werden? Außerdem haben sich die technischen Möglichkeiten in den letzten Jahrzehnten stark verändert, und Begriffe wie "Lebensqualität" und Fragen wie "Soll alles möglich sein?" sind wichtig geworden.
Der Deutsche Ethikrat erfüllt eine Doppelfunktion als Dialogforum und Beratungsgremium. In seiner Funktion als ethisches Dialogforum soll der Deutsche Ethikrat gemäß seiner gesetzlichen Grundlage die fachwissenschaftlichen Diskurse zusammenführen und die gesellschaftliche Debatte insbesondere durch öffentliche Veranstaltungen fördern. In seiner Funktion als ethisches Beratungsgremium hat der Deutsche Ethikrat die Aufgabe, Stellungnahmen und Empfehlungen für politisches oder gesetzgeberisches Handeln zu erarbeiten.
Im September 1947 verfasste die Weltgesundheitsorganisation in Zusammenarbeit mit der UNESCO den Internationalen Kodex für Medizinische Ethik, der deutlich vom Geist der Nürnberger Prozesse beeinflusst war. Die Genfer Erklärung , wie sie in die Geschichte einging , legte zehn Regeln fest, die bei allen experimentellen Verfahren an Menschen befolgt werden müssen. Eine der Regeln besagte, dass die Zustimmung des Probanden eingeholt werden muss, ein Grundprinzip, das den Eckpfeiler der Medizinethik bildet.
Themen
Wichtige Themen der Medizinethik sind neben der Knappheit die Euthanasie (mit Fragen wie "Was ist ein gutes Sterben?" und "Darf ein Arzt bei der Herbeiführung eines guten Todes mitwirken?"), die Abtreibung (mit Fragen wie "Wann ist ein Lebewesen betroffen? ' und 'Wie weit reicht die Autonomie einer schwangeren Frau?'), Fragen der Organtransplantation (mit Fragen wie 'Wer entscheidet nach dem Tod?' und 'Kann jemand, der nicht spenden will, Organe erhalten?') und ethische Fragen im Zusammenhang mit den Möglichkeiten der Medizintechnik.
Euthanasie
Ursprünglich ist Euthanasie (von altgriechisch euthanasía: eû, "gut", thánatos, "Tod") die Tatsache, einen sanften Tod zu haben, sei er natürlich oder herbeigeführt. Der Begriff Euthanasie wird auch als "Sterbehilfe" bezeichnet.
In einem zeitgemäßeren und engeren Verständnis wird Euthanasie als eine Praxis (Handlung oder Unterlassung) beschrieben, mit der - insbesondere durch einen Arzt oder unter seiner Kontrolle4 - der Tod eines Menschen herbeigeführt werden soll, der an einer unheilbaren Krankheit leidet, die ihm unerträgliche seelische oder körperliche Leiden zufügt. Bei der aktiven Sterbehilfe denkt man meist an die aktive Sterbehilfe, bei der es um ganz andere ethische Fragen geht. Die Unterlassung der aktiven Sterbehilfe (passive Sterbehilfe) wird in den Ländern, in denen nur sie legal ist, umso differenzierter betrachtet, als die passive Sterbehilfe dem Begriff des Verzichts auf therapeutische Maßnahmen ähnelt.
Da die Praxis der Sterbehilfe sowohl philosophische als auch bioethische und rechtliche Aspekte umfasst, führen ihr genauer Inhalt und ihre Akzeptanz zu heftigen Kontroversen, Spaltungen und Debatten.
Die Sterbehilfe ist von der Beihilfe zum Suizid (oder dem assistierten Suizid) zu unterscheiden.
Pränataldiagnostik
Die Pränataldiagnostik (PND; zusammengesetzt aus lateinisch prae „vor“ und natal „geburtlich“, siehe pränatal, sowie Diagnostik) umfasst alle medizinischen Verfahren, die darauf abzielen, in utero beim Embryo oder Fötus eine schwerwiegende Erkrankung (z. B. eine genetische Anomalie oder eine angeborene Fehlbildung) zu erkennen, um den künftigen Eltern die Wahl zu lassen, ob sie die Schwangerschaft abbrechen oder nicht, und um eine bessere medizinische Versorgung der Erkrankung zu ermöglichen, wenn die Schwangerschaft fortgesetzt wird.
Die Pränataldiagnostik ist keine Präventivmedizin in dem Sinne, dass laut der französischen Gesundheitsbehörde Haute Autorité de Santé die Prävention darin besteht, das Auftreten, die Entwicklung oder die Verschlimmerung von Krankheiten oder Behinderungen zu verhindern. Klassischerweise wird zwischen Primärprävention, die im Vorfeld einer Krankheit wirkt (z. B. Impfung und Beeinflussung von Risikofaktoren), Sekundärprävention, die in einem frühen Stadium des Krankheitsverlaufs wirkt (Vorsorgeuntersuchungen), und Tertiärprävention, die auf Komplikationen und Rückfallrisiken wirkt, unterschieden.
Schwangerschaftsabbruch
Abtreibung ist definiert als die Unterbrechung des Schwangerschaftsprozesses, d. h. der Entwicklung, die bei der Empfängnis mit der Befruchtung einer Eizelle durch ein Spermium beginnt, wodurch ein Ei entsteht, die sich mit dem Wachstum des Embryos und später des Fötus fortsetzt und die normalerweise mit der Geburt eines neuen Individuums der Art abgeschlossen wird. Dieser Abbruch kann induziert oder spontan erfolgen.
Der Begriff Abort bezieht sich auf alle viviparen Arten. Er kann zum Tod des Fötus und zu seiner sofortigen Ausstoßung führen oder auch nicht.
Organtransplantationen
Eine Transplantation ist der Ersatz eines funktionsuntüchtigen oder völlig funktionsunfähigen Organs eines Patienten, in der Regel durch das eines Spenders. Zu den Organen, die transplantiert werden können, gehören Herz, Haut, Lunge, Nieren, Bauchspeicheldrüse, Hornhaut und Leber. Auch Teile von Organen wie Haut, Leber oder Knochenmark werden transplantiert.
Stammzelltransplantation
Eine Stammzelltransplantation, genauer gesagt eine Knochenmarktransplantation, ist ein Verfahren in der Medizin, das zur Behandlung von Blutkrebs wie Leukämie, Multiplem Myelom, Plasmazelldyskrasie, Lymphomen und einigen anderen Blutkrankheiten wie Thalassämie, Immunschwäche und aplastischer Anämie eingesetzt wird und in Zukunft auch bei anderen Krankheiten zum Einsatz kommen kann.
In der klinischen Praxis werden heute ausschließlich Blutstammzellen transplantiert. Blutstammzellen werden auch als hämatopoetische Stammzellen bezeichnet; daher die ans Englische angelehnte Kurzbezeichnung HSZT (für hämatopoetische Stammzelltransplantation).
Diese Transplantation wird, wie die Nieren- oder Bluttransplantation, durch einen lebenden Spender ermöglicht, der sein Organ in den meisten Fällen zur Verfügung stellt. In einigen Ländern erhält der Spender eine Vergütung; in vielen Staaten ist dies aufgrund des Grundsatzes der Nicht-Patrimonialität des menschlichen Körpers illegal1.
Gentherapie
Gentherapie ist das Einbringen von genetischem Material in (menschliche) Zellen als Teil einer medizinischen Behandlung der eigenen DNA. Bei Erbkrankheiten kann dieses genetische Material dazu dienen, eine Krankheit zu heilen, die durch ein nicht richtig funktionierendes Gen verursacht wird, indem ein gesundes Gen hinzugefügt wird. Die Gentherapie kann in Zukunft auch eingesetzt werden, um zusätzliche Gene hinzuzufügen, die zur Heilung komplexer Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen beitragen können. Eine andere Form der Gentherapie ist das Ausschalten krankheitsverursachender Gene durch RNA-Interferenz (RNAi).
Ursprünglich lag das Hauptaugenmerk auf der Behandlung von Stoffwechselkrankheiten, die durch das Fehlen eines bestimmten Enzyms verursacht werden; heute findet die meiste Forschungstätigkeit auf dem Gebiet der Behandlung vieler Krebsarten statt. Dies ist jedoch wahrscheinlich vor allem auf die Verfügbarkeit von Mitteln zurückzuführen: Für die Krebsforschung stehen sehr hohe Beträge zur Verfügung, während die betreffenden Stoffwechselkrankheiten jeweils sehr selten sind und der Markt für ein Medikament wahrscheinlich klein ist, auch wenn die Erfolgsaussichten in Form einer dauerhaften Heilung hoch sind.
Neuro-Enhancement
Neuroenhancement (kurz NE, umgangssprachlich oft auch unpräzise als Hirndoping bezeichnet) ist der Einsatz pharmakologischer oder nicht-pharmakologischer Methoden zur Verbesserung der kognitiven und affektiven Fähigkeiten gesunder Menschen, die nicht an einer psychischen Erkrankung leiden. Mittel oder Methoden des Neuroenhancements sollen kognitive, soziale, psychologische, stimmungsmäßige oder motorische Leistungen über das normale Maß hinaus bewirken.
Zu den pharmakologischen Neuroenhancement-Mitteln gehören Verbindungen, die als Nootropika gelten, wie Modafinil, Koffein, und andere Medikamente, die zur Behandlung von Menschen mit neurologischen Störungen eingesetzt werden.
Zu den nicht-pharmakologischen Maßnahmen zur Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten gehören Verhaltensmethoden (Aktivitäten, Techniken und Veränderungen), nicht-invasive Hirnstimulation, die zur Verbesserung kognitiver und affektiver Funktionen eingesetzt wird, und Gehirn-Maschine-Schnittstellen.
Arzt-Patient-Beziehung
Die Beziehung zwischen dem Arzt und seinem Patienten spielt in der medizinischen Praxis eine sehr wichtige Rolle und ist für eine qualitativ hochwertige medizinische Versorgung bei der Diagnose und Behandlung von Krankheiten unerlässlich. Die Beziehung zwischen Ärzten und ihren Patienten ist eine der Grundlagen der heutigen Medizinethik. Die meisten medizinischen Fakultäten lehren ihre Studenten schon früh, noch vor Beginn der praktischen Ausbildung im Gesundheitswesen, ein professionelles Verhältnis zu ihren Patienten zu pflegen, ihre Würde zu achten und ihre Privatsphäre zu respektieren.
Ethikkommissionen
Für die humanmedizinische Forschung wurden in Deutschland in den 1980er Jahren Ethikkommissionen bei den medizinischen Fakultäten oder bei den Landesärztekammern angesiedelt. Bei der Prüfung von Forschungsvorhaben orientieren sie sich an gesetzlichen Vorschriften und an den jeweiligen Berufsordnungen für Ärzte. Sie haben den Status eines beratenden Gremiums und werden nur auf Antrag tätig.
Die deutsche Bundesärztekammer hat 1995 eine Zentrale Ethikkommission eingerichtet: sie hat Stellungnahmen unter anderem zur Forschung mit Minderjährigen, zur (Weiter-)Verwendung von menschlichen Körpermaterialien, zur Stammzellforschung, zum Schutz nicht-einwilligungsfähiger Personen, zum Schutz persönlicher Daten in der medizinischen Forschung und zu Prioritäten in der medizinischen Versorgung veröffentlicht.
Seit 2001 besteht in Deutschland zur Aufarbeitung medizinethischer Fragestellungen im zivilgesellschaftlichen Diskurs ein politikberatendes Gremium in Form des Deutschen Ethikrats.